Pestalozzis Leitspruch: Kopf, Herz und Hand

von Marianne Bürkli

Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) war ein Schweizer Pädagoge und Philanthrop, Schul- und Sozialreformer, Philosoph und Politiker. Sein pädagogisches Ziel war die ganzheitliche Volksbildung zur Stärkung der Menschen für das selbständige und kooperative Wirken in einem direktdemokratischen Gemeinwesen. Diese Volksschule würde die Kraft des Volkes stärken, den Menschen bilden und befähigen, sich und den Seinen in allen Bedürfnissen selber und selbständig helfen zu können. Dabei kam es ihm darauf an, die intellektuellen, sittlichen und handwerklichen Kräfte der Kinder allseitig und harmonisch zu bilden. Der Gehalt seiner zahlreichen politischen und pädagogischen Schriften ist nach wie vor aktuell.
  Kopf: Pestalozzi wollte die Menschen ganzheitlich bilden.
  Herz: Nur wenn der Lehrer mit dem Herzen empfindet, erfasst er, was für ein Schüler vor ihm steht und wie es ihm geht. Die Kinder werden gemeinsam im Klassenverband unterrichtet, der Lehrer führt das Gespräch in der Klasse. Das Kind erfährt den sozialen Bezug zum anderen.
  Hand: Kein Lebewesen hat eine Hand, die so unglaublich vielfältig einsetzbar ist.
  Ich bin eine pensionierte Handarbeitslehrerin und erstaunt und entsetzt, dass in der Schweiz (direkte Demokratie) die Behörden hinter dem Rücken der Bevölkerung Handarbeit und Werken als eigenständige Fächer abgeschafft haben. Für die Schüler war die Handarbeit ein sehr beliebtes Fach und eine willkommene Abwechslung zu den kognitiven Fächern. Sie konnten selber etwas anfertigen und den Gegenstand nach getaner Arbeit mit nach Hause nehmen. Dabei lernten sie alte und neue Kulturtechniken wie Nähen, Stricken, Sticken, Häkeln, Drucken – sie lernten aber auch mit Maschinen umgehen – im Werken lernten sie Sägen, Schmirgeln, Bohren – in der Kartonage Messen, Schneiden, Kleben. Was sie auch im grossen Umfang lernten, war Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit, Sorgfalt, Genauigkeit, Ausdauer und Geduld. Immer arbeiteten sie gemeinsam mit den Klassenkollegen/innen zusammen, die sie sehr oft auch anspornten, da die anderen mehrheitlich das gleiche taten und sie nicht zurückbleiben wollten. Stets konnten sie als Lohn ihrer Arbeit – und sie freuten sich darüber auch immer – ihr selbst angefertigtes Werk mit nach Hause nehmen.
  Es erstaunte mich immer wieder, wie rasch Kinder Fortschritte machten. Da ist ein Junge in der zweiten Klasse, ziemlich sicher hatte er noch nie eine Schere in der Hand. Sehr ungeschickt schneidet er die Formen aus Papier, aber aufgeklebt sieht das ganze Kalenderblatt mit seinen bunten Farben dann sehr hübsch aus. Beim Sticken in der dritten Klasse geht dieser gleiche Junge aber mit Nadel und Faden dermassen geschickt, sorgfältig und genau um, dass ich nur so staune.
  Der frühere Lehrplan in der Handarbeit besass einen sehr guten Aufbau und war genau auf die Entwicklungsschritte der Kinder ausgerichtet. Immer wurden die Arbeiten vom Einfachen zum Schwierigen geplant, bis die Kinder in der sechsten Klasse Kleidungsstücke, Ledersportsäcke, Applikationen auf Frotteetücher usw. nähen konnten. Durch das handwerkliche Tun wurde bei den Kindern auch sehr das Denken geschult, so sagen es auch die Worte «begreifen, geistig erfassen, Zusammenhänge erkennen, den Sinn der Sache begreifen». Oder «auffassen, schwierige Zusammenhänge schnell auffassen, mit dem Verstand aufnehmen, geistig erfassen». Durch Greifen – mit den Händen anfassen – begreife ich auch den Vorgang real. So ist auch der Kopf wichtig beim handwerklichen Tun. Immer lernt das Kind die verschiedenen Techniken, Materialien kennen und schult auch seine Vorstellung.
  Milton Friedman, US-amerikanischer Ökonom, schrieb in seinem Buch «Kapitalismus und Freiheit» 1962: «Es macht wenig Sinn, Schulstunden wie Handarbeit, Korbflechten usw. zu finanzieren, da sie so wenig hergeben [Für wen?]. Wenn Eltern ihr eigenes Geld für solche Mätzchen ausgeben wollen, dann ist das ihr Problem.» Haben unsere Behörden brav nach dieser neoliberalen Bibel gehandelt, ohne die verheerenden Auswirkungen der neoliberalen Wirtschaft zu kennen, unter deren Unsegen ganze Länder verarmt sind?  •

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