«Schwere Verletzung der Pressefreiheit» – Razzia des FBI im Haus von Scott Ritter

von Eva-Maria Föllmer-Müller

Am 7. August 2024 kamen gegen 11.00 Uhr vormittags etwa 20 Beamte des FBI zu Scott Ritters Wohnhaus mit einem Durchsuchungsbefehl, um «Strafverfolgungsmassnahmen im Zusammenhang mit einer laufenden Bundesuntersuchung durchzuführen», wie ein FBI-Beamter vor Ort mitteilte. Die Beamten beschlagnahmten Ritters elektronische Geräte und 25 Kisten mit Papierakten. 
  Dies, obwohl der Durchsuchungsbefehl nur auf elektronische Geräte lautet, wie Ritter auf seiner Substack-Seite1 dokumentiert. Der ehemalige UN-Waffeninspektor stehe unter dem Verdacht, gegen den Foreign Agent Registration Act, FARA (US-Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten) zu verstossen. In seiner Video-Stellungnahme auf Substack äussert Ritter die Vermutung, dass er wegen seiner freiberuflichen Tätigkeit für russische Medien ins Visier genommen wird. Für Freiberufler oder Angestellte gelte das FARA-Gesetz allerdings nicht.
  Die Befragung durch drei FBI-Beamte hat laut Ritter über fünf Stunden gedauert. Er habe keine Beschwerden gegen sie, wohl aber gegen die Beamten, die den Durchsuchungsbefehl veranlasst haben. «Ich habe nichts zu verbergen», sagte Ritter der Presse.

«… verurteilt die Razzia aufs schärfste»

Das bekannte investigative US-Nachrichtenportal Consortium News (CN) hat am 9. August reagiert und die Durchsuchung von Ritters Haus als schwere Verletzung der Pressefreiheit gebrandmarkt: 
  «Consortium News verurteilt die Razzia des FBI im Haus des CN-Kolumnisten Scott Ritter aufs schärfste. […]
  In einem Video2, das auf seiner Substack-Seite veröffentlicht wurde, sagte Ritter, dass die Behörden bei mutmasslichen FARA-Verstössen in der Regel einen Brief an den Betroffenen schicken, um ihn über die Untersuchung zu informieren. Sie schicken nicht zahlreiche FBI-Beamte mit einem Durchsuchungsbefehl vor die Tür, um potentielle Beweise zu finden und zu entfernen. […]
  ‹Die Vorstellung, dass dies ein normales Verfahren ist, ist also völlig absurd. Ich bin kein ausländischer Agent. Ich bin Journalist. Und genau so müssen wir die ganze Sache sehen. Was das FBI gestern getan hat, was die Regierung der Vereinigten Staaten gestern getan hat, war ein Frontalangriff nicht nur auf die Meinungsfreiheit, sondern auch auf die Pressefreiheit›, äusserte Ritter in dem Video.
  Ritter sagte, dass er wegen seiner freiberuflichen Arbeit für russische Medien ins Visier genommen wird. Im Zuge von ‹Russiagate› [der vermeintlichen Einmischung Russlands in die US-Wahlen 2016] hat das US-Justizministerium im Jahr 2017 Medienunternehmen die von der russischen Regierung finanziert werden, zur Registrierung als ausländische Agenten gezwungen.3 Aber nur die leitenden Angestellten von RT und Sputnik müssen sich registrieren lassen, nicht aber Angestellte oder Freiberufler wie Ritter.
  ‹Sie versuchen, einen Journalisten mit langjähriger journalistischer Erfahrung einzuschüchtern, diesen Journalisten, also mich, von Aktivitäten wie der Recherche und Veröffentlichung von Artikeln und Materialien abzuhalten, die der US-Politik in der Ukraine kritisch gegenüberstehen und die russischen Ziele unterstützen›, sagte er.
  ‹Die Tatsache, dass die russische Regierung und ich zufällig übereinstimmende Standpunkte zu kritischen Fragen des Tagesgeschehens haben, könnte also zeigen, dass wir beide auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, und nicht, dass ich ein Agent der russischen Regierung bin. In der Tat spiegelt es wider, dass wir beide auf der richtigen Seite der Geschichte stehen›, sagte er.
  Wegen seiner Ansichten wurde Ritter von der ukrainischen Regierung auf eine ‹Tötungsliste›4 gesetzt. Der örtliche Sender CBS News in Albany, New York, der offenbar einen Tip vom FBI erhalten hatte, filmte Agenten, die Kisten aus Ritters Haus entfernten. Dabei gaben sie seine Adresse und sein Nummernschild preis. […]
  ‹Ich bin Journalist. Ich habe ein verfassungsmässiges Recht auf freie Meinungsäusserung in Verbindung mit einer freien Presse, um das zu tun, was ich tue. Und den Mund zu halten bedeutet, dass ich der Regierung der Vereinigten Staaten erlaubt habe, einen Journalisten zum Schweigen zu bringen. Das wird einfach nicht passieren.
  Warum sollte das FBI so etwas tun? Ich denke, wir können diese Frage nicht stellen, ohne das Offensichtliche anzusprechen. Was ich sage und tue, macht einigen Leuten in Washington D.C. Angst, sei es im Aussenministerium, in der CIA, im Weissen Haus oder im Justizministerium; es macht der ukrainischen Regierung Angst.›

