Meine sehr geehrten Damen und Herren! Friedliebende Ungarn aus der ganzen Welt, jenseits und diesseits der Grenzen!
Grüsse an alle. Wir grüssen und bitten um Gottes Segen für die Ungarn in Transkarpatien. Für jene Ungarn in Transkarpatien, die seit zwei Jahren im Schatten der Kriegsgreuel, entrechtet und ausgeliefert auf das Ende des Krieges warten. Wir wünschen euch Durchhaltevermögen, wir sind bei euch, wir denken an euch und wir ermutigen euch: Der Tag ist nicht mehr fern, an dem sich euer Schicksal zum Guten wenden wird. Und wir grüssen auch Robert Fico, den friedensbefürwortenden Ministerpräsidenten der Slowakei. Robert Fico wurde niedergeschossen, weil er auf der Seite des Friedens stand. Er hätte fast sein Leben für den Frieden gegeben. Aber er ist aus hartem Holz geschnitzt, er gehört nicht zu jener Art von Mensch, der sich ausschalten lässt. Er wird zu uns zurückkehren, und die Slowakei wird gemeinsam mit Ungarn weiter für den Frieden kämpfen. Wir erwarten dich zurück, Robert, werde möglichst schnell gesund. […]
Wir werden jeden Tropfen Energie brauchen, denn die Aufgabe, die vor uns liegt, ist so gross, wie wir sie noch nie gesehen haben. Europa muss daran gehindert werden, in den Krieg, in seinen eigenen Untergang zu rennen.
Meine Freunde!
Heute bereitet sich Europa darauf vor, in den Krieg zu ziehen. Jeden Tag kündigen sie die Eröffnung eines weiteren Abschnitts des Weges zur Hölle an. Tagtäglich übergiessen sie uns damit, dass Hunderte von Milliarden Euro in die Ukraine fliessen, in die Stationierung von Atomwaffen in der Mitte Europas, die Rekrutierung unserer Söhne in eine fremde Armee, eine Nato-Mission in der Ukraine, die Entsendung europäischer Militäreinheiten in die Ukraine.
Meine Freunde, es scheint, als ob der Kriegszug keine Bremsen habe und der Lokführer verrückt geworden sei. […] Wir müssen die Notbremse ziehen, damit wenigstens diejenigen, die es wollen, aussteigen und sich aus dem Krieg heraushalten können. […] Wir werden […] nicht zulassen, dass unsere Kinder und Enkelkinder an die ukrainische Front einwaggoniert werden. Stopp Krieg! […]
Meine Freunde!
Wir sind die einzige friedensfreundliche Regierung in der EU. Der Vatikan ist auch auf der Seite des Friedens, aber er vertritt ein Reich, das nicht von dieser Welt ist, und in einem säkularen Europa wird das allein nicht ausreichen, um den rasenden Pro-Krieg-Zug zu stoppen. Das Gewicht und der Einfluss der auf der Seite des Friedens stehenden politischen Kräfte ist nötig. […]
Die Kriegsbefürworter haben sich über den gesunden Menschenverstand hinweggesetzt. Die Kriegsbefürworter sind wie betrunken. Sie wollen Russland besiegen, wie sie es im Ersten und Zweiten Weltkrieg versucht haben. Sie sind sogar bereit, sich mit dem ganzen Osten anzulegen. Sie glauben, dass sie diesen Krieg gewinnen werden. Aber der Rausch des Krieges ist wie eine Droge: Diejenigen, die ihm verfallen sind, halten sich für nichts verantwortlich. Sie hören auf niemanden. Sie treten über dich hinweg. Sie empfinden keine Gewissensbisse. Wir sind ihnen nicht wichtig, weder du noch dein Leben, deine Familie, das Haus, für das du gearbeitet hast, oder die Zukunft, für die du jeden Tag arbeitest. Die Zukunft deiner Kinder ist ihnen egal. Sie können nicht überzeugt werden. Und deshalb müssen wir sie auch nicht überzeugen, sondern sie [in den Wahlen] besiegen.
Meine Damen und Herren! Liebe Freunde!
Die Gründerväter der Europäischen Union hatten recht: Europa kann keinen weiteren Krieg überleben. Deshalb wurde die Europäische Union gegründet. Vor dem Ersten Weltkrieg war Europa der Herr der Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es nicht mehr Herr seiner selbst und wurde von fremden Imperien im Westen und Osten besetzt. Jetzt spielen wir die zweite Geige. So wie die Dinge stehen, wird Europa nach einem weiteren Krieg nicht einmal mehr in dem Orchester mitspielen, das den Rhythmus der Welt bestimmt – wenn es überhaupt ein Orchester geben wird.
Dies gilt um so mehr für Ungarn: Im Krieg haben wir nichts zu gewinnen, jedoch alles zu verlieren. In der Vergangenheit wurden wir gegen unseren Willen in einen Krieg hineingezogen, und wir haben verloren. Und so würde es auch jetzt, im Jahr 2024, sein. Im Ersten Weltkrieg haben wir zwei Drittel des Landes verloren. Im Zweiten Weltkrieg wurde die schlagkräftige ungarische Armee auf fremdem Boden vernichtet. Es gab niemanden mehr, der unsere Heimat, unser Land, unsere Frauen und Kinder verteidigen konnte. Wir hatten auch nicht einmal mehr genug Kraft, um mit den vermeintlichen Siegern zu verhandeln.
In den beiden Weltkriegen haben wir, Ungarn, anderthalb Millionen Menschen verloren und mit ihnen ihre zukünftigen Kinder und Enkelkinder. Was hätten wir doch für ein starkes Land, wenn sie überlebt hätten! Und jetzt erwartet man schon wieder von uns, dass wir an einem neuen Krieg teilnehmen sollen. Ich sage das langsam, damit man es auch in Brüssel versteht: Wir werden nicht in den Krieg ziehen. Wir gehen nicht zum dritten Mal in den Osten, wir gehen nicht wieder an die russische Front, wir waren schon dort, wir haben dort nichts zu suchen. Wir werden nicht die ungarische Jugend opfern, damit sich die Kriegsspekulanten bis zum letzten Tropfen [Blut] bereichern können. Wir sagen nein zu dem Kriegsplan, der um des Geldes, des in der Ukraine zu erlangenden Reichtums und der Grossmächte willen ausgeheckt wurde. Es ist ein alter Plan, und wir kennen ihn gut. Bereits vor dreissig Jahren schrieb George Soros sein eigenes Umsturzszenario, demzufolge Russland durch westliche Technologie und den Einsatz osteuropäischer Manpower besiegt werden könnte. Und die Menschen, die dabei verlorengehen, können durch Migranten ersetzt werden. […]
Heute sind die Kriegsbefürworter unter den Führenden in der Mehrheit. Aber es ist nicht das erste Mal, dass wir, Ungarn, mit der Bedrohung einer überwältigenden Gewalt konfrontiert sind. Wir haben gelernt, dass Schlachten nicht im Raum, sondern in der Zeit gewonnen werden müssen. Man muss immer Zeit gewinnen. Wer die Zeit gewinnt, gewinnt auch Frieden. Wir mussten seit der Landnahme zahlreiche Kriege überleben, und wir sind immer noch hier. Und noch immer sind wir hier. […]
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ungarn ist heute stärker als je zuvor in den letzten hundert Jahren. Eine ruhige und starke Insel in der Mitte Europas. Zusammenarbeit nach innen, und Zusammenschluss nach aussen. Das ist das Geheimnis des Erfolges. Deshalb leben wir heute auch noch in Frieden. Aber die entscheidende Frage schlägt bereits mit der Faust an unsere Tür: Werden wir den Frieden aufgeben? Der Verzicht auf den Frieden bedeutet für die Ukraine zu sterben. Wollen wir ungarisches Blut für die Ukraine geben? Wir wollen das nicht! Wir werden nicht in den Krieg ziehen, und wir werden nicht für andere auf fremdem Boden sterben. Das ist die Wahrheit der Ungarn. Und nun liegt es an uns, wenn Gott es zulässt, die Gerechtigkeit der Ungarn in die Gerechtigkeit Europas zu verwandeln.
Liebe Freunde! Sehr geehrter Friedensmarsch!
Europa hat noch nie eine solche Wahl1 erlebt. Am Tag der Wahlen donnern nebenan die Kanonen. Grosse Kriege kommen nicht aus heiterem Himmel. Wirtschaftskrise, Rohstoffknappheit, Wettrüsten, Epidemien, falsche Propheten, Attentate, finstere Schatten um uns herum. So fängt es an. Es gab Generationen auf der Erde – unsere Grosseltern und Urgrosseltern –, deren schlimmste Alpträume wahr wurden. Wir halten Ausschau nach den Zeichen. Wir sehen die Schrift an der Wand. Die Ungarn kennen die Natur des Krieges.
Wissen Sie, Kriege enden immer anders, als man anfangs denkt. Deshalb liegen heute Millionen von jungen Europäern in Massengräbern. […] Der Krieg tötet. Der eine stirbt mit einer Waffe in der Hand. Der andere stirbt auf der Flucht. Manche sterben bei der Bombardierung. Wiederum andere in den Gefängnissen des Feindes. Andere in einer Epidemie. Weitere sterben an Hunger. Mancher wird gefoltert. Einige werden vergewaltigt. Einige werden als Sklaven verschleppt. Gräber in unzähligen Reihen aufgereiht. Mütter weinen um ihre Söhne. Frauen, die um ihre Ehemänner weinen. So viele verlorene Leben. Eines wissen wir: Wo der Krieg Fuss fasst, gibt es kein Entkommen. Der Krieg wird uns einholen. Du kannst ihm nicht ausweichen, du kannst dich nicht vor ihm verstecken.
Das einzige Gegenmittel gegen den Krieg ist der Frieden. Uns aus dem Krieg heraushalten und Ungarn als eine Insel des Friedens erhalten. Das ist unsere Mission. Und wenn wir nicht wollen, dass der Krieg uns einholt, müssen wir ihn stoppen. Jetzt!
Dieser Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden. Dieser Krieg hat keine Lösung auf dem Schlachtfeld. Es gibt dort nur Tod und Zerstörung. Es muss einen Waffenstillstand geben, und es muss Verhandlungen geben. […] •
1 Viktor Orbán meint damit die Wahlen zum Europäischen Parlament vom 6.–9. Juni 2024. Die Rede vom 1. Juni war auch Teil des Wahlkampfes.
Quelle: Original: https://miniszterelnok.hu/orban-viktor-beszede-a-bekemeneten/; autorisierte englische Fassung: https://miniszterelnok.hu/en/speech-by-prime-minister-victor-orban-at-the-peace-march/ (Übersetzung: https://weltwoche.ch/daily/europa-bereitet-sich-darauf-vor-in-den-krieg-zu-ziehen-viktor-orban-ueber-das-gegenmittel-gegen-den-krieg-und-die-groesste-friedensarmee-europas/ vom 4.6.2024)
* Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hielt diese Rede auf dem Friedensmarsch am 1. Juni 2024 in Budapest.
ef. Während polnische, tschechische und slowenische Staatsführer zur Unterstützung von Wolodimir Selenski nach Kiew reisten, machten sich am 1. Juni in Budapest Hunderttausende friedliebende, mehrheitlich ungarische Bürger zu einem Friedensmarsch auf den Weg. «No war» war zu lesen: Die Menschen wollen keinen Krieg. Als ich die eindrücklichen Bilder und Video-Aufnahmen sah – man musste sie schon suchen –, schlug mein Herz höher. Endlich, dachte ich, wird hier einmal dieses unerträgliche Schweigen, diese Lähmung durchbrochen. Sogleich die Frage: Warum gibt es das nicht bei uns und in allen Ländern? Und ich bin mir sicher, dass es vielen Menschen in anderen europäischen Ländern ähnlich erging. Eine gewaltige Manifestation des Friedenswillens der Mehrzahl der Menschen. Internationale Unterstützung für den Friedensmarsch kam von Bürgern aus Schweden, den baltischen Staaten und weiteren europäischen Ländern, die nach Budapest gekommen waren.
Über den grossen Erfolg kann auch nicht die teilweise hämische mainstream-mediale Berichterstattung hinwegtäuschen, es sei nur eine Wahlveranstaltung für Viktor Orbán und die Fidesz-Partei gewesen wegen der Europawahlen. Na und?
«Wir ziehen nicht in diesen Krieg und werden nicht auf fremder Erde für andere Interessen sterben», sagte Orbán bei der Abschlusskundgebung. Ungarn werde keinerlei militärische Unterstützung für die Ukraine leisten.
Ungarn liefert keine Waffen an die Ukraine und hat damit gedroht, die EU-Finanzhilfe für Kiew zu streichen sowie Sanktionen gegen Moskau zu blockieren. Orbán spricht vom raschen Aufbau einer Friedenskoalition, die sich über den gesamten Westen bis nach Übersee spannen könnte. Keine Wahlkampfrhetorik, sondern eine sehr gute, aber auch dringend notwendige Aufgabe für die friedliebende Mehrheit der Menschheit.
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