von Prof. Dr. Heinrich Wohlmeyer, Österreich*
Unsere Tagung durchzog die Klage über die Missachtung der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit aller Menschen und Staaten sowie über Missbrauch von Macht, die schlussendlich in Gewalt, Lüge und Krieg kulminiert.
Heutige Finanzordnung
führt zu Ungleichheit und Gewalt
Wer offenen Auges und mit eigenständigem Denken die Zeitläufte betrachtet, muss feststellen, dass hinter diesen unerwünschten Entwicklungen nicht nur die Gier nach Macht, Einfluss und Besitz steht, sondern dass internationale Regeln diese ermöglichen, ja, sogar induzieren. Diese Regeln werden aber meist nicht in Betracht gezogen. Der erste wesentliche zu Ungleichheit und Gewalt führende Bereich ist die bislang anerkannte und durchgesetzte Finanzordnung.Sie beginnt bei der manipulierten Konferenz von Bretton Woods vom 1.–22. Juli 1944, in der der Vorschlag einer Internationalen Verrechnungsbank, der International Clearing Union (ICU), in der alle Währungen gleichwertig gewesen wären, in einer Nacht-und-Nebelaktion ins Gegenteil verkehrt worden ist. Die Verrechnungseinheit Bancor und ihre Bindung an Gold wurde im Final Act durch den US-Dollar ersetzt. Der US-Dollar wurde somit goldeswert.
Die dies nicht wissenden Teilnehmer wurden gedrängt, ein «noch fertig zu formulierendes Dokument» blanko zu unterzeichnen. Der US-Dollar war somit als Weltleitwährung fixiert. Dies ermöglichte den USA, fürderhin die Weltmärkte zu dominieren, zumal der «offene Marktzugang» mitverankert wurde. Als die US-Goldreserven zu Ende gingen, erfand man die Petrodollarstrategie: Mit Saudi-Arabien, dem grössten Erdölexporteur der Welt, wurde vereinbart, dass die Saudis Erdöl und Erdgas nur in US-Dollar verkaufen und dies auch in der OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder) durchsetzen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die USA, das Regime zu verteidigen, und errichteten in Saudi-Arabien den grössten Militärstützpunkt im Vorderen Orient. Dieses Abkommen wurde aber am 9. Juni 2024 von Saudi-Arabien einseitig gekündigt. Der US-Dollar ist daher nunmehr weltweit nur mehr militärisch gedeckt. Wer ausschert, wird durch Krieg und/oder «Sanktionen» bis hin zum Ausschluss vom internationalen Finanzverkehr (SWIFT) unterworfen.Solange die Position als Weltleitwährung aufrechterhalten werden kann, können die USA «auf Pump» leben und ihre Militärmacht finanzieren, zumal die ausländischen Exporteure bislang ihre «goldwerten» US-Dollar in den USA verzinslich anlegen können (Kreislauf). Dadurch aber steigen die Schulden der USA ins kaum Ermessliche. Sie betragen derzeit 35,2 Billionen (US-Trillion). Das sind Millionen x Millionen! Wenn die misstrauisch gewordene Welt den USA den Rücken kehrt, stehen diese vor dem Bankrott. Um so gewaltbereiter werden sie daher, wobei sie Europa als Schlachtfeld zu opfern bereit sind.
Weltwährungsabkommen als Ausweg
Der Ausweg aus dieser Gefahr ist ein Weltwährungsabkommen mit einem Schuldenschnitt und einer Internationalen Clearing Union, die zur Wahrung des Gesichtes der USA einen «Union Dollar» als Referenzwährung hat. Wer sich von einem Untergehenden umarmen lässt, wird von diesem in den Abgrund gezogen. Wir müssen daher wie kluge Rettungsschwimmer den Untergehenden gekonnt retten. Da das gegenwärtige Finanzsystem dem Motto unserer Konferenz gegenläuft, ist es unsere Aufgabe, beharrlich gegenzusteuern. Hierbei sollten wir uns an das lateinische Sprichwort «gutta cavat lapidem» (steter Tropfen höhlt den Stein) erinnern.
