von Peter Küpfer
Am 6. März 2020 hat im Rahmen der regelmässig durchgeführten Kolloquien des französischen Senats ein Ereignis stattgefunden, das vermutlich noch weitere Kreise zieht. Auf dem Programm zu grundsätzlichen Fragen des französischen Staats, gerade auch umstrittenen, stand nämlich ein bisher noch nie geklärter Komplex der jüngsten Geschichte: die wirkliche Geschichte des Völkermords in Ruanda des Jahres 1994 und die Vorwürfe, die in diesem Zusammenhang gegen die französische Regierung erhoben wurden. Zeitzeugen, hohe Verantwortliche der damaligen französischen Regierung und Autoren entkräfteten viele dieser Vorwürfe mit Bezug auf die Fakten und heute zugängliche Archivdokumente. Das Kolloquium war aber auch wegen seines zweiten Schwerpunkts ein bemerkenswertes Ereignis. Zum erstenmal verschaffte nämlich das offizielle Frankreich an diesem Anlass auch gewichtigen Stimmen Gehör, welche die tragischen Ereignisse von 1994 seit Jahren anders gewichten als die offizielle ruandische Version. Das ruandische Drama ging in der von den Leitmedien seit Jahrzehnten kritiklos übernommenen «offiziellen» Version als Völkermord der Hutu-Mehrheit an der Tutsi-Minderheit in die jüngere Geschichtsschreibung ein. Kritiker und Zeitzeugen betonen gegenüber dieser einseitigen Sicht seit vielen Jahren, dass diese offiziell von der Regierung Kagame verbreitete Version wichtige historische Ereignisse auslässt. Die aktuelle ruandische Regierung unter dem Alleinherrscher Paul Kagame sieht sich als Erbe der Opfer des Völkermords. Damals fanden nahezu eine Million Ruander den Tod, die meisten von ihnen von fanatisierten Horden auf offener Strasse niedergemacht. Was nicht in den grossen Leitmedien steht, ist bisher nur von mutigen Zeitzeugen und auf eigene Faust aktiv gewordenen Autoren mit allerdings erdrückender Faktenlage belegt. Das Kolloquium im französischen Senat gab ihnen Gelegenheit, ihre diesbezüglichen Forschungen und daraus abgeleiteten Befunde öffentlich zu bezeugen. Der Anlass könnte zu einer dringend notwendigen differenzierteren Betrachtung führen, allerdings muss dazu die Perspektive entschieden verbreitert werden.
Die am Kolloquium präsentierten Fakten lassen sich so zusammenfassen: Es fand in Ruanda vor und nach den blutigen drei Monaten von April bis Juni 1994 ein weiteres systematisches Abschlachten Tausender von Opfern statt, diesmal begangen von den seither wieder allein an der Macht sich befindlichen Tutsi der Guerillaorganisation «Ruandische Patriotische Front» unter dem Befehl ihres damaligen Generals Paul Kagame, seit damals vom Westen unterstützter und bisher offiziell nie angefochtener ruandischer Diktator, der seit diesem Eroberungskrieg gegen die rechtmässige ruandische Ausgleichsregierung fest im Sattel seiner Alleinherrschaft sitzt. Damit fällt ein düsteres Licht auf eine Regierung, die sich rühmt, dem ruandischen Genozid endlich Einhalt geboten zu haben und sich seither nur in der Opferrolle präsentiert. Demgegenüber bezeugte das Kolloquium des französischen Senats mit einer Vielzahl von Interventionen namhafter Zeugen und Historiker: Ruanda kannte 1994 mehrere Völkermorde, nicht nur einen. Vom ersten Völkermord in Ruanda, begangen von den Tutsi an der Hutu-Zivilbevölkerung in den Monaten vor und nach ihrer gewaltsamen Machtergreifung, weiss die Öffentlichkeit bis heute kaum etwas – im Prinzip gilt auch hier: Wir wissen das, was unsere Medien bringen. Was sie verschweigen, entzieht sich weitgehend dem kollektiven Bewusstsein. Dies wurde an diesem 6. März 2020 ein weiteres Mal bewusst. Das Kolloquium entkräftete auch die Geltung der ebenfalls von Ruanda lauthals vertretenen Anklage, Frankreich habe die extremen Hutu-Milizen bewaffnet und trage damit eine schwere Verantwortung am ruandischen Völkermord.
Unterdrückte Wahrheiten
Die Durchführung des Kolloquiums wurde im Vorfeld heiss bekämpft, an vorderster Front von der heute fest im Sattel sitzenden Tutsi-Minderheitsregierung unter Diktator Paul Kagame. Die am Kolloquium auftretenden Zeitzeugen und Buchautoren wiesen darauf hin, dass für Kagame durchaus Grund besteht, die geschichtliche Wahrheit zu unterdrücken (siehe Kasten «Unheimlicher Friedensbringer»). In einem blutigen Krieg gegen die Ausgleichsregierung von Habyarimana, der von 1990 – 1994 dauerte, eroberte die RPF unter Kagames Führung im Sommer 1994 die Alleinherrschaft in Ruanda zurück. Dabei ging sie massiv gegen die fliehenden Restbestände der ruandischen Armee vor und verhaftete nach ihrem Sieg Funktionäre, Intellektuelle, Journalisten und Politiker der bisherigen Mehrparteienregierung, die meisten unter der Anklage, sie hätten den Völkermord unterstützt, welcher den Monaten und Wochen der RPF-Machtergreifung (unter Kagame) vorausging. Als Schlagwort kursierte die gefährlich verallgemeinernde Bezeichnung «génocidaire» (Völkermörder). Mit diesem Attribut belegt die Kagame-Regierung seit ihrer Machtergreifung jede kritische Stimme, die sich gegen sie richtet.
«Was nicht in den grossen Leitmedien steht, ist bisher nur von mutigen Zeitzeugen und auf eigene Faust aktiv gewordenen Autoren mit allerdings erdrückender Faktenlage belegt. Das Kolloquium im französischen Senat gab ihnen Gelegenheit, ihre diesbezüglichen Forschungen und daraus abgeleiteten Befunde öffentlich zu bezeugen.»
«Modellstaat» mit Schattenseiten
Seit die ruandische Ethnie der Tutsi-Minderheit (ca. 10 % der ruandischen Bevölkerung) nach einem vierjährigen Bürgerkrieg sich im Sommer 1994 unter Paul Kagame wieder als allmächtige Alleinpartei und Diktatur fest in Kigali etablierte, ist der Zwergstaat für westliche Mächte und Politiker aller Couleur einer der «modernen» afrikanischen Vorzeigestaaten geworden, die alles richtig machen, zumindest für westliche Augen. Dass seit 1994 Tausende von ehemaligen Angehörigen der ruandischen Armee, Journalisten, Politiker, Kulturschaffende und Intellektuelle in grauenhaften Zellen schmachten, wie am Kolloquium bezeugt wurde, nachdem sie in Schnellurteilen von den Siegern als «génocidaires» (Völkermörder) verurteilt worden sind; dass nur eine Partei regiert, diejenige des Diktators Paul Kagame, und jede Kritik als «Rassismus» denunziert wird, wussten bisher nur wenige, die sich nicht abhalten liessen, den historischen Fakten nachzugehen. Sie in Ruanda öffentlich zu benennen, kommt einem Selbstmord gleich. Als nur ein Beispiel dafür steht das Schicksal des in der ganzen Welt bekannten regimekritischen ruandischen Sängers und Poeten Kizito Mihigo, der sich in seiner Zelle angeblich erhängt haben soll. Seine engsten Vertrauten ziehen das in Zweifel und erheben den Vorwurf, er sei vom Regime «beseitigt» worden. Am Kolloquium sagte der ehemalige ruandische Botschafter der demokratisch gewählten Vorgängerregierung, Jean-Marie Vianney Ndagijima (heute im politischen Exil in Frankreich): «Der Tod Kizito Mihigos ist ein weiteres Beispiel für die Intoleranz des Regimes von Kigali.» Noch gewichtiger sind seine Aussagen zur Existenz des zweiten, bisher offiziell unbeachtet gebliebenen ruandischen Völkermords, begangen von denjenigen, die sich bis zum heutigen Tag nur in der Rolle der Opfer sehen: «Die Truppen der Ruandischen Patriotischen Front haben 1994 zwischen Juli und September 40 000 Personen massakriert. War das etwa kein Genozid?» Bei diesen nach der Machtergreifung der RPF Getöteten handelte es sich vorwiegend um Hutu und im Land gebliebene gemässigte Tutsi, die in den Jahren des ruandischen Bürgerkrieges für den Ausgleich der beiden ethnischen Gruppierungen eingetreten waren.
