Laut einer Medienmitteilung1 vom 14. November 2024 will die Stadt Zürich die Schweizer Hilfswerke Médecins du Monde und Terre des Hommes sowie das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mit Beiträgen zugunsten der notleidenden Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen unterstützen. Im Wortlaut:
«Der Stadtrat ist besorgt und bestürzt über die Entwicklung der humanitären Lage. Im Rahmen der humanitären Hilfe der Stadt Zürich spricht der Stadtrat einen Beitrag von 580 000 Franken zur Unterstützung der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen.»
Die beiden Hilfsorganisationen Médecins du Monde und Terre des Hommes sollen je 100 000 Franken erhalten, mit denen Projekte zur sexuellen Gesundheit von Frauen und Mädchen2 respektive zur psychologischen und sozialen Unterstützung von Kindern mitfinanziert werden. Einen zusätzlichen Beitrag von 380 000 Franken spricht die Stadt zugunsten der UNRWA. Als Rückgrat der humanitären Hilfe im Gaza-Streifen sei diese Uno-Hilfsorganisation unentbehrlich. Die von ihr in langen Jahren aufgebauten Strukturen und ihre Logistik würden von verschiedenen lokalen und internationalen Hilfsorganisationen genutzt, und die Organisation geniesse das Vertrauen der Bevölkerung. Mit Beschluss vom 13. November 2024 erfüllte der Stadtrat (Exekutive) einen dringlichen Vorstoss (Postulat), der am 10. Juli 2024 vom Stadtzürcher Parlament (Gemeinderat) mit 58 gegen 47 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) dem Stadtrat überwiesen worden war. Das Postulat war am 5. Juni 2024 von drei Parteien aus dem politisch linken Spektrum des Parlaments – SP,Grüne und Alternative Liste – eingereicht worden. Es wies nachdrücklich auf die Tatsache hin, dass im Gaza-Streifen eine verheerende Hungersnot bevorsteht, mit vermutlich Tausenden von zivilen Opfern, und dass eine externe Evaluation die Neutralität der UNRWA bestätigt hatte.
Mit diesem Schritt schliesst sich die Stadt Zürich der Exekutive des Kantons Genf an. Diese stellt für die Jahre 2024 und 2025 angesichts der verheerenden humanitären Situation und der Notwendigkeit sofortiger Hilfeleistung einen Sonderkredit von vier Millionen Franken an humanitär tätige Organisationen bereit, welche in Libanon und Nachbarländern Nothilfe leisten. Der höchste Betrag von einer Million Franken geht an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Die UNRWA, das Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), Médecins sans frontières (MSF) sowie das Centre for Humanitarian Dialogue (HD) erhalten vom Kanton Genf je 500 000 Franken.3
Humanitäre Katastrophenhilfe
ist ein Gebot der Stunde
Die Beschlüsse der Regierungen der Stadt Zürich und des Kantons Genf tragen wenigstens ein bisschen dazu bei, die furchtbare Situation der Menschen im Gaza-Streifen, der Westbank und in Libanon zu lindern – denn die humanitäre Katastrophe ist noch lange nicht gelöst, ein Friedensschluss weit weg. Sie sind Ausdruck mitmenschlicher Verantwortung und der Empörung gegenüber dem Unrecht, das die Menschen in diesen Gebieten seit Jahren und jetzt besonders erleiden. Das sonstige Schweigen, die Falschinformationen und Propagandastrategien, mit denen das dort seit Monaten andauernde Töten und Morden heruntergespielt wird, sind unerträglich. Die Zahlen sind bekannt, und wer will, erfährt auch, wie viele Kinder, Frauen, alte und junge Menschen seit dem 7. Oktober 2023 ihr Leben verloren haben.
