Am Anfang sollen zwei Definitionen aus Wikipedia stehen:
«Informationskrieg, kurz Infokrieg (engl. infowar oder information warfare), ist eine Bezeichnung für die gezielte Nutzung und Manipulation von gesteuerten Informationen, um in der Wirtschaft oder in der Politik Vorteile gegenüber Konkurrenten und Gegnern zu erzielen. Dazu gehört auch die Beeinflussung von Medien durch Falschinformationen (Fake News), Teilinformationen oder Propaganda mit dem Ziel der Medienmanipulation im eigenen Interesse.»
«Greuelpropaganda ist eine Form politischer Propaganda, bei der versucht wird, einen Gegner zu diffamieren, indem man ihm erfundene oder nicht von ihm begangene Untaten bzw. Greuel zuschreibt oder von ihm unternommene Handlungen bewusst verzerrt darstellt und so skandalisiert. Sie ist ein häufiges Mittel psychologischer Kriegsführung und kann im Krieg zur Motivation der eigenen Streitkräfte und Bevölkerung oder zur Beeinflussung der Weltöffentlichkeit eingesetzt werden.»
Greuelpropaganda ist eine spezielle Form des Informationskrieges. Sie gehört zum «cognitive warfare», zur «strategischen Kommunikation»1. Greuelpropaganda gibt es wie den Informationskrieg, seitdem es Kriege gibt, und eigentlich weiss jeder, dass es sie gibt. Trotzdem wird in jedem Krieg Greuelpropaganda betrieben. Möglich ist sie, weil während eines Krieges in der Regel keine unabhängige und objektive Überprüfung möglich ist und weil zuvor ein emotionaler Boden dafür geschaffen wurde. Der Greuelpropaganda gehen andere Arten des Informationskrieges voraus, so dass ein gehöriges Mass an Verunsicherung und Angst sowie Hass auf denjenigen erzeugt wurde, gegen den sich die dann folgende Greuelpropaganda richtet, die ihrerseits wieder noch mehr verunsichern sowie Angst und Hass verstärken soll.
Perfidie
Greuelpropaganda ist kein Schritt in Richtung Frieden. Im Gegenteil, sie dient der Eskalation eines Krieges. Sie ist besonders perfide, weil es auch tatsächliche Greuel in Kriegen gibt. Die Perfidie wird noch erhöht, wenn sich in solchen Zeiten vermeintliche «Sachverständige» äussern, die sich unabhängig und objektiv geben, es in Tat und Wahrheit aber gar nicht sind.
Auch seit dem 24. Februar 2022 muss man von all dem ausgehen. Konkret: Die langjährige Arbeit in unseren Staaten am Feindbild Russland und vor allem die Dämonisierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin haben den Boden dafür bereitet, dass Berichten über Greuel der russischen Streitkräfte in der Ukraine Glauben geschenkt wird – auch wenn bislang nichts von dem Behaupteten durch unabhängige und objektive Untersuchungen bewiesen worden ist.
Behauptungen über russische Greueltaten sind alltäglich geworden. Nur ein Beispiel von vielen: Am 23. April hiess es – ohne irgendeinen Beleg – im Schweizer «Tages-Anzeiger»: «Dass man für einen Diktator Verständnis haben soll, der die Zivilbevölkerung in der Ukraine massakriert und gezielt zivile Objekte bombardieren lässt, um eine maximale Zahl von Opfern und Flüchtlingen zu erreichen, bleibt unverständlich.» (Hervorhebungen km)
Verdacht
Für den Verdacht, dass es sich bei den bislang vorliegenden Greuelberichten um Greuelpropaganda handelt, gibt es gute Gründe:
Wer nicht nur unsere Medien und offiziellen Stellungnahmen zu Rate zieht, sondern auch russische Medien und russische offizielle Stellungnahmen – die auch in deutscher Sprache (noch) zugänglich sind –, wird schnell feststellen, dass den bei uns verbreiteten Greuelberichten russische Gegendarstellungen gegenüberstehen, die sachlich formuliert, begründet und nachvollziehbar sind. All das ist kein Beweis für die Richtigkeit der russischen Position, aber könnte uns doch bewegen – wenn wir es mit der Wahrheitssuche ernst meinen –, die Entgegnungen genauso ernsthaft und ausführlich zu zitieren wie die Behauptungen über Kriegsgreuel. So könnten sich die Bürger in unseren Ländern, die nicht die Zeit und die Möglichkeit haben, russische Stellungnahmen zu suchen, ein besseres Bild machen.