Belastende Zeugnisse
An der Tagung bezeugten auch zwei besonders mutige Autoren mit Hinweisen auf ihre eigene langjährige Forschungsarbeit, dass die schmerzliche jüngere Geschichte Ruandas zwei Seiten hat. Der eine ist Charles Onana, Journalist und Buchautor mit kamerunischen Wurzeln und heute nach Kanada emigrierter Historiker mit Universitätsabschluss (Doktorat). Er hat inzwischen öffentlich zugängliche amerikanische, afrikanische und Uno-Archive durchforscht und Gespräche mit faktenkundigen Personen geführt, unter anderem mit Richtern, denen die entsprechenden Dossiers entzogen worden sind. Seine mit vielen Fakten ausgestatteten Bücher über das ruandische Drama beleuchten die Verbrechen gegen die Menschheit und andere schwere Verbrechen, nennen die Täter beim Namen und auch diejenigen, welche die Greueltaten planten und deckten. Der Autor vertritt dabei markante Gegenthesen zur offiziellen Version, die inzwischen von zahlreichen Zeitzeugen und Forschern geteilt werden. Man kann sie wie folgt zusammenfassen:
Es ist unbestritten, dass das Attentat vom 6. April 1994 auf den damals regierenden demokratisch gewählten Ausgleichspräsidenten Juvénal Habyarimana die Schlächtereien in Kigali und dann im ganzen Land ausgelöst haben. Bei der Landung auf dem Flughafen von Kigali wurde das präsidiale Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete getroffen und stürzte ab. Im Flugzeug befanden sich neben dem ruandischen Präsidenten auch der Oberkommandierende der ruandischen Armee, weitere ruandische hohe Offiziere sowie Cyprien Ntaryamira, der amtierende Präsident Burundis, sowie die französische Crew. Sie alle kamen bei dem professionell durchgeführten Attentat ums Leben. Die Urheber des Attentats wurden nie identifiziert, die bestehenden detaillierten Anklagedossiers schubladisiert. Nur Stunden, nachdem die Nachricht des Attentats auf den ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana verbreitet wurde (ein Hutu, der auch noch in den Bürgerkriegsjahren eine Politik des Ausgleichs aller Bevölkerungsgruppen betrieben hatte), gingen noch in der gleichen Nacht die gezielten Tötungsaktionen extremistischer Hutu (die berüchtigten Interahamwe) los und entfalteten in den nächsten Tagen und Wochen ihre apokalyptischen Ausmasse. Onana führt in seinen Büchern eine faktenreiche Indizienkette an, die den Schluss zulässt: Die bis heute unbestraften Täter des Attentats waren eine Spezialgruppe der RPF, kommandiert vom Generalstab unter Kagame, wenn nicht von ihm selbst. Wenn dies so ist, und sehr vieles spricht dafür, dann hat der jetzige ruandische Staatspräsident selbst den Genozid an den Angehörigen seiner eigenen ethnischen Gruppe, den Tutsi, ausgelöst. Denn der erfahrene Söldnergeneral und ehemalige ruandische Geheimdienstgeneral war über jedes Detail informiert, das sich in der Endphase «seines» Krieges zur Rückeroberung der Macht in der ruandischen Hauptstadt Kigali tat. Er wusste genau, was nach einem solchen Attentat geschehen würde: dass dann das schon lang vorbereitete Schlachten der Hutu gegen die der Tat verdächtigen Tutsi (Die RPF war in all den Kriegsjahren kompromisslosester Gegner der Verständigungspolitik von Habyarimana gewesen!) losgehen würde, wie es dann auch der Fall war. Trotzdem – oder muss man sogar sagen: gerade deshalb? – hat er es ausgelöst.
