Follow-up zum offenen Brief an die EU-Führung

25. März 2024

Sehr geehrte Frau Präsidentin von der Leyen,
sehr geehrter Herr Präsident Michel,
sehr geehrter Herr Hoher Vertreter Borrell

Wir vom GIPRI in Genf wenden uns erneut an Sie in der Frage eines Waffenstillstands in Gaza. Wir haben von Ihnen keine Antwort auf unsere früheren Mitteilungen erhalten, von denen die letzte vom 15. März bereits als offener Brief veröffentlicht wurde.
  Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie in den letzten Tagen Israels Einsatz des Hungers als Kriegswaffe verurteilt haben und dass Sie anerkennen, dass die Hungersnot, die wir jetzt in Gaza erleben, eine Folge des israelischen Angriffskrieges ist und ausschliesslich von Menschen verursacht wurde. Dies ist ein begrüssenswerter Standpunkt, aber er ist immer noch nicht stark genug.
  Warum gibt es immer noch keine Forderung nach einem Waffenstillstand? Warum wird nicht zu Sanktionen gegen Israel aufgerufen? Warum wird das Abschlachten von Hunderten von Hilfesuchenden, die kaltblütig ermordet wurden, nicht verurteilt?
  Die EU war sehr schnell dabei, Russland vor zwei Jahren zu sanktionieren. Die Verbrechen Israels sind unendlich viel schlimmer, doch die EU fordert nicht, dass das Land seine Verstösse gegen das Völkerrecht einstellt.
  Wie unser Kollege Josh Paul kürzlich kommentierte: «Dies war eine Gelegenheit für Europa, aufzustehen und zu zeigen, dass es ein wichtiges Gegengewicht zu den USA innerhalb der breiteren westlichen Allianz ist. Dies hätte auf eine Art und Weise geschehen können, die sowohl diesem Bündnis zugute käme als auch dazu beitragen würde, die USA aus ihrer intellektuellen und moralischen Verblödung in bezug auf die Israel/Palästina-Politik herauszuholen.
  Abgesehen von einigen bemerkenswerten Ausnahmen (u.a. Irland, Belgien, Spanien, Slowenien und Norwegen) wurde der Zeitpunkt völlig verpasst, zum Nachteil von uns allen.»
  Es ist Ihre Pflicht als Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, gemäss Ihren Verpflichtungen aus dem Römischen Statut einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern. Die Zeit ist nicht mehr auf unserer Seite, da wir jeden Tag mit der schrecklichen Nachricht aufwachen, dass über Nacht Hunderte weiterer unschuldiger Zivilisten getötet wurden.
  In weniger als sechs Monaten sind mehr als 13 000 Kinder ermordet worden, und das unter Ihrer Aufsicht. Viele weitere sind verhungert. Wie viele müssen noch ermordet werden, bevor Sie etwas sagen? Hier geht es nicht einmal mehr um Palästina. Es geht um uns alle. Es ist eine Schande und eine Schande für unsere kollektive Menschlichkeit als Bürger dieser Erde, dass wir ein solches Gemetzel an unschuldigen Kindern zugelassen und nichts dagegen unternommen haben.
  Wir möchten Sie darüber informieren, dass wir den Entwurf einer Mitteilung an die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (gemäss Artikel 15 des IStGH-Statuts) zum Thema «Verantwortung von Beamten der Europäischen Union und bestimmter EU-Mitgliedsstaaten für die Mittäterschaft bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, die von den israelischen Streitkräften im Gaza-Streifen begangen wurden» vorbereiten, wobei wir uns in diesem Stadium auf Präsidentin von der Leyen konzentrieren. Wir bereiten einen Amicus-Curiae-Schriftsatz* vor, um andere anhängige Untersuchungen zum laufenden Völkermord in Gaza zu unterstützen.
  Es scheint, dass die Zivilgesellschaft nun gezwungen ist, an die Öffentlichkeit zu gehen und den Rücktritt von EU-Beamten und die Einleitung rechtlicher Schritte vor internationalen Gerichten zu fordern, nur um die moralische Rechtschaffenheit und die Einhaltung des etablierten internationalen Rechtsrahmens wiederherzustellen.
  Leider hat sich Ihre verfehlte Politik bisher als unfähig oder unwillig erwiesen, einen Völkermord zu verhindern, der sich in Echtzeit und vor unseren Augen abspielt. Wir werden Sie auch weiterhin zur Rechenschaft ziehen und von Ihnen verlangen, dass Sie Massnahmen ergreifen und einen sofortigen Waffenstillstand fordern, bis dies geschieht.

Mit freundlichen Grüssen

Jonathan O’Connor – Irland
Gabriel Galice – Frankreich
Gilles Emmanuel Jacquet – Frankreich
Cristina Cabrejas – Spanien
Soaade Messoudi – Belgien
Guy Mettan – Schweiz
Professor Alfred de Zayas – Schweiz und Vereinigte Staaten
Tim Clennon – Schweiz und Vereinigte Staaten
Pierre-Emmanuel Dupont – Frankreich

Quelle: https://www.counterpunch.org vom 25.3.2024

(Übersetzung Zeit-Fragen)

* Ein Amicus Curiae Brief (dt. Freund des Gerichts) ist ein Schriftsatz an ein Gericht, in dem eine am Verfahren nicht selbst beteiligte Person oder Organisation rechtliche Argumente und eine Handlungsempfehlung für einen vor Gericht ausgetragenen Fall darlegen kann. (https://www.ecchr.eu/glossar/amicus-curiae-brief/ European Center for constitional and human rights). (Anm. d. Red.)

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK