Einen Krieg in der Ukraine vermeiden

Memorandum der Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)* an den Präsidenten der USA

Sehr geehrter Präsident Biden

Wir haben das letzte Mal am 20. Dezember 2020 mit Ihnen kommuniziert, als Sie zum Präsidenten gewählt wurden. Damals haben wir Sie vor den Gefahren gewarnt, die mit der Konzeption einer Politik gegenüber Russ-land verbunden sind, die auf einem Russ-land-Bashing aufbaut. Während wir die in diesem Memorandum vorgenommene Analyse weiterhin unterstützen, dient dieses neue Memo einem weitaus dringlicheren Zweck. Wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf die gefährliche Situation lenken, die heute in der Ukraine besteht, wo das Risiko eines Krieges wächst, wenn Sie keine Schritte unternehmen, um einen solchen Konflikt zu vermeiden.
  An dieser Stelle erinnern wir an zwei grundlegende Realitäten, die angesichts der wachsenden Spannungen zwischen der Ukraine und Russland besonders hervorgehoben werden müssen.
  Erstens: Da die Ukraine kein Mitglied der Nato ist, würde Artikel 5 des Nato-Vertrags im Falle eines bewaffneten Konflikts zwischen der Ukraine und Russland natürlich nicht gelten.
  Zweitens könnte die derzeitige militärische Aufrüstung der Ukraine, wenn sie in eine tatsächliche militärische Operation übergehen sollte, zu Feindseligkeiten mit Russland führen.
  Wir halten es für unerlässlich, dass Ihre Regierung sofort versucht, jede «Lösung» für die derzeitige festgefahrene Situation, die eine militärische Dimension hat, sozusagen von der Tagesordnung zu streichen. Kurz gesagt, es gibt und kann niemals eine militärische Lösung für dieses Problem geben.
  Ihre vorläufige nationale Sicherheitsstrategie besagt, dass Ihre Regierung «kluge und disziplinierte Entscheidungen in bezug auf unsere nationale Verteidigung und den verantwortungsvollen Einsatz unseres Militärs treffen wird, während sie die Diplomatie zu unserem Mittel der ersten Wahl erhebt». Gerade jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um diese Worte in die Tat umzusetzen und für alle deutlich zu machen.
  Wir sind der festen Überzeugung:

  1. Dem ukrainischen Präsidenten Selenski muss klar gemacht werden, dass es weder von den USA noch von der Nato militärischen Beistand geben wird, wenn er die ukrainischen Falken, denen es in den Fingern juckt, Russland eine blutige Nase zu verpassen, nicht im Zaum hält – Falken, die durchaus erwarten könnten, dass der Westen der Ukraine in jedem Konflikt mit Russland zu Hilfe kommt. (Es darf nicht zu einer Wiederholung des Fiaskos vom August 2008 kommen, als die Republik Georgien offensive Militäroperationen gegen Südossetien einleitete in dem irrigen Glauben, die USA würden ihr zu Hilfe kommen, wenn Russland militärisch antwortet.)
  2. Wir empfehlen, dass Sie sich umgehend wieder mit Selenski in Verbindung setzen und darauf bestehen, dass Kiew seine aktuelle militärische Aufstellung in der Ostukraine stoppt. Die russischen Streitkräfte stehen an der Grenze bereit, um zu reagieren, wenn Selenskis lockeres Gerede vom Krieg zu mehr als Prahlerei wird. Washington sollte auch alle militärischen Trainingsaktivitäten, an denen US- und Nato-Truppen in der Region beteiligt sind, auf Eis legen. Dies würde die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Ukraine diese Trainingsmissionen als faktisches Zeichen der Unterstützung für ukrainische Militäroperationen zur Wiedererlangung der Kontrolle über den Donbass oder die Krim missverstehen könnte.
  3. Ebenso unerlässlich ist es, dass die USA hochrangige diplomatische Gespräche mit Russland führen, um die Spannungen in der Region abzubauen und die derzeitige Eile hin zu einem militärischen Konflikt zu deeskalieren. Das komplexe Geflecht von Problemen zu entwirren, das derzeit die Beziehungen zwischen den USA und Russland belastet, ist eine gewaltige Aufgabe, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen sein wird. Dies wäre ein günstiger Zeitpunkt, um auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, nämlich bewaffnete Auseinandersetzungen in der Ukraine und einen weitergehenden Krieg zu verhindern.

In den aktuellen Auseinandersetzungen um die Ukraine gibt es sowohl Chancen als auch Risiken. Diese Krise bietet Ihrer Regierung die Möglichkeit, die moralische Autorität der Vereinigten Staaten in den Augen der internationalen Gemeinschaft zu verbessern. Mit Diplomatie zu führen, wird das Ansehen Amerikas in der Welt deutlich erhöhen.  •

Für die Leitungsgruppe der Veteran Intelligence Professionals for Sanity:

William Binney, former Technical Director, World Geopolitical & Military Analysis, NSA; co-founder, SIGINT Automation Research Center (ret.)
Marshall Carter-Tripp, Foreign Service Officer & former Division Director in the State Department Bureau of Intelligence and Research (ret.)
Bogdan Dzakovic, former Team Leader of Federal Air Marshals and Red Team, FAA Security (ret.) (associate VIPS)
Graham E. Fuller, Vice-Chair, National Intelligence Council (ret.)
Robert M. Furukawa, Captain, Civil Engineer Corps, USNR (ret.)
Philip Giraldi, CIA, Operations Officer (ret.)
Mike Gravel, former Adjutant, top secret control officer, Communications Intelligence Service; special agent of the Counter Intelligence Corps and former United States Senator
John Kiriakou, former CIA Counterterrorism Officer and former Senior Investigator, Senate Foreign Relations Committee
Karen Kwiatkowski, former Lt. Col., US Air Force (ret.), at Office of Secretary of Defense watching the manufacture of lies on Iraq, 2001-2003
Edward Loomis, NSA Cryptologic Computer Scientist (ret.)
Ray McGovern, former US Army infantry/intelligence officer & CIA presidential briefer (ret.)
Elizabeth Murray, former Deputy National Intelligence Officer for the Near East & CIA political analyst (ret.)
Pedro Israel Orta, CIA Operations Officer & Analyst; Inspector with IG for the Intelligence Community (ret.)
Todd E. Pierce, MAJ, US Army Judge Advocate (ret.)
Scott Ritter, former MAJ., USMC, former UN Weapon Inspector, Iraq
Coleen Rowley, FBI Special Agent and former Minneapolis Division Legal Counsel (ret.)
Kirk Wiebe, former Senior Analyst, SIGINT Automation Research Center, NSA
Sarah G. Wilton, CDR, USNR, (ret.); Defense Intelligence Agency (ret.)
Robert Wing, U.S. Department of State, Foreign Service Officer (former) (associate VIPS)
Ann Wright, U.S. Army Reserve Colonel (ret) and former U.S. Diplomat who resigned in 2003 in opposition to the Iraq War.

Quelle: Copyright © Veteran Intelligence Professionals for Sanity, Antiwar.com vom 6. April 2021

(Übersetzung Zeit-Fragen)

* Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS) setzt sich aus ehemaligen Geheimdienstoffizieren, Diplomaten, Militäroffizieren und Kongressmitarbeitern zusammen. Die 2002 gegründete Organisation gehörte zu den ersten Kritikern von Washingtons Rechtfertigungen für einen Krieg gegen den Irak. VIPS setzt sich für eine US-amerikanische Aussen- und Sicherheitspolitik ein, die auf echten nationalen Interessen basiert und nicht auf erfundenen Bedrohungen, die aus vorwiegend politischen Gründen vorgeschoben werden.

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