Kann der Frieden wieder Hauptanliegen der Politik werden?

Nicht nur zum Genfer Treffen der Präsidenten Wladimir Putin und Joe Biden

von Karl-Jürgen Müller

Am 18. Juni 2021 hielt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine bemerkenswerte, eine bewegende Rede. Anlass dafür war die Eröffnung der Ausstellung «Dimensionen eines Verbrechens. Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg», die nun im Deutsch-Russischen Museum in Berlin Karlshorst zu sehen ist. Das Museum ist das Gebäude, in dem die deutsche Wehrmachtsführung in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 die Kapitulationsurkunde unterzeichnet hatte. Die Rede des Bundespräsidenten war zugleich die zentrale Gedenkrede zum 80. Jahrestag des Beginns des deutschen Angriffskrieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941.

Der Bundespräsident erinnerte nicht nur an das Leiden der sowjetischen Kriegsgefangenen und die Verbrechen gegen die Völker der damaligen Sowjetunion (siehe Kasten). Er sprach auch über die Bedeutung der geschichtlichen Erinnerung für unsere Gegenwart und Zukunft.
  Bis heute wirke der Krieg und seine Folgen – die Teilung der Welt in verfeindete Blöcke – auf unser Denken und Fühlen: «Der Krieg und sein Erbe haben auch unsere Erinnerung geteilt. Und diese Teilung ist auch drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht überwunden. Sie bleibt eine Last für die Zukunft. Das zu ändern ist unsere Aufgabe, eine Aufgabe, für die wir über die Grenzen hinweg dringend mehr Anstrengung leisten müssen – der Vergangenheit wegen, vor allem aber für eine friedliche Zukunft kommender Generationen auf diesem Kontinent!»

«Wir sollten uns erinnern …»

Und weiter: «Wir sollten uns erinnern, nicht, um heutige und künftige Generationen mit einer Schuld zu belasten, die nicht die ihre ist, sondern um unserer selbst willen. Wir sollten erinnern, um zu verstehen, wie diese Vergangenheit in der Gegenwart fortwirkt. Nur wer die Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart lesen lernt, wird zu einer Zukunft beitragen können, die Kriege vermeidet, Gewaltherrschaft ablehnt und ein friedliches Zusammenleben in Freiheit ermöglicht.»
  Dass nach allem, was geschehen ist, «Deutsche heute von den Menschen in Belarus, in der Ukraine oder Russland – gerade an diesen Orten – gastfreundlich empfangen werden, dass sie willkommen sind, dass man ihnen warmherzig begegnet – das ist nicht weniger als ein Wunder.»
  Für Deutschland und die Deutschen bedeute dies: «Machen wir uns an diesem Tag, an dem wir an Abermillionen Tote erinnern, auch gegenwärtig, wie kostbar die Versöhnung ist, die über den Gräbern gewachsen war.»

Alles tun, um für den Frieden zu wirken

Aus dem Geschenk der Versöhnung erwachse für Deutschland eine grosse Verantwortung: «Wir wollen und wir müssen alles tun, um […] für den Frieden mit und zwischen den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu arbeiten. […] Wir erinnern nicht mit dem Rücken zur Zukunft, sondern mit dem Blick nach vorn, mit dem klaren und lauten Ruf: Nie wieder ein solcher Krieg! […] Lassen Sie, lassen wir nicht zu, dass wir einander von neuem als Feinde begegnen; dass wir den Menschen im anderen nicht mehr erkennen. Lassen wir nicht zu, dass die das letzte Wort haben, die der nationalen Überheblichkeit, der Verachtung, der Feindschaft, der Entfremdung das Wort reden. Die Erinnerung soll uns einander näherbringen. Sie darf uns nicht von neuem entzweien. Die Zukunft – eine bessere Zukunft – liegt in unseren Händen.»
  An einer Stelle zitiert der Bundespräsident eine Frage des ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen Boris Popov, der das grosse Glück hatte, die deutsche Gefangenschaft zu überleben – eine Frage, die Boris Popov viele Jahre nach dem Krieg öffentlich stellte: «Es ergibt sich zwingend die Frage: Wäre es nicht für die Menschheit Zeit, Kriege grundsätzlich abzulehnen und im Verhältnis gegenseitiger Achtung auch noch so komplizierte Fragen friedlich zu lösen?»

