Steuergerechtigkeit für den Mittelstand

von Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.

In Deutschland beträgt die Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften 15 %, ein mittelständischer Unternehmer dagegen muss Einkommenssteuer in Höhe von 42 % zahlen. Die Differenz wurde bisher damit begründet, dass Kapitalanteilseigner (Aktionäre, GmbH-Anteilseigner) auf ihre Gewinne noch zusätzliche Steuern zahlen müssten, insofern darüber ein Ausgleich stattfinde. Dieses Konzernargument ist jedoch in Wirklichkeit falsch: 70 % unserer Konzerne gehören Ausländern, die ihre Gewinne nicht hier, sondern im Ausland versteuern. Und die internationalen Konzerne – vor allem Big data – haben ihren steuerlichen Sitz in den Steueroasen, zahlen also überhaupt keine Steuern. Beispiel: Amazon hat bei 100 Milliarden Gewinn in 2019 nur 3 Milliarden lokale Steuern zahlen müssen.
  Praktisch wird also der Mittelstand mit 42 % Einkommenssteuer plus Gewerbesteuer plus indirekte Steuer plus Propagandasteuer (GEZ) plus kommunale Realsteuern oft zu 70 % besteuert, während die Konzerne sich den meisten dieser Abgaben entziehen können. Eine frühere Untersuchung hat ergeben, dass der Mittelstand netto über 80 % unserer Steuern und Sozialabgaben zahlt, die Konzerne dagegen mehr Subventionen bekommen, als sie Körperschaftssteuer abführen.1
  Es besteht also eine schreiende Ungerechtigkeit in unserem Steuersystem: Konzerne werden steuerlich verhätschelt, geschont, subventioniert. Die Unterschicht bekommt in der grössten staatlichen Umverteilung unserer Geschichte (mehr als 50 % BIP) mehr Sozialleistungen, als sie selbst aufbringt. Der Mittelstand ist einziger Verlierer und dominierender Zahler (61 % all dessen, was die Sozialleistungsbezieher bekommen und der Staat an Kosten dazu verursacht2).
  Schon seit Jahrzehnten verlangen die Mittelstandsforschung und die Mittelstandsverbände, dass die Regierung zur Steuerpolitik von Ludwig Erhard zurückfindet, der den Aufbau der deutschen Wirtschaft durch Eigenfinanzierung geschafft hat, nämlich durch einen anderen Gewinnbegriff: Als Gewinn wurden in den 1950er Jahren nur die Ausschüttungen besteuert, für alle Unternehmensarten gleich. So konnten die Unternehmen Scheingewinne und Investitionskosten im Unternehmen halten, wachsen, Arbeitsplätze schaffen und gesunde Finanzen erreichen.
  Das hat damals die internationalen Banken erbost, die am Wirtschaftsaufschwung ebenfalls verdienen wollten und Adenauer bestürmten, wie in den angelsächsischen Ländern für Fremdfinanzierung der Unternehmen zu sorgen. So wurde der Steuerbegriff von den Ausschüttungen auf komplizierte theoretische interne Überschussrechnungen im Unternehmen verändert, müssen Scheingewinne und Investitionen versteuert werden und ist das Steuersystem so kompliziert geworden, dass niemand mehr durchblickt.
  Dies hat vor allem die mittelständischen Firmen getroffen, welche nicht steuerlich auswandern können, ihre Gewinne nicht ins Ausland überweisen müssen, sondern im Inland halten und damit der penibelsten Steuerbürokratie der Welt ausgeliefert sind.
  Das Mittelstandsinstitut Niedersachsen fordert deshalb von der Bundesregierung, nicht nur Verlustrücktrag für einige Jahre einzuführen, sondern den ganzen Schritt zu vollziehen, nämlich wie unter Ludwig Erhard nur noch Ausschüttungen zu besteuern.
  Keine Zeit ist für diesen Schritt so günstig wie jetzt, wo ohnehin keine Gewinne gemacht werden, Unternehmen um ihre Existenz kämpfen und mehr Eigenkapital brauchen, um überhaupt zu überleben.
  Das Mittelstandsinstitut fordert die Mittelstandsverbände und Kammern auf, sich dieser Forderung der Gewinnbegriffsänderung anzuschliessen und dem für unseren Wohlstand wichtigsten Wirtschaftsbereich – dem Mittelstand – damit Überlebenschancen zu verschaffen.
  Das Grundgesetz der Marktwirtschaft ist die Chancengleichheit. Der Mittelstand hat auch im Steuerrecht Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Kapitalgesellschaften. Die Gewinnbegriffsänderung auf die Ausschüttungen würde endlich Steuergerechtigkeit schaffen.  •



1 vgl. Hamer, Eberhard. Wer finanziert den Staat?, Hannover 1982
2 vgl. ebenda

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