Was bringt das Klimaschutzgesetz?

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Am 18. Juni stimmen wir ab über das «Bundesgesetz vom 30. September 2022 über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG)» (indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative). Ziel der Vorlage: Die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral werden. Der Verbrauch fossiler Energieträger wird durch das Gesetz nicht verboten, soll aber so weit wie möglich reduziert werden. Das Gesetz soll das Übereinkommen von Paris von 2015 umsetzen, wonach der Temperaturanstieg vermindert werden soll. «Ebenfalls Ziel ist eine Ausrichtung von staatlichen und privaten Finanzflüssen auf eine treibhausgasarme Entwicklung».1 Der vorliegende Entwurf beabsichtigt eine solche Umlenkung der «staatlichen Finanzflüsse» (Steuergelder) in den «Green New Deal» mit grossen Kellen.

Umstieg auf klimafreundliche Heizungen –
mit zwei Milliarden Franken Bundesgeldern

Das Gesetz sieht enorme Bundessubventionen vor für den Umstieg von Öl- und Gasheizungen sowie von Elektroheizungen auf klimafreundliche und effizientere Heizsysteme:

Art. 50a neu Energiegesetz: «Der Bund fördert im Rahmen eines Impulsprogramms mit einem Betrag von 200 Millionen Franken pro Jahr und befristet auf zehn Jahre den Ersatz fossil betriebener Heizungen und ortsfester elektrischer Widerstandsheizungen durch eine Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien und Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz.»
    Zwei Milliarden Franken für den Umstieg – wer bezahlt das? Bundesrat: «Die Vorlage enthält keine neuen Verbote und führt auch keine neuen Abgaben oder Steuern ein.» (Abstimmungsbüchlein, S. 32) Diese Behauptung führt in die Irre: Jemand muss die Milliarden bezahlen, wenn nicht über neue Steuern, dann halt über die Erhöhung der bestehenden und über die Strompreise. Diese sind schon heute für viele Haushalte und Unternehmen kaum zu stemmen.
  Es ist auch zu warnen vor unüberlegtem Aktionismus. In den letzten Jahren haben zum Beispiel bereits zahlreiche Hauseigentümer funktionierende (!) Öl- durch Gasheizungen ersetzt, weil der Bund diese als klimafreundlicher empfohlen und subventioniert hat. Und jetzt wieder umstellen, mit neuen Subventionen? Eine enorme Verschwendung von Geld und Energie.

Klimafreundliche Heizsysteme sind sinnvoll,
aber nicht für über neun Millionen Einwohner möglich

Der Bundesrat nennt Holzheizungen und Wärmepumpen als möglichen Heizungsersatz. Hier kann sicher noch viel getan werden, vor allem von Hauseigentümern auf dem Land. Oder durch den Ausbau von Fernwärmenetzen: In den Städten werden schon heute ganze Quartiere durch Fernwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen geheizt, dies ist auch ausbaubar. Effizienzsteigerung durch bessere Isolationen: Neubauten müssen bereits seit Jahren isoliert werden und Fassaden entsprechend renoviert, das ist sehr effizient (viel weniger Gasverbrauch). Insgesamt werden diese sinnvollen Schritte aber nur einen kleinen Bruchteil der benötigten Energie bringen und sind zudem unsozial: Sollen die Mieter in den Städten über die Stromrechnung den Hauseigentümern ihre Holzschnitzelheizung und das Cheminée finanzieren?

Woher die Riesenmengen
an erneuerbaren Energien?

«Um Öl und Gas zu ersetzen, wird die Schweiz mehr Strom brauchen. Dazu müssen insbesondere erneuerbare Energien wie die Wasserkraft und die Photovoltaik (Solarpanels) ausgebaut werden.» (Abstimmungsbüchlein, S. 29) Bekanntlich funktioniert bisher der Ausbau nur tröpfchenweise und reicht nicht einmal zusammen mit Öl und Gas. Mit Milliarden-Subventionen allein wird der Bund es nicht richten, solange weiterhin gegen jedes kleine oder grosse Projekt Einsprachen möglich sind, die die Vorhaben verhindern oder sie mindestens jahrelang verzögern. Ex-Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte eine «Straffung der Verfahren» versprochen, verliess jedoch ihr Amt unverrichteter Dinge. Vielleicht schafft es ihr Nachfolger im UVEK (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation), Bundesrat Albert Rösti?

  • Ausbau der Wasserkraft: Diese ist die wichtigste einheimische Energiequelle der Schweiz und ausserdem sehr effizient, klima- und umweltfreundlich. Sie deckt rund 56 % des schweizerischen Strombedarfs. Der Ausbau der Wasserkraft wäre in der Schweiz tatsächlich noch in grösserem Ausmass möglich (Erhöhung der Staumauern, neue Kraftwerke).

Aber wie gesagt, kommt der Ausbau dieser klimafreundlichen Stromquelle auf Grund der Einsprachen nicht vom Fleck.

  • Photovoltaik: Mehrere grosse und sehr ergiebige Projekte in Alpen-Hochtälern liegen auf dem Tisch. Beispiel Grengiols im Wallis: Auf einer ungenutzten Fläche von fünf Quadratkilometern auf 2000 Meter über Meer wollte der frühere SP-Nationalrat Peter Bodenmann das gigantische Projekt Grengiols Solar verwirklichen. 2000 Gigawattstunden Strom waren vorgesehen – ebenso viel wie die Produktion von Grande Dixence, dem grössten Schweizer Wasserkraftwerk. Aus verschiedenen Gründen, unter anderem wegen des ungenügenden Stromleitungsnetzes, sind die 2000 GWh inzwischen auf 600 und schliesslich auf 110 geschrumpft. Das reicht gerade noch für den Strombedarf von 37 000 Haushalten.

Tatsache ist: Auch gegen Solarprojekte wie Grengiols Solar folgen prompt die Einsprachen der Klimaschützer. So erklärte ein Vertreter der «IG Saflischtal» im «Walliser Boten» vom 16. Mai 2023: «Jedes einzelne Panel ist zuviel.» Woher dann den Strom nehmen für eine klimaneutrale Schweiz? Es müssten halt alle Dächer mit Panels bestückt werden, so die Gegner. Aber: Erstens sind nicht alle Dächer geeignet (vor allem in den Städten) und zweitens wären Grossanlagen in den ungenutzten Alpen-Hochtälern viel effizienter – und sonnenbeschienener.

Schweizer Energiebedarf besteht nicht nur aus Heizungen

«Zwei im Auftrag des Bundes erstellte Studien kommen zum Schluss, dass es technologisch möglich und bezahlbar ist, die Schweiz bis 2050 klimaneutral mit Energie zu versorgen», so der Bundesrat (Abstimmungsbüchlein, S. 29). Diese seit Jahren wiederholte Behauptung ist – jedenfalls bisher – weit entfernt von der Realität. Ob sich das ändern wird, wenn man ein möglichst entferntes Zieljahr ins Auge fasst?
  Übrigens brauchen nicht nur die Heizungen Energie. Vom enormen Energiebedarf zum Beispiel für den Strassen- und Schienenverkehr ist jedoch im geplanten Klimaschutzgesetz nicht die Rede. Mit dem zunehmenden Umstieg von Benzin- auf Elektroautos wird das Problem des zunehmenden Strombedarfs noch dringender. Auch muss die ungeminderte Zuwanderung einbezogen werden. Viele offene Fragen!

Weitere 1,2 Milliarden Bundesgelder für Förderung von Technologien
zur Reduktion von Treibhausgasen

Art. 6 Absatz 1 neu Klimaschutzgesetz: «Der Bund sichert Unternehmen bis zum Jahr 2030 Finanzhilfen zu für die Anwendung von neuartigen Technologien und Prozessen […].»
  «Dafür stehen während sechs Jahren jährlich maximal 200 Millionen Franken zur Verfügung, beispielweise für den Einsatz von klimaschonenden Produktionsanlagen.» (S. 27)
  Vermutung: An Unternehmen, die diese Bundesgelder abholen wollen, dürfte kein Mangel sein. Noch einmal: Und wer bezahlt?

Unternehmen müssen verbleibenden Treibhausgas-Ausstoss «ausgleichen»

Art. 5 Absatz 1 neu: «Fahrpläne für Unternehmen und Branchen

1Alle Unternehmen müssen spätestens im Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen aufweisen. […]»
  Bundesrat: «Industriebetriebe wie Zementwerke und Kehrichtverbrennungsanlagen sowie die Landwirtschaft können den Ausstoss von Treibhausgasen nicht ganz vermeiden. Deshalb soll CO2 in Industriekaminen und aus der Atmosphäre entnommen werden. Dieses CO2 kann dann dauerhaft und sicher gespeichert werden, beispielsweise im Untergrund. Oder das CO2 wird in Beton eingelagert, der im Bau eingesetzt wird. Dies geschieht durch sogenannte «Negativ-emissionstechnologien», das sind «biologische und technische Verfahren, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in Wäldern, in Böden, in Holzprodukten oder in anderen Kohlenstoffspeichern zu binden» (Art. 2a Klimaschutzgesetz).
  CO2 aus der Luft holen? Wie wir in der Schule gelernt haben, brauchen alle Pflanzen CO2 für die Umwandlung in den Sauerstoff, den wir einatmen (Fotosynthese). Damit möglichst viele Grünflächen und Bäume erhalten bleiben, müsste man halt auch unsere Städte nicht mit exzessivem verdichtetem Bauen zupflastern. Das heisst, dass wir die Einwohnerzahl in unserem kleinen Land nicht unbegrenzt wachsen lassen dürfen.
  Ohne vom Fach zu sein, wage ich vom Schiff aus die Vermutung, dass die Entwicklung und Anwendung solcher Negativemissionstechnologien auch einiges kosten würden.  Ein weiteres einträgliches Geschäft für «Green New Deal»-Firmen. Sollen die Bauern und die Zementwerke dies berappen?

Fazit

Keiner weiss, ob das Netto-Null-Ziel nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch erreichbar ist. Sicher ist, dass mit diesem Gesetz einige Unternehmen (nicht nur Schweizer!) auf Kosten der Steuerzahler und Stromkonsumenten kräftig verdienen würde. Und obwohl im Titel des Gesetzesentwurfs auch steht: «Stärkung der Energiesicherheit», ist nach der Lektüre der Vorlage auch noch etwas Zweites sicher: Wie wir nach dem Wegfall der Atomenergie und der fossilen Energien unseren steigenden Energiebedarf (letztes Jahr über 4,3 % Zunahme) decken sollen, steht in den Sternen. •



1 https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klima--internationales/das-uebereinkommen-von-paris.html

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