Die Wahrheit über abgereichertes Uran vor Gericht beweisen

Serbischer Anwalt klagt mutig gegen Verantwortliche für Uran-Waffen-Einsatz

Interview mit Prof. Dr. Srdan Aleksić , Serbien

ef. Am 22. und 23. September 2023 fand an der Universität Niš (Serbien) das dritte internationale Symposium «Recht und Umwelt» statt. Das Motto war «Das Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung». Veranstalter des Symposiums waren neben der Kanzlei von Srdan Aleksić die Fakultät für Recht, Sicherheit und Management «Konstantin der Grosse» sowie das Eurasische Forum für Sicherheit.
  Die Veranstaltung begann am Abend des 22. Septembers mit der Buchvorstellung: «The Projectiles of Justice» von Srdan Aleksić (Geschosse der Gerechtigkeit). Seit dem Ende der Nato-Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 sammeln Prof. Dr. Aleksić und sein Team Daten und alle relevanten Unterlagen im Zusammenhang mit den durch den Krieg entstandenen Schäden, um den Bedürfnissen der Opfer dieser bewaffneten Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gerecht zu werden. Das Buch ist eine Dokumentation über die Folgen der Bombardierungen für die Öffentlichkeit.
  Die Aula der Universität Niš war an diesem Samstagmorgen mit etwa 150–200 Teilnehmern gut besucht. Etwa 25 Referenten, Professoren der Medizin, ehemalige hochrangige Generäle der jugoslawischen Armee, Kirchenvertreter, Historiker, Rechtswissenschaftler, Ökologen, teilweise per Video zugeschaltet, aus Serbien, Italien, Russland und Deutschland. Sie präsentierten in dichter Folge ihre Forschungsergebnisse zu den Konsequenzen der Nato-Bombardierungen – der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Nato gegen die Bundesrepublik Jugoslawien dauerte 78 Tage, von März bis Juni 1999 – und den Folgen für Mensch und Umwelt bis heute. Durch das Symposium führten Prof. Dr. Spasoje Mucibabic, ehemaliger Generalmajor und Leiter der höchsten Militärschule für Verteidigung Serbiens, und Prof. Dr. Srdan Aleksić.
  Es war beeindruckend, wie viele der vor allem aus Serbien kommenden Referenten zusammengekommen waren und dass sich nahezu alle der Erforschung der Kriegsfolgen widmen. Es war auch eine Würdigung ihrer jahrelangen Arbeit.
  Ein Höhepunkt des Symposiums war die Würdigung der Arbeit von Srdan Aleksić. Er wurde von der Königlichen Akademie der Wissenschaftler und Künstler Serbiens mit der Medaille des serbischen Heiligen Lazarus geehrt: «Für seinen höchsten persönlichen Einsatz, für seine Familie und andere ihm nahestehende Menschen. Für seine Arbeit, die für uns alle wichtig ist. Für seinen Kampf für eine bessere Welt. Für eine Welt, die frei, gerecht und friedlich ist.»
  Die einzelnen Beiträge werden in einem Tagungsband veröffentlicht.
  Nach der Veranstaltung führte Zeit-Fragen mit Srdan Aleksić das folgende Interview.

Zeit-Fragen: Was waren und sind die Folgen des Einsatzes von DU-Waffen im Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im Jahr 1999? Auf der Konferenz «Mut zur Ethik» im September haben Sie ein Verbot von DU-Waffen gefordert. Können Sie diesen Kerngedanken noch einmal erläutern?
Srdan Aleksić: Die Zahl der Krebspatienten hat zugenommen, und zwar bei spezifischen Krebsarten (Schilddrüsenkrebs, Leukämie, Lymphom, multiples Myelom, Sarkom, Hodenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs), und in letzter Zeit hat auch die Zahl von Sterilität betroffener Männer und Frauen im Süden Serbiens zugenommen, ebenso die Zahl der Autoimmunerkrankungen bei Kindern, was früher nicht der Fall war. So erkranken immer mehr Menschen an Krebs, und man kann von einer Krebsepidemie auf dem Gebiet der Republik Serbien und des Kosovo und Metochien sprechen. Heute gibt es im Süden Serbiens fast keine Familie mehr, in der nicht mindestens ein Mitglied an einer Krebsart leidet. Experten zufolge – und das ist sehr besorgniserregend – wird der Höhepunkt dieser schwerwiegenden Krankheit in den nächsten zwei Jahren erwartet, so dass wir mit einem noch grösseren Anstieg der Patientenzahlen rechnen müssen.
  Mein Gedanke, Munition mit abgereichertem Uran zu verbieten, besteht darin, über ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen und Vereinigungen von Anwälten und Juristen einen offiziellen Antrag an die Vereinten Nationen zu stellen, die Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran in künftigen Konflikten oder Kriegen zwischen Staaten zu verbieten, da die Halbwertszeit von abgereichertem Uran 4,5 Milliarden Jahre beträgt. Das bedeutet, dass die Wirkung einer solchen Waffe, wenn sie einmal eingesetzt wurde, für die Ewigkeit bleibt. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, dass der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran ein Verbrechen gegen die Menschheit und gegen Gott ist. Wir alle auf diesem Planeten sollten unser Bestes tun, um den Einsatz dieser Art von Waffen zu verbieten.

Drittes internationales Symposium
«Recht und Umwelt» in Niš

In den vergangenen zwei Tagen fand Ihr drittes internationales Symposium «Recht und Umwelt» an der Universität in Niš statt. Was waren für Sie die wichtigsten Ergebnisse dieses Symposiums?
Das wichtigste Ergebnis ist, dass Wissenschaftler und Experten aus verschiedenen Bereichen (aus den Bereichen Medizin, Chemie, Recht sowie aus dem militärischen Bereich und der Ökologie) zu dem Schluss kamen, dass abgereichertes Uran schreckliche und unermesslich schädliche Folgen für das Ökosystem auf dem Territorium Serbiens und des Kosovo und Metochiens hinterlässt, denn der Einsatz von 15 Tonnen abgereichertem Uran, wie von Nato-Vertretern behauptet, führte zu einer Verschmutzung des Ökosystems und fast der gesamten menschlichen Umwelt. Es kann also nicht mehr davon ausgegangen werden, dass abgereichertes Uran nicht schädlich ist, wie von den Vertretern des Nato-Paktes behauptet wird, sondern es ist gefährlich und dauerhaft schädlich. Der Bericht des Treffens wird an die UN-Gremien gerichtet, die sich mit dem Schutz der Umwelt und der Menschenrechte befassen, insbesondere an den Menschenrechtsrat in Genf, denn das Recht auf Leben ist ein grundlegendes Menschenrecht, von dem sich alle anderen Rechte ableiten und das durch internationale Konventionen und die höchsten Rechtsakte der Staaten, d.h. die Verfassungen, garantiert wird.

