von Eliane Perret
Wer sich heute mit Hilfe der Mainstream-Medien über das Weltgeschehen informieren will, muss feststellen, dass er eine professionell gestaltete Meinungslenkung vorfindet. Das gilt speziell in einer Zeit wie der unseren, die von Kriegsgeschehen überschattet ist. «When war is declared, truth is the first casualty» («Nach der Kriegserklärung ist die Wahrheit das erste Opfer»), schrieb Lord Arthur Ponsonby 1928 in seinem Buch «Falsehood in Wartime» («Lügen in Kriegszeiten»), in welchem er die Kriegslügen aus dem Ersten Weltkrieg darlegte. Seine Untersuchungen wurden Grundlage für die belgische Historikerin Anne Morelli, die seine Forschungsresultate zu den Regeln der Kriegspropaganda verdichtete. In diese Tradition fügt sich das Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte Buch von Johannes Menath mit dem Titel «Moderne Propaganda. 80 Methoden der Meinungslenkung» ein. Dem Autor geht es darum, den von «einer unsichtbaren Wolke künstlicher Emotionen, Meinungen und Schlussfolgerungen» (S. 9) umgebenen Menschen den Blick zu öffnen für die bei der Meinungslenkung angewandten Methoden. So könne er beginnen, den Blick zu schärfen, wie sein Wunsch nach Information missbraucht werde, und sich dazu befähigen, die angewendeten Techniken zu erkennen, Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und damit der Untergrabung demokratischer Auseinandersetzung etwas entgegenzusetzen. «Jede Demokratie ist nur so stark wie das souveräne Bewusstsein der Wähler. Bildung, gerade auch im Hinblick auf Faktoren, die unsere Psyche beeinflussen, steht also am Beginn der Entwicklung zum mündigen Bürger» (S. 10), meint Menath und: «In Zeiten, in denen die Presse und Medien nicht mehr ihrer originären Aufgabe als Korrektiv der politischen Macht nachkommen, ist es um so bedeutsamer, Widerstandskraft gegen Propaganda zu entwickeln. Und wenn Medienkonzerne selbst zur grössten Macht im Staat zu werden drohen, sind mündige Bürger gefordert, einem Aushöhlen der Demokratie entgegenzuwirken.» (S. 11)
Methoden der Meinungslenkung
In akribischer Arbeit stellt der Autor als Hauptteil des Buches 80 Methoden der Meinungslenkung in kurzen Abschnitten dar. Oft bauen sie aufeinander auf oder werden miteinander kombiniert. Sie gliedern sich in solche, die bestimmte Meinungen erzeugen, jene, die unerwünschte Ansichten zerstören sollen, und schliesslich beschreibt Menath Techniken, mit denen gesellschaftliche Rahmenbedingungen erstellt werden, welche die Beeinflussung der öffentlichen Meinung erleichtern. Dazu hat sich der Autor durch ein beeindruckend breites Spektrum an Literatur von der Antike bis in die Neuzeit gearbeitet. Wer sich die Zeit nimmt, seine Beschreibungen sorgfältig zu lesen und auf sich wirken zu lassen, erkennt dahinter stets das zutiefst ethische Ziel des Autors, die Menschen nicht in Unmündigkeit hängen zu lassen, sondern ihnen etwas an die Hand zu geben, dass sie sich zu eigenständigen Mitbürgern weiterentwickeln können. Es wird auch deutlich, wie Manipulation sich die menschliche Sozialnatur zunutze macht. Es geht um artspezifische Verhaltensformen, die uns die Evolution mitgegeben hat und die sozusagen das allgemeine «Unbewusste» ausmachen, wie wir aus der anthropologischen Forschung wissen. Beispielsweise unser Hang, sich in der Gruppe einzuordnen und nicht abseits zu stehen, weil uns das Sicherheit gibt.
