Russland und das Abendland. Ein tausendjähriger Krieg

Russophobie seit Karl dem Grossen bis zur Ukraine-Krise

von Urs Graf

Der Genfer Politiker und Publizist Guy Mettan schwimmt nicht im Mainstream. Er beschreibt die Ereignisse unserer Zeit mit besonnener Sachlichkeit und ohne Distanz zum Menschen. Seine Bücher erscheinen bis heute nicht in deutscher Sprache. Der folgende Text ist keine Übersetzung, sondern eine Wiedergabe des Buchinhalts nach dem Verständnis des Lesers Urs Graf. Eigene Anmerkungen sind mit eckigen Klammern gekennzeichnet.
  In meiner Darstellung des Buches von Guy Mettan fehlt die Analogie (contre-mythe) des Märchens von Schneewittchen: Das schöne Russland, welches immer Gefahr läuft, von der eifersüchtigen Mutter (Europa) tödlich hereingelegt zu werden.

Guy Mettan geht in seinem 2023 neu aufgelegten Buch «Russie-Occident. Une guerre de mille ans. La russophobie de Charlemagne à la crise ukrainienne»  der Frage nach, wie es möglich war, dass in unseren westeuropäischen Ländern eine antirussische Stimmung so schnell überhandnehmen konnte, bis hin zur Bereitschaft, alles Russische auszugrenzen. Das ging so weit, dass in Frankreich die Grabinschrift von Königin Anne de Kiev, einer Enkelin von König Wladimir, die im Jahre 1051 den französischen König Henri I geheiratet hatte (S. 116), 1991 auf Betreiben des ukrainischen Botschafters in Paris umgeschrieben werden sollte. Fortan sollte «Anna, reine de France, princesse de Russie» in «… princesse d’Ukraine» (S. 242), umbenannt werden, obwohl diese Bezeichnung für das Grenzland damals noch gar nicht existiert hatte.

«Teile und herrsche»

Mettans Durchgang durch die wechselvolle russisch-europäische Geschichte in diesem Buch zeigt überdeutlich, dass auf der Grundlage der Uno-Charta von 1945, durch die Respektierung der Würde und Gleichwertigkeit aller Menschen und Völker vieles einen ganz anderen Verlauf genommen hätte – und nehmen könnte –, als der verhängnisvolle, wie er jetzt angebahnt wird. Er zeigt auf, dass die aktuelle Feindseligkeit gegenüber Russland auf einem uralten Ressentiment beruht, das der «Westen» nie aufgearbeitet hat, weil man es immer wieder für machtpolitische Zwecke instrumentalisieren konnte – ganz unabhängig von den Sachverhalten. Unsere Haltung ist durch einen doppelten Standard gekennzeichnet: Scheinheiligkeit und Unehrlichkeit in der Beurteilung der Geschichte Russlands vergleicht man sie mit derjenigen der westlichen Mächte durch die Jahrhunderte.
  Schon lange vor dem Ukraine-Krieg, etwa anhand der Berichterstattung im Falle des Flugzeugabsturzes bei Überlingen oder des von kaukasischen Islamisten an Schulkindern verübten Massakers in Beslan, zeigte sich eine stossende Geringschätzung gegenüber dem Volk der Russen. Auch sportliche Grossveranstaltungen wie die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und die Fussball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland wurden von russophoben Medien verzerrt dargestellt. Despektierliche Kommentare bis hin zu groben Unwahrheiten wurden sogar nach Korrekturen aus [den wenigen verbliebenen] westlichen Quellen in der Regel nicht zurückgenommen.

Kulturgeschichte eines Feindbildes

Mettan charakterisiert «Russophobie» als einen Geisteszustand (état d’ésprit). Er führt ihn uns vor Augen, indem er zur hierzulande erfolgten Berichterstattung über Ereignisse in Russland eine Vielzahl von Fragen stellt, denen man nur unter Umgehung jeder Logik ausweichen kann, wie es unsere meinungsführenden Eliten machen. [Man könnte dies als kuriose Verschrobenheit betrachten – aber ihre Folgen, die zahllosen Kriegsopfer und überhaupt die Gefahr einer Vernichtung allen menschlichen Lebens, sind leider real. Darin liegt die schwere Verantwortung der Intellektuellen.] Historisch erwiesene Lügen hätten längst korrigiert werden können.
  Sie reichen von der gefälschten Konstantinischen Schenkung (S. 124) aus dem 9. Jahrhundert und dem 1756 gefälschten Vermächtnis (S. 150) Peters des Grossen bis in unsere Tage und dokumentieren eindrücklich die Unehrlichkeit im Westen gegenüber Russland und bewirken eine Russophobie, die von Karl dem Grossen über Louis XV, Napoleon und im 20. Jahrhundert von Harry Truman, Winston Churchill und George Kennan bis in unsere Tage ad nauseam wiederholt wird. Despotie, Barbarei und Rückständigkeit (S. 56) blieben über Jahrhunderte die bestimmenden Begriffe im antirussischen Diskurs bis heute, der Ära von Wladimir Putin.
  Reisende Westeuropäer seit der Renaissance beschrieben Russland oft als unverständlich fremde Kultur, Russen als der Mongolenherrschaft entlaufene Sklaven, die von der Weltherrschaft träumten. Seit Peter der Grosse Russland aus dem Joch von Invasoren aus Asien und Europa befreien konnte, wurden ihm und seinen Nachfolgern imperiale Ambitionen unterstellt.
  Theoretiker des Liberalismus, aber auch Sozialisten wie Karl Marx und Friedrich Engels und sogar Monarchisten bedienten gegenüber Russland alle gleichermassen das Klischee von Despotie und Rückständigkeit.
  Mit dem Aufstieg des ökonomischen Liberalismus kam die Ideologie auf, dass kultureller Fortschritt allein durch privaten wirtschaftlichen Erfolg entstehe. Die sozialistische Ökonomie der Sowjetzeit galt daher als Kennzeichen für die Rückständigkeit Russlands; die postsowjetische Privatisierung hingegen für endlich beginnenden Fortschritt.

Sichtweise der Rivalen

Im 19. Jahrhundert verfestigte sich, ausgehend von Frankreich und Grossbritannien, die Ideologie des «Gradient culturel», des atlantischen Überlegenheitsdünkels gegenüber dem Osten Europas.
  Die Briten bedienten russophobe Ressentiments in ihrem Machtkampf um den eurasischen Kontinent («Grand Jeu»), die Ausdehnung ihres Weltreiches auf Indien und das Osmanische Reich. Die Ozeanmacht Grossbritannien betrachtete das russische Zarenreich als Rivalen auf dem begehrten Kontinent. Die britische Kolonialelite betrieb mittels der Presse eine langfristige, systematische Stimmungsmache zwecks Manipulation der Parlamentarier, damit diese den Kolonialbaronen freie Hand gewährten. Die vielgeschmähte Despotie der Zaren diente ihnen als Schreckbild zur Rechtfertigung der angeblichen Alternativlosigkeit der angestrebten britischen Weltherrschaft.
  Indes begannen die angloamerikanischen ozeanischen Imperien den übrigen Nationen ihre Vorherrschaft mit allen Mitteln aufzuzwingen (S. 212). Zwischen 1815 und 1900 vergrösserten die atlantischen Mächte ihre Kolonialreiche um das Hundertfache mehr, als es das angeblich imperialistische Zarenreich im gleichen Zeitraum tat.
  Mettan weist auf den Widerspruch hin, dass die Leibeigenschaft in Russland gegeisselt wurde, obwohl die Kolonialregime von Frankreich, Grossbritannien, Belgien, der Niederlande und der USA punkto Unterdrückung und Ausbeutung keinen Deut besser waren. Es wurde mit zweierlei Mass gemessen. Von den Anfängen der Presse bis zu Hollywood wurde eine Russophobie popularisiert. Dazu gehörte auch eine Fantasy-Literatur mit irrationalen, gewaltvoll-perversen Inhalten wie beispielsweise von Bram Stoker (1847–1912) das Oeuvre «Graf Dracula» über einen walachischen Fürsten namens Vlad, welches der Autor mit allen antirussischen Vorurteilen gespickt hatte. Imperiale Politik bestimmte die Meinungen.

