«Wenn es drauf ankommt, sitzt man zusammen und löst die Probleme»

Unbürokratische und rasche Unterstützung für Unternehmen und Erwerbstätige

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Es herrscht Ausnahmezustand – in der Schweiz ebenso wie in vielen anderen Staaten. Der Schutz der Bevölkerung und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Spitäler haben selbstverständlich erste Priorität. Aber es ist auch Aufgabe des Staates, alles Menschenmögliche zu tun, damit die Betriebe sich heute über Wasser halten und später wieder erholen können, dass die Arbeitsplätze hinübergerettet werden und dass Arbeitslose unterstützt werden, bis sie wieder ins Erwerbsleben zurückkehren können. Auch diese anspruchsvolle Aufgabe nimmt der Bundesrat mit bemerkenswertem Elan in Angriff.
Wir Rentner müssen uns bewusst sein, dass wir privilegiert sind. Die AHV und die Pensionskassen-Renten sind gesichert, so war kürzlich in den Radionachrichten zu hören. Anders geht es den Mitbürgern, die im Erwerbsleben stehen. Ihnen gilt heute die besondere Sorgfalt des Bundesrates, in Zusammenarbeit mit vielen Amtsstellen und Institutionen im Land. Es ist beeindruckend, wie schnell und unbürokratisch in der Schweiz staatliches Handeln möglich ist, wenn’s drauf ankommt. Die neuen Notmassnahmen im Bereich der Wirtschaft sollen hier zusammenfassend dargestellt werden.

Am 20. März 2020 hat der Bundesrat zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ein umfassendes Massnahmenpaket in der Höhe von 32 Milliarden Franken beschlossen. Zusammen mit den bereits am 13. März beschlossenen Massnahmen stehen damit insgesamt über 40 Milliarden Franken zur Verfügung. Zur raschen und unkomplizierten Umsetzung des Pakets wurden bereits am 25. März die notwendigen Beschlüsse gefasst. Die Stellungnahme von Bundesrat Ueli Maurer lesen Sie unten. Hier die wichtigsten Neuerungen:

Zahlungsaufschub und Kredite für Unternehmen: Faszinierendes Tempo

Den betroffenen Unternehmen kann für die Beiträge an die Sozialversicherungen ein vorübergehender, zinsloser Zahlungsaufschub gewährt werden. Für dem Bund geschuldete Steuern (zum Beispiel Mehrwertsteuer, Zölle) kann die Zahlungsfrist ohne Verzugszins bis zum 31.12.2020 erstreckt werden.1
Vor der Krise gut aufgestellte KMU haben Anspruch auf sofortige Überbrückungskredite. Die Nationalbank (SNB) versorgt die Banken mit Geld, diese gewähren den Unternehmen Kredite in der Höhe von bis zu 10 % ihres Umsatzes, der Bund übernimmt die Bürgschaft bis insgesamt 20 Milliarden Franken. Der Bundesrat wird beim Parlament den dazu notwendigen dringlichen Verpflichtungskredit beantragen.2 Diese und andere Notmassnahmen werden in der ausserordentlichen Session im Mai debattiert werden (siehe Kasten «Parlament will mitreden»).
Und nun das Faszinierende: Die Eckpunkte dieses anspruchsvollen Programms wurden vom Bundesrat am 20. März mit einer Notverordnung festgelegt. Bereits am 25. März, das heisst fünf Tage später (!), trat der Chef des Finanzdepartements, Bundesrat Ueli Maurer, vor die Medien, gemeinsam mit dem Präsidenten der SNB, dem Direktor der Finanzmarktaufsicht (Finma) und dem Präsidenten der Zürcher Kantonalbank (ZKB) als Vertreter der Banken. Sie gaben bekannt, dass sie in dieser kurzen Zeitspanne die praktische Umsetzung der Regelung möglich gemacht haben. Jeder von ihnen – und zahlreiche Helfer im Hintergrund – haben ihren Teil dazu beigetragen, damit die Kredite ab dem 26. März (dem nächsten Tag!) bei einer der 300 beteiligten Banken bezogen werden können. – Genaueres dazu lesen Sie in der Stellungnahme von Bundesrat Ueli Maurer.

«Ich glaube, das ist wirklich nur bei uns möglich, dass man das in so kurzer Zeit zusammenführen kann, und die Initiative der Banken ist wirklich grossartig. Das zeigt einfach, wir haben ein funktionierendes System, und wenn es drauf ankommt, dann sitzt man zusammen und löst die Probleme.» (Bundesrat Ueli Maurer)

Weniger Bürokratie bei Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit

Kurzarbeit:
Bereits haben zahlreiche Schweizer Unternehmen bei den Behörden Gesuche um Kurzarbeitsentschädigungen eingereicht. Damit sollen Arbeitnehmer, die infolge von Betriebsschliessungen oder Auftragseinbrüchen nicht mehr voll beschäftigt (und bezahlt) werden können, entschädigt werden. Hauptziel dieses Instruments ist die Erhaltung der Arbeitsplätze.
Der Bundesrat hat nun den Bezug der Entschädigung unter anderem ausgedehnt auf Temporärangestellte und Lehrlinge (letztere erhalten bei Arbeitsengpässen des Lehrbetriebs normalerweise den vollen Lehrlingslohn weiter; nun wird die Arbeitslosenversicherung einen Teil übernehmen, um die Arbeitgeber zu entlasten).
Ausserdem gilt ab sofort eine Reihe von administrativen Erleichterungen, zum Beispiel Aufhebung der Karenzfrist (Wartefrist) oder Verlängerung der Bewilligung für Kurzarbeit von 3 auf 6 Monate.3

Arbeitslosigkeit:
Die neuen Massnahmen dienen dazu, die administrative Belastung sowohl bei den Antragstellern als auch bei den kantonalen Behörden zu reduzieren, damit diese die Gesuche schnellstmöglich bearbeiten können.
Das Wichtigste für die Arbeitnehmer: Der Nachweis der Stellensuche fällt für die oft von einem Tag auf den anderen arbeitslosen Mitarbeiter (zum Beispiel Verkäuferinnen, Angestellte in Restaurants, Coiffeure) vorläufig weg – es gibt ja zurzeit kaum freie Stellen in diesen Branchen. Um Aussteuerungen aus der Arbeitslosenversicherung (das heisst Wechsel zur Sozialhilfe) zu vermeiden, erhalten alle anspruchsberechtigten Personen maximal 120 zusätzliche Taggelder.4
Mit gemischten Gefühlen nehmen wir zur Kenntnis, dass die Meldepflicht offener Stellen durch den Arbeitgeber an die öffentliche Arbeitsvermittlung vorübergehend aufgehoben wird. Damit wird es für die Betriebe einfacher, benötigtes Personal im Ausland zu suchen.5 Nach der Krise müssen wir Bürger darauf achten, dass die Arbeitgeber offene Stellen wieder zuerst im Inland ausschreiben müssen, handelt es sich doch um praktisch die einzige Umsetzung der Forderungen der Masseneinwanderungsinitiative durch das Parlament.

Längere Arbeitszeiten in den Spitälern

Im Gegensatz zu vielen anderen Erwerbstätigen hat das Personal in den Spitälern alle Hände voll zu tun. Hier setzt der Bundesrat in der heutigen Notsituation vorübergehend die Vorgaben des Arbeitsgesetzes zu den Arbeits- und Ruhezeiten ausser Kraft, weil es vielen Spitälern schlicht nicht möglich ist, diese strikt einzuhalten. Dies verbunden mit der Mahnung: «Oberstes Ziel ist es aber weiterhin, dafür zu sorgen, dass die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegefachpersonen, die Fach-angestellten und alle weiteren Personen, welche ihren wertvollen und engagierten Beitrag zur Bewältigung dieser ausserordentlichen Situation leisten, genügend geschützt sind.»6 Zu ihrem Schutz und zum Wohl von uns allen!

Auch Selbständigerwerbende, Kultur, Sport und Tourismus sind einbezogen

Inhaber von Restaurants oder Ladengeschäften sind heute ähnlich dran wie ihre Angestellten: Von einem Tag auf den anderen haben sie ihre Einnahmequellen verloren. Aber auch freischaffende Künstler sind betroffen, weil ihre Engagements annulliert werden oder weil sie eigene Anlässe absagen müssen.
Diese Selbständigerwerbenden sowie Eltern, die ihre Erwerbsarbeit unterbrechen müssen, um sich auf Grund der Schulschliessungen um ihre Kinder zu kümmern, erhalten Taggelder gemäss Erwerbsersatzordnung (EO): 80 % des Einkommens, maximal 196 Franken pro Arbeitstag.
Für Soforthilfe und Entschädigungen im Kulturbereich stellt der Bund für zwei Monate 280 Millionen Franken als erste Tranche zur Verfügung, für Sportorganisationen 100 Millionen. Im Tourismus werden bereits seit Februar 2020 Sofortmassnahmen umgesetzt, zum Beispiel zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Etwa 300 Millionen Franken sind im Rahmen der Regionalpolitik für Tourismusprojekte investiert, für Darlehen an die Hotellerie werden die Rückzahlungsfristen verlängert.7 

