von Karl-Jürgen Müller
Viele Menschen sind sehr besorgt. Ist es noch möglich, den Krieg in der Ukraine zu beenden, ohne dass er in einen grossen europäischen Krieg oder vielleicht sogar in einen Weltkrieg mündet? Aktuelle Umfragen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den USA belegen dies.1 Viele fragen sich: Was muss getan werden, um eine weitere Eskalation zu verhindern?
Die Sorgen der Menschen sind sehr gut verständlich: In den vergangenen Wochen gab es fast täglich Nachrichten, Berichte und Kommentare über neue Stufen der Eskalation. Personalentscheidungen in der EU sollen Eskalationsbefürworter an die Macht bringen. Die ernsthaften Friedensbemühungen aber, die es auch gab und nach wie vor gibt, werden bei uns mit Polemik bedacht oder totgeschwiegen.
Am 26. Juni hat Bundeskanzler Scholz im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zu den bevorstehenden Gipfeln von EU (27.–28. Juni) und Nato (9.–11. Juli) abgegeben, der eine Debatte mit zahlreichen Redebeiträgen folgte.2 Erneut habe ich mich gefragt, warum die Reden und Debatten des Deutschen Bundestages so wenig sachlich und sachkundig sind.
Bücher zum Thema
Dann musste ich an Bücher denken, die eigentlich jeder Politiker lesen müsste, bevor er sich zu einem solch komplexen Thema wie den Ukraine-Krieg öffentlich äussert. Denn immerhin geht es um eine auch für Deutschland existentielle Frage: Krieg oder Frieden?
Auch für die Leser unserer Zeitung sei auf einige dieser Bücher kurz hingewiesen:
«Habe Mut, Dich Deines
eigenen Verstandes zu bedienen!»
Ich nehme an, dass diese zehn Bücher von den meisten Bundestagsabgeordneten mit Etiketten wie «russische Desinformation» oder «Verschwörungstheorie» abgetan werden. Tatsache ist: Diese zehn Bücher zeigen durchaus unterschiedliche Positionen. Positionen auch, die ich selbst nicht teile. Aber in all diesen Büchern wird vor allem rational argumentiert, werden Behauptungen belegt, werden Verstand und Vernunft des Lesers angesprochen … auch das mitmenschliche Gefühl. Also: «Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!»
Davon sind die deutschen öffentlichen Auseinandersetzungen weit entfernt. Derzeit sind die Weichen der deutschen Regierungspolitik und auch die der grössten Oppositionsfraktion CDU/CSU auf Krieg gestellt. Von einer rationalen Diskussion kann keine Rede sein. Mit der Entscheidung für den Krieg werden Tatsachen geleugnet oder zurechtgebogen. Die veröffentlichte Meinung hat groteske Züge angenommen.
Interessante Wortmeldungen
Indes: Auch in der Bundestagsdebatte von 26. Juni gab es Abgeordnete, die nicht die Kriegstrommeln rührten. In den Augen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU sind es «Extremisten». Die deutschen Mainstream-Medien haben über diese Wortbeiträge nicht berichtet. Man möge sich selbst ein Bild machen.
«Wir brauchen Sicherheit und Zusammenarbeit auf dem Kontinent Europa. Frieden zu schaffen und zu erhalten, das wird die Aufgabe der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein. Dafür braucht es kooperative Strukturen und Bündnisse, die die Interessen der Mitglieder abbilden und vertreten. […] In Zeiten des Kalten Krieges wurde stark auf das Mittel gegenseitiger Abschreckung – auch durch Kernwaffen – gesetzt. Heute müssen wir neu bewerten, ob dieses Kräftemessen noch eine erfolgversprechende und vor allem vermittelbare Strategie zur Befriedung von Konflikten darstellt. Ich denke, das ist zumindest fragwürdig. […] Austausch, Verständigung und das Verstehen-Wollen individueller und auch gegenseitiger Interessen werden über Krieg und Frieden entscheiden. Wer aufhört, zu verhandeln, hat bereits verloren. […] In dieser schwierigen Zeit wird deutlich, wer unsere Interessen mit Weitsicht formuliert und vertritt. Eine Nato in der jetzigen Form kann das leider nicht mehr leisten. […] Nutzen Sie besser die EU-Ratspräsidentschaft Viktor Orbáns, und laden Sie alle Kriegsparten zu Friedensverhandlungen nach Deutschland ein. Das wäre ein Zeichen der Souveränität.» (Tino Chrupalla, AfD)
Die Profiteure des Krieges
«Die gesamte Regierungspolitik der Ampel beruht auf einer faustdicken Lüge: dass angeblich in den kommenden Jahren ein russischer Angriff auf Deutschland droht und wir daher 900 000 Reservisten mobilisieren müssen und hier ein Hauptquartier zur Versorgung der Ukraine einrichten sollen. Im Jahresbericht der US-Geheimdienste zur Bedrohungslage vom 5. Februar 2024 heisst es: ‹Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit will Russland keinen direkten Konflikt mit amerikanischen und Nato-Streitkräften.› Warum, Herr Pistorius, Frau Baerbock, Herr Kiesewetter und wie auch immer Sie heissen, belügen Sie unser ganzes Volk über eine russische Kriegsgefahr, die unmittelbar vor der Tür stehe? Die Hauptprofiteure Ihrer Ideologie sind im Westen die amerikanische und die europäische Rüstungsindustrie.» (Robert Farle, fraktionslos)
«Die Politik der Nato wie auch Deutschlands ist nicht auf Bewahrung des Friedens bei uns ausgerichtet, sondern auf Eskalation mit Russland bis hin zum Krieg. Der Ukraine zu helfen, mag edel sein. Aber für jeden, der nicht mit dem Verkauf von Zinksärgen und Leichensäcken Geld verdient, ist es grundfalsch; denn es ist nicht unser Krieg.» (Thomas Seitz, fraktionslos)
«Während Europa durch den Fussball abgelenkt ist, macht die Nato den Krieg zwischen Putin und der Ukraine abseits von jeglicher parlamentarischen Kontrolle zu ihrem eigenen Krieg. Mit der Übernahme der Koordination der Militärhilfe steht insbesondere Deutschland mit der strategischen Kriegsplanung in Wiesbaden kurz davor, zur Konfliktpartei gemacht zu werden.» (Johannes Huber, fraktionslos)
Schritt für Schritt in einen
grossen europäischen Krieg?
«Sie können Ihre Haushaltslöcher nicht stopfen, aber für immer neue Waffenschecks für die Ukraine und für Rekordaufträge für Rheinmetall und Co scheinen unbegrenzte Mittel vorhanden zu sein. […] Aber das Gefährlichste und das Bedrohlichste ist, dass diese Politik uns Schritt für Schritt in einen grossen europäischen Krieg hineinführen kann. Das macht vielen Menschen Angst. Und sie erwarten von Ihrer Bundesregierung, dass sie alles Menschenmögliche tut, um diesen schrecklichen Krieg auf dem Verhandlungsweg zu beenden. […] Und, nein, das bedeutet nicht, Putins Bedingungen zu übernehmen. Ein Waffenstillstand an der jetzigen Frontlinie als Ausgangspunkt für Friedensgespräche wäre eine realistische Option. […] Warum unterstützen Sie nicht China und Brasilien, die genau das fordern, sondern stellen sich statt dessen hinter die Maximalforderungen von Selenski, der über Frieden erst verhandeln will, wenn die Russen ihre Truppen von der Krim und dem Donbass abgezogen haben? Die Zeit der Kompromisse sei vorbei, hat Selenski hier im Bundestag unter Ihrem Beifall gesagt. Erklären Sie doch mal den Bürgerinnen und Bürgern, wie das Sterben ohne Kompromisse enden soll, wenn ganz Europa in Schutt und Asche liegt!» (Sarah Wagenknecht, Bündnis Sarah Wagenknecht BSW) •
1 https://instituteforglobalaffairs.org/wp-content/uploads/2024/06/IGA-Modeling-Democracy-2024-The-New-Atlanticism.pdf
2 https://dserver.bundestag.de/btp/20/20177.pdf
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