Allianzen und Rivalitäten in Europa

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurde Russland von den atlantischen Mächten Frankreich und Grossbritannien gegen das aufstrebende Deutschland in die Allianz «Triple Entente» geholt.
  Aber die britische Russophobie blieb bis heute konstant. Sie wurde lediglich 1904–1917 und 1941–1945 jeweils kurz unterbrochen, als man die Hilfe Russlands gegen die Bedrohung des deutschen Kaiserreiches und des Nazi-Reiches gerne in Anspruch nahm. Am 5. März 1946 senkte Premierminister Churchillin seiner Fulton-Rede den «eisernen Vorhang» gegenüber Osteuropa wieder.
  In Deutschland entwickelte sich dieses Ressentiment nach langen Jahren der Allianz zwischen Preussen und Russland erst nach der Gründung des Kaiserreichs. Nach den Einigungskriegen entbrannte der pangermanische «Drang nach Osten». Die ideologischen Grundlagen dieser neuen Geopolitik wurden durch entsprechende Inhalte in Schulbüchern für Geschichte und Erdkunde gelegt (S. 255), die im geistigen Fahrwasser der britischen Welthegemonie trieben. «The white man’s burden» wurde nun gegenüber den slawischen Völkern angewandt. Angefeuert wurde diese Stimmung ebenfalls durch die Presse, die im Vorfeld des Ersten Weltkrieges vor einem «Panslawismus» zu warnen anfing.
  In der Folge der demütigenden Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg wandelte sich mit dem aufkommenden Nationalsozialismus der kulturelle Suprematismus in einen völkisch-rassistischen. Nach dem Zusammenbruch des NS-Staates, dessen Vernichtungsfeldzug gegen die slawischen Sowjetvölker gescheitert war, verwandelte sich im frühen Nachkriegsdeutschland die völkische in eine antikommunistische Russophobie. Die Bundesrepublik Deutschland im Schosse der EWG-EG zählte nun zu den «Demokratien» des Westens und konnte sich mit ihnen gegen die totalitären kommunistischen Regime Osteuropas stellen.
  Mit der Wende von 1989 gesellten sich die Staaten des aufgelösten Warschauer Paktes zu dieser Allianz dazu. Deren Eliten begannen, sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem sie sich als Opfer unter dem russischen Bolschewismus, als «Satelliten Moskaus» darstellen. Als aber die Sowjetunion aufgelöst wurde und ihr Kommunismus in seiner staatlich-totalitären Form verschwand, wurden alle Verbrechen des Bolschewismus von 1917 bis 1991 den «Russen» zugeschoben.
  Historisch ist dies nicht haltbar, weil das Zentralkomitee der KPdSU über die ganze Dauer der Sowjetzeit multinational zusammengesetzt war, vom Polen F. Dscherschinski (Gründer der Tscheka) über den Georgier J. Dschugaschwili (alias Stalin) bis zum Ukrainer E. Schewardnadse, [letzter Aussenminister der Sowjetunion], um nur wenige zu nennen.
  In postkommunistischen Staaten wie Polen, Tschechien und insbesondere im Baltikum etablierte sich eine Erinnerungskultur («Concurrence victimaire»), die sich vollständig auf die Opfer in der sowjetischen Ära beschränkte und den jeweiligen eigenen Anteil an bolschewistischen wie auch an nazistischen Verbrechen ausblendete.

Nordamerika

In den USA spielten die Vorbehalte der alten Welt gegenüber dem Zarenreich kaum eine Rolle. Menschenrechte galten dort nur selektiv, denn ein unverhohlener Rassismus zeigte sich schon am Umgang mit den Ureinwohnern Amerikas und den verschleppten Sklaven aus Afrika, und auch an der Migrationspolitik. [Die Einwanderer wurden strikt nach ihrer ethnisch-kulturellen Herkunft kontingentiert. Für Russen galt eine der niedrigsten gesetzlichen Quoten, d.h. die Zahl der Einwanderer wurde eng begrenzt. (vgl. Rolf Winter. «Ami go home». Hamburg 1989, S. 157ff.)]
  Es ging in der Nachfolge Englands im 20. Jahrhundert um die militärisch durchgesetzte Handelsfreiheit über die Ozeane – und über das «Heartland» (S. 258). Zur alten Theorie von Mackinder stellte Spykman 1940 noch seine «Rimland»-Theorie, betreffend die Randgebiete rings um den eurasischen Kontinent. Beiden Ansätzen gemeinsam war der Anspruch auf globale Vorherrschaft durch die Angloamerikaner und der Argwohn gegen Russland und die Russen, weil sie eben dieses begehrte Land bewohnten. Der Kalte Krieg begann also viel früher und wurde lediglich von 1941–1945 während der Allianz gegen Nazideutschland und Japan unterbrochen. Danach verfolgte man die Politik des Containment weiter, wie George Kennan sie in einem Artikel von Foreign Affairs bezeichnete. Ausgehend von dieser Doktrin, welche dem sowjetischen Russland die eigenen Absichten unterstellte, wurde ab 1945 in den USA der Antikommunismus der McCarthy-Ära entfesselt. Die Losung lautete «für Freiheit und Demokratie gegen kommunistische Diktatur». Zur letzteren wurden auch alle Befreiungsbewegungen gegen die Kolonialherrschaft gezählt, die oft genug einzig von der Sowjetunion unterstützt wurden. [Diktatoren in Lateinamerika, Afrika und den die Sowjetunion umgebenden Ländern hingegen galten als die eigenen «Sons of a Bitch» – solange sie den US-Interessen dienten.]
  Nach dem Ende des Vietnam-Krieges 1975 trat eine kurze Pause ein, in welcher in Helsinki die KSZE gegründet wurde. Die Schlussakte dieser Konferenz umfasste mit ihren zehn Abschnitten im wesentlichen eine Bestätigung der UN-Charta. Die damalige US-Administration (Carter) legte aber das Hauptgewicht lediglich auf die «Menschenrechte» und die «fundamentalen Freiheiten», um die Sowjetunion für die Behandlung ihrer Dissidenten anzuprangern. Diese war propagandistisch klar im Nachteil und auch zunehmend geschwächt durch die von Brzezinski gelegte Falle im Afghanistan-Krieg. Im weiteren Verlauf wurde, beginnend mit der Ära von Margret Thatcher und Ronald Reagan, unter dem Label «Globalisierung» die vielbesungene «Freiheit» auf eine brutal marktradikale Deregulierung reduziert.

