«Ein paar Worte über den Sinn und den Inhalt der russischen Politik auf der internationalen Bühne»

Der aussenpolitische Teil der Rede Wladimir Putins zur Lage der Nation

zf. Am 21. April 2021 hielt der russische Präsident Wladimir Putin seine alljährliche Rede zur Lage der Nation vor den beiden Gesetzgebungsorganen der Landes, dem Föderationsrat und der Staatsduma, die zusammen die Föderationsversammlung bilden. Die Rede dauerte mehr als eine Stunde und war in der Hauptsache innenpolitischen Themen gewidmet. Erst am Ende ging der Präsident kurz auf aussen- und sicherheitspolitische Fragen ein. Wir dokumentieren diesen Teil der Rede in deutscher Übersetzung.

«Am Ende möchte ich auch ein paar Worte über den Sinn und den Inhalt der russischen Politik auf der internationalen Bühne sagen. Sinn und Inhalt unserer Politik bestehen darin, Frieden und Sicherheit für das Wohlergehen unserer Bürger und für die stabile Entwicklung unseres Landes zu gewährleisten. Russland hat natürlich Interessen, die wir im Rahmen des Völkerrechts verteidigen und für die wir einstehen werden, so wie es auch andere Staaten der Welt tun. Und wenn jemand diese offensichtliche Sache nicht verstehen, keinen Dialog führen will, sondern einen egoistischen und arroganten Ton wählt, wird Russland immer einen Weg finden, für seine Position einzustehen.
  Gleichzeitig scheinen sich alle auf dieser Welt leider an die Praxis politisch motivierter, illegaler Wirtschaftssanktionen gewöhnt zu haben, an die groben Versuche einiger, anderen ihren Willen mit Gewalt aufzuzwingen. Aber heute wird diese Praxis in etwas viel Gefährlicherem wiedergeboren – ich meine den jüngsten Versuch, einen Staatsstreich in Weissrussland und die Ermordung des Präsidenten dieses Landes zu organisieren. Es ist bezeichnend, dass der versammelte sogenannte Westen selbst solche ungeheuerlichen Aktionen nicht verurteilt. Niemand dort hat davon Kenntnis genommen. Jeder tut so, als sei überhaupt nichts passiert.

Putsche zu organisieren, das ist zu viel

Aber hören Sie, man kann zum Beispiel zum Präsidenten der Ukraine Janukowitsch oder zu Maduro in Venezuela stehen, wie man will. Ich wiederhole, man kann zu Janukowitsch, der mit Hilfe eines bewaffneten Putsches von der Macht entfernt wurde und der auch fast ermordet worden wäre, stehen, wie man will. Man kann jede Meinung über die Politik des Präsidenten von Weissrussland, Alexander Lukaschenko, haben. Aber die Praxis, Putsche zu organisieren, Pläne für politische Morde, einschliesslich hochrangiger Vertreter von Staaten – nun, das ist zu viel, es wurden bereits alle Grenzen überschritten.
  Und was alleine die Geständnisse der inhaftierten Teilnehmer der Verschwörung aussagen, dass sie die Blockade von Minsk geplant haben, einschliesslich der städtischen Infrastruktur und Kommunikationsmittel, die vollständige Abschaltung des gesamten Stromnetzes der Hauptstadt von Weissrussland! Das bedeutet übrigens, dass in Wahrheit Vorbereitungen für einen massiven Cyberangriff gelaufen sind. Was denn sonst? Wissen Sie, man kann das nicht tun, indem man einfach einen Schalter umlegt.
  Die westlichen Kollegen lehnen die zahlreichen russischen Vorschläge zur Aufnahme eines internationalen Dialogs auf dem Gebiet der Informationstechnik und Cybersicherheit hartnäckig ab. Wir haben das schon oft vorgeschlagen. Aber sie alle weigern sich, über das Thema auch nur zu reden.
  Und was wäre passiert, wenn der Putschversuch in Weissrussland wirklich durchgeführt worden wäre? Das wäre ja fast geschehen. Wie viele Menschen wären zu Schaden gekommen? Wie hätte sich das Schicksal von Weissrussland im Ganzen entwickelt? Darüber denkt niemand nach.
  So, wie auch niemand über das Schicksal der Ukraine nachgedacht hat, als in dem Land der Putsch durchgeführt wurde.