Fatale Langzeitfolgen
 für Mensch und Ökosystem

Wie ist der aktuelle Stand der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Opfern der Nato-Bombardierungen mit DU im Krieg gegen Jugoslawien 1999? Ihre Klage in Serbien richtet sich zunächst gegen die serbische Regierung. Warum nicht direkt gegen die Nato?
Zum aktuellen Stand der Verfahren gegen die Nato und die Republik Serbien möchte ich anmerken, dass sich das erste Verfahren, das 2021 eingeleitet wurde, in der Endphase befindet. Wir haben vor dem italienischen Institut für Nanotechnologie in Turin ein Gutachten vorgelegt, in dem Prof. Dr. Rita Celi feststellte, dass unser Mandant eine 100fach höhere Konzentration von 21 Schwermetallen aufweist, die für den menschlichen Körper giftig sind, sowie eine 500fach höhere Konzentration von abgereichertem Uran im Körper als zulässig, da der zulässige Wert bei 0,0055 mSv (Millisievert) liegt, während er hier tatsächlich bei 2,98 mSv liegt. Die Nato hat erklärt, dass sie auf Grund des 2005 mit unserem Land unterzeichneten Abkommens über die Durchreise ihrer Truppen, Soldaten und Ausrüstungen Immunität geniesst, aber sie kann nicht von der Verantwortung für das Kriegsverbrechen befreit werden, das durch die Bombardierung Serbiens und des Kosovo mit Munition mit abgereichertem Uran begangen wurde. Was die anderen 34 Fälle betrifft, so werden sie derzeit von Sachverständigen geprüft und bewiesen, so dass ich davon ausgehe, dass bis Ende des Jahres ein Grossteil von ihnen abgeschlossen sein wird.
  Die Klage richtet sich direkt gegen die Republik Serbien, da sich Soldaten, Reservisten und Offiziere auf Abruf oder im Rahmen ihrer Aufgaben in Südserbien und im Kosovo und Metochien aufhielten und nicht über eine angemessene Schutzausrüstung gegen abgereichertes Uran verfügten und nicht vor den möglichen Folgen gewarnt wurden. Die Erkrankten haben also ein Recht auf Entschädigung, ebenso wie die Zivilisten, die sich in diesem Gebiet aufgehalten haben. Jeder Staat, auch die Republik Serbien, ist objektiv für den Schaden verantwortlich, der seinen Bürgern durch seine Untätigkeit und sein mangelndes Interesse an einem angemessenen Schutz entstanden ist. Die Klage richtet sich auch gegen die Nato, weil sie für das Geschehene verantwortlich ist, d.h. für den Einsatz von abgereichertem Uran, das eine langanhaltende Wirkung hat und dessen Einsatz immer noch Zivilisten und Soldaten tötet und töten wird, die sich im Gebiet von Südserbien und Kosovo und Metochien aufgehalten haben oder aufhalten. Unsere Klagen zielen darauf ab, das Recht auf menschliches Leben zu schützen, das durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran verletzt wurde, da er zu schweren Krebserkrankungen und zum Tod von Menschen geführt hat. Die serbische Verfassung regelt in den Artikeln 24 und 25 das Recht auf Leben und das Recht auf Schutz der menschlichen Gesundheit als ein grundlegendes Menschenrecht.

Die westliche Welt hat nichts gelernt:
Uran-Munition nun auch für die Ukraine

Die USA und das Vereinigte Königreich liefern offiziell DU-Waffen an die Ukraine. Was sagen Sie aus Ihrer Erfahrung dazu?
Die gesamte westliche demokratische Welt hat nichts aus dem gelernt, was meiner Familie, meinem Volk und meinem Land durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran widerfahren ist. Die Wahrheit über abgereichertes Uran, seine Wirkung und die Folgen, die es mit sich bringt, wurde lange Zeit nicht nur im Westen, sondern auch in meinem Land verschwiegen. Dank der Arbeitsgemeinschaft «Mut zur Ethik» spreche ich seit sechs Jahren über dieses Thema und die schwerwiegenden Folgen, die der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran mit sich bringt, und ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, in der Schweiz und in anderen Städten in Europa darüber zu sprechen. Ich nutze jede Gelegenheit, um auf jeder Konferenz, an der ich teilnehme, darauf hinzuweisen und all diejenigen zu warnen, die glauben, dass mit dem Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran ein sofortiger Sieg errungen werden kann. Langfristig gesehen werden jedoch die Umweltverschmutzung und die Epidemie schwerster Krankheiten als untrennbare Folgen sowohl in dem Gebiet, in dem die Munition eingesetzt wurde, als auch in Westeuropa und im Osten auftreten und für die nächsten Millionen Jahre andauern, da der Uranstaub auch diese Gebiete betreffen wird, wenn die Munition auf dem Boden der Ukraine und Russlands eingesetzt wird. Ich appelliere an das Vereinigte Königreich und an Amerika, keine Uran-Munition nicht nur in die Ukraine, sondern in Zukunft auch nicht in jedes andere Land zu schicken, denn dies ist eine Waffe mit unabsehbaren und dauerhaften Folgen.