Dass die Regierung der Ukraine als Kriegspartei kein Interesse an einem objektiven Bild haben wird, ist nachvollziehbar. Das Verhalten der Verantwortlichen in unseren Ländern ist aber eigentlich nur dann erklärbar, wenn man davon ausgeht, dass auch unsere Länder Kriegspartei sind.
Vertreter von Institutionen wie der OSZE oder dem Internationale Strafgerichtshof (IStGH) geben sich gemeinhin als unabhängig und objektiv und nur dem Recht verpflichtet aus. Sie wollen damit dem, was sie behaupten, ein besonderes Gewicht geben. Aber sind beide Institutionen wirklich so unabhängig und objektiv? Der IStGH hat schon seit geraumer Zeit seinen Ruf verspielt, weil er bislang nie konseqent gegen Kriegsverbrechen durch Angehörige von Nato-Staaten ermittelt hat. Warum hat der britische Chefankläger beim IStGH nach den Greuelberichten und den grauenhaften Bildern aus Butscha Russland sofort beschuldigt, aber nicht sofort Ermittlungen vor Ort eingeleitet? Oder warum geht die OSZE unter polnischem Vorsitz eher ukrainischen Vorwürfen gegen Russland nach als russischen gegen die Ukraine? Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums hat dies am Beispiel von Kramatorsk in ihrem Briefing vom 13. April glaubhaft dargelegt.2
Cui bono?
Schiesslich: Auch beim Blick auf Greuelberichte stellt sich die wichtige Frage: Cui bono? – Wem nützt es?
Anders gefragt: Warum und wozu sollten die russischen Streitkräfte in der Ukraine Greueltaten begehen? Welchen «Nutzen» hätten sie davon? Und: Wer profitiert tatsächlich von Berichten über russische Greueltaten?
Greuelpropaganda, so heisst es bei Wikipedia, «ist ein häufiges Mittel psychologischer Kriegführung und kann im Krieg zur Motivation der eigenen Streitkräfte und Bevölkerung oder zur Beeinflussung der Weltöffentlichkeit eingesetzt werden». (Hervorhebungen km) Spricht dies nicht eher dafür, dass Russland kein Interesse an Greueltaten seiner Streitkräfte haben kann? Andere aber schon.
Auch diejenigen, die den russischen Streitkräften Greueltaten vorwerfen, sind sich dieses Problems ihrer Behauptungen bewusst und greifen deshalb zu Hilfskonstruktionen. Ein Beispiel dafür ist der deutsche Historiker Bernd Greiner, der in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» vom 22. April zu Wort kam. Er wird nach dem «Nutzen von Massakern und Greueln» gefragt und antwortet: «Kriegsverbrechen sind Teil einer psychologischen Kriegführung. Sie treiben den Zweck jeden Krieges auf die Spitze: Furcht und Schrecken zu verbreiten. Den Lebenden mit den Toten zu drohen.»
Nun ist es aber so, dass alle russischen Erklärungen zum militärischen Vorgehen in der Ukraine in eine ganz andere Richtung gehen: Das Land soll zwar «entmilitarisiert» und «entnazifiziert» und die beiden von Russland anerkannten Republiken Donezk und Luhansk sollen vor weiteren ukrainischen Angriffen geschützt werden, von «Furcht und Schrecken»3 unter der Zivilbevölkerung ist aber nirgendwo die Rede. Im Gegenteil, die Zivilbevölkerung soll geschützt werden – soweit dies in einem Krieg überhaupt möglich ist. Selbst wenn man alle russischen Aussagen als Propaganda abtut: Welche Logik hat es zu erklären, man tue alles, um Zivilpersonen zu schützen, und gleichzeitig «Furcht und Schrecken» zu verbreiten und «den Lebenden mit den Toten zu drohen»?
Für die Russen sind die Ukrainer ein slavisches «Brudervolk». Warum und wozu sollten die russischen Streitkräfte eine «maximale Zahl von Opfern» unter der ukrainischen Zivilbevölkerung erreichen wollen? Das macht keinen Sinn.
Krieg gegen Russland «bis zum letzten Ukrainer»?
Es gibt einige Stimmen, nicht nur aus Russland, die behaupten, die US-Regierung und die Nato wollten den Krieg gegen Russland «bis zum letzten Ukrainer» führen. Zu einer solchen menschenverachtenden Strategie würde Greuelpropaganda passen. Und leider würden auch die Hinweise passen, dass weitere, eskalierende Inszenierungen («Operationen unter falscher Flagge») für weitere, noch schlimmere Greuelpropaganda geplant sind.4
Auch die Hinweise darauf, dass Nato-Staaten schon jetzt nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch mit Einsätzen vor Ort in der Ukraine am Krieg direkt beteiligt sind, verdichten sich.5
Auch der internationale «Kriegsrat», den die USA am 26. April auf ihrem Truppenstützpunkt im deutschen Ramstein abgehalten haben, geht in Richtung weiterer Eskalation und – praktisch – direkter Kriegsbeteiligung der Nato.
Russland wird gegensteuern. Nicht nur gegen weitere Greuelpropaganda, sondern auch gegen die Versuche der Nato-Staaten, den Krieg in der Ukraine mit Waffenlieferungen und anderen Mitteln weiter zu verlängern. Am 25. April betonte der Aussenminister Russlands nochmals den russischen Willen, zu einer Verhandlungslösung mit der Regierung der Ukraine zu kommen. Aber er sprach auch davon, dass die Gefahr eines Dritten Weltkrieges real ist, wenn die Nato-Staaten nicht damit aufhören, aktiv den Krieg zu eskalieren und zu verlängern. •
1 vgl. Zeit-Fragen Nr. 5 vom 22.2.2022 «Stellung nehmen gegen politische Lügen» (https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2022/nr-5-22-februar-2022/stellung-nehmen-gegen-politische-luegen.html)
2 https://mid.ru/de/foreign_policy/news/1809211/
3 Ganz anders die US-Truppen bei ihrem Krieg gegen den Irak 2003. Sie bezeichneten ihr eigenes Vorgehen ganz offen mit «Shock and Awe», «Furcht und Schrecken».
4 So sind russische Behörden seit dem 24.2.2022 immer wieder mit Mitteilungen über geplante Inszenierungen an die Öffentlichkeit getreten, zum Beispiel das Verteidigungsministerium am 23.4.2022. Es verfüge «über Informationen über die Vorbereitung von Provokationen durch die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Ziel, die russischen Streitkräfte des Einsatzes chemischer, biologischer oder taktischer Atomwaffen zu beschuldigen». (vgl. https://seniora.org/politik-wirtschaft/lagebericht-dringendes-briefing-des-russischen-verteidigungsministeriums-ueber-neue-provokationen vom 24.4.2022)
5 vgl. «Sind britische Sondereinheiten in der Ukraine aktiv?» In: Tages-Anzeiger vom 25.4.2022. Der Artikel verweist auf britische Zeitungen, die ganz offen über den Einsatz britischer Spezialkommandos des SAS berichten.
km. Auch wenn es wörtlich heisst, der Deutsche Bundestag begrüsse «die Unterstützung der Bundesregierung für die angegriffene Ukraine bei gleichzeitiger Sicherstellung, dass weder Deutschland noch die Nato zur Kriegspartei werden»: Ohne dass Deutschland angegriffen wurde, erklärt der Bundestag mit seinem am 28. April 2022 mit 586 gegen 100 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommenen Antrag Deutschland de facto zur Kriegspartei. Mit allen möglichen Konsequenzen. Leider hat das nur eine der Oppositionsparteien deutlich formuliert: Der Antrag sei eine «Beitrittserklärung zu einem Krieg».
SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten den Antrag einen Tag zuvor gemeinsam in den Bundestag eingebracht. Der Antrag erinnert in seiner Diktion an schlimme Zeiten der deutschen Geschichte – eine Sprache der Kriegstreiberei, aber auch des Realitätsverlustes. Und das alles mit einer verlogenen Scheinheiligkeit voller Worthülsen. Nun sollen – etwas mehr als 80 Jahre nach dem Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion – erneut deutsche Panzer auf russische Soldaten schiessen. Eine Schande für ein Land, seine Geschichte zu vergessen.
Nichts deutet derzeit darauf hin, dass es innerhalb der etablierten politischen Klasse in Deutschland Stimmen der Vernunft und der Mässigung gibt. Das lässt noch Schlimmeres befürchten. Was eine Kehrtwende bringen kann, ist derzeit noch nicht absehbar. Frieden wird man so nicht schaffen können. Dabei ist es genau das, wonach die Mehrheit der Deutschen strebt.
km. Nicht nur die deutschen Ostermärsche haben gezeigt, wie gross die Sorge sehr vieler Menschen ist, dass der Krieg in der Ukraine kein Ende findet und sich statt dessen – nicht zuletzt durch die massiven Kriegsanstrengungen der Nato-Staaten – zu einem grossen europäischen oder sogar Weltkrieg ausweitet. Auch andere prominente Stimmen haben sich zu Wort gemeldet, darunter auch ehemalige hochrangige Bundeswehrgeneräle wie Erich Vad oder Harald Kujat.1
Hier kann nicht auf die Vielzahl dieser Initiativen eingegangen werden. Stellvertretend sollen Zitate aus einem Offenen Brief an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz stehen, der am 22. April in der «Berliner Zeitung» veröffentlicht wurde und zu dessen Mitunterzeichnern der Zeit-Fragen-Autor und ehemalige beigeordnete Generalsekretär der Vereinten Nationen Hans-Christof von Sponeck gehört.
In diesem Brief heisst es unter anderem:
«Uns eint, dass wir gemeinsam vor einer unbeherrschbaren Ausweitung des Krieges mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Welt warnen und uns gegen eine Verlängerung des Krieges und Blutvergiessens mit Waffenlieferungen einsetzen.
Mit der Lieferung von Waffen haben sich Deutschland und weitere Nato-Staaten de facto zur Kriegspartei gemacht. Und somit ist die Ukraine auch zum Schlachtfeld für den sich seit Jahren zuspitzenden Konflikt zwischen der Nato und Russland über die Sicherheitsordnung in Europa geworden. […]
Der Krieg birgt die reale Gefahr einer Ausweitung und nicht mehr zu kontrollierenden militärischen Eskalation […]. Wenn Verantwortung tragende Menschen wie Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, diese Entwicklung nicht stoppen, steht am Ende wieder der ganz grosse Krieg. Nur diesmal mit Atomwaffen, weitreichender Verwüstung und dem Ende der menschlichen Zivilisation. Die Vermeidung von immer mehr Opfern, Zerstörungen und einer weiteren gefährlichen Eskalation muss daher absoluten Vorrang haben. […]
Waffenlieferungen und militärische Unterstützung durch die Nato verlängern den Krieg und rücken eine diplomatische Lösung in weite Ferne. […]
Die vorherrschende Kriegslogik muss durch eine mutige Friedenslogik ersetzt und eine neue europäische und globale Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas geschaffen werden. Unser Land darf hier nicht am Rand stehen, sondern muss eine aktive Rolle einnehmen.»
1 vgl. Zeit-Fragen Nr. 9 vom 19.4.2022 sowie das ausführliche Interview mit Erich Vad in Zeitgeschehen im Fokus vom 24.4.2022 (https://zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-7-8-vom-24-april-2022.html#article_1351)
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