Totalitärer Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit

von Karl-Jürgen Müller

Am 16. Juli 2024 hat die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Unternehmen «Compact-Magazin GmbH» und die «CONSPECT FILM GmbH» mit sofortiger Wirkung verboten. Konsequenz dieses Verbotes ist, dass auch alle «Produkte» dieser beiden Unternehmen mit sofortiger Wirkung verboten wurden. Am bekanntesten sind das politische Magazin Compact (Auflage rund 40 000) und der politische Internetsender Compact-TV (rund 345 000 Abonnenten).
  In einer Pressemitteilung des Ministeriums vom selben Tag heisst es, die verbotenen Unternehmen seien «rechtsextremistisch» (ein politischer Kampfbegriff, aber kein Begriff im deutschen Grundgesetz), das Magazin Compact sei ein «zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene».
  Auch Jürgen Elsässer, der Chefredakteur und Herausgeber des Compact-Magazins, wird als «Rechtsextremist» bezeichnet. Er selbst sagt von sich, früher sei er politisch links gestanden, heute sei er ein deutscher Patriot.
  Mehr als 300 Einsatzkräfte der Polizei und des Verfassungsschutzes hatten früh am Morgen Einrichtungen der verbotenen Unternehmen und Privat-Wohnungen in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen durchsucht und alles mögliche beschlagnahmt.
  Allerdings wird in der Pressemitteilung des Ministeriums keine der politisch höchst aufgeladenen, zugleich aber auch schillernden Vorwürfe belegt. Statt dessen verweist das Ministerium auf seiner Internetseite darauf, dass die «Compact-Magazin GmbH» «bereits über einen langen Zeitraum im Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz» stehe und «bereits Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet» wurde. Schaut man sich den aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für das Jahr 20231 an, so wird das Compact-Magazin zwar mehrfach genannt, aber auch hier finden sich überwiegend dieselben Behauptungen und Begriffe wie in der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums. Auch hier weitgehend ohne Belege – was wenig überrascht, wenn man kritisch auf das zumeist unsachliche Vokabular blickt.
  Selbstverständlich betont die Internetseite des Ministeriums: «Für eine funktionierende Demokratie sind Presse- und Meinungsfreiheit elementare Voraussetzungen.» Um dann gleich hinzuzufügen: «Gleichwohl haben auch diese Freiheiten Grenzen.» In der Tat formuliert das Grundgesetz in Artikel 5 Grenzen der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit: die allgemeinen Gesetze, den Jugendschutz und den Schutz der persönlichen Ehre. Von «drohenden Gefährdungen des Staates, seines Bestandes und seiner Grundordnung», so wie es das Bundesinnenministerium den verbotenen Unternehmen unterstellt, ist nicht die Rede. Wozu auch? Denn wie soll von Meinungsäusserungen und von der Pressefreiheit eine solche Gefahr ausgehen!
  Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zu Recht selbst schärfste, unsachlich vorgetragene und polemische Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen immer wieder als vom Recht auf Meinungsäusserungsfreiheit und Pressefreiheit gedeckt gesehen. Eine solche Auslegung dieser Freiheiten wurde als konstituierend für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung beurteilt. Grundrechte wie die Meinungsäusserungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Gedanken- und Religionsfreiheit, die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sind sehr bewusst als Schutz- und Abwehrrechte des Individuums gegenüber dem Staat, gegen den Missbrauch und die Ausuferung staatlicher Gewalt konstituiert worden. Wohl hat der Staat eine Schutzpflicht gegen gewaltsames Vorgehen und Aufrufe zur Gewalt – wenn sie denn tatsächlich gegeben sind, das heisst konkret und belegt gegen geltendes Recht verstossen. Staatliche Bewertungen von und Mutmassungen über andere Meinungen und politische Forderungen hingegen entbehren in einer rechtsstaatlichen Demokratie jeder Berechtigung. Gerade der Presse, oft als vierte Gewalt bezeichnet, fällt in einer funktionierenden Demokratie die Aufgabe zu, staatliches Handeln kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.
  Persönlich hat mich das Vorgehen des Bundesinnenministeriums auch getroffen, weil ich Jürgen Elsässer seit mehr als 20 Jahren kenne und insbesondere seine Publikationen zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien sehr geschätzt habe und nach wie vor schätze. Er hat unerschrocken die westliche Jugoslawienpolitik seit Mitte der achtziger Jahre kritisiert und die Nato-Verbrechen mit deutlichen Worten benannt und charakterisiert. Für einige Zeit hat er eine Reihe von Beiträgen für Zeit-Fragen verfasst. Bis heute erinnere ich mich an seinen menschlich berührenden Titelbeitrag über ein von Nato-Bomben gemordetes 15jähriges Mädchen, Sanja, im serbischen Varvarin. Wir hatten den Text in unserer Sonderausgabe zum 10. Jahrestag des völkerrechtswidrigen Nato-Angriffs auf die Bundesrepublik Jugoslawien im Frühjahr 2009 veröffentlicht. Heute sage ich: Nach wie vor ist Jürgen Elsässer eine wichtige Stimme gegen Krieg und Kriegspolitik – auch wenn ich die Kritik an anderen Inhalten und Darstellungsformen des Compact-Magazins sehr gut nachvollziehen kann. Aber eine staatliche Stelle wie das Bundesinnenministerium hat sich aus dieser geistigen Auseinandersetzung innerhalb der Gesellschaft herauszuhalten!
  Vor allem: Das Vorgehen des Bundesinnenministeriums dient keineswegs dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Im Gegenteil, das Verbot der beiden Compact-Unternehmen reiht sich ein in eine von der EU forcierte und in Deutschland regierungspolitisch betriebene Aushöhlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und insbesondere der Rechte aus Artikel 5 Grundgesetz. Karl Jaspers hatte dies schon in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, nicht zuletzt nach der Spiegel-Affäre, befürchtet und deshalb sein Buch «Wohin treibt die Bundesrepublik?» verfasst.2 Damals konnte die Entrechtung der Bürger noch halbwegs erfolgreich abgewehrt werden. Und heute?
  Ende 2023 fand eine relative Mehrheit der Befragten einer Umfrage in Deutschland, dass es gefährlich ist, seine Meinung frei und öffentlich zu äussern. Deshalb tue man dies auch nicht mehr.3 Solche Umfrageergebnisse sind sehr ernst zu nehmen. Deutschland soll «kriegstüchtig» werden, der Friedenswille seiner Bürger soll geschwächt, die deutsche Wirtschaft soll – ideologisch motiviert – auf den Kopf gestellt, der Sozialstaat soll ausgehöhlt werden. Und die christlich-humanistische Werteordnung des Grundgesetzes soll Dystopien wie solchen weichen, welche die Weltöffentlichkeit bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris ertragen musste – da ist das freie Wort nicht mehr willkommen.  •



1 https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2024-06-18-verfassungsschutzbericht-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=17
2 vgl. zuletzt: https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2024/nr-11-28-mai-2024/wohin-treibt-die-bundesrepublik
3 vgl. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-12/meinungsfreiheit-zensur-studie-freiheitsindex-deutschland-2023

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