Letzteres gilt auch für die notwendige Reform der Charta der Vereinten Nationen, wie wir in der Folge sehen werden. Die Charta der Vereinten Nationen, die am 26. Juni 1945 unterzeichnet und am 24. Oktober 1945 in Kraft getreten ist, geht von hehren Grundsätzen aus, birgt aber im Detail gewaltige Ausnahmen bezüglich Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit. Die im Sicherheitsrat vertretenen Grossmächte haben ein Vetorecht gegen alle Ansinnen, die ihren Interessen widersprechen. Die Generalversammlung darf nicht einmal Empfehlungen abgeben, wenn sich der Sicherheitsrat einer Sache annimmt. Siehe Artikel 12: «(1) Solange der Sicherheitsrat in einer Streitigkeit oder einer Situation die ihm in dieser Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, darf die Generalversammlung zu dieser Streitigkeit oder Situation keine Empfehlung abgeben, es sei denn auf Ersuchen des Sicherheitsrats.» An dem hat auch die Erweiterung des Sicherheitsrates auf 15 Mitglieder nichts geändert.
Kriege unter dem Schutzschirm
des Vetorechts im Sicherheitsrat
Unter dem Schutzschirm des Vetorechts wurden Kriege und Regimewechsel (Regime changes) vor allem von den USA und Grossbritannien ausgelöst und unterstützt. Zwischen 1946 und 2000 gab es 81 offene und verdeckte Eingriffe in ausländische Wahlen. Der folgenschwerste war wohl der Staatsstreich im Iran im Jahr 1953. Wenn man Premierminister Mohammad Mossadegh nicht gestürzt hätte, wäre der Iran heute eine westlich orientierte Demokratie. Mossadedegh war «westlich» geprägt. Er hat in Frankreich und in der Schweiz Jura und Ökonomie studiert und anerkannte das internationale Rechtssystem. Sein «Vergehen» war, dass er die Bodenschätze – insbesondere Erdöl – gegen faire Ablöse verstaatlichen und so der Volkswohlfahrt zuführen wollte. Dies aber widersprach den GB- und US-Interessen. Nun haben wir eine permanente Iran-Krise und den repressiven Mullah-Staat.
Die Engagements in Afghanistan, Israel, Kosovo, Libyen, Syrien und Ukraine sowie die Konfrontation mit China belasten gegenwärtig die Weltpolitik. Obwohl die Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen eine friedliche Beendigung der Konflikte wünscht, können die Kriegstreiber unter dem Schutz des Vetorechts weiter agieren und behaupten, dass sie für Demokratie und Freiheit handeln. Es sei auch vermerkt, dass die USA das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) nicht ratifiziert haben und sich dessen Judikatur entziehen.
Bei all dem sollten wir bedenken, dass sich die USA nicht nur im Geldnotstand, sondern auch in der Geiselhaft des militärisch-indu-striellen Komplexes befinden. Kein geringerer als der Oberkommandierende der Alliierten Invasion vom 6. Juni 1944 und spätere Präsident der USA Dwight D. Eisenhower hat in seiner Abschiedsrede vom 17. Januar 1961 vor den Gefahren des militärisch-industriellen Komplexes gewarnt, weil dieser für seine Geschäfte Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen braucht.
Neue globale Kräfteverhältnisse
als Weg zur Uno-Reform
Es bedarf daher einer demokratischen Reform der Charta und der assoziierten Institutionen (insbesondre Weltbank und Internationaler Währungsfonds), die wir ebenso beharrlich anstreben müssen. Eine umfassende Darstellung hat Prof. Dr. hc. mult. Hans Köchler in seinem Vortrag «‹Souveräne Gleichheit› im System der Vereinten Nationen» bei den Graubündner Gesprächen vom 26. Juli 2024 gegeben (publiziert bei International Progress Organization). Die laufende Änderung der inter-nationalen Kräfteverhältnisse – ich denke hier vor allem an die wachsenden BRICS-Staaten – ebnet den Weg für die Reform.
Die Ermutigungsworte von Victor Hugo: «Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist!»sollten uns Zuversicht geben. •
* Heinrich Wohlmeyer, geboren 1936 in St. Pölten; Gen. Dir. a.D.; Hon. Prof. Dipl. Ing agr. Dr. iur; Dipl. in Law, studierte in Wien Landwirtschaft und Rechtswissenschaften, beschäftigte sich als Fulbright-Stipendiat in den USA mit «Agricultural Economics and Business Administration» und promovierte in London über «Internationale Rohstoff-lenkungsabkommen». 20 Jahre war Wohlmeyer in der Industrie, Regionalentwicklung und Handelspolitik tätig sowie gute zehn Jahre Forschungsmanager. Er lehrte an der Technischen Universität Wien und der Universität für Bodenkultur in Wien. Er befasste sich früh mit Nachhaltigkeitsfragen, Kreislaufwirtschaft und ökonomischen, ökologischen und sozialen Fehlentwicklungen. Verschiedene Auszeichnungen und zahlreiche Veröffentlichungen.
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