Bösartige Manipulation versus Erziehung
Im Anschluss an die Darstellung der 80 Methoden der Propaganda wirft der Autor seinen Blick auf die Gründe für deren Wirkung und geht dazu als erstes auf die evolutionäre Entwicklung des Menschengeschlechtes ein. Um zu überleben, waren die Menschen stets drauf angewiesen, ihr Umfeld richtig wahrzunehmen und dabei aus der unendlichen Fülle von Informationen diejenigen als wichtig zu bewerten, die ihrem Ziel nützlich waren, und andere zu selektionieren. «Wir nehmen nicht wahr, um zu erkennen, sondern zu überleben.» (S. 92) Aber dies stets vor einem individuellen Hintergrund, den wir durch den zwischenmenschlichen Austausch erweitern können und müssen. An diesen menschlichen Eigenschaften würden nun Manipulationstechniken anknüpfen, die ein Thema eingrenzen, vereinfachen, mit Symbolen belegen und mit Emotionen verknüpfen, damit die gewünschten Meinungen erzeugt werden können. Als positiven Gegenpol zu solch unheilvoller Manipulation der Persönlichkeit stehe Erziehung als notwendiger Grundpfeiler menschlicher Entwicklung, die darauf ausgerichtet sein solle, «die Persönlichkeit des anderen ausprägen zu helfen unter Berücksichtigung der angelegten Stärken und Schwächen, um einen selbstverantwortlichen, mutigen und klugen Menschen zu formen» (S. 94). Um letztlich zu einer eigenen Anschauung zu gelangen, bedürfe es einer konstruktiv-kritischen Grundhaltung, des bewussten Hinterfragens und Einholens verschiedenster Informationen und schliesslich der Kenntnis der wesentlichen politischen wie philosophischen Konzepte.
Politische und humanistische Bildung versus Meinungsmacht
In den folgenden Kapiteln befasst sich der Autor damit, wie wir uns vor Indoktrination schützen können. Das Betrachten aus verschiedenen Blickwinkeln als notwendige Voraussetzung für eine freie, fundierte Meinungsbildung werde durch die Tatsache erschwert, dass die Mainstream-Medien ihre Informationen grossteils von den vier Presseagenturen AP, Reuters, AFP und dpa (für die Schweiz sda) bezögen, welche in der Rolle als Torwächter die Informationen vor-selektionierten, noch bevor sie in den Redaktionen ankämen. Zudem sei es dort angestellten Journalisten kaum möglich, über Inhalte zu berichten, die den wirtschaftlichen Interessen der Konzerneigner zuwiderlaufen würden, – wollten sie nicht ihre Anstellung riskieren – genauso wenig wie systemkritische Artikel einen Platz fänden. So sei die hiesige Presselandschaft abhängig von bestimmten US-amerikanischen Interessengruppen. Wer über den eigenen Tellerrand hinausblicken wolle, werde deshalb nicht daran vorbeikommen, die nötige Zeit aufzuwenden, um sich wirklich tiefgreifendes Wissen anzueignen, «will er nicht zum unbewussten Erfüllungsgehilfen einer Meinungslenkung werden». (S. 96) So wird politische Bildung zur ersten Säule unabhängigen Denkens, während der Autor als zweite Säule auf das Studium der klassischen Literatur verweist, um sich mit den Idealen, Vorgängen und Ereignissen der Vergangenheit zu befassen. «Wir leben inmitten lebendig gewordener Vorstellungen. Sie wurden erdacht, niedergeschrieben, verbreitet und in die Tat umgesetzt.» (S. 97) Die Lektüre der grossen Klassiker – der Autor führt Aristoteles, Platon, Nietzsche, Konfuzius und Marc Aurel an – helfe jedem, das heutige Geschehen richtig einzuordnen und den Staat und dessen Politik richtig zu bewerten. «Lesen [wird] ein Akt der Befreiung aus der Unmündigkeit, der Apathie und Orientierungslosigkeit». (S. 98) Im Anhang hat Menath deshalb einen Bücherkatalog zusammengestellt, den er zur Lektüre empfiehlt.
Die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit
Hier anzufügen wäre, dass Manipulation eine böswillige Täuschung ist. Sie macht sich Erkenntnisse aus der modernen Seelenheilkunde missbräuchlich zu Nutze. Sie greift den Menschen dort an, wo er sich selbst nicht versteht, wo er «verführbar» ist. So kommt es vor, dass wir Dinge tun, obwohl wir es doch hätten wissen müssen … Gegen solche wirkmächtigen Gefühle hat Aufklärung allein einen schweren Stand. Oft sind sie uns gar nicht unbewusst, aber wir verstehen sie nicht – wir verstehen nicht, was uns antreibt. Das hängt mit unserer persönlichen inneren Lebensgeschichte zusammen. Darum ist auch die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit oder des Charakters wichtig, auf die der Autor hinweist. (S. 107) Ergänzend zu seinen Ausführungen sei hier angemerkt, dass es darum geht, unsere individuelle Erlebensweise und Reaktionsbereitschaft in ihren lebensgeschichtlichen Bezügen und vielleicht der eigenen Verletzlichkeit, die sich erst in spezifischen Anforderungssituationen zeigt, zu erkennen und zu verstehen. Da liegt das Arbeitsgebiet der Tiefenpsychologie, und darin liegt die politische Bedeutung unserer Gefühle.
Der Imperialismus
Unter diesem Titel befasst sich der Autor mit der Bedeutung des amerikanischen Imperiums als Besatzungsmacht Deutschlands und der versuchten weltweiten Vormachtstellung, die sich auch in der Einflussnahme auf Presse und Politik niederschlage. Er führt dazu transatlantische Netzwerke, Denkfabriken und -Politlobby-Organisationen an, in welche leitende Persönlichkeiten aus Politik und Medien eingebunden sind. Ein Beispiel dafür ist die Atlantikbrücke, aber auch zahlreiche andere, das «Who is Who» der deutschen Politik und Medienlandschaft. Der Autor zitiert den US-Militärstrategen Zbigniew Brzezinski, der in seinem 1997 erschienen programmatischen Buch «The Grand Chessboard» schrieb: «Die brutale Wahrheit ist, dass Westeuropa und in zunehmenden Masse auch Zentraleuropa ein amerikanisches Protektorat bleiben, bei dem die alliierten Staaten den antiken Vasallen und Tributpflichtigen gleichen.»
Das politische Handeln
Die Analyse von Johannes Menath ruft zum Handeln auf. Er selbst sieht den Weg darin, sich zusammenzutun im Anliegen, der Manipulation einen Stopp zu setzen, und in der Forderung nach einer freien Diskussion. So könnten die grossen Bevölkerungsteile, denen alternative Informationsangebote unzugänglich oder fremd sind, durch prägnante Informationen auf den Missstand der gezielten Meinungslenkung hingewiesen werden. Zum Beispiel durch ein breit und wiederholt gestreutes Flugblatt, um in direkten Kontakt mit der Bevölkerung zu kommen und die Windmühlen der Meinungserzeugung ausser Kraft zu setzen. Der durch die Medien erzeugte Gegensatz Gut-Böse sollte ersetzt werden durch Aufgeklärt-Manipuliert und dadurch moralische Überlegenheit erhalten. So würde der Weg frei für eine öffentliche Diskussion, die ihren Namen verdiente. Heutige Medienlenkung verfolge Ziele, die den Interessen der eigenen Leserschaft widersprechen, schreibt der Autor in der Einleitung des Buches (S. 9), nämlich: «Wie bringt man die Bevölkerung eines Landes dazu, in einen Krieg zu ziehen, den es eigentlich nicht will? Wie bringt man sie dazu, ein Ziel zu verfolgen, das gegen ihre fundamentalen Interessen verstösst?» Ziele, welche die Grundlagen eines friedlichen menschlichen Zusammenlebens ignorieren.
Mut, Klugheit, Zusammenhalt
«Heute ist Zeitvertreib für die Masse zur Normalität geworden» (S. 107), leitet der Autor das letzte Kapitel seines Buches ein. Doch mutet er den Menschen mehr zu als ein zielloses Leben, denn die Welt sei voller Herausforderungen, und neben dem politischen Handeln sei auch die Arbeit am eigenen Charakter etwas, was jeden Moment des Lebens sinnvoll ausfülle. Es gehe darum, an sich zu arbeiten, und was im ersten Moment als schwer erscheinen möge, werde leicht, wenn man den ersten Schritt gemacht und sich Neues zu eigen gemacht habe. «Das eigene Handeln Stück für Stück in eine fruchtbare Richtung zu lenken ist eine Aufgabe, die das eigene Leben kostbar und interessant werden lässt.» (S. 108) Der Mut, sich mit anderen und mit sich selbst zu konfrontieren, gehöre zu den wichtigsten Tugenden. Er bleibe jedoch ziellos ohne Klugheit. Nur dann werde das Handeln auch in die richtigen Bahnen gelenkt. Und der Autor verweist nochmals auf die klassische Literatur als wichtigen Wegweiser, weil in diesen Büchern die Erfahrungen der klügsten Menschen festgehalten seien, deren Ideen man kennen müsse. Menath schlägt vor, solche Werke gemeinsam in Lesegruppen durchzuarbeiten, was es nicht nur leichter mache, sondern auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärke. «Wer sich mit Menschen umgibt, mit denen man gut reden kann, der bringt viel geistige Bereicherung in sein Leben.» (S. 109) Und dieser Zusammenhalt wäre der dritte Schritt zu gestaltendem Wirken, basierend auf gemeinsamen Zielen und einer gemeinsamen (eventuell auch wiedergefundenen) Kultur.
Wichtige Persönlichkeiten …
Den Schluss des Buches gestaltet der Autor mit einer kurzen Vorstellung wichtiger Persönlichkeiten, die sich mit Methoden des Machterhalts auseinandergesetzt haben, nach Themen geordneten Buchempfehlungen, einer umfassenden Literaturliste und längeren Originalzitaten von Alexis de Tocqueville, Aristoteles und Edward Bernays. Mit seinem Buch hat der Autor sein ursprüngliches Flugblatt in ein Buch überführt, das – weit verbreitet und gelesen – dazu dienen könnte, den Schleier der Meinungslenkung zu lüften und einen freien Diskurs zum Wohle aller Menschen möglich zu machen. Denn politische Manipulation greift in unser Gemeinschaftsleben ein. Ihr muss auch dort entgegengetreten werden. Deshalb müssen wir gemeinsam und öffentlich darüber sprechen. •
* Menath, Johannes. Moderne Propaganda. 80 Methoden der Meinungslenkung. Verlag Zeitgeist. Höhr-Grenzhausen 2022. ISBN 978-3-943007-42-8
ep. Johannes Menath (1993) studierte Chemieingenieurwesen in Erlangen und Nürnberg. Mit Freunden gründete er 2018 die Agora-Initiative, die sich mit der Aushebelung demokratischer Prinzipien durch psychologische Einflussnahme befasst und Aufklärung betreibt. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis mehrjähriger Dokumentation und Recherche.
ep. Es ist nicht zufällig, wenn ein Thema anscheinend unvermittelt gleichzeitig von allen Mainstream-Medien aufgegriffen wird, sondern es wird von ihnen bewusst auf die Tagesordnung gesetzt. Dieses Agenda setting (S. 24f.) bestimmt, welche Themen in den Fokus des medialen Diskurses gebracht werden sollen (und wovon gleichzeitig abgelenkt wird). Es spiegelt sich darin also kein gesellschaftliches Bedürfnis nach spezifischer Information, sondern die Vorgabe durch eine politische Agenda. Wer dieses Werkzeug der Meinungslenkung durchschaut, dem wird sicher auffallen, dass die aktuelle Berichterstattung über die Situation nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien sich fast ausschliesslich auf die Türkei beschränkte, während das Leid der syrischen Menschen «vergessen» ging bzw. zur Kritik an der syrischen Regierung genutzt wurde.
Agenda setting gehört auch zu den Manipulationstechniken, die genutzt werden, um eine Schmutzkampagne gegen eine missliebige Meinung, Person oder Gruppierung zu lancieren. Durch gleichzeitige, scheinbar unabhängige Kritik wird «Wahrheit» erzeugt, die nur noch von wenigen hinterfragt wird. Das gleiche Vorgehen kann natürlich auch genutzt werden, um eine Idee, eine Meinung oder ein Produkt zu lancieren.
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