Die unfreundlichen Aktionen gegen Russland hören nicht auf

Gleichzeitig hören auch die unfreundlichen Akte gegen Russland nicht auf. In einigen Ländern ist es ein Brauch geworden, bei jeder Gelegenheit, und meistens grundlos, Russland anzugreifen. Das ist ein Sport geworden, eine neue Sportart, wer die lautesten Erklärungen abgibt.
  Wir verhalten uns in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend, ich sage es direkt und ohne Ironie, wir verhalten uns bescheiden. Oft reagieren wir überhaupt nicht, nicht nur nicht auf unfreundliche Aktionen, sondern auch nicht auf offene Unverschämtheiten. Wir wollen gute Beziehungen zu allen Teilnehmern der internationalen Gemeinschaft haben. Aber wir sehen, was in Wirklichkeit geschieht: Wie gesagt, Russland wird grundlos hier und da angegriffen. Und natürlich werden sie wie  Shir Kahn [der Tiger im Dschungelbuch] von allen möglichen kleinen Tabaquis [Schakalen] umkreist, die heulen wie bei Kipling, um ihren Herrscher zu besänftigen. Kipling war ein grossartiger Schriftsteller.1
  Wir wollen wirklich gute Beziehungen zu allen Teilnehmern der internationalen Gemeinschaft haben, übrigens auch zu denen, zu denen die Beziehungen zurzeit – gelinde gesagt – nicht so gut sind. Wir wollen wirklich keine Brücken abbrechen. Aber wenn jemand unsere guten Absichten als Gleichgültigkeit oder Schwäche wahrnimmt und beabsichtigt, diese Brücken vollständig abzubrechen oder sogar in die Luft zu sprengen, sollte er wissen, dass Russlands Antwort asymmetrisch, schnell und hart sein wird.
  Die Organisatoren jeglicher Provokationen, die unsere grundlegenden Sicherheitsinteressen bedrohen, werden das Getane bereuen, wie sie schon sehr lange nichts mehr bereut haben.

Rote Linien

Gleichzeitig haben wir, das muss ich deutlich sagen, genug Geduld, Verantwortung, Professionalität, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit in die Richtigkeit unserer Position und gesunden Menschenverstand, wenn es darum geht, jedwede Entscheidungen zu treffen. Aber ich hoffe, dass niemand Russlands sogenannte rote Linien überschreiten wird. Und wo sie verlaufen, legen wir in jedem konkreten Fall selbst fest.
  Wie es in den jährlichen Reden an die Nation üblich ist, muss ich auch heute wieder erwähnen, dass die Verbesserung und qualitative Stärkung der russischen Streitkräfte ständig weitergeht. Besondere Aufmerksamkeit widmen wir der Entwicklung der militärischen Ausbildung, und zwar sowohl in den Einrichtungen für militärische Ausbildung als auch auf der Grundlage militärischer Ausbildungszentren an zivilen Universitäten.
  Bis 2024 wird der Anteil moderner Waffen und Ausrüstung bei den Truppen bei fast 76 Prozent liegen, das ist ein sehr guter Indikator. Und bei der nuklearen Triade wird er schon in diesem Jahr bei über 88 Prozent liegen.
  Die neuesten interkontinentalen Hyperschallraketen vom Typ «Avangard» und der Laser-Kampfkomplex «Peresvet» sind bereits in Dienst gestellt, und das erste Regiment, voll ausgestattet mit den schweren Interkontinentalraketen vom Typ «Sarmat», wird Ende 2022 nach Plan einsatzbereit sein.
  Die Zahl der Hyperschallraketen vom Typ «Kinzhal» wird erhöht. Die Zahl der Schiffe, die mit diesen genannten Präzisions-Hyperschallwaffen und mit den Marschflugkörpern «Kalibr» ausgerüstet sind, nimmt weiter zu. In naher Zukunft werden Hyperschallraketen vom Typ «Zirkon» in Dienst gestellt. Die Arbeit an anderen hochmodernen Systemen, darunter «Poseidon», «Burevestnik» und andere Systeme, läuft nach Plan.

Einladung zur Abrüstung

Als führendes Land bei der Entwicklung von Kampfsystemen der nächsten Generation, bei der Entwicklung moderner Nuklearstreitkräfte, fordert Russland die Partner erneut auf, Fragen im Zusammenhang mit der strategischen Rüstung zu erörtern, um die globale Stabilität zu gewährleisten. Das Ziel solcher Verhandlungen könnte darin bestehen, ein Umfeld konfliktfreier Koexistenz auf der Basis gleicher Sicherheit zu schaffen, das nicht nur traditionelle strategische Waffen wie Interkontinentalraketen, schwere Bomber und U-Boote abdeckt, sondern auch, wie ich betonen möchte, alle offensiven und defensiven Systeme, die in der Lage sind, strategische Aufgaben zu lösen, unabhängig von ihrer Ausrüstung.
  Die Atomstaaten tragen hier eine besondere Verantwortung. Ich hoffe, dass die russische Initiative zum persönlichen Treffen der Staats- und Regierungschefs – der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, was wir letztes Jahr vorgeschlagen haben – umgesetzt wird, und dass es stattfinden wird, sobald die epidemiologischen Bedingungen dies zulassen.

Offen für eine breite zwischenstaatliche Zusammenarbeit

Russland ist immer offen für eine breite zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Wir haben uns stets für die Erhaltung und Stärkung der Schlüsselrolle der Vereinten Nationen in der Weltpolitik eingesetzt. Wir sind entschlossen, zur Lösung regionaler Konflikte beizutragen, und haben bereits viel getan, um die Lage in Syrien zu stabilisieren und einen politischen Dialog in Libyen in Gang zu setzen. Russland hat, wie Sie wissen, eine wichtige Rolle bei der Beendigung des bewaffneten Konflikts in der Region Berg-Karabach gespielt.
  Auf der Grundlage gegenseitigen Respekts bauen wir Beziehungen mit der überwiegenden Mehrheit der Staaten der Welt auf: in Asien, Lateinamerika, Afrika und mit vielen europäischen Ländern. Konsequent und vorrangig erweitern wir die Kontakte zu unseren engsten Partnern in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, zu den BRICS-Staaten, zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und den Verbündeten der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.
  Unsere gemeinsamen Projekte im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion zielen darauf ab, das Wachstum der Wirtschaft und das Wohlergehen der Bürger zu gewährleisten. Gleichzeitig zeichnen sich hier interessante neue Trends ab, wie die Entwicklung von Transport- und Logistikkorridoren. Ich bin sicher, dass sie zu verlässlichen Infrastrukturrahmen der grossen eurasischen Partnerschaft werden. Die russischen Ideen dieser breiten offenen Vereinigung werden bereits in der Praxis umgesetzt, unter anderem durch die Konsolidierung mit anderen Integrationsprozessen.
  All dies sind keine spekulativen geopolitischen Konstruktionen, sondern praktische Instrumente zur Lösung der Probleme der nationalen Entwicklung.»  •

Quelle: http://kremlin.ru/events/president/news/65418 vom 21.4.2021

1 Wladimir Putin bezieht sich hier auf das «Dschungelbuch» von Rudyard Kipling.

(Übersetzung https://www.anti-spiegel.ru/2021/putin-im-o-ton-ueber-die-aktuelle-aussenpolitik-und-den-westen/ und Zeit-Fragen)

«Frieden wird es auf unserem Kontinent immer nur mit und nie gegen Russland geben können. Ich bin gegen zusätzliche Sanktionen. Es braucht eine Deeskalation. Das ist schwierig, aber eine ständige Zuspitzung ist nicht der Weg, den wir gehen wollen.»

Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich,
in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 26.4.2021

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