Die neoliberale Wende

Als 1991 die Sowjetunion aufgelöst wurde, sahen sich die klassischen Antikommunisten am Ziel. Die Privatisierung im neoliberalen Stil führte zur Plünderung des Staatseigentums, des verstaatlichten Volksvermögens und zur Verarmung der Bevölkerung. Der von den USA unterstützte Präsident Boris Jelzin liess einen ersten Aufstand des Parlaments in Moskau niederkanonieren, musste aber 1996 mit dem neu gewählten Ministerpräsidenten Primakov eine wirtschaftspolitische Wende einleiten. Ab diesem Moment fing die alte westliche Propaganda von neuem an. Das «rückständige» Russland stemmte sich gegen die allheilbringende Globalisierung.
  Alte antirussische Geister wie Brzezinski und Albright verfolgten unerbittlich das Projekt des neokonservativen Straussianers Paul Wolfowitz, der auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion keinen Rivalen der USA mehr dulden wollte. Ihre Ideologie gewann grossen Einfluss auf die Regierungspolitik von Bill Clinton über Bus  jr., Obama und Trump bis Biden. Präsidentenberater Brzezinski formulierte eine kompromisslose Kriegsansage (1997) an Russland. Sein Bestseller «The Grand Chessboard» erschien in vielen Sprachen. Die Ausdehnung der Nato gegen jedes Versprechen erfolgte nach dieser Ankündigung. Unter dem Banner von «Pluralismus» und «Demokratie» begann eine gewaltsame Umgestaltung aller Länder, die sich dem marktradikalen Liberalismus der USA widersetzten, durch NGOs oder die Nato – je nach ihrem Widerstandspotential. Neben wirtschaftlichem Druck und militärischer Gewalt wurden auch alle Kommunikationsmittel und -kanäle in den Dienst der amerikanischen Vorherrschaft gestellt. Die militärische Macht wurde ergänzt durch eine mittels Wahrnehmungsformung manipulierte Zivilgesellschaft.

Die einzige Weltmacht

Ab 1989 beschritten die USA den Weg des sogenannten Unilateralismus. Seither verlor die Uno an Autorität, und das Völkerrecht wurde nur noch à la carte nach den Interessen der einzigen Weltmacht respektiert. Deren «Full Spectrum Dominance» breitete sich über den globalen unbegrenzten Markt aus. Mit dem zweiten Tschetschenien-Krieg, der durch covert actions der CIA (S. 282) befeuert wurde, konnte in der US-Presse auch das Bild des gewalttätigen Unterdrückers Russland wieder hochgehalten werden. Nach dem bösen Erwachen durch 9/11 in Manhattan musste die Propaganda kurze Zeit pausieren, zumal Wladimir Putin seinem Amtskollegen George W. Bush Unterstützung in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus anbot, vor dessen Instrumentalisierung er ihn zuvor vergeblich gewarnt hatte.
  Aber spätestens 2003, als sich Russland der US-Invasion des Irak widersetzte, wurde der Kampf gegen die «Despotie» in Russland wieder aufgenommen. Oppositionelle Politiker und kriminelle Oligarchen wurden in westlichen Medien als «vom Kreml Verfolgte» dargestellt, für die sich US-Spitzenpolitiker wie Hillary Clinton und John McCain medienwirksam einsetzten.
  Russland sollte für die USA ein unterworfener Rohstofflieferant werden, eine «Tankstelle, die glaubt, eine Nation zu sein», wie sich McCain ausdrückte. Mit der Abwehr des georgischen Überfalls auf seine Schutztruppen und die Bevölkerung von Südossetien begann Russland, sich zu wehren, und mit der Verhinderung des geplanten Regime change in Syrien stellte es sich den westlichen Geostrategen definitiv in den Weg.

