Konstruktive Schritte für Verhandlungslösungen

Schweiz will mit ihrem Aktionsplan 2022–2025 die OSZE stärken

von Eva-Maria Föllmer-Müller

In derselben Woche, in der die Gespräche zwischen Russland und den USA in Genf, der Dialog zwischen Russland und der Nato in Brüssel und Gespräche mit Russland im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien sowie weitere Gespräche stattgefunden haben, geht die Schweiz mit konstruktiven Schritten voran und bietet Hand. Damit zeigt die Schweiz einmal mehr, dass ein unabhängiger eigener Weg möglich ist.

Erstens: Im Gegensatz zu Regierungen anderer westlicher Staaten wird der Bundesrat – je nach Lage der Pandemie – an den diesjährigen Olympischen Winterspielen in China teilnehmen.
Zweitens: Am 12. Januar 2022 hat der Bundesrat bekanntgegeben, dass die Schweiz und Russland ihre Zusammenarbeit im Agrarbereich ausbauen wollen. Und zwar schwerpunktmässig in drei Bereichen: im bilateralen Handel, im Pflanzengesundheitsbereich sowie im Veterinärwesen. Hierzu soll von beiden Ländern bis zum Frühjahr eine Absichtserklärung unterzeichnet werden. Russland ist der sechstgrösste Exportmarkt für Agrarprodukte aus der Schweiz. Die Ausfuhren von landwirtschaftlichen Produkten nach Russland machen etwa 250 Millionen Franken pro Jahr aus. Pro memoria: Die Schweiz hat sich den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen, sondern lediglich festgehalten, dafür Sorge zu tragen, dass die Schweiz nicht zur Umgehung der Sanktionen missbraucht wird.

Aktionsplan 2022–2025

Drittens: Am 13. Januar 2022 hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, EDA, seinen «Aktionsplan 2022–2025» zur Stärkung der Wirksamkeit der OSZE präsentiert. Dies geschah anläss-lich des Antrittsbesuchs von Bundespräsident Ignazio Cassis bei seinem Amtskollegen Alexander van der Bellen in Wien, dem Sitz der OSZE. Cassis hatte sich dort auch mit dem derzeitigen Vorsitzenden der OSZE, dem polnischen Aussenminister Zbigeniew Rau und der Generalsekretärin der OSZE, Helga Schmid, getroffen und ihnen den Aktionsplan als Teil der Aussenpolitischen Strategie 2020–2023 vorgestellt. Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Sicherheitslage in Europa zuletzt ständig verschlechtert hat. Auch in der OSZE hat sich diese Stimmungslage seit 2014 niedergeschlagen. Im Aktionsplan heisst es dazu: «Diskussions- und Verhandlungsforen wie der Ständige Rat oder das Forum für Sicherheitskooperation werden heute weniger für substantielle Debatten und eine zielgerichtete Lösungssuche als für Lautsprecherdiplomatie und sterile Schlagabtausche genutzt. Dies widerspricht dem Geist des Dialogs, der die OSZE eigentlich auszeichnet.» (S. 19) Dem will die Schweiz nun entgegenwirken. Denn, wie Bundespräsident Cassis im Vorwort ganz richtig schreibt: «Frieden und Sicherheit in der Schweiz sind nur dann garantiert, wenn auf dem Kontinent – und darüber hinaus – ebenfalls Frieden herrscht.»

Mangel an Vertrauen verhindert Lösungen

Mit ihrem Aktionsplan will die Schweiz dazu beitragen, «auf die Erhaltung und Revitalisierung der OSZE-Errungenschaften hinzuwirken». Damit soll der Handlungsspielraum der OSZE, der vor allem auf Grund der Vertrauenskrise zwischen den Staaten in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden ist, wiederhergestellt und gestärkt werden.
  Konkret plant die Schweiz, sich «mit Blick auf Helsinki 2025 an der Entwicklung eines Dialogprozesses zu beteiligen; die Rüstungskontrolle und damit das Vertrauen zwischen den Teilnehmerstaaten sollen dadurch gestärkt werden. Schliesslich sollen die Kapazitäten zur Konfliktlösung aufgestockt werden».

Hohe Glaubwürdigkeit

Dass dieses auf der Ebene einer konkreten Stärkung der OSZE geschehen soll, ist nicht zufällig, denn, so heisst es im Kapitel «Sicherheit und Vertrauen in Europa» des Aktionsplans: «Die OSZE ist die einzige regionale Sicherheitsorganisation, die Ost und West zusammenbringt. Sie schliesst Russland und die Vereinigten Staaten gleichberechtigt [Hervorhebung ef] ein und ist daher prädestiniert als Forum für Dialog und Vertrauensbildung.» (S. 12)
  Für die Schweiz ist die OSZE immer schon ein Grundpfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur gewesen; als bisher einziges Land konnte sie dort bereits zweimal den OSZE-Vorsitz übernehmen, 1996 und 2014. Innerhalb der OSZE geniesst die Schweiz als Brückenbauerin hohe Glaubwürdigkeit. In der Tradition ihrer Guten Dienste konnte sie schon im Kalten Krieg als neutraler Staat zu Lösungen zwischen den Blöcken beitragen oder wie seit dem Konflikt in der Ostukraine wichtige Dialog- und Verhandlungsprozesse anstossen. In den 1970er und 1980er Jahren arbeitete die Schweiz auch häufig mit anderen «Neutralen und Nichtpaktgebundenen» (also den Blockfreien Staaten) zusammen.  •

Quellen:

OSZE Aktionsplan 2022–2025 vom 13. Januar 2022, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, www.eda.admin.ch
Medienmitteilung des EDA vom 13.1.2022
Medienmitteilung des Bundesrates vom 12.1.2022

KSZE und OSZE

ef. Im Jahr 2025 jährt sich die Schlussakte von Helsinki zum fünfzigsten Mal. Am 1. August 1975 hatten die Staats- und Regierungschefs von 35 Staaten des West- und Ostblocks die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) unterzeichnet, u. a. die Schweiz. Die KSZE war damals als multilaterales Forum für Dialog und Verhandlungen zwischen Ost und West gegründet worden. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde sie 1995 zur OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) umbenannt. Heute gehören der OSZE 57 Teilnehmerstaaten an.

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