Ist nicht der Schutz der Zivilbevölkerung durch die Genfer Konventionen und das Humanitäre Völkerrecht für alle kriegsführenden Staaten verpflichtend? Im Gaza-Streifen, der Westbank und in Libanon werden sie durch die angreifenden israelischen Truppen wissentlich und in furchtbarer Weise und Arroganz missachtet – mit Tausenden von unschuldigen Menschen, die durch Waffengewalt und an Hunger und wegen zusammengebrochener ärztlicher Versorgung gestorben sind und nach wie vor sterben. Doch offensichtlich sollen sie keine Hilfe erhalten, denn durch eine seit Monaten andauernde Verleumdungskampagne soll die UNWRA, jene UN-Hilfsorganisation, die sich seit Jahrzehnten um die Bevölkerung in Gaza kümmert, kaltgestellt werden. Wie anders ist es zu erklären, dass deren finanzielle Unterstützung seit Beginn dieses Jahres verhindert wird? Das, nachdem Israel, ohne je Beweise dafür erbracht zu haben, die Beteiligung von zwölf Mitarbeitern der UNWRA an den Angriffen des 7. Oktobers 2023 auf israelische Zivilbevölkerung behauptet und von der Uno eine Untersuchung eingefordert hatte. Die wichtigsten Geberländer «vergassen» ihre humanitären Verpflichtungen – darunter auch die Schweiz – und beschlossen im Januar 2024, ihre finanziellen Beiträge an die Hilfsorganisation unverzüglich auszusetzen. Und nicht genug damit, sogar nachdem der geforderte Bericht die UNWRA in allen zentralen Punkten entlastet hatte, blieben die USA, Grossbritannien und die Schweiz (als Depositarstaat des Humanitären Völkerrechts und Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz IKRK!) bei ihrer Verweigerung. Auch das Versprechen unseres Landes (im letzten Mai 2024), wenigstens die Hälfte des versprochenen Betrages an die UNWRA (10 Millionen) auszuzahlen, zeugt von unbegreiflicher Indolenz gegenüber menschlichem Leid und einem Mangel an staatsmännischer Verantwortung. Oder wie soll man es sonst nennen? Dass der Kanton Genf und die Stadt Zürich zu diesem unverständlichen Verhalten durch ihre finanziellen Beiträge einen Kontrapunkt gesetzt haben, macht Mut und Hoffnung, und es ist zu hoffen, dass andere Städte, Gemeinden und Kantone nachziehen, auch wenn man sich – wie die Protokolle der Zürcher Gemeinderatsdebatten zeigen – warm anziehen muss, um wegen der emotional unterkühlten Argumente und herablassenden Distanznahme der Gegnerschaft nicht zu erfrieren.4 •
1 Medienmitteilung des Stadtrats Zürich
2 Der Begriff «Sexuelle Gesundheit» ist ein Fachbegriff der Sexualwissenschaft und beinhaltet nach der Definition der WHO sowohl «eine positive, respektvolle Herangehensweise an Sexualität und sexuelle Beziehungen […] als auch die Möglichkeit für […] sichere sexuelle Erfahrungen, frei von Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt.»
3 «Genf spendet Geld an UNRWA und weitere Organisationen im Libanon». Keystone SDA vom 6.11.2024; https://www.nau.ch/politik/regional/genf-spendet-geld-an-unrwa-und-weitere-organisationen-im-libanon-66857915
4 Dringliches Postulat. https://www.gemeinderat-zuerich.ch/dokumente/add8750e031243a9b872ecb650b2dd75-332?filename=2024_0266Postulat
Weitere Quellen:
Auszug aus den Protokollen des Gemeinderats der Sitzungen 102 und 103 vom 10. Juli 2024
https://www.eda.admin.ch/deza/de/home/partnerschaften/multilaterale-organisationen/uno-organisationen/unrwa.html
https://www.gemeinderat-zuerich.ch/dokumente/1868e6cdfef24fb6991cb0de67cd4120-332?filename=2024_0266ProtokollauszugsubstanziellSitzung102
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