Der Autor hat noch das Ende unserer Nazi- und Kriegswirtschaft mit einem so tiefgreifenden Wandel aller Werte und Lebensumstände miterlebt, wie sich die heutige Generation dies gar nicht mehr vorstellen kann.
Aber auch das zweite Diktatur-Ende in der Wende 1989 hat der Autor vor Ort als Gastprofessor in Magdeburg und als Forstwirt in Sachsen-Anhalt direkt miterlebt. Im Sommer 1989 zeigte die ehemalige DDR bereits Auflösungserscheinungen: Die Menschen vertrauten der politischen Führung nicht mehr. Die alten Funktionäre waren unruhig, fürchteten um ihre Zukunft und suchten sichere Positionen ausserhalb der Politik. Die Gesetze wurden nicht mehr ernstgenommen, auch die Verwaltungen nicht mehr, die ihrerseits auch immer unsicherer wurden. Die Ostmark verfiel, der Ruf nach Freiheit und Wende wurde in der Bevölkerung immer grösser, obwohl die politische Führung dies noch mit den alten Methoden, aber immer unsicherer, zu unterdrücken versuchte. Schliesslich waren die Montagsgebete in Leipzig für sie nicht mehr beherrschbar. Vor allem aber brach die Wirtschaft zusammen, wie die Funktionäre Schalck und König schon 1988 vorausgesagt hatten.1 Insbesondere die Zahlungsfähigkeit der DDR sahen die Experten nur bis maximal 1990 gesichert, weil «die jährliche (Plan-)Untererfüllung zwischen 1,4 und 5,1 VM2 die Exporterlöse bis zu 25 % absenkte», während die wachsende Verschuldung der DDR «jährlich zwischen 5 und 6 Mrd. VM Zahlungen allein für Zinsen notwendig» macht. Die Autoren wiesen auf die wachsende Verschuldung durch defizitäre Aussenwirtschaft hin, belegten diese mit Zahlen und schlossen daraus, dass die Zahlungsfähigkeit im Jahre 1990 nicht mehr zu gewährleisten, der geplante Nationaleinkommenszuwachs nicht möglich sei und die aussenwirtschaftliche Überschuldung auch zu inneren Konsequenzen führen würde.
Die Voraussagen waren richtig. Nur sind sie ein Jahr früher eingetreten als vorausgesehen, weil die Sowjetunion mit dem Rüstungswettlauf gegenüber den USA («Totrüsten») nicht mitkam und ihre Zulieferer in den Satellitenstaaten zum Teil nicht mehr bezahlte, weil Gorbatschows «Perestroika» immer mehr zur «Katastroika» wurde und weil die Sowjetunion ihre Führung gegenüber den Satellitenstaaten dadurch nicht mehr durchsetzen konnte.
Am Ende gab es mit der Wiedervereinigung im Osten eine Währungsreform, den Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige, allgemeine Verarmung, ein völlig neues Wirtschaftssystem und eine von den Menschen im Osten nicht beherrschbare Regulierungsdichte mit allen West-Gesetzen, welche schon im Westen unternehmerisches Handeln zum Teil erstickt haben. Teilweise könnte wirtschaftlicher Neuanfang nur deswegen gelingen, weil auch die Verwaltungen diese neuen Gesetze nicht beherrschten und deshalb nicht anwenden konnten.3
Die Menschen im ehemaligen kommunistischen Zentralverwaltungsbereich im Osten haben die tiefgreifendste Änderung aller ihrer Lebensbedingungen dennoch bestanden, aber sie kennen sie noch. Ende und Wende sind heute noch in den Köpfen der ostdeutschen Bevölkerung und haben deshalb vielfach andere Grundeinstellungen hinterlassen, als sie die «Wessis» haben – auch andere politische Erfahrungen.
Es ist deshalb kein Wunder, dass die alternativlosen Altparteien im Osten verlieren und dagegen die neue Alternative für Deutschland (AfD) damit gewinnt, dass sie die Auflösungserscheinungen und Merkel-Fehler schonungslos nennt.
In Gesprächen mit ostdeutschen Mitbürgern hat der Autor festgestellt:
Ein Staat, der mehr für die EU, für die Banken und für Zuwanderer sorgt, die eigenen Bürger aber immer stärker besteuert, beschränkt, diszipliniert und ausbeutet, verliert zwangsläufig die Zustimmung dieser Bürger und kann nur – wie die Grünen – hoffen, dass die schon lange im Land lebenden Deutschen bald in der Minderheit sind; auch im politischen Einfluss.
Wenn theoretisch der bürgerliche Mittelstand die Kerntruppe jeder demokratischen Freiheitsbewegung, der Marktwirtschaft und des Wohlstands ist, sind diese Vorteile mangels Mittelstand im Osten jedenfalls noch beschränkt. Das westliche Bürgertum (47 %) scheint dagegen durch Wohlstand stärker korrumpiert und orientierungsloser zu sein als im Osten:
Wenn ein Ökonom warnt, dass nie in der Geschichte eine Spassgesellschaft überlebt habe, dass die Verfolgung ideologischer Ziele immer zu Wohlstandsverlust geführt habe, dass nur Moral und Sitte statt Lust, nur Anstand statt Freizügigkeit und Familienordnung statt Promiskuität Ordnungsprinzipien langfristiger Gesellschaften gewesen seien, wird dies im Osten bejaht, im Westen überwiegend bestritten.
Das Gefühl der Ostdeutschen, dass wir wieder auf eine Auflösung, auf ein Ende unseres Gesellschaftssystems zulaufen, ist ein Gefühl der Erfahrung, das die Westdeutschen nicht haben, das sie verleugnen und bitter bereuen werden, wenn die derzeitigen Auflösungserscheinungen unserer westlichen Gesellschaft und Wirtschaft sich im Crash entladen.
Mathematisch lässt sich jedenfalls voraussagen, dass
1 König, Herta; Schalck, Alexander. «Geheimdokument an Staatsratsvorsitzenden zur voraussichtlichen Entwicklung der Verschuldung der DDR». In: Hamer, Eberhard. Ende – Wende – Wiederaufbau, Mittelstandsinstitut Niedersachsen, 1993
2 Verrechnungsmark
3 Dies war der grosse Unterschied zu 1945. Damals waren alle Nazi-Gesetze abgeschafft und dadurch grösstmögliche wirtschaftliche Freiheit. Inzwischen aber hatte der Westen mehr als 40 Jahre das dichteste Gesetzesnetz der Geschichte aufgebaut, das überall Stolpersteine und Hindernisse für unternehmerisches Handeln brachte.
4 Umwelt-, Gender-, Divers- oder Sozialideologen
5 die sozialistischen Ideologien ebenso wie die nationalistischen und wohl auch «Ökologie statt Ökonomie»
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