Im Krieg steht alles Kopf

km. Auf der Meinungsseite des «Kölner Stadt-Anzeigers» vom 27. Februar schrieb Erik Flügge, Bestsellerautor und Mitglied der deutschen SPD: «Wenn Kritiker von Waffenlieferungen keine politische Vertretung in der Mitte finden, ist das gefährlich für die Demokratie. […] Menschen, die ihre Überzeugung nie geändert haben, geraten plötzlich an den Rand. ‹Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete› – das war bis vor zwölf Monaten noch deutsche Staatsräson. Heute ist es eine Position, die öffentlich fast nur noch an den Rändern vertreten wird.»
  Erik Flügge hat sich auf die Menschen beschränkt, die gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine sind. Aber was spricht dagegen, seine Überlegungen auszuweiten?
  Auch diejenigen, die schon lange davon sprechen, dass die Nato ihre Versprechen gegenüber Russland, sich nicht in Richtung russischer Grenze auszuweiten, nicht gehalten hat, «geraten plötzlich an den Rand». Auch diejenigen, die darauf hinweisen, dass die USA und ihre Verbündeten in den vergangenen 30 Jahren auf eine den Weltfrieden gefährdende Art und Weise «illegale Kriege» geführt haben, um den Anspruch durchzusetzen, «einzige Weltmacht» zu sein und zu bleiben. Und nicht bereit waren, andere Staaten wie Russland und China als gleichberechtigt zu betrachten. Auch diejenigen, die betonen, dass der Krieg in der Ukraine nicht erst 2022, sondern schon 2014 begann – und darauf hinweisen, dass die Zentralregierung in Kiew einen grossen Anteil an Verantwortung für diesen Krieg und die schon vor dem 24. Februar 2022 14 000 mehrheitlich russischstämmigen Toten dieses Krieges hat. Auch diejenigen, die im Zusammenhang mit diesem Krieg auf die rassistischen Motive der «Russenhasser» in der Ukraine hinweisen. Auch diejenigen, die aufzeigen, dass die USA und ihre Verbündeten diese Kriegs-politik der ukrainischen Regierung und ukrainischen Nationalisten politisch, finanziell und militärisch gepuscht haben. Auch diejenigen, die darauf hinweisen, dass Greuelvorwürfe gegen den «Feind» im Krieg aus propagandistischen Gründen das Übliche sind und die Unschuldsvermutung bis zum zweifelsfreien Beweis des Gegenteils im Krieg besonders wichtig ist. Schliesslich auch diejenigen, die sich aus all diesen Gründen weigern, von einem «unprovozierten» und «brutalen Angriffskrieg» Russlands zu sprechen.
  Alle diese Menschen «geraten plötzlich an den Rand». Das geht bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung. Bei der Kundgebung für das «Manifest» von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar in Berlin las der Veranstaltungsleiter zu Beginn einen längeren Text darüber vor, was alles bei dieser Kundgebung behördlicherseits verboten sei. Das war eine lange Liste – da ging es nicht nur um Waffen oder Gewaltaufrufe. Das ist der Stand der Meinungs- und Versammlungsfreiheit im heutigen Deutschland.
  Warum Menschen, die von ihrem ganzen Werdegang her gute Staatsbürger waren und sind – in dem Sinne, dass sie das Grundgesetz ernst nehmen und die Grundrechte auch leben – «an den Rand geraten», ist eine wichtige Frage. Auch an den Zustand des deutschen Staates, der deutschen Politik und des öffentlichen Lebens in Deutschland.
  Dass im Krieg alles, was im Frieden wertvoll ist, keine Gültigkeit mehr haben soll, haben viele schon früher dargelegt. Ich erinnere mich, als ich vor mehr als 50 Jahren Schüler an einem deutschen Gymnasium war und wir Bertolt Brechts «Mutter Courage» lasen. Das war auch dort schon ein Kernthema. Sehr wahrscheinlich hat die Tatsache, dass gute deutsche Staatsbürger heute an den Rand geraten, etwas damit zu tun, dass Deutschland Krieg führt. Annalena Baerbock hat es ja offen gesagt – man will es nur noch nicht glauben. … Aber mit Freiheit und Demokratie hat dies nichts mehr zu tun.  •

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK