Mitspieler werden

Das Wichtigste in Kriegszeiten …

von Renate Dünki

Als kleines Kind habe ich die Gefahren, die Bedrohung des Zweiten Weltkrieges erlebt und sie noch unauslöschlich in Erinnerung: den Luftschutzkeller, die Angst vor dem dröhnenden Näherkommen von Flugzeugen, das tägliche Bemühen aller Erwachsenen um Nahrungsmittel für die grosse Familie auf engstem Raum. Dass die Kinder sich einordneten, leise waren, wenn die Urgrossmutter hinter einem Wandschirm schlief, war selbstverständlich, keiner grossen Rede wert. Der lebensbewahrende Zusammenhalt in der Familie ist das, was mir aus dieser Zeit unvergesslich geblieben ist. Da ging es um Wesentliches: um Überleben, ein Dach über dem Kopf. In der Zeit danach um die Freiheit zu lesen, um Kultur, die an die Zeit vor dem Faschismus anknüpfen wollte. All das habe ich in der frühen Kindheit erlebt und kann daraus heute noch schöpfen.

Und heute …

Um so mehr macht es mir Sorgen, mit welchen Themen unsere Gesellschaft heute bedrängt und manipuliert wird, wie der Sinn der Familie gestört wird, wie geschichtslos unsere Kinder aufwachsen müssen. Und um so spannender ist es für mich, auch in unserer verwirrten Gegenwart Kinder zu erleben, die noch «im Schoss der Familie» aufwachsen können.

Liebstes Spielzeug: ein Schraubenzieher

Ich brauche wieder einmal die Hilfe eines Fachmanns für ein technisches Problem, und so mache ich mich auf den Weg. In einem Familienbetrieb in meiner Nähe arbeiten Tochter und Schwiegersohn im «Übergwändli» im Beruf des Vaters. Vater und Mutter erledigen Büroarbeit, Beratung, Kundenbetreuung, und hinter dem Bürotisch hat der Enkel sein Reich: allerlei Spielzeug, ein Kinderstuhl. Er ist anderthalb Jahre alt, ein genauer Beobachter, fädelt sich in alle Bewegungen der Erwachsenen ein, ist mit ihnen in Blickkontakt. Am liebsten hat er einen Schraubenzieher, um die Schrauben einer Bank nachzuziehen, aber auch einen Schlüssel, den er erfolgreich in das Schlüsselloch steckt. Er läuft flink und zielstrebig, hat immer einen Plan, weil er sich stets etwas von den Tätigkeiten der Erwachsenen abschaut, sie nachahmt und immer wieder übt. Kinderbücher für sein Alter interessieren ihn nicht, aber er blättert mit Ausdauer in Prospekten von Werkzeugen, die er erkennt und zeigt. Seine Fingerchen sind geschickt, sein Blick wach. Die Grosseltern haben ein Telefongespräch zu erledigen, einem Kunden etwas zu zeigen. Ihr Enkel ist im Hintergrund dabei, ohne die Arbeit zu stören.

Die Mutter hat zu tun

Wenn seine Mutter kommt, begrüssen sie sich und freuen sich; er weiss, sie ist da, doch sie bleibt nicht lange, sie hat zu tun, und dann sind andere da: der Vater, die Grosseltern, die Mitarbeiter. Jeder wendet sich zu, alle sprechen ein paar Worte mit dem Kleinen, ruhig und selbstverständlich. Er ist nicht der König Kind, sondern schon in diesen jungen Jahren ein Mitspieler.
  Zum Abschied winkt er mir auf dem Arm der Grossmutter zu. Beschwingt mache ich mich auf den Heimweg. Dieses Erlebnis zeigt mir wieder, wie ein Kind auf Beziehung angewiesen ist, wie es sich im Familienkreis an Vorbildern positiv ausrichtet und dabei aktiv seinen Weg entwickeln kann. Auch heute.  •

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