Fazit: Dank Schuldenbremse gerüstet für Krisenzeiten

Halten wir fest: Wir Schweizer haben im Gegensatz zu vielen anderen Menschen auf der Welt keinen Grund, uns zu beklagen. Tatsache ist, dass die Behörden das Menschenmögliche tun, um die Bevölkerung auch finanziell so gut wie möglich über die Zeit der Corona-Pandemie hinwegzubringen.
Erfreulich, aber selbstverständlich ist, dass praktisch die ganze Bevölkerung mitzieht und die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften mitträgt. Wie die Schweizer es eben gewohnt sind – der Staat sind wir. Tatsache ist auch, dass die Bundesfinanzen gut im Schuss sind und dass genügend Reserven für die jetzige Krise vorhanden sind, weil das Parlament über viele Jahre die Regeln der Schuldenbremse beachtet hat: Nicht mehr Ausgaben als Einnahmen über einen Konjunkturzyklus hinweg, oder anders gesagt: In guten Zeiten sparen für die schlechten Zeiten. In der direkten Demokratie hat dies das Volk so bestimmt, im Bund und in den Kantonen.   •

1  Seco – Staatssekretariat für Wirtschaft. «Corona-Virus: Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen.» Medienmitteilung vom 20.3.2020
2  Seco – Staatssekretariat für Wirtschaft. «Corona-Virus: Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen.» Medienmitteilung vom 20.3.2020
3  «Corona-Virus: Zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft.» Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.3.2020
4  «Corona-Virus: Zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft.» Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.3.2020
5  «Corona-Virus: Zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft.» Medienmitteilung des Bundesrates vom 25.3.2020
6  Seco – Staatssekretariat für Wirtschaft. «Corona-Virus: Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen.» Medienmitteilung vom 20.3.2020
7  Seco – Staatssekretariat für Wirtschaft. «Corona-Virus: Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen.» Medienmitteilung vom 20.3.2020

Parlament will mitreden – Sondersession vom 4.–8. Mai 2020 in der «Bernexpo»

mw. Der Nationalrat und der Ständerat haben ihre Frühjahrssession vorzeitig nach zwei Wochen abgebrochen, weil die Durchführung der dritten Woche (ab 16. März) in den eng bestuhlten Ratssälen zu riskant gewesen wäre. Die Sommersession findet erst vom 2.–19. Juni statt.
Damit das Parlament seinen verfassungsmässigen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten kann, haben am 25. März 28 Ständeräte (von 46) eine ausserordentliche Session beantragt. Dies sei kein Misstrauen gegenüber dem Bundesrat, so Ständerat Andrea Caroni (FDP, AR): «Vielleicht kommt das Parlament aber auch zum Schluss, dass es keine anderen als die bundesrätlichen Massnahmen braucht.»1 Auch der Bundesrat hat eine ausserordentliche Session beantragt.
Diese wird nun vom 4.–8. Mai stattfinden, aber nicht im Bundeshaus, sondern in der «Bernexpo», dem Messe- und Ausstellungsgelände in Bern. In der Medienmitteilung vom 26. März wird festgehalten: «Der Standort der Bernexpo erlaubt es, die geltenden Verhaltens- und Hygienevorschriften des Bundesamtes für Gesundheit während der Ratsdebatten einzuhalten.» Das Parlament wird die nachträgliche Genehmigung der vom Bundesrat beschlossenen Nachtragskredite diskutieren und eventuell weitere Massnahmen beschliessen.2

1Fluri, Lucien. «Ständeräte beantragen ausserordentliche Parlamentssession». In: St. Galler Tagblatt vom 26.3.2020
2 «Corona-Krise: Das Parlament tagt Anfang Mai in der Bernexpo.» Medienmitteilung des Parlaments vom 26.3.2020

Alle vier Sekunden wird irgendwo in der Schweiz eine Bürgschaft bewilligt

«Wir haben dem Parlament als Nachtragskredit 1 Milliarde Franken für Bürgschaftsverluste beantragt. 76 000 Gesuche sind bereits bewilligt, weitere werden kommen. Es handelt sich um Darlehen, für die der Bund bürgt. Es sind also noch keine Ausgaben des Bundes. […]
Es stellt sich auch immer wieder die Frage: Sind Bürgschaften das richtige Instrument? Es ist zweifellos nicht für alle das richtige Instrument, denn à fonds perdu-Beiträge könnten für einige besser sein. Aber ich verteile ja nur Ihr Steuergeld, und fremdes Geld zu verteilen ist immer relativ einfach. Daher ist der Weg: Wir gewähren Bürgschaften und versuchen dann Lösungen zu finden, wenn es irgendwo nicht geht, zweifellos der richtige im Moment. […]
Seit dem letzten Donnerstag wird durchschnittlich irgendwo in der Schweiz alle vier Sekunden eine Bürgschaft bewilligt – alle vier Sekunden.»

Bundesrat Ueli Maurer an der Medienkonferenz vom 3. April 2020

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