Straflos gebliebene Täter
Eine zweite unermüdliche und mutige Erforscherin des aufgezwungenen Dunkels ist die kanadische Autorin Judy Rever. Auch sie konfrontierte die Teilnehmer des Kolloquiums mit ihren Ergebnissen. Die Journalistin arbeitete mit Spezialgebiet Afrika bei Radio France International und Agence France Press und hat vor einem Jahr ein vielbeachtetes Buch über die zur Debatte stehenden Ereignisse veröffentlicht. Sein Titel: «In Praise of Blood. The Crimes of the Rwandan Patriotic Front». Darin bestärkt die Afrika-Spezialistin Charles Onanas Vorarbeit und weitet sie auf die noch ganz im Dunkeln liegende, gleichermassen höchst düsterere Geschichte dessen aus, was viele Zeugen der RPF vor und nach ihrer Rückeroberung der Macht in Ruanda vorwerfen: Ab den ersten Kriegsjahren und Rückeroberungen ruandischer Gebietsteile habe die Front in den von ihr «befreiten» Gebieten systematisch Angehörige der Hutu in Massenexekutionen buchstäblich «liquidiert» und damit in Ruanda Hassgefühle und Ängste geschürt. Die Ereignisse des Völkermords an den Tutsi waren von diesen Emotionen geprägt und finden so teilweise eine Erklärung (nicht zu verwechseln mit ihrer Rechtfertigung!). Noch drastischer: Gestützt auf Zeitzeugen und die Dokumente ernsthafter kongolesischer Menschenrechtsgruppierungen und zahlreicher ausführlicher Uno-Berichte (ohne Folgen!) kommt Judy Rever zum Schluss: Beim Blitzkrieg von Laurent Désiré Kabila und seiner AFDL, begonnen im November 1996 mit der Einnahme von Goma, Bukavu und dem ganzen Kivu (Ostprovinz der Demokratischen Republik Kongo), ein Krieg gegen den Kongo, der ein Jahr später zum Sturz von Mobutu führte, hatte in Wirklichkeit die ruandische Regierung unter Kagame, einem «Experten» in der Führung eines modernen Dschungelkrieges, die militärische Führung inne. Rever erwähnt, weite Teile dieser fälschlicherweise als «Rebellen» bezeichneten Allianz seien neben amerikanischen Beratern und ugandischen Offizieren mit militärisch erfahrenen ruandischen Einheiten der ehemaligen RPF bestückt gewesen. Diese Armee beschoss nicht nur die Flüchtlingslager rund um Goma und Bukavu, in welche sich Hundertausende von Hutus nach der Machtübernahme der Tutsi 1994 panikartig geflüchtet hatten, sie trieb danach die Überlebenden zu Tausenden in den Dschungel, verfolgte sie und liquidierte sie systematisch, ohne dass die inzwischen auch im Kongo zu Rang und Namen gekommenen Täter (wie Vater und Sohn Kabila, aber auch der von ihnen zum Oberbefehlshaber der kongolesischen Armee ernannte Jame Kabarébé, Intimfreund und politischer Ziehvater von Joseph Kabila) sich je vor Gericht für ihre Verbrechen gegen die Menschheit hätten verantworten müssen. Die Zahl der so zu Tode gekommenen Hutu-Flüchtlinge soll nach Berechnungen des Uno Hochkommissariats in die Hunderttausende gehen. Sämtliche Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen dieses weiteren ungeheuerlichen Verbrechens gegen die Menschheit, viele von ihnen hohe Amtsträger der gegenwärtigen ruandischen und kongolesischen Regierung, verliefen bisher im Sande.
Über Judy Revers Buch urteilt ein Leser, der lange in Burundi lebte und die Ereignisse in Ruanda aufmerksam mitverfolgte, mit folgenden Worten:
«Dass es in Ruanda 1994 einen grausamen Völkermord an Ruandas Tutsis gab, bezweifelt weder die Autorin noch sonst jemand. Rever zeigt jedoch auf, wie Kagames Invasion in Ruanda von 1990 und die Massaker, die seine RPF im Norden des Landes an Hutus verübte, das Land destabilisierte und Hass und echte Angst unter Hutus schürte. War Kagame nicht bewusst, dass diese Invasion und dann der Abschuss des Flugzeuges von Präsident Habyarimana am 6. April 1994 (der nach wichtigen Indizien der RPF zugeschrieben werden muss) in einer Gewalt-explosion enden würde? […] An den schrecklichen Völkermord an Tutsis schlossen sich dann ethnische Säuberungsaktionen und üble Massaker der RPF an Hutus an, später auch unter den nach Zaïre [heute Demokratische Republik Kongo, Anm. d. A.] geflohenen Hutus, die über eine Zerschlagung der dortigen Interahamwe-Strukturen, die man rechtfertigen würde, weit hinausgingen. Die Gesamtzahl der Hutu-Opfer steht derjenigen des Völkermordes an Tutsis möglicherweise nicht sehr viel nach. Kagames von ihm selbst äusserst sorgfältig gepflegtes Image als edler Retter Ruandas bedarf einer Korrektur. Dieses Buch musste geschrieben werden.» (Walter Leuchs, 9.4.2019, publiziert auf der Webseite des Verlags) •
Literatur zum Thema:
pk. Paul Kagame, der heutige Staatspräsident Ruandas, dem westliche Regierungen gerne den roten Teppich ausrollen (ausser Frankreich, wo er Gefahr läuft, als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt zu werden), wuchs wie viele Söhne einflussreicher Tutsi-Familien in Uganda auf. Sie sahen bei der Staatsgründung des nachkolonialen Ruanda 1962 (mit seiner nun republikanischen Verfassung) keine Chance mehr für ihre jahrhundertelang bestehende Minderheiten-Eliteherrschaft und gingen nach Uganda ins Exil. Wie viele exilierte junge Tutsi der zweiten Generation in Uganda trat auch der junge Paul Kagame früh der ugandischen Armee bei und erlangte in Yoweri Musevenis Geheimdienst den Rang des Vizedirektors. Museveni ist der von den USA und Grossbritannien ebenfalls hofierte Alleinherrscher Ugandas, der wie sein «Schüler» Kagame durch Waffengewalt an die Staatsspitze gelangte. Kagame wurde in den ersten Jahren des «Bürgerkriegs» (es war in Wahrheit ein von Uganda unterstützter Rückeroberungskrieg der exilierten ehemaligen Tutsi-Elite an die Macht) auf einer amerikanischen Elite-Militärschule zum nachmaligen gefürchteten Guerillakämpfer ausgebildet und von dort direkt an die Front im ugandisch-ruandischen Grenzgebiet zurückgeschickt. Dort stellte er sich sofort an die Spitze der inzwischen gegründeten Guerillaarmee zur Rückeroberung der Tutsi-Macht in Ruanda, der dann Angst und Schrecken säenden «Ruandischen Patriotischen Front» (RPF). Viele Experten halten Kagame für das Hirn, den Urheber und den Hauptverantwortlichen für das Flugzeugattentat vom 6. April 1994, welcher das Blutvergiessen der folgenden Wochen und Monate auslöste.
