Freiheit und Menschenrechte anzutreten. So jedenfalls wollten es die Spindoctors, die in Glaspalästen ihr Geld damit verdienten, den Menschen ein X für ein U vorzumachen. Und die Aufgabe war nicht einfach, gründete doch das Land der Freiheit auf den Kadavern von Millionen ermordeter Natives, einer indigenen Bevölkerung, welche die ab dem 16. Jahrhundert ungefragt Eingewanderten nicht eingeladen hatte. Der zweite Schandfleck, den die Spindoctors weisszuwaschen verstanden, war die Verschleppung von Millionen von Afrikanern, die als Sklaven die Grundlage für den immensen Reichtum der eingewanderten Europäer schufen.
Als die Weiten der Prärien «erschlossen» waren und man die Freiheit der südlichen Nachbarn und Inselbewohner in Asien zu «schützen» sich anschickte, fühlte man sich von Gott himself berufen, die Bürde des Weltpolizisten auf sich zu nehmen – gut hatte man gelernt von der ehemaligen Kolonialmacht, die zuvor die Bürde des weissen Mannes auf sich genommen hatte und die halbe Welt und alle Ozeane «befriedete».
Als die Welt sich im 20. Jahrhundert ein erstes Mal zerfleischte, trat man an, den Völkern das «Selbstbestimmungsrecht» zu geben und die Welt «sicher» für die Demokratie zu machen. Dass man sich finanziell gesundstiess, war nicht unbeabsichtigt und Grundlage für den rasanten Aufstieg, der auch durch das weitere millionenfache Blutvergiessen nicht etwa gestoppt wurde, sondern ihn noch beförderte. Die alte ehemalige Kolonialmacht war endgültig bankrott, nun stand nur noch ein Widersacher im Wege, der aber schliesslich nach einem jahrzehntelangen kalten Ringen die Segel strich und implodierte.
Nun erklärte man die Geschichte für beendet und den eigenen way of life für den endgültig siegreichen. Dann ging es Schlag auf Schlag: In dreissig Jahren bis heute wurde ein Land nach dem anderen überfallen, wurden Millionen von Menschen hingeschlachtet, die Welt mit einem Propagandateppich überwalzt, dass den Menschen Hören und Sehen verging. Mahnende Stimmen gab es auch im eigenen Land, doch sie wurden überdröhnt durch die Kriegstrommeln, die allerdings wie Schalmeienklänge daherkamen: Man kämpfte nach wie vor für die Freiheit, für Menschenrechte, gegen den Terror und trat genau diese Werte mit Füssen in illegalen Foltercamps, mit illegalen Tötungen durch Drohnen, mit illegalen Sanktionen, die Hundertausende Kinder verhungern liessen – aber das war es der einzig verbliebenen Supermacht wert, wie eine toughe Dame verlauten liess – sie, deren Familie den Holocaust hatte erleben müssen. Man kämpfte gegen Schurkenstaaten und verkannte sich selbst. Wer würde sich schon getrauen, dem grössten Schurken sein Verhalten klar und deutlich aufzuzeigen? Einer Räuberbande, so hätte der Kirchenvater Augustinus formuliert, die über die mächtigste Armee, die Weltwährung und unzählige europäische «Vasallenstaaten» verfügte, wie einer ihrer polnischstämmigen Strategen nicht müde geworden war, sich zu brüsten? Wer war schon lebensmüde? Und war das ja alles gar nicht so schlimm? Sah man denn in den Medien noch die Leichen verhungerter Kinder, verstümmelter Männer und Frauen?
«Smart» war die neue Devise, «smart» sollte die «power» sein, mit der man die Welt beglückte, als Kombination von «hard» und «soft power», wie es eine Aussenministerin und spätere Möchte-Gern-Präsidentin formuliert hatte.
Und siehe da, die Walze kam auf einmal ins Stocken. Als wäre man an eine chinesische Mauer geprallt. Es gab da doch effektiv Mächte, die sich das Spiel nicht mehr länger bieten liessen. Syrien und Afghanistan waren das Fanal, der angelsächsische Pitbull hatte sich die Zähne daran ausgebissen. Dennoch ging es weiter mit farbigen «Revolutionen», angeblichen Volksaufständen, immer aber made im Homeland des eigentlichen Terrors.
Das Ringen um das Herzstück Eurasiens war entbrannt, die Weltinsel, die nur beherrschbar sei, so die strategische Formulierung einschlägiger Ideologen, wenn Europa beherrscht werde, und Europa sei zu beherrschen, wenn man Osteuropa beherrsche, und da spiele ein Land eine zentrale Rolle – nicht wegen der fruchtbaren Schwarzerde-Böden, das natürlich auch, sondern wegen ihrer Scharnierstelle zwischen Ost und West: Der Ukraine-Konflikt war geboren. Und was die Weltmacht No 1 nun bot, war unerhört. Freud hätte von Projektion gesprochen: Plötzlich waren die Medien voll mit Begriffen, die man bisher tunlichst verschwiegen oder als Verschwörungstheorie abqualifiziert hatte. Da war in Leitmedien die Rede von geplanten False-flag-Operationen, von inszenierten Kriegsanlässen, von Desinformation, von Propaganda, von Spin-Doctoring. Als hätte die Welt das nicht alles schon x-mal erlebt, nur schrie es jetzt laut aus Vasallen- und Herrschermund: «Haltet den Dieb!» Und wenn der Dieb gar keiner wäre? Und gar keinen Angriff plante? Dann wäre man selbst der Held, der einen Krieg verhinderte, der gar nie geplant war.
In welchem Land wurde der Film «Wag the dog» gedreht? Wo in einer fiktiven (?) Geschichte ein Präsidentschaftsanwärter wegen einer sexuellen Affäre den master der Spindoctors, meisterlich gespielt von Dustin Hoffman, holt, der ablenken soll. Womit? Natürlich mit einem Krieg, und dann, als das als fake aufflog? Mit einem Helden, einem vergessenen Helden. Das Drehbuch ist bekannt, die Kriegsrhetorik auch. Kommt als nächstes nun noch der Held? Der selbstlos gegen das Böse ins Feld zieht? Auf einem Feld, das gar keines ist, in einem Krieg, der propagandistisch herbeigeredet wird? In einer Welt, die schon einmal am Abgrund stand, als die beiden Atommächte den Showdown riskierten, und einer Krise, von der der Verteidigungsminister der «Guten» in seiner Lebensbeichte sagte, man sei «herausgeglückelt», lucked out?
Braucht die Welt das noch einmal? Und was, wenn das Glück dieses Mal nicht auf unserer Seite liegt? Wenn die Rationalität von Individuen versagt? Wenn eine einmal ausgelöste Kettenreaktion nicht mehr zu stoppen ist? Wann schreien die europäischen Vasallen dem halbnackten Kaiser endlich die Wahrheit ins Gesicht? Und laden den Machtsüchtigen zum Entzug ein und dazu, sich in die Menschheitsfamilie einzureihen, als Gleicher unter Gleichen? Noch ist es nicht zu spät für den Frieden – wenn man ihn denn nur will.
Es war einmal … Haben Märchen nicht ein happy end? Moderne Märchen müssen eins haben. •
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