«Biovision Symposium 2022 – Ernährung bewegt uns!» im Volkshaus Zürich

von Winfried Pogorzelski

Am 26. November fand im Zürcher Volkshaus das alljährliche Symposium von Biovision statt, einer 1998 von Hans Rudolf Herren mit dem von ihm gewonnenen Geld des Welternährungspreises gegründeten, schweizerischen gemeinnützigen Stiftung. Sie setzt sich gemeinsam mit vielen Partnerorganisationen für eine ausreichende, gesunde Ernährung der Menschen bei gleichzeitiger Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ein. Anhand der Transformation der heute dominierenden industrialisierten Nahrungsmittelproduktion hin zu einer agrarökologischen Landwirtschaft im Sinne des 2008 publizierten Weltagrarberichts sollen langfristig Hunger und Armut überwunden werden.

Thema der Tagung war, auf welche Weise langfristig ein solches nachhaltiges, gesundheitsförderliches Ernährungssystem erreicht werden kann, und dies vor dem Hintergrund einer sich immer stärker bemerkbar machenden Klimaerwärmung und politischer Krisen. Mitarbeiter der Stiftung führten durch die dreistündige Veranstaltung, bei der Gäste aus Afrika und engagierte Freiwillige zu Wort kamen.
  Biovision wirkt bis heute schwerpunktmässig in Kenia, Tansania und Äthiopien, wo weit über eine Million Bauernfamilien darin geschult und unterstützt werden, eigenständig und erfolgreich biologisch – also ressourcenschonend und ohne Abhängigkeit von Saatgut, chemischem Dünger und Pestiziden – Landwirtschaft zu betreiben. Als eines von zahlreichen Projekten, die Biovision in Afrika unterhält, wurde an der Tagung die Arbeit eines Ausbildungs- und Forschungszentrums für agrarökologische Landwirtschaft im südostafrikanischen Staat Malawi vorgestellt, einem der ärmsten Länder der Welt. Zwei Malawierinnen berichteten, dass früher viele Kinder erkrankten, weil sie sich fast ausschliesslich von Mais ernährt hatten, dessen Anbau zudem den Boden auslaugte. Mit Hilfe agrarökologischer Methoden (konkret z. B. durch Verwendung selbst hergestellten natürlichen Düngers, Zwischenfruchtanbau von Hülsenfrüchten usw.), die sich immer mehr Bauernfamilien aneigneten, konnte die Situation für viele wesentlich verbessert werden: Über 10 000 Bauern können sich inzwischen dauerhaft gut ernähren und Überschüsse auf dem Markt verkaufen.
  Weitere Beispiele dafür, dass in Ostafrika in Sachen Agrarökologie (siehe Kasten) einiges in Bewegung geraten ist, wurden anhand von Filmberichten vorgestellt: Eine Unternehmerin und Bäuerin aus Nairobi betreibt einen Biogemüse-Laden, dessen Produkte von ihrer Farm und von regionalen Bauern stammen. Nördlich von Nairobi wurden nach agrarökologischen Prinzipien Gemüse- und Früchtegärten angelegt, die mit wertvoller Komposterde gedüngt werden, sowie ein Ausbildungszentrum aufgebaut. Alle Erfolge des Engagements von Biovision sind das Ergebnis ständiger begleitender Forschung – in enger Kooperation mit den Bauern – vor Ort sowie von Schulung und Weiterbildung der beteiligten Bevölkerung.
  Im zweiten Teil des Programms wurde als ein Novum für die Schweiz die in diesem Jahr lancierte Biovision-Initiative für einen sogenannten «Bürger:innenrat für Ernährungspolitik» vorgestellt, der sich mehrere Monate mit den Fragen künftiger nachhaltiger Ernährung in der Schweiz auseinandergesetzt hat. Achtzig Personen, die einen Querschnitt durch die Schweizer Bevölkerung abbilden, aber nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden waren, arbeiteten unter Einbeziehung von Wissenschaftlern und auf Grund von Besuchen von Landwirtschaftsbetrieben fünf Monate lang an der Frage, wie das zukünftige Ernährungssystem der Schweiz aussehen könnte bzw. sollte. Zwei Teilnehmer berichteten davon, und die baselländische Ständerätin und Stiftungsrätin von Biovision, Maya Graf, präsentierte Ideen, wie die Vorschläge des «Bürger:innerates» umgesetzt werden könnten. Anfang Februar 2023 findet in Bern ein nationaler Ernährungssystemgipfel statt, an dem ein daraus entwickelter Empfehlungskatalog an Politik, Verwaltung und Praxis übergeben wird.
  Zum Schluss sprach Hans Rudolf Herren, Gründer und Stiftungspräsident von Biovision und Träger des Alternativen Nobelpreises. Er wies darauf hin, dass das weltweit praktizierte industrialisierte Ernährungssystem 30 % der Klimaerwärmung mitverursacht. Angesichts der Krisen sei neben der Nachhaltigkeit die Resilienz, d. h. die Widerstandskraft des Ernährungssystems gegen Krisen zu stärken. Dazu sei ganzheitliches Denken erforderlich, in dem Produktion, Verarbeitung und Vermarktung der Lebensmittel bis hin zum Konsum eine Rolle spielten und sich gegenseitig beeinflussten. In der Produktion seien im Sinne der Agrarökologie viele Fortschritte erzielt worden. Jetzt gehe es darum, das Thema Markt anzugehen und den persönlichen Bezug zwischen Produzent und Konsument zu stärken, damit die Bauern ihre Produkte gut absetzen könnten.
  Während der Pause konnte man sich an einigen Ständen über verschiedene Themen informieren und entsprechende Unterlagen erhalten. Zum Schluss brachte das begeisterte Publikum seine Anerkennung durch anhaltenden Beifall zum Ausdruck.  •

