von Hans Köchler*
Der hier veröffentlichte Text ist eine Übersetzung der in englischer Sprache gehaltenen Eröffnungsrede von Hans Köchler, Präsident der International Progress Organization, auf dem Weltforum für Demokratie und Frieden 2023 in Berlin am 15. Februar 2023. Organisator der Veranstaltung war die Akademie für Kulturdiplomatie, eine Partnerinstitution des 1999 in New York gegründeten Institute for Cultural Diplomacy (ICD).
Während vier Tagen intensiver Debatten – moderiert von Professor Köchler, der auch der Fakultät der Akademie für Kulturdiplomatie angehört und Mitglied des Beirats des ICD ist – diskutierten Politiker, Diplomaten, Akademiker, Studenten und Aktivisten der Zivilgesellschaft u. a. aus Afghanistan, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Italien, Kroatien, Libanon, Litauen, Malta, Nordmazedonien, den Niederlanden, Österreich, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Spanien, Tunesien, Türkei, Ukraine, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten über die Krise der Demokratie und die Gefahr eines weltweiten Krieges. Zu den Hauptrednern gehörten die ehemaligen Staats- und Regierungschefs Frankreichs, François Fillon, Rumäniens, Prof. Emil Constantinescu, Nordmazedoniens, Prof. Gjorge Ivanov, Tunesiens, Dr. Moncef Marzouki, Libanons, Dr. Hassan Diab, Litauens, Frau Dalia Grybauskaité, und Maltas, Frau Marie-Louise Coleiro Preca.
Die kantische Vision des immerwährenden Friedens
Kein Frieden ohne Demokratie, keine Demokratie ohne Frieden – das waren die Überzeugungen, die viele in der Friedensbewegung des letzten Jahrhunderts, insbesondere in den letzten Jahrzehnten des Kalten Krieges, artikulierten. Die Verfechter der These vom «demokratischen Frieden» sahen sich in der Tradition des grossen Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant aus Königsberg.1 In seiner Abhandlung «Zum ewigen Frieden»2 hatte er gezeigt, dass nur ein Gemeinwesen, in dem die Bürger darüber mitbestimmen können, «ob Krieg seyn solle, oder nicht»3, Aussicht auf Frieden bietet – und zwar auf einen echten Frieden, der mehr ist als eine vorübergehende Waffenruhe.
Kant bezeichnete ein solches System als republikanisch – wo Entscheidungen von denjenigen getroffen werden, welche die Konsequenzen ihrer Entscheidungen unmittelbar zu tragen haben, und nicht von einem unnahbaren und abgehobenen Herrscher, der von den verheerenden Auswirkungen eines Krieges nicht persönlich betroffen ist. Die politische Ordnung, die Kant als «republikanisch» bezeichnete (im Gegensatz zu einer despotischen Ordnung, in der es keine Gewaltenteilung gibt), wird in unserer Zeit gemeinhin als «repräsentative Demokratie» beschrieben.
Ein Blick in die Geschichte – insbesondere auf die Ereignisse der letzten Jahrzehnte – zeigt uns jedoch, dass nicht nur «despotische» Staaten, um den kantischen Ausdruck zu gebrauchen, sondern auch Staaten, die sich selbst als Demokratien definieren, grausame Kriege geführt und eine Vielzahl von militärischen Interventionen zu verantworten haben, die sie häufig mit dem Hinweis auf «Demokratie», «Menschenrechte» oder «Erhaltung des Friedens» zu rechtfertigen suchten. Ein Krieg zur Verteidigung des Friedens wäre in der Tat ein Widerspruch in sich selbst! Die bewaffneten Interventionen haben – vor allem in den Jahren seit dem Ende des Kalten Krieges – grosse Regionen nachhaltig destabilisiert und neue Konflikte heraufbeschworen, die auch im 21. Jahrhundert eine ernsthafte Gefahr für den Weltfrieden darstellen.
Haben sich die Verfechter des «demokratischen Friedens» – und mit ihnen Immanuel Kant – in der idealistischen Gleichsetzung von Demokratie und Frieden geirrt, oder ist der offensichtliche Widerspruch zwischen Idee und Wirklichkeit die Folge einer falschen Klassifizierung der jeweiligen Staatssysteme? Um dies zu klären, müssen wir uns zunächst mit der Terminologie beschäftigen, d. h. über den Begriff der Demokratie nachdenken. Nur mit begrifflicher Präzision – die für intellektuelle Redlichkeit unabdingbar ist – können wir die Herausforderungen für die Demokratie in Kriegszeiten überhaupt benennen und verstehen. Es handelt sich hier um Situationen, die die Grundlagen unseres Verständnisses von staatlicher Legitimität zu untergraben drohen, das durch die Ideale von «Demokratie» und «Rechtsstaatlichkeit» geformt ist.
Terminologie: die Grundsätze
Der Begriff (der inzwischen in viele verschiedene Sprachen eingegangen ist) wurde im antiken Griechenland geprägt. Die wörtliche Bedeutung von δημοκρατία ist «Herrschaft des Volkes», nicht Herrschaft im Namen des Volkes (oder für das Volk) – obwohl die meisten Gemeinwesen, die sich selbst als «Demokratie» definieren, in die letztere Kategorie fallen. Wie Rousseau bereits vor der Französischen Revolution feststellte, ist die direkte Herrschaft des Volkes als Gemeinschaft von Bürgern nur möglich, wenn die Gruppe klein ist. In Kollektiven von Millionen oder Hunderten von Millionen muss der Wille der Bürger durch Repräsentation zum Ausdruck gebracht werden. Durch Wahlen «bevollmächtigt» das Volk Delegierte, (für einen begrenzten Zeitraum) Gesetze zu erlassen. Idealerweise sollte diese Art der Vertretung in Form eines imperativen Mandates ausgeübt werden, das die Abgeordneten an die Präferenzen der Wählerschaft bindet, wie sie in regulären Wahlen zum Ausdruck kommen. In der politischen Realität jedoch handeln die Volksvertreter auf der Grundlage eines imperativen Mandates der politischen Parteien oder Interessengruppen, die sie nominiert oder ihre Kampagne unterstützt haben. Dies bringt fast zwangsläufig ein oligarchisches Element mit sich – oft in Form einer Plutokratie –, was das eigentliche Ideal von Volksherrschaft (wenn auch in ihrer vermittelten, indirekten Form) untergräbt. Im 20. Jahrhundert war es Präsident Dwight D. Eisenhower, der in seiner Abschiedsrede vom 17. Januar 1961 vor der destruktiven Wirkung von Lobbyinteressen auf ein demokratisches Gemeinwesen gewarnt hat: «In der Politik müssen wir uns davor hüten, dass der militärisch-industrielle Komplex, ob beabsichtigt oder nicht, ungerechtfertigten Einfluss erlangt. Die Gefahr des verhängnisvollen Aufstiegs einer fehlgeleiteten Macht besteht und wird weiter bestehen …»4
Da Demokratie aus organisatorischen Gründen nur in Annäherung an das Ideal der direkten Herrschaft des Volkes verwirklicht werden kann, sollte die Entscheidungsfindung durch Repräsentation unabhängig von Lobbies und Interessen- oder Pressure-Groups erfolgen. Die politische Realität, auch in der westlichen Welt, weist jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Krieg, ob tatsächlich oder geplant (strategisch intendiert), war in der Geschichte oft der Katalysator für die Mobilisierung dieser Gruppen – zum Nachteil der demokratischen Repräsentation, die nur allzuoft zu einer blossen Durchsetzung von Interessen wird, die weder öffentlich erklärt werden noch in irgendeiner Weise durch die Wählerschaft legitimiert sind.
Um die Auswirkungen des Krieges auf die Demokratie (d. h. auf eine Entscheidungsfindung, die dem Willen des Volkes entsprechen soll, unabhängig davon, ob dieser direkt durch ein Referendum oder indirekt durch Wahlen zum Ausdruck gebracht wird) richtig und ehrlich beurteilen zu können, müssen wir uns eingehender mit der demokratischen Idee beschäftigen – und damit, was sie konkret für die Organisation des Gemeinwesens bedeutet. Wir denken hier an Anforderungen, die – unabhängig von soziokulturellen Unterschieden – universell gültig sind, sobald wir uns auf das Prinzip der Volksherrschaft geeinigt haben. Das Wesen der Demokratie ist die Freiheit des Einzelnen als Bürger eines Staates. Diese Freiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht. Die Freiheit zu entscheiden macht nur dann Sinn, wenn (1) der Bürger Zugang zu relevanten Informationen hat (was das Erfordernis der Transparenz ist); (2) sich seine Meinung bilden kann, ohne irgendeiner Art von Manipulation oder ideologischer Indoktrination ausgesetzt zu sein (was jede Form von Propaganda ausschliesst); und (3) seine Meinung und seinen Willen (in Referenden oder Wahlen) frei von Angst äussern kann.