  Consortium News fordert das Justizministerium auf, die Einschüchterung eines unserer Kolumnisten sofort einzustellen, da dies eine staatliche Einmischung in die Arbeit der Medien und eine Verletzung der Pressefreiheit ist.»

Quelle: https://consortiumnews.com/2024/08/09/cn-condemns-fbi-raid-on-cn-columnists-home/

(Übersetzung Zeit-Fragen)
 

«Seine Erfahrung,
 Ehrlichkeit und Legitimität…»

Karen Kwiatkowski, ehemalige Offizierin der US-Luftwaffe, mit beruflicher Erfahrung aus ihrer Arbeit im Pentagon und in der NSA, sowie bekannte Kritikerin des US-Krieges im Irak, schrieb am 10. August:
  «Der pensionierte US-Marine Scott Ritter lässt sich nicht einschüchtern, und er gibt auch den FBI-Agenten selbst keine Schuld. Er berichtet, dass sie wachsam waren und sich gut benommen haben, als sie am Mittwoch seine Autos und sein Haus nach elektronischen Geräten und Aufzeichnungen immer wieder durchsuchten. Ritter, ein ehemaliger UN-Atomwaffeninspekteur und Marinesoldat, hat sich schon früh gegen die Neokons und die Lügen der Bush-Regierung über Massenvernichtungswaffen im Irak ausgesprochen, etwa im Jahr 2002. Er hat nur wenige Bewunderer innerhalb des ‹Tiefen Staates›, und sein fortgesetztes Eintreten für gesunden Menschenverstand und Frieden in der US-Aussenpolitik hat den ‹Tiefen Staat› wütend gemacht.
  Seine Erfahrung, Ehrlichkeit und Legitimität sind eine dreifache Bedrohung für jeden Staat, der seine Aussenpolitik ahistorisch, auf der Grundlage ständiger Lügen und Verdrehungen und ohne Legitimität durch Wahlen betreibt. […]
  Scott ist seit Jahrzehnten das Ziel der amerikanischen Kriegsmaschinerie und der Hintermänner, die das Land regieren. Vor einigen Monaten beschlagnahmten US-Agenten seinen Reisepass, kurz bevor er ein Flugzeug von New York nach Istanbul auf dem Weg zum Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg besteigen konnte. Diese Aktion und die FBI-Razzia in dieser Woche scheinen mit Ritters ausgezeichneten Einsichten und Mitteilungen über Washingtons neokonservative Politik in Russland und das kostspielige und tragische US/Nato-Missgeschick in der Ukraine zusammenzuhängen.»

Quelle: https://www.lewrockwell.com/2024/08/karen-kwiatkowski/the-fbi-leading-indicator-of-deep-state-priorities/

(Übersetzung Zeit-Fragen)
 

«Ein leidenschaftlicher und
 wortgewandter Antikriegskämpfer»

Judge Andrew P. Napolitano, ehemaliger Richter am Superior Court of New Jersey, ausgewiesener Experte im US-Verfassungsrecht mit Princeton-Abschluss und vielen bekannt durch die wichtigen Interviews auf seiner Plattform Judging Freedom, ordnet den Vorgang in einem Artikel aus verfassungsrechtlicher und -geschichtlicher Sicht ein. Zu Scott Ritter sagt er:
  «Scott ist ein mutiger und begabter ehemaliger Marine. Er ist auch ein leidenschaftlicher und wortgewandter Antikriegskämpfer. […] Als FBI-Agenten letzte Woche Ritters Haus im Bundesstaat New York durchsuchten, hatten sie neben Lastwagen, Waffen, einem Sondereinsatzkommando und einem Bombenteam auch ausgedruckte Kopien von Ritters E-Mails und Texten aus zwei Jahren dabei, die sie ohne Durchsuchungsbefehl erhalten hatten.
  Zu diesem Zweck, hackten sie sich entweder in Ritters elektronische Geräte ein – ein Verbrechen – oder sie verliessen sich auf ihre Cousins, die CIA und die NSA, um dies zu tun, ebenfalls ein Verbrechen.»
  Auf Grund seiner ausführlichen Analyse kommt Napolitano zum Schluss: «Das Eindringen in Scott Ritters Haus war eine Perversion des vierten Verfassungszusatzes, ein krimineller Diebstahl seines Privateigentums und ein Versuch, seine Redefreiheit zu unterdrücken. Aber es war nicht überraschend. Das ist es, was heute aus der Strafverfolgung auf Bundesebene geworden ist. Die Leute, die wir eingestellt haben, um die Verfassung zu schützen, zerstören sie.»

