Wladimir Putin und Xi Jinping fügten ihrer Zahl von über 40 Gipfeltreffen ein weiteres hinzu, als der russische und der chinesische Präsident in Peking zusammentrafen und später zu zweitägigen Gesprächen nach Harbin im Nordosten Chinas weiterreisten, die am Freitag, 17. Mai, endeten. Am Donnerstagabend um 9.55 Uhr Pekinger Zeit sassen die beiden nach getaner Arbeit hinter einem langen, grün drapierten Tisch und sprachen zu «Medienvertretern», wie Xi es ausdrückte.
Westliche Offizielle und die Medien, die für sie arbeiten, haben wie üblich ihr Bestes getan, um diese jüngste Begegnung zwischen der russischen und der chinesischen Führung als bedeutungslos abzutun, als zwei Autoritäre, die durch nichts anderes als ihre gemeinsame Feindschaft gegen den Westen verbunden sind. Achten Sie nicht darauf. Wir sollten die Bedeutung dessen, was Putin und Xi diese Woche einander und dem Rest der Menschheit zu sagen hatten, nicht übersehen. Die Welt hat sich gerade wieder einmal gedreht.
Der Kreml hat als erster eine Abschrift seiner «Medienerklärung nach den Gesprächen zwischen Russland und China» veröffentlicht. Die beiden Präsidenten sprachen abwechselnd – Xi, der Gastgeber, zuerst und Putin danach. Hier ist ein Auszug aus Xis Ausführungen:
«Wir haben gemeinsame Erklärungen zur Stärkung der umfassenden Partnerschaft und strategischen Zusammenarbeit zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation für eine neue Ära unterzeichnet […] China und Russland haben als Vorbild gedient, indem sie anderen gezeigt haben, wie man Staat-zu-Staat-Beziehungen einer neuen Art aufbaut und als zwei grosse benachbarte Mächte […] auf der Grundlage der Prinzipien von Respekt und Gleichheit zusammenarbeitet.»
Xi sprach mehrere Minuten lang in diesem Sinne. Hier ist ein kleiner Teil dessen, was Putin dann beitrug:
«In unseren Gesprächen hat sich erneut gezeigt, dass Russland und China in vielen internationalen und regionalen Fragen ähnliche oder gleiche Ansichten haben.
Beide Länder haben eine unabhängige und souveräne Aussenpolitik. Wir arbeiten gemeinsam daran, eine gerechtere und demokratischere multipolare Weltordnung zu schaffen, die auf der zentralen Rolle der Vereinten Nationen und ihres Sicherheitsrates, dem Völkerrecht, der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt sowie einem ausgewogenen Interessenausgleich zwischen allen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft beruht.»
Zu diesen Ausführungen sind zwei Dinge anzumerken.
Erstens berichten westliche Medien seit Monaten, dass es zwischen Peking und Moskau unter der Oberfläche einen Riss gebe. Die Chinesen billigten Russlands militärische Intervention in der Ukraine nicht, haben wir gelesen. Die bilateralen Beziehungen seien radikal unausgewogen zugunsten Russlands und für China von geringem Nutzen. Und so weiter. Das ist Unsinn, wie wir jetzt feststellen können. In ihrem kurzen Auftritt vor den Medien und in weiteren Erklärungen haben Xi und Putin deutlich gemacht, dass zwischen den beiden führenden Mächten des Nichtwestens praktisch kein Blatt Papier dazwischen passt. Was die Ukraine-Frage anbelangt, so ist gleich zu Beginn anzumerken, dass sich China in Kenntnis der Provokationen des Westens betont neutral verhalten hat. Russland hat nie mehr als dies verlangt.
Aufbau einer neuen Weltordnung
Auch wenn Xi und Putin in den vergangenen Jahren grossen Wert darauf gelegt haben, die Nähe zwischen ihren beiden Nationen – und ihre Freundschaft sowie ihre staatsmännische Kompetenz – zu demonstrieren, stellen die beiden Tage, die sie diese Woche gemeinsam verbracht haben, eine wichtige öffentliche Bekräftigung ihres gemeinsamen Engagements für die «gerechtere und demokratischere multipolare Welt» dar, von der Putin an jenem Donnerstag sprach. Wir haben Ihnen gesagt, dass wir mit dem Aufbau einer neuen Weltordnung begonnen haben, könnten sie auch gesagt haben. Wir sind bei diesem Projekt dabei. Gemeinsam mit anderen werden wir es zu Ende bringen.