Ein Weg, der von der Logik der Eskalation wegführte

Steinmeier selbst antwortet: «Europa war einer Antwort schon einmal näher als heute. Es gab vor Jahrzehnten, trotz Spannungen und Blockkonfrontation, auch einen anderen Geist, auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Ich meine den Geist von Helsinki. Inmitten der gegenseitigen Drohung mit nuklearer Vernichtung entstand ein Prozess, der durch Anerkennung gemeinsamer Prinzipien und durch Zusammenarbeit einen neuen Krieg vermeiden half. Dieser Weg, der bis zur Schlussakte von Helsinki führte, liegt jetzt fast ein halbes Jahrhundert zurück. Er war weder einfach noch gradlinig. Aber er war ein Weg, der wegführte von der Logik der Eskalation und der Gefahr wechselseitiger Vernichtung.»

Biden und Putin haben sich in Genf getroffen

Zwei Tage vor der Rede des deutschen Bundespräsidenten haben sich in Genf – dank der Guten Dienste der Schweizerischen Eidgenossenschaft – der US-amerikanische Präsident Joe Biden und der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin zu einem rund dreistündigen Gespräch getroffen. Zum Inhalt des Gesprächs und zu dessen Atmosphäre nahmen beide Präsidenten am späten Nachmittag und frühen Abend in getrennt abgehaltenen Pressekonferenzen Stellung; beide sind öffentlich zugänglich in Bild, Ton und Text.1
  Das Treffen der beiden Präsidenten fand zu einem Zeitpunkt grosser Entfremdung zwischen den Regierungen der beiden Staaten und in einem Umfeld massivster Feindbilder statt. Feindbilder, die vor allem von seiten der USA und ihrer westlichen Verbündeten nun schon seit Jahren erzeugt und vertieft worden waren. Nahezu gleichlautend hatten die westlichen Mainstream-Medien das Feindbild Russland nicht nur transportiert, sondern heftig weiteres Öl ins Feuer gegossen. Eine sachlich orientierte Russ-landberichterstattung gab es praktisch nicht mehr. Wie dies auf russischer Seite aussah, ist aus hiesiger Sicht nur schwer zu beurteilen. Ich lese immer mal wieder deutschsprachige russische Medien und habe dabei bei weitem nicht die Feindbildpropaganda beobachten können wie umgekehrt in westlichen Medien.

Keiner sollte mehr Sieger sein wollen

Wie dem auch sei: Aus dieser Sackgasse wieder herauszufinden ist nicht einfach. Dies merkte man vielen westlichen Medienkommentaren nach dem Treffen der beiden Präsidenten an, auch in der Schweiz. Hier nur ein kleines, eher harmloses, aber bezeichnendes Beispiel von vielen. Eine grosse Schweizer Tageszeitung titelte am 18. Juni: «Russland sieht sich als Sieger». Belege dafür finden sich im folgenden Text nicht. Könnte es nicht sein, dass sich im Titel vor allem Denkschablonen der Zeitungsmacher wiederfinden? Nämlich dass es bei dem Treffen der beiden Präsidenten um die Frage gegangen wäre, wer der Sieger sei – und damit natürlich auch, wer der Verlierer. Ein solches Denken ist weit verbreitet, steht aber dem Bemühen um Frieden fundamental entgegen. Dass beide Präsidenten in ihren Pressekonferenzen nicht darauf aus waren, als «Sieger» dazustehen, sondern als ernsthaft Suchende nach einer friedlichen Lösung schwerwiegender Probleme und Konflikte, ist ein gutes Zeichen. Dass selbst ein so kritischer Denker wie Willy Wimmer in einem Interview mit der deutschen Ausgabe von Russia Today (RT) vom 18. Juni2 eine -positive Einschätzung über das Genfer Gipfeltreffen abgegeben hat, lässt aufhorchen.