pk. In französischsprachigen Medien wurde der dringliche Appell von Tedros Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), ausführlich wiedergegeben und kommentiert (Pressekonferenz vom 18. März 2020). Politische Beobachter weisen schon länger darauf hin, dass die Gesundheitssysteme vieler afrikanischer Staaten überfordert sind. Einige halten die neue Bedrohung durch das Covid 19-Virus deshalb für eine «Zeitbombe, welche den ganzen Kontinent bedroht». Diesen warnenden Stimmen schliesst sich auch der Generaldirektor der WHO an.
Ghebreyesus qualifiziert das Virus als Bedrohung für die Menschheit. Wörtlich sagte der Direktor der Weltgesundheitsorganisation, «die afrikanischen Staaten könnten von einer noch nie dagewesenen gesundheitlichen Katastrophe heimgesucht werden». Neben dem Mangel an prophylaktischem und medizintechnischem Material, wie zum Beispiel Masken oder Atemgeräten, stellen auch die bestehenden Realitäten in vielen afrikanischen Grossstädten eine wirksame Prophylaxe vor grosse Probleme. Sie sind sozialer, aber auch wirtschaftlicher Natur. Sachverständige erwähnen in diesem Zusammenhang enge Wohnverhältnisse sowie die generelle Kontaktnähe im afrikanischen Alltag. In vielen Gebieten ist die Lebensmittelversorgung schon jetzt prekär. Bereits erfolgte Stillegungen von Industrieanlagen verschärften die Arbeitslosigkeit. Die offiziellen Zahlen der von Corona Betroffenen (sie weisen im Moment auf erstaunlich wenig Infizierte hin) werden von Experten angezweifelt. Andere machen auf den zunehmenden Wassermangel infolge der Klimaerwärmung aufmerksam: «Wir sollen uns flei-ssig die Hände waschen – aber wir haben kein Wasser», so eine medizinische Pflegerin in einem Spital in Zimbabwe. In Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse und der schlechten Wirtschaftsprognosen gerade auch für Afrika halten Finanzexperten einen Schuldenschnitt sowie Zinsaufschübe für zahlreiche afrikanische Länder für dringend geboten. In einem Interview, veröffentlicht in der «Neuen Zürcher Zeitung» (29.4.2020), bedauert der Direktor des Tropeninstituts der Universität Basel, Christian Lengeler, dass die für 2020 geplante Breitenaktion zur Prophylaxe gegen die hartnäckige Geisel Afrikas, die Malaria, wegen finanzieller Engpässe nun nicht so durchgeführt werden kann wie geplant. Wenn die Prophylaxeaktion mittels der breiten Propagierung und Zurverfügungstellung von Mückennetzen nicht greife, so könnten auch die Malariaerkrankungen in nächster Zeit sprunghaft ansteigen. Wenn dann die Spitalbetten in den Notfallabteilungen infolge Zunahme von Corona-Erkrankten knapp würden, sei das Gesundheitssystem der betroffenen Länder zusätzlich bedroht. Negativ wirke sich auch aus, dass die Bevölkerung in vielen afrikanischen Staaten ihren Behörden nicht traue und deshalb die Prophylaxe-Anordnungen bezüglich von Corona-Ansteckungen nicht oder wenig konsequent befolge.
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