Personenfreizügigkeit – eines der Mammuts im Raum

Zum geplanten Abkommen Schweiz-EU

von Dr. iur. Marianne Wüthrich

«Neutralität heisst auch: Abstand zum Zeitgeist, zu den politischen Moden und Konjunkturen. Wer sich einhängt bei den ‹Angesagten›, den Bejubelten und Strahlenden von heute, läuft Gefahr, auf dem Friedhof der Gestrigen zu landen.» So warnt Roger Köppel zwei Wochen nach dem WEF, wo sich EDA-Chef Ignazio Cassis peinlichst als Showmaster hervortat, statt seinen Platz als besonnener Staatsmann der neutralen Schweiz einzunehmen.1
  Der «Abstand zu den politischen Moden» fehlt Cassis auch in bezug auf die EU. Nach dem Scheitern des Rahmenvertrags im Mai 2021 hätte man die Sache ruhen lassen und sich mit drängenderen aussenpolitischen Fragen beschäftigen können – es gäbe auf der Welt wahrhaftig genug zu tun für die neutrale Schweiz und ihren Aussenminister. Aber weit gefehlt! Im Schweizer Fernsehen erklärte Cassis im Dezember jenseits jeder Realität: «Ich bin stolz, dass wir jetzt einen breiten Paketansatz haben und vor allem, dass wir auf den bilateralen Weg bauen, und nicht einen Rahmen, einen horizontalen Weg, wie das letzte Mal.»2 Genau wie der «Friedensgipfel» in Davos ist auch dieser Spruch eine blosse Nebelpetarde – jeder weiss, dass das «Paket» sich in den wesentlichen Inhalten nicht vom Rahmenvertrag unterscheidet.
  In Zeit-Fragen vom 9. Januar haben wir begonnen, die neue Variante des gescheiterten Rahmenabkommens, das Brüssel der Schweiz gerne aufdrücken möchte, unter die Lupe zu nehmen («Alles ganz anders – oder alter Wein in neuen Schläuchen?»). Heute geht es um die Personenfreizügigkeit, das für beide Seiten zentrale Abkommen, samt der berechtigten Einwände des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes gegen die Aufweichung des Schweizer Lohnschutzes (und des Service public).
  «Der Bundesrat zieht in neue Verhandlungen mit der EU. Verhandeln will er über manche Nebensächlichkeiten. Doch die zwei Mammuts im Raum ignoriert er: Die Personenfreizügigkeit bringt der Schweiz ein Bevölkerungswachstum, das über Jahre nicht tragbar ist. Und die Bilateralen
 I bringen der Schweiz viel kleinere Vorteile als von Bundesrat und Spitzenverbänden seit mehr als zwanzig Jahren behauptet. Vernünftig geschätzt, vermögen ihre kleinen Vorteile die grossen Nachteile der Personenfreizügigkeit bei weitem nicht aufzuwiegen.» Das sagt einer, der weder Gewerkschafter noch «rechtsbürgerlicher» Politiker ist: Professor Reiner Eichenberger3.
  Das erste Mammut beansprucht im von Brüssel gelieferten Common Understanding mit Abstand am meisten Platz.

Unionsbürgerrichtlinie
 ins Schweizer Recht einpflanzen?

Schon beim Einstieg zu Common Understanding Punkt 13. «Freier Personenverkehr» wird’s einem mulmig: «Die Europäische Kommission und die Schweiz teilen die Auffassung, dass das Abkommen […] über die Freizügigkeit (FZA) im Einklang mit dem Grundsatz in Absatz 9 angepasst werden sollte, um eine dynamische Anpassung der Schweiz an die derzeitigen und künftigen Rechtsakte der EU im Bereich der Freizügigkeit zu ermöglichen.»4 Ob wir Schweizer Stimmbürger diese Auffassung teilen, ist sehr fraglich, wenn wir nur schon das heutige EU-Recht anschauen (soweit es überhaupt fassbar ist für Nicht-EU-Rechts-Profis), vom künftigen, unbekannten ganz zu schweigen. In aller Kürze:
  Die Richtlinie 2004/38/EG nimmt bei der geforderten Angleichung des Schweizer Rechts eine dominierende Stellung ein. Sie ist nichts anderes als die einstige rote Linie von EDA-Chef Cassis, die Unionsbürgerrichtlinie. Die EU-Kommission macht fast einen Spagat, um die angeblichen Ausnahmen für die Schweiz zu beteuern. Für uns Schweizer bleibt aber das staatspolitische Gebot, dass wir uns eine unserem Rechtsverständnis und unserem Staatsmodell völlig fremde bürokratische Regelwalze wie die Unionsbürgerrichtlinie nicht aufdrängen lassen dürfen.

Zuwanderung und Aufenthalt

  • Der Grundsatz: Die Unionsbürgerrichtlinie verleiht «das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten», ein ziemlich umfassendes Recht, das viele weitere Familien aus 27 EU-Staaten zur Auswanderung in die Schweiz mit ihren attraktiven Lebensbedingungen bewegen dürfte. Dies ungeachtet der Tatsache, dass bereits heute kein EU-Mitgliedsstaat soviel Zuwanderung aus dem EU-Raum verkraften muss wie die Schweiz!
  • Der Missbrauch dieses umfassenden Rechts soll verhindert werden können, «insbesondere in bezug auf den Zugang zur Sozialhilfe». Allerdings würden der Missbrauchsbegriff und die Verfahrensvorschriften der EU-Richtlinie gelten, nicht des Schweizer Rechts. Also keine Rechtssicherheit für die Schweiz.
  • Recht auf Daueraufenthalt für EU-Bürger nach fünf Jahren Aufenthalt als Arbeitnehmer oder Selbstständige sowie für ihre Familienangehörigen, auch wenn sie nicht aus einem EU-Staat stammen. Dazu kommen schwer verständliche Zusatzerklärungen (Art. 16–18 Unionsbürgerrichtlinie). Klar ist nur, dass künftig sicher nicht weniger, sondern noch mehr Menschen aus dem EU-Raum auf Schweizer Boden leben würden.
  • Schweizer-ID erfüllt die Anforderungen der EU nicht! Unsere Identitätskarten «könnten von Schweizer Staatsangehörigen nicht zur Ausübung der Freizügigkeit verwendet werden». Wir müssten also EU-genehme 08/15-Ausweise einführen, um in Deutschland oder Italien arbeiten oder studieren zu können. Soweit kommt’s noch!
  • Schutzmassnahmen: 1) Die Schweiz könnte bestimmten Personen unter gewissen Bedingungen «den Zugang zur Sozialhilfe verweigern» oder sie ausweisen, damit «keine unangemessene Belastung für die Sozialhilfesysteme der Schweiz» entsteht. 2) Meldepflicht für Selbständigerwerbende: Die Schweiz dürfte «Massnahmen ergreifen […], um sicherzustellen, dass Selbstständige die Vorschriften nicht umgehen.» Frage: Wer entscheidet, was «unangemessen» ist? (Antwort folgt gleich.)

Drei Hämmer zur Unionsbürgerrichtlinie

1. Hammer: «Alle Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieser Vorschriften sollten gemäss den in diesem Dokument dargelegten Grundsätzen beigelegt werden.» (das heisst mit Beizug des EuGH!) (Common Understanding, Punkt 13)

2. Hammer: «Die Schweiz erklärt einseitig, dass sie mit dieser Ausnahme [gemeint ist die Ausweisung von strafrechtlich Verurteilten] die Richtlinie 2004/38/EG beim derzeitigen Stand der Dinge ohne Änderung der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft übernehmen könnte.»
  Im Klartext: Damit hätten wir die gesamte Unionsbürgerrichtlinie mit ihren zahlreichen Bestimmungen und Verweisen auf andere EU-Richtlinien oder -Verordnungen im Schweizer Rechtssystem drin.

3. Hammer: Der Bundesrat verzichtet im Namen des Schweizer Souveräns auf eine Änderung der Bundesverfassung in bezug auf die Unionsbürgerrichtlinie – dazu ist er nun wirklich nicht befugt!

Entsendung von Arbeitnehmern –
 grosse Fragezeichen beim
Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB

In Common Understanding Punkt 14 geht es darum, wie weit der qualitativ hochstehende Schweizer Lohnschutz, den die Schweiz mit Brüssel 1999 ausgehandelt hat, um die Bilateralen I durch die Volksabstimmung zu bringen, in der neuen Fassung erhalten würde. In üblicher Bürokraten-Manier packt Brüssel auch hier soviele Grundsätze und Ausnahmen sowie EU-Richtlinien hinein, dass der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes SGB und Nationalrat (SP) Pierre-Yves Maillard, verständlicherweise grosse Vorbehalte hat: «Ja, wir sind an Bord. Wir haben uns schlussendlich beim Lohnschutz bewegt und sind bereit, die dynamische Rechtsübernahme zu diskutieren, sofern das heutige Kontrollniveau und die jetzigen Schutzinstrumente garantiert sind. Das ist für uns riskant. Deshalb haben wir auch sehr konkrete Forderungen, was es als Gegenleistung braucht: mehr allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge, bessere Regeln bei der Temporärarbeit, keine Übernahme des EU-Spesenreglements.»5 Auch der Dachverband Travail.Suisse hielt in seiner Medienmitteilung vom 15. Dezember 2023 fest, «dass der Lohnschutz mit dem Abkommen wesentlich geschwächt würde. Das ist nicht akzeptabel».
  In bezug auf die ersten beiden Gegenleistungen – mehr allgemeinverbindliche GAV und einen besseren Schutz von Temporärarbeitskräften – nimmt der SGB die Arbeitgeberverbände und den Schweizer Gesetzgeber in die Pflicht. Das Seilziehen um die Spesenregelung (Herkunftsland oder Schweiz?) könnten sich die Gewerkschaften als möglichen Kompromiss mit Brüssel aufsparen. Die Schweizer Arbeitgeber werden sich vermutlich mit Zähnen und Klauen gegen weitere allgemeinverbindliche (das heisst staatlich kontrollierte) Verträge mit den Gewerkschaften wehren. Denn in der freiheitlichen Schweiz ist es seit dem «Arbeitsfrieden» von 1937 üblich, dass die Sozialpartner sich mit friedlichen Mitteln einigen oder sich an ein echtes Schiedsgericht wenden, das nach Schweizer Standards von gleich zu gleich organisiert ist. Die genossenschaftliche, direktdemokratische Tradition wirkt auch in diesem Bereich, mit der Folge, dass in der Schweiz praktisch keine Streiks nötig sind.
  Die Erhaltung der sehr guten Schweizer Kontrollniveaus und der wirksamen Schutzinstrumente zu fordern, dazu hat SGB-Chef Maillard allen Grund. Denn in Punkt 14 des Common Understanding ist zwar vom «Grundsatz ‹gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort›» die Rede, allerdings nur im Rahmen von «fairen Bedingungen für die freie Erbringung von Dienstleistungen» à la Brüssel. Das heisst, die bisherigen Schweizer Kontrollsysteme dürften zwar durch die «Überwachungs- und Durchsetzungsstellen nach nationalem Recht» angewandt werden. Aber die Schweiz müsste «innerhalb von 3 Jahren» das Entsenderecht der EU «in ihr nationales Recht umsetzen». Wir überlassen die Mühe, die Inhalte der entsprechenden Richtlinien zu studieren, den Fachleuten der Schweizer Gewerkschaften.

Kampf der Schweizer KMU
 gegen die Scheinselbständigkeit
 ausländischer Anbieter

Den Kampf der Schweizer KMU gegen sogenannte Selbständigerwerbende, die nach der Einführung der Personenfreizügigkeit scharenweise über die Grenze gekommen sind, um hier zu tieferen Preisen und schlechteren Arbeitsbedingungen als die Schweizer zu arbeiten, würde der Entwurf aus Brüssel nur halbherzig unterstützen (Punkt 14). Die siebentägige Anmeldefrist, welche die Schweizer Behörden benötigen, um zu überprüfen, ob es sich wirklich um ein selbständiges Unternehmen handelt, soll auf «höchstens 4 Arbeitstage» hinuntergesetzt werden, immerhin dürfte die Schweiz wie bisher entsprechende Dokumente und allenfalls eine Kaution verlangen. Insofern wäre die Schweiz nicht an das EU-Entsenderecht oder dessen allfällige Änderungen gebunden.
  Aber: Nächster Hammer: «Jede Änderung des Schutzniveaus von entsandten Arbeitnehmern sollte in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung aller oben beschriebenen einschlägigen Bestimmungen geprüft werden.» Ein Gummibegriff par excellence! Und wer würde diese Prüfung vornehmen? «Der in diesem Dokument dargelegte Streitbeilegungsmechanismus sollte Anwendung finden.» Damit sind wir wieder beim EuGH als oberster Instanz angelangt …

Ein No-Go sind für den SGB
 die Liberalisierung des Schienenverkehrs
und die Strommarktöffnung

Neben der Bedingung eines hochwertigen Lohnschutzes nahm SGB-Präsident Maillard im Interview auch dezidiert Stellung gegen die von der EU gewünschte Liberalisierung des sehr gut ausgebauten und bürgerfreundlichen Service public in verschiedenen Bereichen Stellung: «Ein No-Go sind für uns die geplante Liberalisierung des Schienenverkehrs und die Strommarktöffnung.» Interviewer: «Sie sagen zuerst, Sie seien an Bord. Um dann gleich mit einem Forderungskatalog zu kommen. Sie sagen ja, meinen aber nein.» Maillard: «Wir sind ehrlich. Die Gewerkschaften sind die einzigen, die ihre Forderungen klar auf den Tisch legen. Welche anderen Akteure machen das? Wir hören nichts von den Arbeitgebern. Wir hören nichts vom Bundesrat. Wir hören nur immer, wie wichtig eine Einigung sei.» Maillard fügt hinzu: «Es ist nicht unser Entscheid, dass die Liberalisierung des Schienenverkehrs plötzlich auch Teil des neuen Europa-Pakets sein soll. Das hat die Landesregierung entschieden. Das eigentliche Ziel des Bundesrats und der Arbeitgeber scheint nicht eine Einigung mit Europa zu sein. Sie wollen ein Liberalisierungsprogramm hier in der Schweiz durchboxen.»6 (Hervorhebungen mw)
  Zu ergänzen ist: Dasselbe wollen auch die EU-Eliten und Grosskonzerne – da sind sich die Schweizer EU-Turbos und die Gremien in Brüssel schon lange einig. Dass von den Linken so wenig Widerstand kommt, ist kaum zu fassen! Jetzt könnt ihr doch Pierre-Yves Maillard und Adrian Wüthrich von Travail.Suisse mit ihren Teams nicht im Regen stehenlassen!  •



1 «Die Schweiz, gerne klein». Editorial Weltwoche vom 25.1.2024
2 Christen, Nathalie. «Verhandlungen Schweiz-EU. Cassis: ‹Ich bin stolz, dass wir auf den bilateralen Weg bauen›». Interview SRF News, 10 vor 10 vom 15.12.2023
3 Eichenberger, Reiner. Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg. «Liberale Politik. Bitte konkreter und glaubwürdiger». In: Handelszeitung vom 23.11.2023
4 https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/newsuebersicht/2023/europa.html
5 Humbel, Georg und Kučera, Andrea. «Gewerkschaften. ‹Elisabeth [Bundesrätin Baume-Schneider, mw] hat die Chance, in die Geschichte einzugehen›». Interview mit SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. In: NZZ am Sonntag vom 7.1.2024)
6 Humbel, Georg und Kučera, Andrea. «Gewerkschaften. ‹Elisabeth hat die Chance, in die Geschichte einzugehen›». Interview mit SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. In: NZZ am Sonntag vom 7.1.2024

Wie geht es weiter?

mw. Die Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments (APK) sowie die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) wurden vom Bundesrat konsultiert und haben dessen Entwurf zu Beginn des Jahres 2024 praktisch durchgewinkt. Es scheint, dass viele Kommissionsmitglieder und Regierungsräte vor lauter eifrigem Streben nach Brüssel das massgebende Dokument «Common Understanding» nur oberflächlich oder gar nicht gelesen haben. Den Text gibt es inzwischen auch in den drei Schweizer Amtssprachen.1
  Aus der Medienmitteilung der APK des Nationalrates vom 31. Januar 2024: «Die APK-N unterstützt die Verhandlungsaufnahme mit der EU […]. Die APK-N erachtet den Paketansatz als zielführend. […] Entsprechend empfiehlt die APK-N dem Bundesrat in Verhandlungen mit der EU einzutreten und die blockierte Situation in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu stabilisieren und weiterzuentwickeln.» Es folgen einige wenige konkrete Empfehlungen. Angenommen mit 16 Ja-Stimmen gegen die 9 Stimmen der SVP. Die APK-S lässt sich am 12.02.2024 auf ähnliche Weise verlauten.
  Die Antwort der KdK (im Namen von 24 Kantonen gegen einen, bei einer Enthaltung) und die höchst problematische Stellungnahme des auf dem EU-Auge blinden KdK-Präsidenten Markus Dieth werden wir in einer der nächsten Ausgaben unter die Lupe nehmen. Denn die Kantone, beziehungsweise ihre Bevölkerungen, wären von einem Rahmen- oder Paketabkommen oder wie auch immer wir es nennen wollen, besonders betroffen.
  Auch sollen die zahlreichen namhaften Schweizer Persönlichkeiten und Organisationen, die sich bisher mit deutlichen Worten und inhaltlich starken Argumenten gegen ein neues Abkommen mit Brüssel ausgesprochen haben, zu Wort kommen. Hier zunächst einer von ihnen, Rolf Dörig, Verwaltungsratspräsident der Swiss Life: «In der EU haben […] leider in den letzten 20 Jahren Protektionismus, Zentralismus und Regulierung zugenommen, die Wirtschaftskraft nicht. Man kann doch nicht von uns verlangen, dass wir uns als Nichtmitglied de facto einer EU-Gesetzgebung und -Rechtsprechung unterwerfen. Ich empfehle, das Verhandlungsmandat wirklich zu lesen. Die Themen, die wir früher als rote Linien bezeichnet haben, sind nach wie vor enthalten. Das gilt vor allem für das Weisungsrecht des Europäischen Gerichtshofs, die dynamische Rechtsübernahme und die Übernahme der Unionsbürgerrechts-Bestimmungen.» Und weiter: «Die Alternative ist ein weiterentwickeltes Freihandelsabkommen [Schweiz-EU von 1972] oder ein Abkommen à
 la Vereinigtes Königreich. Rein technische Anpassungen sind kein Problem, wir haben ja ein bestehendes bilaterales Abkommen.»2



1 EDA. Paketansatz. Politische Dokumente (Anhang). https://www.eda.admin.ch/europa/de/home/bilateraler-weg/weiterentwicklung-bilateraler-weg/paketansatz.html
2 ​​​​​​​Müller, André und Ferber, Michael: «Viele schauen nur noch auf ihre unmittelbaren Eigeninteressen. Daran kranken unsere Schweiz und die Wirtschaft heute». Interview mit Rolf Dörig. Neue Zürcher Zeitung vom 27.1.2024

Abkommen Schweiz-EU: Massiver Identitätsverlust und weitere Erosion des Gesellschaftsvertrags

«Neue Zürcher Zeitung: Was würde mit dem Gesellschaftsvertrag passieren, wenn das EU-Abkommen, wie es heute vorliegt, unterzeichnet würde?
Oliver Zimmer
: Es käme zu einem massiven Souveränitätsverlust und zu einer weiteren Erosion des Gesellschaftsvertrags. Denn die EU-Position ist klar. Die EU hat ihre Spielregeln und ihr Verständnis einer Rechtsgemeinschaft. Sie gibt dem Europäischen Gerichtshof, dem EuGH, die oberste Entscheidungsmacht. Er ist neben der Kommission der Treiber der Integration. Dagegen legitimiert sich in der Schweiz die Rechtsgemeinschaft vor allem demokratisch. Diese Differenz gilt es zu akzeptieren. […] Deshalb ist eine automatische Rechtsübernahme mit dem EuGH als oberstem Gericht nicht kompatibel mit unseren Institutionen und unserer Wirtschaftsverfassung.» (Oliver Zimmer)

Quelle: Eisenring, Christoph und Fuster, Thomas. «In der Schweiz bröckelt der gesellschaftliche Kitt: ‹Identifiziert sich diese Elite noch mit dem Land und seinen Institutionen?›». Interview mit Professor Oliver Zimmer. «Neue Zürcher Zeitung» vom 10.02.2024) 

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