Frieden ist der sehnlichste Wunsch

Sichere Aussagen über die Zukunft zu machen, ist immer gewagt. Ein einziges Treffen schafft noch keinen Frieden. Es gilt abzuwarten, was die einzusetzenden Arbeitsgruppen vorlegen werden. Der Wille der politischen Führungen, sich zu einigen, wird entscheidend sein. Dass auch unausgesprochene geopolitische Kalküle (zum Beispiel im Dreieck USA-Russland-China), also Machtfragen, eine Rolle spielen, wird allen Beteiligten klar sein. Trotzdem gilt: Wenn das Treffen in Genf ein Schritt hin zu mehr Frieden sein wird, war es ein grosser Erfolg. Das erste zu Papier gebrachte Resultat des Treffens der beiden Präsidenten, eine «Gemeinsame Erklärung zur Strategischen Stabilität» (siehe Kasten) ist sicher schon jetzt zu begrüssen. Beide Präsidenten erinnern daran, dass es beiden Staaten, selbst in Zeiten der Spannung, gelungen sei, Fortschritte dabei zu erzielen, «die Gefahr eines bewaffneten Konfliktes und die Bedrohung durch einen Atomkrieg zu reduzieren». Mehr noch: Sie bekräftigen den «Grundsatz, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf».
  Die Menschen und Völker in jedem Land der Welt haben einen sehnlichsten Wunsch: in Frieden leben zu können. Dieser Friede war bis zum 16. Juni sehr gefährdet. Nicht zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Schon seit Jahren gibt es Regionen der Welt, in der die neue Konfrontation – wie schon im Kalten Krieg – auch mit Waffen ausgetragen wird. In der Blockkonfrontation hat man 1962 nach der Kuba-Krise einen richtigen Schluss gezogen: ein immer weiter gehendes Drehen an der Eskalationsspirale ist eine Sackgasse und bringt die Welt an den Rand der Vernichtung. Eine Zuspitzung des Konfliktes zwischen den USA und Russland ist heute nicht weniger eine Sackgasse, in der es nur Verlierer geben kann.
  In einem Beitrag für die deutsche Wochenzeitung Die Zeit zum 80. Jahrestag des deutschen Angriffskrieges auf die Sowjet-union3 hat der russische Präsident Wladimir Putin erneut darum geworben, Trennlinien auf dem eurasischen Kontinent gemeinsam und gleichberechtigt zu überwinden; denn «wir können es uns einfach nicht leisten, die Last früherer Missverständnisse, Kränkungen, Konflikte mit uns herumzuschleppen. Eine Last, die uns an der Lösung aktueller Probleme hindert».
  Wie schwer es den Verantwortlichen in den Nato- und EU-Staaten trotz allem fällt, die einmal beschrittene Sackgasse wieder zu verlassen, zeigte der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 24. und 25. Juni. Statt sich, wie vom französischen Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin vorgeschlagen, nach sieben Jahren wieder auf einen Dialog mit der russischen Regierung einzulassen, «einigte» man sich auf schärfere Sanktionsdrohungen gegen Russland. Wahrlich kein Schritt der Entspannung.
  So soll die Frage des sowjetischen Kriegsgefangenen Boris Popov noch einmal am Schluss stehen: «Es ergibt sich zwingend die Frage: Wäre es nicht für die Menschheit Zeit, Kriege grundsätzlich abzulehnen und im Verhältnis gegenseitiger Achtung auch noch so komplizierte Fragen friedlich zu lösen?»  •