Quellen:

Bürger:Innenrat für Ernährungspolitik, http://www.buergerinnenrat.ch/de/prozess/
Biovision, https://www.biovision.ch/die-stiftung/#3
Symposium 2022 Rückblick – Ernährung bewegt uns!, https://www.biovision.ch/story/symposium-2022-rueckblick/

Was ist Agrarökologie?

zf. Agrarökologie ist eine umfassende naturnahe Konzeption der Landwirtschaft, die nebst der Produktion das gesamte Ernährungssystem bis hin zum Konsum im Auge hat und sowohl ökologische, soziale, regionale, kulturelle und gesundheitsfördernde wie auch technische und ökonomische Aspekte und Bedingungen gleichermassen berücksichtigt. Gemäss Weltagrarbericht von 2008 weist die Agrarökologie einen zukunftsfähigen alternativen Weg der Landwirtschaft zur Sicherung der Gesundheit von Mensch und Natur sowie der sozialen Situation der Bauern und zur Garantierung der globalen Ernährungssicherheit. Konkretes Ziel ist es, die Transformation der auf Produktionssteigerung technologisch orientierte, industrielle Landwirtschaft hin zu einer resilienten, solidarischen, multifunktionellen Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Agrar-ökologie ist vor allem dank des wissenschaftlichen Studiums vielfältiger Modelle regionaler und lokaler Landwirtschaft und des dazu gehörenden Erfahrungswissens entwickelt worden. Aus der gegenseitigen respektvollen Kooperation zwischen lokalen Bauern und Agrarwissenschaftlern sind Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit als förderliche Formen einer regional verankerten Landwirtschaft hervorgegangen (z. B. biologischer und regenerativer Landbau oder Agroforst und Permakultur). Grundlegend ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit des Bodens, d. h. der Aufbau von Humus durch Schonung des Bodenlebens, als Schlüssel zur Ermöglichung einer solchen Entwicklung. Wichtig zu wissen ist, dass mit der Agrarökologie die Produktion nicht leidet, d. h. dass die Nahrungsmittel-Sicherheit nicht gefährdet ist.

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