Welche Art von Unterstützung wird jetzt für Ihre Arbeit benötigt?
Zunächst einmal bin ich dankbar für die Unterstützung, die mir die Arbeitsgemeinschaft «Mut zur Ethik» gewährt hat, durch die Teilnahme an Konferenzen in der Schweiz, durch die Möglichkeit, zahlreiche Intellektuelle aus verschiedenen Bereichen zu treffen, die an diesen Konferenzen teilnehmen, sowie durch Ihre Anwesenheit bei den Konferenzen in Serbien, in Niš. Ich bin sehr froh, dass ich die Gelegenheit habe, den Lesern und Zuschauern die Wahrheit über diese Krankheit zu vermitteln – Krebs als direkte Folge des Einsatzes von abgereichertem Uran, der im Gebiet von Südserbien und Kosovo und Metochien auftritt. Seit dem Ende der Nato-Aggression sammle ich gemeinsam mit meinem Team Daten und alle relevanten Unterlagen im Zusammenhang mit den entstandenen Schäden, um den Bedürfnissen der Opfer dieser bewaffneten Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gerecht zu werden.
  Der gegenwärtige Kampf hat bislang noch nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt – nämlich zu einer Einigung mit den verantwortlichen Mitgliedern der Nato-Allianz über die Entschädigung, die sie dem Land und seinen Bürgern schulden.

«Es braucht jetzt dringend
 internationale Unterstützung»

Daher ist es nun um so wichtiger, diesen Kampf öffentlich zu machen. Es braucht jetzt dringend internationale Unterstützung.
  Ich werde versuchen, die Wahrheit über abgereichertes Uran vor Gericht zu beweisen, und zwar durch meinen juristischen Kampf, zusammen mit meinem Kollegen aus Italien und anderen aus Europa und der Welt, durch wissenschaftliche Abhandlungen und geeignete schriftliche Beweise, die in dem von mir veröffentlichten Buch «The Projectiles of Justice» enthalten sind, um die professionelle und wissenschaftliche Öffentlichkeit über die Folgen der Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran zu informieren.
  Die Bitte an Ihre Leser ist, der Frage nachzugehen, was mit den über 1000 Anträgen geschieht, die vor einem Jahr beim Menschenrechtsrat in Genf eingereicht wurden, da wir bis heute keine Antworten erhalten haben.
  Die Hilfe könnte auch in der Gründung einer spezifischen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in der Schweiz oder in einem anderen europäischen Land und einer Repräsentanz in Niš zum Ausdruck kommen, damit wir vor Ort zusammenarbeiten können, indem wir der kranken Bevölkerung helfen, die Umwelt schützen und jede andere Art von Hilfe für die Zivilbevölkerung im Süden Serbiens und im Kosovo und Metochien leisten.

Vielen Dank für das Interview.  •

(Übersetzung Zeit-Fragen)

Filmpremiere: «Toxic Nato – Srdan Aleksićs long way to justice»

ef. Eingeleitet wurde das Symposium mit der Präsentation eines brandneuen Dokumentarfilms des Berliner Regisseurs, Filmemachers und Investigativjournalisten Moritz Enders mit dem Titel «Toxic Nato – Srdan Aleksić’s long way to justice» (Toxische Nato – Srdan Aleksićs langer Weg zur Gerechtigkeit). In der Filmdokumentation begleitet Enders den Anwalt Srdan Aleksić, dessen eigene Familie von den Folgen des Uran-Waffengebrauchs während des Jugoslawien-Kriegs im Jahr 1999 betroffen ist und der momentan mehrere Klagen anstrebt. Er nutzt dabei die Mittel des Rechts, um den zahlreichen Opfern der Nato-Bombardements zumindest zu einer materiellen Entschädigung zu verhelfen.

(Sprachen: Serbisch/Deutsch – Englische Untertitel;
Länge: 26 Minuten; auf YouTube: Trailer und Interviews)

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