Wie mit Propaganda der klare Blick getrübt und das Denken vernebelt wird

von Eliane Perret

Es scheint so zu sein, dass viele Medien heute ihre Aufgabe nicht mehr darin sehen, ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer durch eine sachliche Berichterstattung über Geschehnisse zu informieren, die das Zusammenleben der Menschen im eigenen Land und weltweit betreffen. Nicht nur wird kaum mehr Kommentar und Berichterstattung getrennt, sondern die Texte werden mit unterschiedlichen Methoden der Meinungslenkung aufbereitet, mit denen der Blick fürs Wesentliche getrübt und das klare Denken vernebelt werden soll. Es ist deshalb kein Zufall, dass immer mehr Menschen den sogenannten «Qualitätsmedien» skeptisch gegenüber stehen. In der Rezension des Buches von Johannes Menath «Moderne Propaganda» (Zeit-Fragen Nr. 6 vom 21. März 2023) wurde bereits auf diese Thematik eingegangen. Im folgenden werden einige der verwendeten Methoden der Meinungslenkung genauer vorgestellt.

Monopolisierung –
Scheinwahrheit erzeugen

Es ist richtig, wenn aufmerksame Leser beim Blick in verschiedene Medien stutzig werden wegen der gleichförmigen Berichterstattung und Beurteilung eines Sachverhaltes. Medienkonzerne können ihre Monopolstellung missbrauchen und nur erwünschte, durch Nachrichtenagenturen gefilterte oder auch zensurierte Nachrichten verbreiten. Sie versuchen, mit diesem Propagandatrick eine Scheinwahrheit zu erzeugen, die nicht hinterfragt werden darf: «Wenn alle das Gleiche sagen, muss es doch stimmen!» Damit verweigern sie sich ihrem eigentlichen Auftrag, verschiedene Sichtweisen und Perspektiven zu einem Geschehen sachlich darzustellen und dem Leser durch ausgewogene, vielschichtige Informationen Grundlagen für die eigene Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen. Unerwünschte Beobachtungen, Erfahrungen oder logische Überlegungen werden verschwiegen oder als Zufall und subjektive Meinung abgetan. Eine solche einseitige Berichterstattung ist manipulativ und autoritär, denn sie gibt nicht nur vor, die alleinige Wahrheit zu besitzen, sondern sie wertet zugleich Andersdenkende als zu vernachlässigende Minderheit ab. Damit werden unterschiedliche Perspektiven als störend verurteilt, wird ein gleichwertiger Diskurs verwehrt, die freie Meinungsbildung verhindert und letztlich die Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaates unterhöhlt. Diesem autoritären Versuch der Meinungslenkung muss mit der Suche nach Informationen aus erster Hand und alternativen Quellen begegnet werden.1

Scheindebatten –
eine ehrliche Diskussion verhindern

«Scheindebatten» versuchen die Monopolisierung der Meinungsbildung zu verschleiern, um so von kritischen Fragen abzulenken und die Illusion eines freien Diskurses aufrechtzuerhalten. Im Bildungsbereich fand vor einigen Jahren eine solche Scheindebatte statt, als es darum ging, bereits in der Primarschule eine zweite Fremdsprache einzuführen. Die Diskussion drehte sich darum, ob es Französisch oder Englisch sein sollte. Nicht zu Wort kamen Menschen, die einen frühen Fremdsprachenunterricht überhaupt ablehnten und auf die Priorität von Deutschunterricht hinwiesen, um die mangelhaften Deutschkenntnisse eines erheblichen Teils unserer Kinder und Jugendlichen zu beheben. Ebenso wurden unabhängige Studien wie diejenige von Prof. Simone Pfenninger ignoriert, welche eindeutig nachweisen konnte, dass der frühe Fremdsprachenunterricht keinerlei Vorteile hat, denn im später einsetzenden Oberstufenunterricht wird der zunächst erreichte Vorsprung in kurzer Zeit aufgeholt. Der Ausgang der Debatte war deshalb bereits von vornherein klar und konnte keinen unerwünschten Ausgang nehmen – eben eine Scheindebatte.2

Infantilisierung –
kritisches Denken unterdrücken

Mit dieser Methode soll kritisches Denken unterdrückt werden, indem die erwachsenen Adressaten wie unmündige Kinder angesprochen werden, die es zu schützen und vor überfordernden Situationen und Entscheidungen zu bewahren gilt. Es wird ihnen subtil vermittelt, dass sie nicht in der Lage seien, politische Entscheide zu fällen oder zu beurteilen und die «väterliche Macht» der Regierung an ihrer Stelle diese Aufgabe übernehmen müsse. Indirekt werden sie zu abhängigen, autoritätshörigen, ungebildeten und kritikunfähigen Untertanen abgestempelt. Das Argument der «Überforderung» führen Schweizer Medien gerne ins Feld, wenn Volksentscheide nicht im Sinne von sich als Eliten gebärdenden Lobbygruppen ausgefallen sind. An Stelle eigenständigen Denkens und Entscheidens werden Infotainment und ein durch Propaganda erzeugtes leicht verständliches Weltbild angeboten. Es befördert den Infantilisierungsprozess zusätzlich und kann bei den Betroffenen eine fatalistische Haltung und Politikverdrossenheit erzeugen, die in ihnen den Ruf nach einer starken Hand wachruft und aufrechterhält.3

Pacing and Leading –
eine falsche Fährte legen

Verschiedene Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung werden zur Meinungslenkung missbraucht. Dazu gehört auch «Pacing and Leading» (Mitschreiten und Führen), das dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) entstammt. Mit dieser Technik versucht man, Menschen dazu zu bringen, sich von eigenen Ideen, Wertvorstellungen und Meinungen abzuwenden und anderen zu folgen, ohne dies zu realisieren. Um das Vertrauen der Leser, Zuhörer oder Zuschauer zu gewinnen, greift die Berichterstattung zuerst die vorhandenen Ansichten auf und scheint mit ihnen in Übereinstimmung zu sein, um dann sukzessive eine Wendung auf die eigentlich angestrebte Denkweise zu nehmen. Da es vielen Menschen schwerfällt, sich einzugestehen, dass sie sich haben manipulieren lassen, ist diese Methode der Meinungslenkung oft erfolgreich. Die gewünschten Botschaften werden auch in Produkte der Unterhaltungs- und Kulturindustrie integriert, hinter denen kaum eine politische oder ideologische Beeinflussung vermutet wird. Beispiele dafür sind Computerspiele, die ein klares Freund-Feind-Schema aufweisen und Gewalt belohnen. Auch in Musik und Film können Botschaften verpackt sein, die bisherige Wertvorstellungen diskreditieren und deren Transformation begünstigen. Und wird den Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg vorgegaukelt, dass es normal sei, amerikanische Kleidung zu tragen, amerikanische Nahrung zu essen, amerikanische Musik zu hören, amerikanische Filme anzusehen und amerikanische Feste zu feiern, so wird das kaum mehr hinterfragt. Zerstört werden dabei die gemeinsame Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl bestehender Volksgruppen und Nationen, das auf gemeinsamer Geschichte und Tradition beruht.4

Framing und Labeling –
das Denken in Bahnen lenken

Bei diesen eng miteinander verwandten Techniken geht es darum, einen Deutungsrahmen (Framing) vorzugeben, innerhalb dessen sich der Angesprochene bewegen soll und der einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte Person im gewünschten Licht erscheinen lässt. Zum Beispiel werden Kriege oft damit begründet, dass man den Menschen im Lande «Freiheit und Demokratie» bringen möchte, also für die «Menschenrechte» kämpfe. Ein anderer Deutungsrahmen für denselben Vorgang wäre: «Wir führen Krieg, weil wir die Rohstoffe in der Erde des Gegners für uns beanspruchen» oder «Wir führen Krieg, um unsere geostrategische Vormachtstellung zu zementieren und weil wir Militärstützpunkte errichten wollen.» Bombardierungen werden euphemistisch zu «Luftschlägen», die im Krieg umgebrachte Zivilbevölkerung und zerstörte Infrastruktur zu «Kollateralschäden» und die Propaganda, mit der die Bevölkerung an der Nase herumgeführt wird, ist schlicht «Öffentlichkeitsarbeit» oder ganz einfach PR. Auch mit wertenden Begrifflichkeiten (Labeling) wird ein Vorgang in ein bestimmtes Narrativ eingebunden. Bestimmte Regierungen werden konsequent mit dem Textbaustein «Regime» umschrieben, allenfalls ergänzt durch «autoritär» (zum Beispiel, wenn es um Syrien, Venezuela oder Russland geht), mit dem Ziel, unmittelbar eine negative emotionale Stimmung zu provozieren, im Unterschied zu «Königreichen», die eine romantische Assoziation an Märchen hervorlocken sollen, wenn es um Grossbritannien, Jordanien und bis vor kurzem auch Saudi-Arabien geht. Dieselbe Methode lässt sich natürlich auch bei der Beschreibung von Menschen und Gruppierungen anwenden, indem man von «umstrittenen Historikern» oder «sektenähnlichen Gruppierungen» spricht, deren Meinung eine lächerliche oder gar gefährliche Verschwörungstheorie sei und deshalb keinen Raum bekommen dürfe.5