Gebrauchsanweisung zur Russophobie

Mettan präsentiert im dritten Teil seines Buches eine Zusammenstellung (mode d’emploi) der systematischen Fabrikation des negativen Russlandbildes durch:

  • Wahl der Wörter, um ohne offensichtliche Lügen ein Schwarzweissmuster zu erzeugen,
  • Auswahl der Quellen zwecks Stützung des gewünschten Narrativs zur Einspeisung in den Markt der Medien,
  • Positionierung der Erstinformation, um die Richtung der folgenden Diskussion vorzugeben,
  • Erzeugung einer gefühlsmässigen Distanz zwischen «ihnen» und «uns» [Lagermentalität].

Andrey Tsygankow beschreibt Beispiele von diskreditierenden Medienkampagnen gegen Russland, und Ezequiel Adamowski listet die sprachlichen Elemente auf, welche diesen Graben zwischen «ihnen» und «uns» vertiefen sollen (S. 311ff).
  Um sich gegen diese Diskurshegemonie zu wehren, werden Gegenstrategien vorgestellt. Deren effektivste, die «complexification», besteht darin, die Ereignisse in einen neuen Zusammenhang zu stellen und sie mit ergänzenden Fakten unter einem grösseren Blickwinkel zu betrachten, worin das zuvor Ignorierte wieder einbezogen wird – eine Titanenarbeit, wie er es nennt.
  Dies lässt sich immer wieder in kleinen Bereichen verwirklichen, ebenso wie das Respektieren alternativer Standpunkte.

Einteilung in gut und böse

Die aggressive transatlantische Geopolitik benötigt weiterhin ein Feindbild und einen Mythos zu ihrer Rechtfertigung. Sie bedarf einer Pseudoreligion, um das Gewissen der Menschen zu beruhigen. So, wie die Theologen des Papstes vor tausend Jahren für eine Identitätsbildung im später so geannten Heiligen Römischen Reich deutscher Nation das orthodoxe Moskau als Feindbild benötigten, werkeln heute die «postmodernen Theologen» am Mythos einer euro-atlantischen Union gegen die Bedrohung durch den russischen «Bären» in der Hoffnung, die Vorherrschaft der westlichen gegen die «restliche» Welt noch etwas länger aufrechtzuerhalten.
  Es wird eine Linie gezogen vom Zaren Ivan IV, dem Schrecklichen, über Stalin bis zu Putin, die eine Ahnenfolge der bösen Herrscher darstellen soll, [während die guten Herrscher bekanntlich von «Gottes Gnaden» ihre Macht ausüben, wie zu Francos Zeiten auf spanischen Peseta-Münzen aufgeprägt war].
  Der Glaube an den Teufel bleibt weiterhin nötig. Zur Illustration der Verteufelung von Wladimir Putin verweist Mettan auf die Internetseite Google Images, wo man auf Hunderten von abgebildeten Frontseiten sein verzerrtes Porträt finden kann.
  Hier zeigt sich ein entlarvender Parallelismus zur populären Fantasy-Welt von «Dracula» bis «Herr der Ringe» (S. 324): Das manichäische Einteilen der Menschen in gute und schlechte. Ein pseudoreligiöser Dünkel verführt die sich auserwählt wähnenden Menschen dazu, den Krieg als endzeitliche Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse eskalieren zu lassen, und scheint sie jeder Verantwortung für das Bonum commune zu entheben.
  Andere versuchen sich in der Kunst der Psychodiagnostik, indem sie eine Bemerkung der Kanzlerin Merkel aufgreifen, wonach der russische Präsident «in einer anderen Welt» lebe.
  Alles in allem dokumentiert Mettan in seinem Buch eine anhaltende Dialogverweigerung, die man seit der Abschaffung des kirchlichen Index der verbotenen Bücher nicht mehr für möglich gehalten hatte. Diese verfolgt weiterhin das ursprüngliche Ziel der geopolitischen Dominanz, indem sie eine irrationale Angst vor dem «fremden» Russland schürt.
  [«Teile und Herrsche» führt zu Krieg. – Das Verbindende zwischen den Menschen aufzuspüren und zu stärken, ist wahre Friedensarbeit.] •

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