Zur Bedeutung des Lehrers

ds. Das Buch «Ich werde nicht hassen», das in Zeit-Fragen Nr. 4 vom 20. Februar besprochen wurde, bewegt. Der palästinensische Arzt Izzeldin Abuelaish berichtet darin über seine Kindheit in einem palästinensischen Flüchtlingslager, die, wie die Kindheit der meisten Palästinenser, keine echte Kindheit war. Als er sieben Jahre alt war, wurde von ihm als dem ältesten Sohn bereits erwartet, dass er der Familie mit Geld helfen würde. Er berichtet über das Elend, in dem er aufwuchs, den Schmutz und die Armut, die ständige Bedrohung durch Krieg; über seine Familie, das Leben im Gaza-Streifen, seine Ausbildung und seine Arbeit in einem israelischen Spital. Drei seiner acht Kinder kamen durch israelische Panzergranaten ums Leben. Doch bei allem Leid, dass er erfahren hat, bleibt er dabei: «Ich werde nicht hassen.»
  Hass, so Izzeldin, sei eine Krankheit, die Heilung und Frieden verhindere. «Wir brauchen so etwas, wie ein Impfprogramm, das den Leuten die Gedanken an Respekt, Würde und Gleichheit vermittelt und sie gegen Hass immun macht», schreibt er (S. 233). Er ist sicher, dass die Mehrheit der Israeli und Palästinenser Seite an Seite leben wolle. Doch sie würden auf beiden Seiten von Extremisten bestimmt, und bei dem Elend, in dem die Menschen lebten, sei es einfach, sie aufzuwiegeln.
  Für Izzeldin gibt es keinen Unterschied zwischen palästinensischen und israelischen Neugeborenen. Er ist überzeugt, dass die Mütter, welche die Kinder geboren haben, viel dazu beitragen können, einen gemeinsamen Weg zu finden.
  Die palästinensischen Mütter seien Heldinnen. Sie seien es, die das Überleben möglich machten. Sie gäben jedem zu essen, bevor sie sich selbst etwas nähmen, und gäben niemals auf. «Meine Mutter», schreibt er, «war wie eine Löwin, wenn es darum ging, uns zu beschützen, aber in dem, was sie von uns verlangte, war sie ebenfalls unerbittlich. Sie erwartete von mir, dass ich mir so viel Mühe gäbe wie sie, um unsere Situation zu verbessern.» (S. 78)
  Izzeldin kam mit sechs Jahren in die Schule. Er hatte früh erkannt, dass eine gute Ausbildung für ihn der einzige Weg sei, den Umständen zu entkommen, in denen er lebte. Er scheute keine Anstrengung, dieses Ziel zu erreichen, doch ohne Lehrer, die ihm die Türen geöffnet und ihn immer wieder ermutigt hätten, hätte er sein Ziel nicht erreicht. Immer wieder kommt er darauf zurück, was die Schule und die Lehrer für ihn bedeuteten. So schreibt er: «In jenem ersten Schuljahr hatte ich drei verschiedene Lehrer. Einer sass nur auf seinem Stuhl und verteilte Aufgaben an uns, einer unterrichtete Musik, was ich sehr mochte. Der dritte war ein Mann, der sich so verhielt, als hätte er einen echten Studenten in mir entdeckt. Er widmete mir so viel Aufmerksamkeit, dass er mich, einen Erstklässler, am Ende des Jahres vollständig überzeugt hatte, dass ich alles lernen konnte, was ich lernen wollte. Er war ein ausserordentlicher Mann.
  Die Schule war völlig überfüllt. Wir sassen zu dritt an einem Pult und mit sechzig Kindern in einer Klasse, aber ich konnte es am Morgen kaum erwarten, dorthin zu gehen. Ich liebte die Schule, und wenn der Lehrer etwas fragte und ich meine Hand hob, um zu antworten, war ich glücklich. Das neue Wissen war ein Geschenk für mich.» (S. 73f.)
  Und weiter: «Ich lehnte mich gegen viele Ungerechtigkeiten auf, als ich heranwuchs, aber heute schaue ich zurück und bin dankbar für die Lehrer, die eine bessere Zukunft für mich sahen. Sie waren diejenigen, die mir das Selbstbewusstsein gaben, weiterzumachen. Es waren die Lehrer, die mir Türen öffneten und mich wissen liessen, dass es jenseits der drückenden Armut, in der wir lebten, eine Zukunft gab.» (S. 77)
  Wenn er zurückschaut und an seine Mutter denkt, sieht er die Frau, die forderte, dass er trotz aller Hindernisse auf seinem Weg erfolgreich wäre. Und er denkt an Ahmed Al Halaby, den Lehrer aus der ersten Klasse, der ihm das Gefühl gegeben hatte, alles sei möglich. «Von beiden – meiner Mutter und von diesem Lehrer – lernte ich, dass ich auf dem richtigen Weg war, und ich achte und ehre ihr Andenken.» (S. 98)  •

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