Dekontextualisierung –
wichtige Informationen weglassen

Propagandaagenturen und Nachrichtenportale versuchen, durch Verschweigen wichtiger Hintergrundinformationen oder Zusammenhänge ein erwünschtes Bild zu erzeugen. Diese «Dekontextualisierung» ist die Komplementärtechnik zum «Framing». Dabei werden die Vorgeschichte, der grössere politische Rahmen oder auch geheimdienstliche Operationen, die zu einem Konflikt geführt haben, verschwiegen. Ein aktuelles Beispiel ist das Kriegsgeschehen in der Ukraine, das ohne seine Vorgeschichte nicht eingeordnet werden kann. Dazu gehört der im Jahr 2014 von den USA mit fünf Milliarden Dollar finanzierte Staatsstreich in der Ukraine – in den Mainstreammedien als Maidan-Revolution bezeichnet – genauso wie die darauffolgende Diskriminierung der russischen Bevölkerungsgruppe. Noch weiter zurück liegt die Einordnung der Ukraine als Schlüsselstaat für die Ausweitung der US-amerikanischen Macht, wie sie vom US-Militärstrategen Zbigniew Brzezinski bereits 1997 festgehalten wurde. Die gängige Berichterstattung verschweigt diesen Kontext zugunsten des Narrativs eines unprovozierten Angriffskrieges durch die russische Armee. Solche Informationen muss sich der interessierte Zeitgenosse selbst zugänglich machen, indem er Quellen ausserhalb der üblichen Nachrichtenportale wie AP, Reuters und AFP sucht, welche die sogenannten «Qualitätsmedien» beliefern, und Bücher liest, welche die lückenhafte Berichterstattung durch zuverlässige und differenzierte Informationen ergänzen.6

Sich das Denken nicht verbieten lassen

Es ist ein spannendes Unternehmen, sich den heutigen Methoden der Meinungslenkung anzunähern. Es gibt leider eine Vielzahl davon. Deshalb ist es nicht nur spannend, sondern auch dringend nötig, wenn wir uns das Recht auf eine eigene Meinung und eigenständiges Denken nicht verbieten lassen wollen.  •



1 vgl. Menath, Johannes. Moderne Propaganda. 80 Methoden der Meinungslenkung. Höhr-Grenzhausen: Zeitgeist-Verlag, 2023, S. 18
2 vgl. a.a.O. S. 21f.
3 vgl. a.a.O. S. 53
4 vgl. a.a.O. S. 31 und S. 107
5 vgl. a.a.O S. 17 und S. 33
6 vgl. a.a.O. S. 75

Weitere Bücher zum Thema Propaganda und Manipulation:

Ellul, Jacques. Propaganda. Wie die öffentliche Meinung entsteht und geformt wird. Frankfurt a. Main: Westend Verlag, 2021, (Französische Erstausgabe 1962)
Morelli, Anne. Die Prinzipien der Kriegspropaganda. ZuKlampen-Verlag, Springe 2004
Ponsonby, Arthur. Falsehood in Wartime. New York: E. P. Dutton & Co, 1929 (Auszüge in: https://archive.org/details/16FalsehoodInWartime)

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK