«Kein Weg ist zu weit» von Sabina Geissbühler-Strupler

von Erika Vögeli

Unter dem Titel «Kein Weg ist zu weit» gibt Sabina Geissbühler-Strupler, vielen bekannt als Grossrätin des Kantons Bern (SVP) und als Präsidentin der Vereinigung «Eltern gegen Drogen», einen Einblick in ihr vielseitiges, aktives und engagiertes Leben.

Nachgezeichnet anhand von Tagebucheinträgen, die sie schon in der Kindheit begann und bis ins Erwachsenenleben weiterführte, lässt sie den Leser Anteil nehmen an vielen persönlichen Eindrücken und ihren Erfahrungen als Mutter und Lehrerin, an ihren zahlreichen Initiativen in Bereichen wie Erziehung, Volksgesundheit und Gemeinwohl, ihrem Ringen um Gerechtigkeit, wenn sie Unrecht empfand, oder ihrem Engagement für eine lebenswerte Schweiz.

Aufgewachsen in
bescheidenen Verhältnissen

Es ist auch ein Rückblick in die letzten Jahrzehnte Leben in der Schweiz: Aufgewachsen im damaligen Bauerndorf Geroldswil, erlebt Sabina Geissbühler-Strupler noch ganz andere soziale Verhältnisse als heute: Obwohl beide Eltern gute Ausbildungen hatten – die Mutter Sekundarlehrerin und eidgenössisch diplomierte Turn- und Sportlehrerin, der Vater promovierter Historiker – wächst sie mit zwei Schwestern und drei Brüdern in bescheidenen finanziellen Verhältnissen mit viel Selbstversorgung auf. Auf Grund der Erfahrung, dass vieles nicht einfach selbstverständlich war – man beispielsweise aus Kostengründen nur einmal in der Woche in einer Wanne für alle badete, oder noch in den 1960er Jahren Abwasserreinigung keine Selbstverständlichkeit war –, leitete die Mutter die Kinder lange vor aller angeblich «grünen» Politik zu einem respektvollen und sorgsamen Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen an. Mit Genugtuung und als Selbstverständlichkeit wurde von der ganzen Familie auch die Einführung des Frauenstimmrechtes aufgenommen – was sie an der Debatte allerdings störte, war «die Geringschätzung der Rolle der Frauen, die ihre Mutterpflichten als wichtigste Lebensaufgabe wahrnahmen. Schliesslich hatten die sechs Kinder erlebt, wie wichtig ihr ‹Mueti› für das Wohlergehen und die Entwicklung zu verantwortungsbewussten Menschen war.» (S. 52f.)

Die Eltern waren Vorbild

Der Einfluss der Mutter, die bewusst und liebevoll ganz für die Familie da war, findet sich sowohl in der Berufswahl der Autorin als Lehrerin wieder als auch in der Bedeutung, die sie der Erziehung und dem Wohlergehen ihrer eigenen Kinder wie den ihr anvertrauten Schülern, der heranwachsenden Generationen ganz allgemein beimisst. Immer wieder betont sie, dass Kinder Zeit, Anerkennung, Erfolgserlebnisse und Liebe, aber auch Orientierung, Grenzen und klare Informationen und Aufklärung über die Gefahren, mit denen sie konfrontiert werden, brauchen. Auch der Vater, der sich als Turner, Wintersportler und vor allem Wasserspringer mit viel Engagement auch der Förderung der Volksgesundheit widmete, hinterlässt bei seiner Tochter bedeutende Spuren: Selbst Wasserspringerin, leidenschaftliche Sportlerin, gerne in der Natur unterwegs und in Bewegung, sucht auch sie wie er im Sport die Herausforderung und den Anreiz, das eigene Können weiterzuentwickeln. Allerdings liegen ihr körperliche Bewegung und Sport als Bestandteil vor allem auch eines gesunden Lebens für alle am Herzen – nicht nur als Lehrerin, sondern auch beispielsweise als Betreuerin von «Ferienpass-Kursen» für Kinder, in ihrem Engagement für eine «Jugend ohne Drogen», oder noch während des Corona-Lockdowns, als sie im Wohnzimmer mit dem Handy ein Fitnessprogramm für ältere Menschen zusammenstellt, filmt und ins Netz stellt. Wichtig war der Autorin dabei immer zu zeigen, dass ein gesundes Leben und anregende Bildung und Beschäftigung der Kinder auch – wenn nicht sinnvoller – mit bescheidenen Mitteln möglich sind. Ein wohltuender Kontrapunkt zu unserem konsumorientierten Zeitgeist.

Sich von Schwierigkeiten
nicht abschrecken lassen

Sabina Geissbühler-Strupler ist überzeugt, dass so wie in anderen Bereichen das Erleben einer überwundenen sportlichen Herausforderung das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt und das Gefühl festigt, auch andere schwierige und herausfordernde Situationen im Leben meistern zu können. In diesem Sinne ist wohl auch der Titel «Kein Weg ist zu weit» zu verstehen – sich von Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen, sondern sie in Angriff nehmen und daraus lernen. Nicht zuletzt halfen ihr diese Einstellung und immer wieder menschliche Begegnungen und der Rückhalt in der eigenen Familie und Partnerschaft, verschiedenste gravierende und fordernde gesundheitliche Einbrüche zu überstehen und zu überwinden.

Zupacken, wenn
Menschen in Not sind

Eine weitere Erfahrung, die sie aus ihrem Elternhaus in den Berufsalltag und in ihr politisches und gesellschaftliches Engagement mitnahm, ist die Haltung, zuzupacken, wenn ein Mensch in Not ist, und die Erfahrung eines offenen Hauses: Hier wurzeln wohl auch die Beherztheit und Spontaneität, mit der Sabina Geissbühler-Strupler viele Fragen in Angriff nahm und nimmt. Schon als Jugendliche verbrachte sie ihre Ferien «oft dort, wo sie gebraucht wurde» – einmal in der Pflege in einer psychiatrischen Klinik oder im Landdienst in einer Bergbauernfamilie, in der die Mutter auf Grund schwerer Erkrankung ausgefallen war.

Mit grossem Einsatz für
eine drogenfreie Jugend

Als sie sich später mit dem Drogenproblem konfrontiert sah, las sie nicht nur Tageszeitungen, sondern beschaffte sich Fachliteratur und suchte auch den direkten Kontakt mit Drogenabhängigen. Nicht zuletzt diese menschlichen Begegnungen bewegten sie dazu, sich mit grossem Einsatz für eine drogenfreie Jugend und echte Hilfe einzusetzen, mit der die Abhängigen dazu befähigt werden, aus ihrer Sucht herauszufinden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Bei ihrer Betreuertätigkeit im Berner Kocherpark kam sie mit vielen Süchtigen ins Gespräch und gewann einen ganz anderen Eindruck von ihrem Erleben und Denken, als es die Medien zu vermitteln suchten: «Die Süchtigen scharten sich meist um Sabina und fragten sie, ob sie wegen ihrem Kind weine und es suche. Mit Tränen in den Augen meinte sie dann, dass sie nicht ein eigenes Kind hier herausholen wolle, sondern jede und jeden von ihnen aus diesem Elend befreien möchte. Sie sei überzeugt, dass sich alle nach einem besseren, drogenfreien Leben sehnten. Mehrmals konnte Sabina die erstaunte Bemerkung hören, dass sie die erste sei, die für sie oder ihn Tränen vergiesse.» (S. 61f.)

Verein «Eltern gegen Drogen»

So war es für sie selbstverständlich, sich auch in der Schweizerischen Vereinigung«Eltern gegen Drogen» zu engagieren und sich als Vorstandsmitglied und Präsidentin, aber auch bei der Herausgabe des Informationsbulletins des Vereins einzusetzen. Eindrücklich auch ihre Schilderungen ihres persönlichen Besuches mit dieser Vereinigung in der drogentherapeutischen Lebensgemeinschaft San Patrignano/Italien. «Sabina stellte den ‹Erfolg› der von den Schweizer Behörden und der Politik geförderten Heroinabgabe von 7 % Ausstiegswilligen dem Erfolg dieses Selbsthilfeprojektes von San Patrignano mit 72 % Heilungsquote gegenüber. Warum war es in der Schweiz nicht möglich, dass dieses Drogentherapiedorf Nachahmung fand?» – Und, fragt sich der geneigte Leser, warum mussten viele der ebenfalls sehr erfolgreichen Entzugseinrichtungen hierzulande mit heftigster Desinformation und Verunglimpfung politisch bekämpft und verunmöglicht werden?

Als Rucksacktouristin nach Eritrea

Auch in anderen politischen Fragen suchte sie sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Konfrontiert mit eritreischen Asylbewerbern, begann sie sich für dieses Land vermehrt zu interessieren. Sie reiste als Rucksacktouristin nach Eritrea, um sich im Gespräch mit Einheimischen und Botschaftsvertretern verschiedener westlicher Länder selbst ein Bild zu machen. Sie konnte dabei auf ihre zahlreichen Erfahrungen auf anderen Reisen in verschiedenste Länder – mit Ehemann, der ganzen Familie oder jeweils einem ihrer Kinder – zurückgreifen. Die Reise nach Eritrea illustriert beispielhaft, wie anders der Zugang zu einem Land und seinen Menschen ist, wenn man sich die Mühe macht, sich anhand von persönlichen Begegnungen und einem Einblick vor Ort ein Bild zu machen, und sich nicht nur auf die von Politik und Medien vermittelte Sicht verlässt.

Fundierte Kritik an
Schweizer Schulreformen 

Immer wieder beschäftigte sich die Autorin auch mit bildungspolitischen Fragen, wie zum Beispiel der Einführung von HarmoS oder dem Lehrplan 21, von denen sie sich ebenfalls durch direkte Lektüre ein eigenes Bild verschaffte. «Beim Studium des Lehrplans 21 war Sabina schockiert. Denn alles, was sie aus eigener Erfahrung während Jahren in ihrer Lehrtätigkeit und als vierfache Mutter gelebt und für wichtig und richtig sowie wissenschaftlich erhärtet erachtet hatte, sollte mit dieser einschneidenden Reform über Bord geworfen werden. Sabina fürchtete die fatalen Folgen für die Schulkinder. Der ideologische Hintergrund des durch internationale Organisationen wie der OECD propagierten Konstruktivismus war offenkundig.» (S. 336) Sie kritisierte die Zumutung des «selbstorganisierten Lernens», das schon Erwachsene überfordert, anstelle eines pädagogisch sinnvollen, kindgerechten Aufbereitens des Schulstoffes, die ideologische Ausrichtung des Lehrplanes ebenso wie die Tatsache, dass «der bis anhin geltende Grundsatz, dass in einem Lehrplan verbindliche Jahrgangsziele mit identitätsstiftenden Bildungsinhalten formuliert werden müssten» abgeschafft wurde. (S. 339)
  Drogenpolitik und Schulentwicklung sind nur zwei Bereiche, in denen sich Sabina Geissbühler-Strupler immer wieder aktiv und unerschrocken für ihre Anliegen in Gemeinde, Kanton und für das Wohl der ganzen Schweiz einsetzte. Dem politisch interessierten Leser dokumentiert der rund 60seitige Anhang mit den Vorstössen im Grossen Rat des Kantons Bern (2007–2021) sowie Leserbriefen zu verschiedensten Fragen das breite Spektrum ihres Engagements und ihrer Interessen.

Tätige Anteilnahme
am Leben der Mitwelt

Der Titel des Buches «Kein Weg ist zu weit» und das Bild der schmalen Brücke über einen Abgrund illustrieren symbolhaft das ermutigende Lebenszeugnis der Autorin, das nicht zuletzt aufzeigt, was ein Mensch auch in schweren Zeiten an Lebensaufgaben und Krisen bewältigen kann, der Rückhalt hat in menschlichen Beziehungen – der Herkunfts- wie der eigenen Familie und insbesondere auch einer Ehe, in der sich beide in vielen Fragen einig wissen und zugleich in ihren Interessen akzeptieren und unterstützen. Und was tätige Anteilnahme am Leben der nahen und weiteren Mitwelt an Reichtum eröffnet. Bei allen persönlichen Herausforderungen und politischen Turbulenzen versuchte Sabina Geissbühler-Strupler immer ihr Lebensmotto nicht aus dem Auge zu verlieren, nämlich nach dem irischen Segenswunsch zu leben: «Mögest du dir die Zeit nehmen, die stillen Wunder zu feiern, die in dieser lauten Welt keine Bewunderer haben.» •

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