Leserbrief

Keine Neutralität von Fall zu Fall

Unsere staatliche Neutralität ist eine anspruchsvolle Staatsmaxime. Sie ist weltweit geachtet wie das Rote Kreuz und bildet die Grundlage für das grosse Ansehen unseres Kleinstaats rund um den Globus. Unsere Neutralität ist nicht an Zu- oder Abneigungen aller Art oder an Parteien im In- und Ausland gebunden. Und sie ist generationenübergreifend, also sehr langfristig orientiert, oft umschrieben mit immerwährender Neutralität. Sie bleibt somit dem eigenen momentanen Vorteils- und Nachteilsdenken entzogen.
  Da alle Konflikte früher oder später ein Ende finden und zu einer – wenn auch unterschiedlich beurteilten – Friedenslösung führen, kann die schweizerische Neutralität im Konfliktfall und im Rahmen einer Friedensordnung hilfreich sein. Dabei ist eine glaubwürdige Neutralität unabdingbar. Sie ist immer ein Friedensinstrument, das sich dank Honorigkeit über lange Zeiträume einsetzen lässt. Es versteht sich somit von selbst, dass Sympathiekundgebungen von Amtsträgern für die eine oder andere Konfliktpartei das Gebot der Unparteilichkeit verletzen. Demgegenüber schränkt die Neutralität die unparteiische humanitäre Hilfe keineswegs ein.
  Diese Überlegungen lassen sich nicht mit selektiven Waffen- oder Munitionslieferungen an Konfliktparteien vereinbaren («Neue Zürcher Zeitung» vom 21.2.2023), auch wenn dadurch die inländische Kriegsmaterialproduktion allenfalls kurzfristige Nachteile erdulden müsste. Will man diese Nachteile aus Opportunitätsgründen nicht riskieren, muss man dazu stehen, dass einem die integrale Neutralität fallweise weniger bedeutet als andere Vorteile.
  Der NZZ-Artikel vom 21.2.2023, welcher einer politischen Partei (in concreto der SVP) Sturheit beim Festhalten an der Neutralität vorwirft, verkennt, dass es nicht um Sturheit geht, sondern um das generell glaubwürdige Festhalten am Neutralitätskonzept, das keine situative Teilabschaffung duldet. Neutralität von Fall zu Fall ist keine Neutralität und widerspricht dem erfolgreichen langfristigen schweizerischen Staatsgedanken. Auch spätere Generationen sollten der integralen Neutralität verbunden bleiben. Eine bessere Grundhaltung für unser kleines Land wird sich schwerlich finden lassen.

Hanspeter Bornhauser, Bedano

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