Das «Paxmal» von Karl Bickel – ein Friedensdenkmal

von Gabrielle Ege

Um das «Paxmal» zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Täglich fährt ein Bus zur Reha-Klinik Walenstadtberg. Zu Fuss ist, immer ansteigend, das Ziel in rund einer guten Stunde  erreicht. Oder man fährt mit dem Auto von Walenstadt bis zum Parkplatz Schrina Hochrugg. Von dort sind es etwa 10 Minuten zu Fuss zum «Paxmal». Wer es sportlicher haben möchte, kann direkt von Walenstadt hinaufsteigen.
    Schon immer wollte ich dieses aussergewöhnliche Kunstdenkmal besuchen. Verlockend war auch, das Ganze mit einer Wanderung zu verbinden. Beim Aufstieg von der Klinik Walenstadt kann man die herrliche Landschaft geniessen, mit der Sicht ins Tal zum Walensee und hinauf zu den stolzen Churfirsten. Am Ziel angekommen, ist die Überraschung gross. Die Grösse, der Blick auf das Denkmal sind überwältigend. Je mehr man sich nähert und genauer hinschaut, wird das Anliegen des Künstlers Karl Bickel immer deutlicher. Das «Paxmal», Friedensdenkmal von Walenstadtberg, ist ein einzigartiges, dem Humanismus gewidmetes Kunstwerk. Es ist eine grosse schöpferische Leistung.
    Der Künstler hat dieses Denkmal als Symbol für den Frieden geschaffen. «Dem Paxmal liegt der Urgedanke des Friedens für jeden und alle zugrunde. Es ist keine Kultstätte, sondern ein stiller, friedlicher Ort für innere Sammlung, Einkehr und Meditation. Einer Meditation über uns selbst und unsere Gesellschaftsformen, zwecks Läuterung und neuen Erkenntnissen, wie wir als nützliches Glied der Gemeinschaft dem Sein einen Sinn geben können.»1
    Das «Paxmal» liegt hoch oben, über dem tiefblauen Walensee und unterhalb der Steilwände der Churfirsten, die in den Himmel ragen. Karl Bickel gelang es, die Friedensstätte mit der herrlichen Landschaft zu vereinen.

Vorgeschichte und Biographisches

Aber wie kam es zur Errichtung des Friedensmals auf Schrina Hochrugg (1289 Meter ü.M.) von Walenstadtberg? 1912 reiste der junge, aus Zürich stammende Grafiker nach Italien, wo ihn die monumentalen Skulpturen Michelangelos in Florenz nachhaltig beeindruckten. Kurz darauf (1913) erkrankte Karl Bickel schwer an Tuberkulose. Die Krankheit war so stark fortgeschritten, dass kaum noch Aussicht auf Heilung bestand. In der Folge musste er dreizehn Monate im Lungensanatorium in Walenstadtberg verbringen.
    Nicht nur die unmittelbare Bedrohung des eigenen Lebens, sondern auch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges prägten Karl Bickel nachhaltig. Auch der Arbeiteraufstand 1918 in Zürich bewirkten in ihm einen Sinneswandel. Er versprach, falls er von seiner schweren Krankheit geheilt würde, dem Frieden ein Denkmal zu setzen, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Es war wie ein Wunder, dass er überlebte. Als Dank für seine Genesung arbeitete er an seiner Vision, einen «Friedenstempel zu schaffen, einen Ort des Friedens für alle Menschen». Noch auf dem Krankenbett entstanden, mit Hilfe von medizinischen Lehrbüchern, einige Entwürfe für die Bilder an der linken Wand des Monumentes. Bickel war ein überzeugter Menschenfreund, was in seinem Werk zum Ausdruck kommt.
    In 25 Jahren, zwischen den Jahren 1924 bis 1949, lebte er auf der Schrina Hochrugg. Während der Sommermonate arbeitete er unter materiellen und gesellschaftlichen Entbehrungen an seinem «Paxmal», nahezu ohne fremde Hilfe und mit grosser Selbstdisziplin. In dieser Zeit lebte er mit seiner Familie im Dachgeschoss des Bauwerks und im damals verglasten Untergeschoss, das er als Atelier benutzte.
    Während der Arbeit am «Paxmal» schuf Bickel in minuziöser Kleinarbeit mit der Mosaiktechnik reliefartige wunderbare, übergrosse Menschengestalten. Seine Idee war, das Wesen des Menschen zu erfassen und darzustellen. Sein zentrales Anliegen war die Frage nach einer idealen Gesellschaft, dem Lebenszyklus des Menschen, der Entwicklung des Individuums und dessen Beitrag für die Gesellschaft.
    Die Tätigkeit als Grafiker und Markenstecher ermöglichte ihm den Bau des «Paxmals». Vor allem verblüfft das Bauwerk heute diejenigen Besucher, die Karl Bickel noch als Meister des Kleinformatigen kennen. Er war einer der bedeutendsten Briefmarkengestalter der Schweiz.