Zweitens, und damit zusammenhängend, betrachten wir die gemeinsame Erklärung vom 16. Mai aus einem etwas anderen Blickwinkel. Abgesehen von dem, was darin steht, was fehlt auffallend? Der Westen wird nicht erwähnt, nicht wahr? Der Ton ist auffallend selbstbewusst und völlig selbstreferentiell. Meines Erachtens hätten die beiden Staatschefs nicht deutlicher, wenn auch subtiler, zum Ausdruck bringen können, dass die neue Weltordnung, von der sie sprechen, eine Initiative ist, die der Nicht-Westen vorantreiben wird, unabhängig davon, ob die atlantische Welt sie gutheisst oder sich an ihrem Aufbau beteiligen will oder nicht.
Autonomie
In den ersten Wochen dieses Jahres gab Sergej Lawrow eine Pressekonferenz, die, auch wenn wir das zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnten, einen Vorgeschmack auf den soeben beendeten chinesisch-russischen Gipfel und seine grössere Bedeutung gab. Als der russische Aussenminister die Aussenbeziehungen Russlands zu Beginn des Jahres 2024 Revue passieren liess und die Mitglieder von Moskaus «engem Kreis» aufzählte – alles nicht-westliche Nationen, von denen einige klassischerweise mit den USA verbündet sind –, kündigte Lawrow die Absicht Moskaus an, «jede Abhängigkeit vom Westen zu beseitigen». Das ist die russische Nachrichtenagentur TASS, nicht ich, obwohl ich Lawrows Äusserungen seinerzeit kommentiert habe.
Ich habe auch einen Russland- und Eurasienwissenschaftler namens Gordon Hahn zitiert, der die Pressekonferenz von Lawrow genauer gelesen hat als jeder andere, den ich kenne. Hahns Äusserungen in einem Abschnitt von The Duran, dem täglich in London produzierten Webcast, sind es wert, wegen ihres Einblicks in die Geschehnisse beim jüngsten Gipfeltreffen zwischen Putin und Xi wiedergegeben zu werden:
«Für Russland, so scheint es, ist der Westen nicht mehr der ‹andere› […] Russland hat sich immer mit Europa identifiziert, sich selbst motiviert und angetrieben. Jetzt wendet sich Putin davon ab. Er sagte, dass wir uns nicht länger durch das europäische Prisma definieren, uns selbst betrachten sollen. Wir werden jetzt alles auf eine Karte setzen, und das ist Eurasien […] Diese enge bilaterale Beziehung, Europa als Russlands anderer, geht zu Ende […]»
Die von Xi erwähnten gemeinsamen Erklärungen – Reuters berichtete an dem Donnerstag, dass die beiden Staatsoberhäupter eine 7000 Wörter umfassende Erklärung unterzeichnet haben – sind noch nicht auf kremlin.ru und fmprc.org verfügbar, wo Dokumente dieser Art üblicherweise veröffentlicht werden. Doch während wir auf diese Dokumente warten, wird bereits deutlich, dass Xi Jinping und Wladimir Putin entschlossen sind, das 21. Jahrhundert im Dienste der neuen Weltordnung, die beide als ihr übergeordnetes Ziel bezeichen, weiter zu erschliessen.
Der Zeitpunkt dieses Gipfels ist bedeutsam. Er markiert den 75. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Russland. Die Sowjetunion war das erste Land, das nach der Ausrufung der Volksrepublik durch Mao offizielle Beziehungen zu China aufnahm. Mao nahm Peking am 1. Oktober 1949 ein. Die Sowjetunion erkannte es am 2. Oktober an. Indem sie auf dieses Ereignis Bezug nehmen, wollen Xi und Putin den Beziehungen eindeutig den Ballast der Geschichte mitgeben. Sie wollen damit sagen, dass es sich nicht um eine vorübergehende Partnerschaft der Bequemlichkeit handelt.
In den letzten Monaten hat das Biden-Regime eine ganze Reihe von Regierungsvertretern nach China entsandt, um China dazu zu bewegen, sich einer immer länger werdenden Liste von Sanktionen, Exportkontrollen und Zöllen zu beugen, mit denen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verlangsamt oder untergraben werden soll. Zuletzt drohte Aussenminister Blinken während eines dreitägigen Besuchs Ende letzten Monats Peking mit «Konsequenzen» – wie sie es lieben, in Washington die ominöse Pose einzunehmen –, wenn es nicht aufhöre, Russland mit «Dual-Use»-Produkten zu beliefern, also mit Halbleitern, Industriekomponenten und dergleichen, von denen die USA behaupten, sie könnten militärisch genutzt werden.
Der äusserst herzliche Empfang, den Xi gerade Putin bereitet hat, ist nichts anderes als eine pikante Antwort auf diese Drohungen und Nötigungsversuche. War es eine spitze Brüskierung, ein Schlag ins Gesicht? Es mag so aussehen, aber es wäre ein Fehler, es so zu deuten. Indem Xi den russischen Staatschef empfing, das grösste Schreckgespenst der USA in der gesamten Nachkriegszeit, zeigte er lediglich Chinas Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Falken in Washington und seinen transatlantischen Satelliten.
Wenn Putin darauf bedacht ist, die Abhängigkeit Russlands vom Westen zu brechen, wie TASS es zu Beginn des Jahres treffend formulierte, scheint Xi eine Variante derselben Position zu verfolgen. Chinas Beziehungen zum Westen sind natürlich dichter und komplexer, weil Amerika und die Europäer in weitaus stärkerem Masse von Chinas Wirtschaftsproduktion und Investitionen abhängig sind. Aber Xi und Putin teilen ein Verständnis für die Bewegung der Geschichte, das weit über das von Blinken und dem Rest des Biden-Regimes hinausgeht. Beide Staatsoberhäupter haben diese Woche signalisiert, dass sie zuversichtlich sind, dass die Dynamik, die unser neues Zeitalter bestimmen wird – wirtschaftlich, diplomatisch und sogar philosophisch – nicht mehr in der atlantischen Welt liegt.
Und so haben sie diese Woche damit begonnen.
Es ist zwei Jahre und einige Monate her, dass Putin und Xi am Vorabend der Olympischen Winterspiele in Peking ihre «Gemeinsame Erklärung zu den internationalen Beziehungen auf dem Weg in eine neue Ära und zur globalen nachhaltigen Entwicklung» auf beeindruckende Weise veröffentlicht haben. Dies war eine Art Absichtserklärung in 5500 Worten. Darin analysierten die beiden Staatsoberhäupter die globale Geopolitik und die Unordnung, die damals wie heute die Welt zu überrollen drohte. Sie blickten nach vorn und erklärten «eine neue Weltordnung» – damit wurde der Begriff offiziell – zum dringlichsten Gebot des Planeten. Ich betrachte die «Gemeinsame Erklärung» nach wie vor als das wichtigste politische Dokument, das bisher im 21. Jahrhundert entwickelt wurde.
Das jüngste Gipfeltreffen zwischen Putin und Xi stellt ein deutliches Bekenntnis zu den Grundsätzen dar, die in der Erklärung vom 4. Februar 2022 festgelegt wurden. Beide bekräftigten erneut ihr Engagement für den Wiederaufbau «eines auf die Vereinten Nationen ausgerichteten Systems der internationalen Beziehungen und einer auf dem Völkerrecht basierenden internationalen Ordnung», wie Xi es ausdrückte. Er führte weiter aus:
«Wir haben unsere Positionen innerhalb multilateraler Plattformen wie den Vereinten Nationen, der APEC [dem Forum der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation] und der G20 [der Gruppe der 20 fortschrittlichen Länder mit mittlerem Einkommen] koordiniert, um das Entstehen einer multipolaren Welt und einer wirtschaftlichen Globalisierung auf der Grundlage eines echten Multilateralismus zu fördern.»
Dies ist der vierte von fünf Grundsätzen, die Xi in seinen Ausführungen vor den Medien anführte. Hier verweist er auf den letzten:
«Der fünfte Grundsatz betrifft die Förderung einer politischen Lösung für Krisenherde im Interesse von Wahrheit und Gerechtigkeit. Die heutige Welt wird immer noch von der Mentalität des Kalten Krieges geplagt. Das Streben nach einseitiger Hegemonie, Blockkonfrontation und Machtpolitik stellt eine direkte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in allen Ländern der Welt dar.»
Einseitige Hegemonie, blockbasierte Konfrontation: Diese Art von Sprache wird denjenigen vertraut sein, die die öffentlichen Äusserungen hochrangiger chinesischer Regierungsvertreter, insbesondere von Xi und Aussenminister Wang Yi, in den letzten Jahren verfolgt haben. Und ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass ein am 16. Mai vom Staatsrat der Volksrepublik China veröffentlichter Artikel die Fünf Prinzipien zitiert, die Zhou Enlai Mitte der 1950er Jahre zur Definition der chinesischen Aussenpolitik formuliert hat. Die fünf Prinzipien von Xi sind meiner Meinung nach eine modernisierte Version der Prinzipien von Zhou.
Zhous Prinzipien, die von der Bewegung der Blockfreien Staaten [NAM] auf der berühmten Konferenz, die Sukarno 1955 in Bandung veranstaltete, angenommen wurden, sind einfach formuliert: Achtung der Souveränität anderer, Achtung der territorialen Integrität, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer, Verpflichtung zum Handeln zum gegenseitigen Nutzen und Verpflichtung zur friedlichen Koexistenz. Ich habe diese Punkte als Subtext in den chinesisch-russischen Kommuniqués entdeckt, seit beide Seiten vor zwei Jahren die «Gemeinsame Erklärung» veröffentlichten. Nun werden sie erneut öffentlich bekräftigt. Es wäre nicht schlecht, wenn diejenigen, die sich um eine neue Weltordnung scharen, sie übernehmen würden, so wie es die NAM nächstes Jahr vor 70 Jahren getan hat.
In diesem Zusammenhang muss etwas Wichtiges gesagt werden: Weder Xi noch Putin sind gegen die USA oder ihre transatlantischen Alliierten «verbündet». Keiner von beiden ist gegen eine Zusammenarbeit mit den USA oder dem Rest des Westens, wenn sie sich mit anderen zusammenschliessen, um eine neue Ordnung aufzubauen. Das ist ein Machwerk von US-Offiziellen und denjenigen, die über sie berichten, und soll lediglich bestätigen, dass China und Russland immer als gefährliche Feinde insbesondere der USA angesehen werden müssen.
«Die Achse China-Russland kündigt eine unheilvolle Zukunft an», lautete die Überschrift eines Artikels, den das Center for European Policy Analysis (CEPA) am Vorabend des Putin-Xi-Gipfels veröffentlichte. Das CEPA ist zugegebenermassen eine jener durch und durch neoliberalen Washingtoner zivilgesellschaftlichen Gruppen, die nicht sagen, wer sie finanziert, während sie voll und ganz für «Blockkonfrontationen» eintreten. Aber ihre Sicht auf die chinesisch-russischen Beziehungen war typisch für das, was wir in dieser Woche in den vermeintlich seriöseren Mainstream-Medien gelesen haben.
Ablehnung von hegemonialer Macht
«Putin und Xi versprachen eine neue Ära und verurteilten die Vereinigten Staaten», berichtete Reuters am 15. Mai. Die «New York Times» berichtete am selben Tag: «Xi betrachtet Russland als wichtiges Gegengewicht in Chinas Rivalität mit den Vereinigten Staaten». Weiter hiess es: «Von den beiden Führern wird erwartet, dass sie geschlossen auftreten. Aber sie haben unterschiedliche Ziele».
Woher haben sie dieses erbärmliche Zeug? Niemand hat diese Woche in Peking die USA verurteilt. Steht die chinesisch-russische Einigkeit in diesem Punkt in Frage? Können Sie in den bisherigen Ergebnissen des Gipfels «konkurrierende Agenden» erkennen? Das kann ich nicht. Das sind westlich geprägte Erfindungen, die den weit verbreiteten Eindruck aufrechterhalten sollen, dass Russland und China bösartige Gegner sind, während sie die sehr wichtige Tatsache verschleiern, dass das einzige, was China und Russland ablehnen, wenn sie nach Westen blicken, hegemoniale Macht ist.
Strategische Zusammenarbeit
Die Gipfeltreffen, die Putin und Xi offensichtlich lieben, neigen dazu, hochtrabend zu sein, wie man in Hollywood sagt. Meiner Meinung nach sollte das auch so sein. Wir befinden uns in einem Moment von historischer Tragweite. Wir sind Zeuge einer gewaltigen globalen Machtverschiebung – zumindest in dem Masse, in dem diejenigen, die vorgeben, den Westen zu führen, und ihre Schreiberlinge in den Medien es nicht schaffen, diese Realität vor uns zu verbergen. Doch während China und Russland ihre Beziehungen vertiefen und ausweiten – der Begriff «strategische Zusammenarbeit», der in dieser Woche wiederholt verwendet wurde, ist neu im bilateralen Sprachgebrauch –, ist die inhaltliche Dichte der Beziehung unübersehbar.
Wie beide Seiten diese Woche begeistert feststellten, belief sich der bilaterale Handel im vergangenen Jahr auf 240 Milliarden Dollar – 40 Milliarden Dollar mehr als das angekündigte Ziel. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres belief sich der bilaterale Handel laut einem im März veröffentlichten Bericht von Business Insider auf 37 Mia. Dollar, was auf ein Gesamtziel von 222 Mia. Dollar im Jahr 2024 hindeutet, also etwas weniger als in diesem Jahr. Doch die Handelsstatistiken schwanken von Monat zu Monat. Der chinesische Zoll meldete für die ersten vier Monate dieses Jahres ein Handelsvolumen von 76 Milliarden Dollar, was einer Prognose für 2025 von 300 Milliarden Dollar entspricht – ein Anstieg um 25 Prozent innerhalb von zwei Jahren.
Ebenso wichtig wie das Volumen und der Wert ist die Währung, in der der Handel abgewickelt wird. China ist seit Jahren bestrebt, den Yuan zu internationalisieren, und Russlands Krieg in der Ukraine hat dem einen grossen Schub gegeben. Fast ein Viertel der russischen Importe wird heute in Yuan abgewickelt, vor ein paar Jahren waren es noch 4 Prozent. Es überrascht uns nicht, dass der Yuan im vergangenen Jahr den Dollar als meistgehandelte Währung auf dem Moskauer Devisenmarkt überholt hat.
Es geht um Öl, Gas, Mineralien und andere Ressourcen von Russland nach China im Osten und um Industriegüter und Technologie von China nach Russland im Westen. Es geht also im grossen und ganzen um Pipelines und Tankschiffe in die eine Richtung und um Schienengüterverkehr in die andere. Wie Bloomberg im März berichtete, gibt Russland viel Geld aus für die Verbesserung seiner Eisenbahnverbindungen zu und von den chinesischen Industriezentren, und auch hier gibt es keine Überraschung. Dies zeigt, wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen in diesem Moment verdichten.
Zusammenarbeit in der Kernkraftforschung, in der Verteidigungsforschung und in der Hochtechnologieforschung: Es scheint nur wenige Wirtschaftszweige zu geben, die Peking und Moskau auslassen. Was mich jedoch am meisten interessiert, sind die Fortschritte in kleinen Bereichen der chinesischen Wirtschaft, von kleinen Unternehmen bis hin zu chinesischen Arzneimittelherstellern, die sich über den russischen Markt informieren wollen. Das sind Kontakte zwischen den Menschen, und soweit ich das beurteilen kann, ist das für die russische und die chinesische Führung wichtig für die langfristige, dauerhafte Verdichtung der Beziehungen.
Das ist der Grund oder einer der Gründe, warum Xi Putin für den zweiten Tag des Gipfels nach Harbin eingeladen hat. Harbin ist eine der interessantesten Städte Chinas. Die Russen bauten die moderne Stadt, nachdem sie in den ersten Jahren des letzten Jahrhunderts eine Eisenbahnlinie im Nordosten Chinas fertiggestellt hatten. Ihre Architektur ist nach wie vor eine kosmopolitische Mischung aus russischen, europäischen und chinesischen Einflüssen. Wenn Xi und Putin die Tiefe und Intimität der chinesisch-russischen Beziehungen – insgesamt ihren organischen Charakter – zeigen wollten, hätten sie nichts Besseres tun können, als in Harbin wie ein kameradschaftliches Paar herumzuschlendern und für die Kameras zu posieren, wie sie es am Freitag taten.
Es wird ein langer Weg durch das 21. Jahrhundert sein, bevor Russland, China und der Rest des Nicht-Westens die neue Weltordnung erreichen, für die diese Nationen eintreten. Aber sie werden es schaffen. In dieser Woche wurden in Peking und Harbin einige wichtige Schritte unternommen.
So dreht sich das Rad der Geschichte. •
Erstveröffentlichung: Scheerpost vom 18.5.2024
(Übersetzung Zeit-Fragen)
* Patrick Lawrence, langjähriger Auslandskorrespondent, vor allem für die «International Herald Tribune», ist Kolumnist, Essayist, Autor und Dozent. Sein vorletztes Buch ist «Time No Longer: Americans After the American Century», Yale 2013. 2023 ist sein neues Buch «Journalists and Their Shadows» bei Clarity Press erschienen. Seine Webseite lautet patricklawrence.us. Unterstützen Sie seine Arbeit über patreon.com/thefloutist.
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