Demokratie und Wahrheit
Die Techniken der «öffentlichen Kommunikation» (public relations) zur Unterstützung von Kriegsanstrengungen wurden – zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte – im Verlauf des Ersten Weltkriegs sorgfältig untersucht und schrittweise verfeinert. Es ist unvermeidlich, dass die Mobilisierung der öffentlichen Meinung im Krieg im Widerspruch zu den Anforderungen einer nüchternen und sinnvollen Beratung der Entscheidungsalternativen in einer Demokratie steht. Edward Bernays, ein (übrigens doppelter) Neffe von Sigmund Freud, bezeichnete diese Techniken mit für heutige Verhältnisse überraschender Ehrlichkeit als die «Erzeugung von Zustimmung» (engineering of consent) der Massen.5
In seinem Buch «Propaganda» (1928) behauptete er mit Bestimmtheit, dass «die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften ist».6 Es versteht sich von selbst, dass wir mit unserem Verständnis von Demokratie dieser Einschätzung nicht zustimmen können. Was Bernays beschreibt, ist ein wesentlicher Aspekt – oder modus operandi – der Oligarchie, der im Kriegszustand besonders zum Tragen kommt und äusserst verhängnisvoll ist. In den Worten Bernays’: «Diejenigen, die diesen verborgenen Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes [der Vereinigten Staaten] ist.»7 Gerade dies ist es, wovor Präsident Eisenhower, der als Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa während des Zweiten Weltkriegs selbst die Schrecken des Krieges erfahren hatte, feierlich warnte. Im Jahr 2023 steht die Welt erneut vor einer solchen Bedrohung durch nicht erklärte Interessen.
Was die bereits erwähnte Voraussetzung für jede demokratisch sinnvolle Entscheidung betrifft, nämlich den Zugang zu unverfälschter Information, sollten die heutigen Politiker auch die Weisheit von Samuel Johnson, dem grossen englischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, beherzigen. In einem Essay, der unter dem Pseudonym «The Idler» in der Londoner Wochenzeitschrift Universal Chronicle veröffentlicht wurde, schrieb er: «Zum Unheil des Krieges gehört auch die Verminderung der Wahrheitsliebe durch die Unwahrheiten, die das Interesse diktiert und die Leichtgläubigkeit fördert.»8 In einfacherer Form kommt diese Einsicht in einem Spruch zum Ausdruck, der oft Rudyard Kipling zugeschrieben wird: «Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.»
Am Grundsatz der Entscheidungsfreiheit wird die untrennbare Verbindung von Wahrheit und Demokratie deutlich. Eine sinnvolle Beteiligung am öffentlichen Leben ist schlicht und einfach unmöglich, wenn den Menschen wesentliche Informationen vorenthalten oder sie daran gehindert werden, mit den Bürgern ausserhalb des eigenen Gemeinwesens – auf der anderen Seite sozusagen – zu kommunizieren. Dies hat sich als eines der grössten Probleme der Demokratie unter Kriegsbedingungen erwiesen. In unserem globalen Zeitalter – mit der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen – sind Propaganda und die Verweigerung des Zugangs zu Informationen nicht nur ein Hindernis für die Demokratie im abstrakten Sinne, sondern eine existentielle Gefahr für die Menschheit schlechthin. In einer Konfliktkonstellation wie der jetzigen in Europa wird die demokratische Besonnenheit, die vom Urteil und der Situationseinschätzung des informierten Bürgers abhängt, nur allzu leicht und schnell dem Furor des Krieges untergeordnet und schliesslich von diesem ganz verdrängt. Wie immer in solchen Situationen sieht die Propaganda die Schuld ausschliesslich auf der anderen Seite. Schwarz-Weiss-Malerei ist das Gebot der Stunde. Bei nüchterner Einschätzung der Lage wird uns jedoch bewusst werden, dass die Protagonisten auf beiden Seiten eines Konfliktes Desinformation betreiben oder – wie es in der zeitgenössischen Terminologie heisst – sich der Methoden «hybrider Kriegsführung» bedienen.
Nicht nur die Wahrheit im eigentlichen Sinn – als Grundwert der Demokratie –, sondern auch die Integrität der Kultur steht auf dem Spiel, wenn der Verstand den Emotionen des Krieges geopfert wird. Die Blockierung von Fernseh- und Radiosendern oder Internetseiten, über Künstler verhängte Auftrittsverbote oder die Verhinderung von kulturellen Veranstaltungen und wissenschaftlichem und akademischem Austausch, ganz allgemein: die Geiselnahme der Zivilgesellschaft für Zwecke der Kriegsmobilisierung, sind mit demokratischen Werten schlechthin unvereinbare Methoden der Bevölkerungskontrolle.
Die Widerstandsfähigkeit der Demokratie
Die Kriegshysterie, die in diesen Tagen in Europa herrscht, erinnert auf unheimliche Weise an die Massenhysterie, mit der Europa vor mehr als einem Jahrhundert in den Krieg taumelte. Als die Menschen – unter ihnen auch bedeutende deutsche Intellektuelle wie Thomas Mann, Max Planck oder Max Weber – schliesslich aus ihren Illusionen erwachten, war es zu spät. In unserem nuklearen Zeitalter sind derartige Massenemotionen, durch die «neuen sozialen Medien» verstärkt, noch viel bedrohlicher, weil das Überleben der Menschheit auf dem Spiel stehen könnte. Wie Präsident Kennedy in seiner «Friedensrede» von 1963, wenige Monate vor seiner tragischen Ermordung, vorausschauend sagte: Es reicht nicht mehr aus, darüber nachzudenken, wie wir den Frieden in unserer Zeit sichern können; angesichts der Massenvernichtungswaffen muss die Menschheit danach streben, Bedingungen für einen Frieden für alle Zeit zu schaffen9 – in den Worten Immanuel Kants: einen «ewigen Frieden». Dies kann nur erreicht werden, wenn Demokratie sich gegenüber dem Despotismus behauptet, und zwar indem sie verhindert, dass mächtige Interessengruppen einen ganzen Staat als Geisel nehmen. In einer freien Republik üben die Bürger ihren Willen auf der Grundlage eines sorgfältig durchdachten Systems der Gewaltenteilung («Checks and Balances») aus, wodurch allein emotionale Exzesse verhindert werden können. Wenn die Bürger direkten Einfluss auf Entscheidungen über Krieg und Frieden haben, besteht zumindest noch die Hoffnung, dass sie keine Massnahmen befürworten, die ihre eigene Sicherheit und Existenzgrundlage gefährden. Entscheidend ist jedoch, dass keine geheime Instanz ihre Gedanken manipuliert. Edward Bernays’ freimütige Beschreibung der Methoden, die er vor einem Jahrhundert als «Propaganda» definiert hat, darf nicht in Vergessenheit geraten. Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz sind die Aussichten auf die «Herstellung von Zustimmung» (manufacture of consent) in der Tat erschreckend.
Unter den Bedingungen von zwischenstaatlichen Konflikten und Kriegen, wie sie derzeit herrschen, bleibt nicht nur die Wahrheit auf der Strecke, auch die Demokratie selbst läuft Gefahr, der gesteuerten Massenhysterie zum Opfer zu fallen. Hass zwischen den Völkern, rassistische Vorurteile, plumpe Klischees und Feindbilder finden gerade dann einen fruchtbaren Boden, wenn Staaten sich im Krieg befinden. Solche Emotionen lassen keinen Raum für demokratischen Diskurs oder eine nüchterne Abwägung der Optionen staatlicher Politik.
Die blosse Hoffnung auf die Widerstandsfähigkeit der Demokratie wird in einer solchen Ausnahmesituation nicht ausreichen. Die Zivilgesellschaft sollte – in bester demokratischer Tradition – sich erheben und die offizielle Sprachregelung – auf welcher Seite auch immer – in Frage stellen. Der kürzlich von der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Appell ist ein ermutigendes Zeichen.10 Wo Regierungen versagen, kann die Bürgerdiplomatie («citizen diplomacy») Alternativen zu einer anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzung aufzeigen. Hier wird die Widerstandsfähigkeit der Demokratie tatsächlich auf die Probe gestellt – und hier kann das demokratische Paradigma seine Relevanz mehr als in jedem anderen Rahmen unter Beweis stellen. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler – und ein schlechtes Omen für die Menschheit –, sollten die politischen Führer der inzwischen so grossen Zahl von Bürgerinitiativen für den Frieden keine Beachtung schenken.
Seit der Gründung der Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg besteht eine der grössten Herausforderungen für die Menschheit in der Frage, wie ein System internationaler Beziehungen geschaffen werden kann, das die Interdependenz von Demokratie und Frieden berücksichtigt. Die in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen bekundete Absicht, «Toleranz zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben», kann nicht anders interpretiert werden. Auch wenn in Kriegszeiten die Demokratie wie in keiner anderen Situation auf die Probe gestellt wird, so bleibt sie dennoch das einzige wirksame Gegenmittel gegen die Logik des Krieges.
Angesichts des demokratischen Ideals, das im unveräusserlichen Recht des Menschen auf Freiheit (sowohl individuell als auch kollektiv) begründet ist, sollte die Menschheit ihre Hoffnungen nicht nur auf die Abwesenheit von Krieg setzen, die sich dem «Gleichgewicht des Schreckens» – der mehr oder weniger rationalen Furcht vor «gegenseitig gesicherter Vernichtung» (mutually assured destruction) – verdankt. Die Menschheit sollte sich vielmehr für einen echten – und das heisst dauerhaften – Frieden im Geiste der gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen allen Staaten und Völkern einsetzen. Dies ist es, was Immanuel Kant als «ewiger Friede» vorschwebte – und was die heutige Weltordnung, die auf der privilegierten Rolle der militärisch mächtigsten Länder in den Vereinten Nationen beruht, noch nicht zu leisten vermag. •
1 jetzt Kaliningrad, in Russland
2 Zum ewigen Frieden: Ein philosophischer Entwurf. Königsberg: Friedrich Nicolovius, 1795
3 Kapitel II: «Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden», op. cit., S. 23
4 zitiert aus: «Farewell Address,» National Archives/Dwight D. Eisenhower Presidential Library, www.eisenhowerlibrary.gov/research/online-documents/farewell-address
5 «The Engineering of Consent»; in: The Annals of the American Academy (1947), S. 113–120
6 Edward Bernays, Propaganda. Reprint edition (with an introduction by Mark Crispin Miller): Brooklyn, NY: Ig Publishing, 2005, Kapitel I: «Organizing Chaos,» S. 37. Deutsche Ausgabe: Edward Bernays, Mark Crispin Miller. Propaganda. Kempten, Orange Press GmbH, 2013 (13. Auflage), Kap. I: «Die Ordnung des Chaos», S. 7
7 a.a.O.
8 The Idler, Nr. 29, Samstag, 4. November 1758, S. 95
9 John Fitzgerald Kennedy, Commencement Address at American University, Washington, D.C., June 10, 1963; Text veröffentlicht von John F. Kennedy Presidential Library and Museum, jfklibrary.org
10 Manifest für Frieden, 10. Februar 2023, www.change.org/p/manifest-für-frieden
* Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Dr. h. c. Hans Köchler (* 1948) war von 1990 bis 2008 Vorstand des Institutes für Philosophie an der Universität Innsbruck. Er ist Gründer und Präsident (seit 1972) der International Progress Organization (Wien). Seither setzt er sich mit zahlreichen Publikationen, Reisen, Vorträgen und durch sein Mitwirken in verschiedenen internationalen Organisationen für einen Dialog der Kulturen ein und arbeitet in verschiedenen Komitees und Expertengremien mit, die sich mit Fragen zur internationalen Demokratie, zu Menschenrechten und Entwicklung befassen. Hans Köchler ist Mitglied des Universitätsrates der University of Digital Science (Berlin). Seit 2018 lehrt er an der Academy for Cultural Diplomacy in Berlin. Hans Köchler lebt in Wien.
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