Quelle: https://judgenap.com/the-fbi-visits-scott-ritter/

(Übersetzung Zeit-Fragen)
 

«Von den Neokonservativen
 an den Pranger gestellt»

Philip Giraldi, ehemaliger Geheimdienstoffizier der CIA, Kolumnist und Sicherheitsberater, äusserte sich in einem Artikel am 12. August ebenfalls zum Fall:
  «Am 7. August wurde berichtet, dass das FBI und die Polizei das Haus von Scott Ritter, den ich als Freund betrachte, durchsuchten und 25 Kisten mit Dokumenten und elektronischen Kommunikationsgeräten zur Untersuchung in einer ‹laufenden Untersuchung› mitgenommen haben. Scott, ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des Marine Corps, ist bereits seit der Zeit vor dem Irak-Krieg als Kriegsgegner bekannt, als er als Waffeninspektor der Vereinten Nationen erklärte, dass Saddam Hussein keine ‹Massenvernichtungswaffen› besass. Die Angst vor Massenvernichtungswaffen wurde in Washington als Grund für den Angriff auf den Irak und dessen Entwaffnung angeführt. Scott wurde sowohl von den Mainstream-Medien als auch von den zumeist jüdischen Neokonservativen im Pentagon und im Weissen Haus (Paul Wolfowitz, Doug Feith, Richard Perle und Scooter Libby) an den Pranger gestellt, die damit beschäftigt waren, absichtlich irreführende Informationen zu fabrizieren und zu verbreiten, um die Regierung von George W. Bush zu ermutigen, den Krieg zu beginnen, was sie auch bereitwillig tat. Seitdem hat sich Scott immer wieder erfolgreich in Fragen des Krieges und des Friedens zu Wort gemeldet.»

Quelle: https://www.unz.com/pgiraldi/there-is-something-rotten-in-washington/

(Übersetzung Zeit-Fragen)

* * *

Consortium News hat in dieser Situation das einzig Richtige getan. Das Nachrichtenportal hat den Sachverhalt sofort dokumentiert, das Vorgehen deutlich verurteilt und das US-Justizministerium aufgefordert, die Einschüchterung ihres Kolumnisten sofort einzustellen. Damit hat es sich hinter seinem Kolumnisten gestellt. In solch einem Fall, der leider kein Einzelfall ist, gibt es nur eines: volle Unterstützung. Auch andere Persönlichkeiten mit langer Berufserfahrung haben in verschiedenen Artikeln ihre Wertschätzung für die Arbeit und das Engagement von Scott Ritter zum Ausdruck gebracht. Inzwischen gibt es zahlreiche weitere Stellungnahmen und Interviews mit Scott Ritter, die man bei CN oder auf seinem Substack verfolgen kann.



1 https://scottritter.substack.com/p/a-video-response-to-the-fbi-raid
2 ebenda
3 https://www.washingtonpost.com/world/national-security/rt-agrees-to-register-as-an-agent-of-the-russian-government/2017/11/09/bd62f9a2-c558-11e7-aae0-cb18a8c29c65_story.html
4 https://myrotvorets.center/criminal/?cf%5Bname%5D=William+Ritter&cf%5Bcountry%5D=&cf%5Baddress%5D=&cf%5Bphone%5D=&cf%5Bdesc%5D=

Compact-Verbot aufgehoben

km. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2024 (Eilverfahren) das von der deutschen Innenministerin erlassene Verbot der Compact-Unternehmen (Zeit-Fragen Nr. 16 vom 6. August) für das Compact-Magazin mindestens bis zur Hauptverhandlung aufgehoben. In seiner Pressemitteilung vom selben Tag schreibt das Gericht, es gebe zwar einzelne Ausführungen in den Print- und Online-Medien der Compact-Unternehmen, die eine «Verletzung der Menschenwürde» erkennen liessen und auch eine «kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen. In «weiten Teilen» seien die Beiträge in den Ausgaben des Compact-Magazins jedoch «nicht zu beanstanden». Deshalb erscheine das Gesamtverbot unverhältnismässig, gebe es doch «mildere Mittel», um gegen einzelne beanstandete Beiträge rechtlich vorzugehen. Das Gericht betont abschliessend noch einmal die besondere Bedeutung der Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit.

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