1 als Video mit deutscher Übersetzung: https://www.youtube.com/watch?v=jdubWvLsCow (Pressekonferenz von Wladimir Putin), https://www.youtube.com/watch?v=xZlbcywRpHs (Pressekonferenz von Joe Biden); als Texte in englischer Sprache: https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2021/06/16/remarks-by-president-biden-in-press-conference-4/ (Pressekonferenz von Joe Biden), http://en.kremlin.ru/events/president/news/65870 (Pressekonferenz von Wladimir Putin)
2 https://de.rt.com/international/119263-willy-wimmer-gipfel-von-putin/ vom 18.6.2021
3 https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/ueberfall-auf-die-sowjetunion-1941-europa-russland-geschichte-wladimir-putin/komplettansicht vom 22.6.2021

Gemeinsame Erklärung der Präsidenten der USA und Russlands zur strategischen Stabilität vom 16. Juni 2021

Wir, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Joseph R. Biden, und der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, stellen fest, dass die Vereinigten Staaten und Russland bewiesen haben, dass sie auch in Zeiten der Spannung in der Lage sind, Fortschritte bei unseren gemeinsamen Zielen zu erzielen, nämlich Planungssicherheit im strategischen Bereich zu gewährleisten sowie die Gefahr eines bewaffneten Konfliktes und die Bedrohung durch einen Atomkrieg zu reduzieren.
  Die jüngste Verlängerung des New-START-Vertrags ist ein Beispiel für unser Engagement für nukleare Rüstungskontrolle. Heute bekräftigen wir den Grundsatz, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf.
  Im Einklang mit diesen Zielen werden die Vereinigten Staaten und Russland in naher Zukunft gemeinsam einen integrierten bilateralen Dialog über strategische Stabilität aufnehmen, der wohlüberlegt und solide sein wird. Durch diesen Dialog wollen wir die Grundlage für künftige Rüstungskontroll- und Risikominderungsmassnahmen schaffen.

Quelle: http://en.kremlin.ru/supplement/5658

(Übersetzung Zeit-Fragen)

22. Juni 2021 – Lasst uns Frieden stiften

Ein Aufruf, 80 Jahre nach dem 22. Juni 1941

zf. Das Deutsch-Russische Forum und das International Peace Bureau (IPB) veröffentlichten zum 80. Jahrestag des deutschen Angriffskrieges auf die Sowjetunion den Aufruf «Lasst uns Frieden stiften». Initiiert wurde der Appell von Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a. D., Adelheid Bahr, Erziehungswissenschaftlerin, Daniela Dahn, Schriftstellerin, Peter Brandt, Historiker, Reiner Braun, Geschäftsführer des International Peace Bureau, Martin Hoffmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums, Michael Müller, Staatssekretär a. D. und Vorsitzender der Naturfreunde, sowie Matthias Platzeck, Ministerpräsident a. D. und Vorsitzender des Vorstandes des Deutsch-Russischen Forums.
  Die mehr als 1300 Unterzeichner erinnern an die Opfer der deutschen Greueltaten im Osten und fordern die Politiker Europas auf, die Denkmuster des Kalten Krieges zu überwinden und aufeinander zuzugehen.
  Der Aufruf, der am 22. Juni 2021 in der «Berliner Zeitung» und in der russischen Zeitung «Kommersant» abgedruckt wurde, setzt vor dem Hintergrund der schweren Spannungen im deutsch-russischen Verhältnis ein Zeichen des Gedenkens und der Versöhnung.
  In Deutschland wird dieser Aufruf bislang nahezu totgeschwiegen.