Aussenbereich und Halle des Paxmals

Der Aussenbereich des Tempels ist von zwei 16 Meter langen Seitenflügelmauern eingefasst. Dazwischen liegt ein grosses, quadratisches Wasserbecken, in dem sich die Landschaft spiegelt. Auch hier kommt Bickels Vision der Einheit des Menschen mit der Natur, die Lebenselemente und die vielfältigen Spiegelungen seiner Umwelt zu einer sinngemässen Harmonie zum Ausdruck. Wenn man vor dem Tempelgebäude steht, führt eine Treppe direkt ins Zentrum zur Säulenhalle. In die Säulen sind Tier- und Pflanzendarstellungen eingraviert. Auf dem Dachgiebel, dem Tympanon, steht in grossen in Stein gehauenen Buchstaben «Pax», das heisst Friede auf Lateinisch. Auf einem der sechs Pfeiler steht die Huldigung an: «Den umfassenden und guten Menschen».
    In sechs Mosaik-Bildern stellt Karl Bickel auf der linken Seitenmauer mit überlebensgrossen Menschengestalten das erdverbundene, körperliche Leben dar: «Das Prinzip der Menschwerdung. Das ist das Leben – Mann und Frau –, das sich auf der ganzen Welt gleich abspielt», wie es Karl Bickel in einem Fernsehbeitrag von 1966 ausdrückte. Die Bilder zeigen «Mann und Weib – Begegnung – das Paar – die Zeugung – die Erwartenden – das Kind». In der Verlängerung der linken Seitenwand sind in der Halle als Fortsetzung des entstehenden Lebens «Die Familie» und «Die kleine Gemeinschaft» abgebildet.
    Die rechte Seitenwand ist dem geistigen Leben gewidmet. Bickel drückt es wie folgt aus: «Jetzt kommt als zweites Prinzip, das schwerer durchzuführen ist, das Prinzip der Menscherhaltung, und das grosse Geschehen geht alle etwas an (die Erhaltung und Zeugung), in einen bedeutenden Rahmen zu stellen, es in die Natur einzubauen.» Die Bilder zeigen: «die Erwachenden – die Ringenden – die Erwartenden – der Empfangende – die Schauenden – die Aufgehenden». Die rechte Seitenwand endet mit ihrer Verlängerung in der Halle mit den Worten «Der grossen Gemeinschaft», «Der Arbeitsgemeinschaft», «Recht». In der linken unteren Ecke ist eine sitzende Figur – eine Selbstdarstellung – zu entdecken, die eine Tafel hält mit den Worten «Gemeinschaft, Arbeit, Recht» als Aufschrift. In der Halle ist nicht nur der Künstler selbst abgebildet, sondern es muss sich auch um reale Personen handeln: seine spätere Frau, sein Sohn, seine Eltern, Johann Heinrich Pestalozzi, Carl Spitteler, Ferdinand Hodler und andere.
    Das Mittelbild in der Halle stellt das «Alter als Vollendung», den friedlichen Lebensabend, Lebenserfüllung und Gemeinschaftsbildung dar. Es ist ein sitzendes, älteres Ehepaar abgebildet, wahrscheinlich Karl Bickel und seine Frau.
    Karl Bickel ist es ausgezeichnet gelungen, in seinen Menschengestalten das Körperliche, den Gesichtsausdruck und die Gemütsverfassung eines Menschen mit kleinen, getönten Mosaiksteinchen lebendig und gross darzustellen. Diese Mosaikfiguren können ihre Vorbilder, Michelangelo und Hodler, nicht leugnen. Karl Bickels Kunstwerk wurde eine Botschaft für alle Menschen und ein bleibendes Friedensdenkmal. Gerade in Zeiten des Krieges hat ihn das Thema Mensch und Frieden sehr beschäftigt.

Quellen:

Material der Karl Bickel-Stiftung

Museum: www.museumbickel.ch 

Gönnerverein

1 Es lohnt sich, einige Kurzfilme von Schweizer Fernsehen DRS, Antenne (1966),10 vor 10 (1982) oder Der Briefmarkenstecher (2002) anzuschauen. Alle Zitate sind aus dem 1966 ausgestrahlten Kurzfilm von Antenne des Schweizer Fernsehens DRS.

Karl Bickel 1886–1982

ge. Karl Bickel war ein bekannter Schweizer Künstler, Grafiker, Markenstecher und einer der bedeutendsten Briefmarkengestalter der Schweiz. Von den fünfhundertfünfzig Entwürfen, die er seinem grössten Arbeitgeber, der damaligen schweizerischen PTT, vorlegte, setzte er hundert selber um, ritzte die Motive unter dem Mikroskop in die stählernen Druckvorlagen – Millimeter für Millimeter, Linie für Linie. In seiner mehr als vierzigjährigen Tätigkeit als Markenstecher prägte er entscheidend die Erscheinung der schweizerischen Briefmarken, der Porträtmarken, Pro-Juventute-Marken und die Friedensmarke am Ende des Zweiten Weltkrieges. Pestalozzi war seine Lieblingsmarke. Sie machten ihn im In- und Ausland bekannt. Damit erlangte er Weltruhm. Karl Bickel war nicht nur ein bekannter Stahlstecher, sondern hat auch zahlreiche andere Kunstwerke geschaffen. Im Jahre 1966 erhielt er den Sarganser Kulturpreis.
    Auch seine Plakatkunst darf zu den Pionier- und Glanzleistungen der helvetischen Gebrauchsgrafik gezählt werden. Er schaffte in der Blütezeit des Schweizer Plakates, in den 1910er und 1920er Jahren, zahlreiche lithografierte Künstlerplakate für die im Aufschwung begriffenen Wirtschaftszweige wie Mode, Tourismus oder die Schokoladen-Industrie. Neben dem Briefmarkenwerk hinterliess er zahlreiche Werke, Zeichnungen, Ölbilder und plastische Arbeiten. Er war ein Multitalent.
    An dem Ort, wo ihm einst sein zweites Leben geschenkt wurde, starb er im Alter von 96 Jahren. Er hatte auch Pläne zur Errichtung eines Museums in der Nähe des «Paxmals». Im Jahre 2002, zwanzig Jahre nach seinem Tod, wurde das Museum im Zentrum von Walenstadt eröffnet. Dort finden pro Jahr zwei Ausstellungen statt. «Die Zeugung und die Erhaltung des Gezeugten geht alle an […]. Es soll jedem und allen frei zugänglich sein. Das Werk dient jedermann, wie auch die Briefmarken jedermann dienen.» Das sagte er im Beitrag des Schweizer Fernsehens DRS (Kurzfilm von 1966 in der Sendereihe Antenne), als er seinen achtzigsten Geburtstag feierte. Er übergab der PTT der schweizerischen Eidgenossenschaft sein Kunstwerk, das «Paxmal», als Geschenk. 2016 überliess die Postimmobilien AG das «Paxmal» der Karl Bickel Stiftung.

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