Kinder und Jugendliche brauchen Beziehung, keine Drogen

von Renate Dünki

In den neunziger Jahren wurde in der Schweiz eine Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» lanciert. Viele Sportler engagierten sich dafür. Die offene Drogenszene in Zürich rüttelte viele Menschen auf. Das Elend der jungen Menschen war offensichtlich. Heute werden Drogen in der Schweiz nicht mehr so demonstrativ öffentlich konsumiert, aber ihre Verbreitung ist nach wie vor hoch – mit den bekannten tragischen Folgen für die Süchtigen und deren Familien. Neu ist jedoch die «weiche Welle», mit der in unserem Nachbarland nun «Wohlfühldrogen» gesellschaftsfähig gemacht werden sollen. Worum geht es da eigentlich? Und wo sind Medien, die dieses Thema mit klaren Stellungnahmen gegen das grosse Geschäft aufgreifen?
  Stattdessen: Vor ein paar Wochen erschien in der Sonntagsausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung» unter der Rubrik «Wissen» ein Artikel, der – unkritisch – den Drogenkonsum von LSD in entspannenden Minidosen vorstellt. Eine wachsende Minidosen-Community in den USA plädiert für einen Wohlfühl-Lifestyle, der für so stressige Aufgaben wie Job oder Kindererziehung Erleichterung verspricht. Daher der Titel «Mama nimmt ein wenig Drogen. Kleinstdosen von Psychedelika wie LSD sollen Stimmung und Kreativität steigern …» Immer mehr Mütter «behelfen sich mit solchen Minidosen, um die steigenden Ansprüche der Kindererziehung besser zu bewältigen»! Brauchen also Kinder auch Minidosen, um Familie und Schule zu ertragen? Davon ist in dem Artikel nicht die Rede. Umrankt wird die Darstellung der fröhlichen Minidosen-Community vom Bericht über «Forschungsarbeiten» einzelner Psychedelika-Wissenschafter, die alle für sich selbst nichts von Drogen-Abstinenz halten. Länger verweilt der Artikel bei den Aussagen eines Professors für Klinische Pharmakologie. Dieser untersucht mit einem Team die Wirkung von Minidosen LSD auf ADHS-Patienten. Dies, um so das bislang verwendete Ritalin, ein sehr einträgliches Medikament aus dem Suchtmittelbereich, vielleicht ersetzen zu können. Eine erste klinische Studie soll Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.

Ja, Kindererziehung ist nicht immer einfach, gerade heute nicht, weil Beliebigkeit und Vereinzelung zugenommen haben. Ein Kind gross-zuziehen, ist aber eine zutiefst beglückende Lebensaufgabe. Es kommt dabei, wie immer und überall im Leben, darauf an, feinfühlig zu beobachten und in Austausch zu kommen. Das ist schon beim Säugling wichtig (Bindungsforschung). Wenn das nicht immer gelingt, sind noch andere Menschen da, der Vater, die Grosseltern, eine gute Nachbarin, eine Mutter aus der Spielgruppe. Im Gespräch mit ihnen können die Mutter, der Vater die Schwierigkeit mit ihrem Kind ansprechen und auch einmal eine andere Perspektive einnehmen. Das entlastet. Oft hilft ganz wenig: zuzusehen, wie es ein anderer macht, und ein wenig Zuspruch. Wir sind doch Menschen mit sozialen Fähigkeiten, müssen uns nicht zudröhnen oder eine kleine Missstimmung mit dem Kind mit Psychopharmaka beseitigen. Minidosis hin oder her: Etwas Mut und Ausdauer sind nötig, um eine Schwierigkeit im Zusammenleben – natürlich auch mit einem Kind – zu beobachten und eine Lösung zu versuchen. Jedes Kind ist auf ein waches zugewandtes Gegenüber angewiesen, das auch einmal nein sagen kann und ihm über eine Klippe hinweghilft. Dazu braucht es Beziehung, nicht Drogen.  •

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