Am 22. Juni 2021 jährt sich zum 80. Mal der Überfall Nazideutschlands auf Russland und die Völker der Sowjetunion. Für uns, die Unterzeichner, ist dieser Tag ein Tag der Trauer, der Scham und des Nachdenkens über eigene historische Schuld. Von deutschem Boden ging ein beispielloser Vernichtungskrieg aus, geboren aus -politischer Hybris und Rassismus gegen die Völker der Sowjetunion, besonders gegen die Juden und andere Minderheiten. Er brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte allein in der Sowjet-union mehr als 27 Millionen Opfer, vor allem in Russland, der Ukraine und Belarus.
  Es ist Teil der Verantwortung unserer Generation, dass niemand diese Greueltaten je vergessen oder relativieren darf. Denn zur Geschichte Europas gehört auch, dass die Sowjetunion unter grossen Opfern den Faschismus besiegt und Deutschland von dieser Ideologie befreit hat. Zur Geschichte des deutsch-russischen Verhältnisses gehört ebenso, dass die Sowjetunion und ihr Rechtsnachfolger Russland massgeblich die Wiedervereinigung Deutschlands und ein Ende des Kalten Krieges ermöglicht haben.
  Wir wissen: Frieden in Europa gelingt nur gemeinsam mit Russland und nicht gegen Russland.
  Deshalb rufen wir die Politiker Europas in Ost und West auf: Bewegt Euch! Verlasst endlich die Sphäre und die Logik des Kalten Krieges! Nicht die Panzertruppen oder Rüstungszahlen müssen wachsen, sondern die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Macht es, wie es die Menschen in Russland, Deutschland und Europa in der konkreten Arbeit in Städtepartnerschaften, im Jugendaustausch, in Wirtschafts- und Wissenschaftskooperationen tun. Verlasst die mentalen Gefängnisse der Feindbilder, Ressentiments und Ängste! Lasst uns endlich Frieden stiften! Die Menschen in Europa warten schon lange darauf.
  Dies ist die Lehre des 22. Juni. Und dafür stehen wir.

Erstunterzeichner:

Abendroth, Elisabeth; Bahr, Adelheid (Erziehungswissenschaftlerin); Hanne, Magret (Friedensforscherin); Brandt, Peter (Historiker); Braun, Reiner (International Peace Bureau); Bruch, Thomas (Gesellschafter GLOBUS GmbH); Claußen, Angelika (Vorsitzende IPPNW); Dagdelen, Sevim (Mitglied des Deutschen Bundestages); Dahn, Daniela (Schriftstellerin); Dehm, Diether (Mitglied des Deutschen Bundestages); Enkelmann, Dagmar (Vorsitzende der Rosa Luxemburg Stiftung); Erdmann, Torsten (Deutsch-Russisches Forum e.V.); Ernst, Klaus (Mitglied des Deutschen Bundestages); Falk, Thomas (Deutsch-Russisches Forum e. V.); Frantz, Justus (Dirigent); Gornig, Hans-Joachim (Deutsch-Russisches Forum e. V.); Hänsel, Heike (Mitglied des Deutschen Bundestages); Hahn, André (Mitglied des Deutschen Bundestages); Hermes, Oliver (Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft); Hoffmann, Christine (Pax Christi); Hoffmann, Jelena (Vorsitzende Stiftung West-Östliche Begegnungen); Hoffmann, Martin (Deutsch-Russisches Forum e. V.); Hunko, Andrej (Mitglied des Deutschen Bundestages); Joas, Hans (Sozialphilosoph); Kaiser, Kerstin (Rosa Luxemburg Stiftung Moskau); Krone-Schmalz, Gabriele (Publizistin); Kumm, Uwe (Deutsch-Russisches Forum e. V.); Müller, Michael (Staatssekretär a. D., Vorsitzender der Naturfreunde); Nastic, Zaklin (Mitglied des Deutschen Bundestages); Neu, Alexander (Mitglied des Deutschen Bundestages); Platzeck, Matthias (Vorsitzender,Deutsch-Russisches Forum e. V.); Rahr, Alexander (Osteuropaexperte); Raiser, Konrad (Generalsekretär a. D. des Rates der Ökumenischen Kirche); Rösch-Metzler, Wiltrud (Kooperation für den Frieden); Schröder, Gerhard (Bundeskanzler a. D.); Silly (Band); Sommer, Jörg (Vorsitzender Deutsche Umwelthilfe); Teltschik, Horst (Aussenpolitischer Berater a. D. von Bundeskanzler Helmut Kohl); Thierse, Wolfgang (Parlamentspräsident a. D.); van Ooyen, Willi (Bundesausschuss Friedensratschlag); Vassiliadis, Michael (Vorsitzender Gewerkschaft, Bergbau, Chemie, Energie); Vogler, Kathrin (Mitglied des Deutschen Bundestages); Vollmer, Antje (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a. D.); von Knoop, Andrea (Ehrenpräsidentin Deutsch-Russische Auslandshandelskammer); von Weizsäcker, Ernst-Ulrich; Wahl, Peter (Wissenschaftlicher Beirat Attac); Werneke, Frank (Vorsitzender ver.di); Wiese, Heino (Mitglied des Bundestages a. D.); Wohlfahrt, Harald (Geschäftsführer Käthe Wohlfahrt KG).

80 Jahre nach Beginn des Angriffskrieges auf die Sowjetunion

Auszug aus der zentralen Gedenkrede des deutschen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier

«Was am 22. Juni 1941 begann, war die Entfesselung von Hass und Gewalt, die Radikalisierung eines Krieges hin zum Wahn totaler Vernichtung. Vom ersten Tage an war der deutsche Feldzug getrieben von Hass: von Antisemitismus und Antibolschewismus, von Rassenwahn gegen die slawischen und asiatischen Völker der Sowjetunion.
  Die diesen Krieg führten, töteten auf jede erdenkliche Weise, mit einer nie dagewesenen Brutalität und Grausamkeit. Die ihn zu verantworten hatten, die sich in ihrem nationalistischen Wahn gar noch auf deutsche Kultur und Zivilisation beriefen, auf Goethe und Schiller, Bach und Beethoven, sie schändeten alle Zivilisation, alle Grundsätze der Humanität und des Rechts. Der deutsche Krieg gegen die Sowjetunion war eine mörderische Barbarei.
  So schwer es uns fallen mag: Daran müssen wir erinnern! Die Erinnerung an dieses Inferno, an absolute Feindschaft und die Entmenschlichung des anderen – diese Erinnerung bleibt uns Deutschen eine Verpflichtung und der Welt ein Mahnmal.
  Hunderttausende sowjetische Soldaten sind schon in den ersten Monaten des Krieges, im Sommer 1941, gefallen, verhungert, erschossen worden.
  Unmittelbar mit dem Vormarsch der deutschen Truppen begann auch die Ermordung jüdischer Männer, Frauen und Kinder durch Erschiessungskommandos des SD und der SS und ihrer Hilfstruppen.
  Hundertausende Zivilisten in der Ukraine, in Belarus, in den baltischen Staaten und in Russland wurden Opfer von Bombenangriffen, wurden als Partisanen unerbittlich gejagt und ermordet. Städte wurden zerstört, Dörfer niedergebrannt. Auf alten Fotografien ragen nur noch verkohlte steinerne Kamine aus einer verwüsteten Landschaft.
  Es werden am Ende 27 Millionen Tote sein, die die Sowjetunion zu beklagen hat. 27 Millionen Menschen hat das nationalsozialistische Deutschland getötet, ermordet, erschlagen, verhungern lassen, durch Zwangsarbeit zu Tode gebracht. 14 Millionen von ihnen waren Zivilisten.
  Niemand hatte in diesem Krieg mehr Opfer zu beklagen als die Völker der damaligen Sowjetunion. Und doch sind diese Millionen nicht so tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt, wie ihr Leid, und unsere Verantwortung, es fordern.
  Dieser Krieg war ein Verbrechen – ein monströser, verbrecherischer Angriffs- und Vernichtungskrieg. Wer heute an seine Schauplätze reist, wer Menschen begegnet ist, die von diesem Krieg heimgesucht wurden, der wird an den 22. Juni 1941 erinnert – auch ohne Gedenktag und Mahnmal. Spuren dieses Tages finden sich in alten Menschen, die ihn als Kinder erlebten, und in den jüngeren, in ihren Enkeln und Urenkeln.»

Quelle: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2021/06/210618-D-Russ-Museum-Karlshorst.html vom 18.6.2021

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK