von Peter Küpfer
Am 27. Juni 2025 setzten die Aussenminister von Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo (DRK, Ex-Zaïre) im Weissen Haus vor laufenden Kameras ihre Unterschrift unter einen sogenannten Friedensvertrag. Er sollte nach offizieller Ankündigung von Präsident Trump dem rohstoffreichen Ostkongo nach 30 Jahren blutigem Krieg den von seiner Bevölkerung ersehnten Frieden bringen. Beobachter mit Kenntnis der wahren Kriegsgründe im Ostkongo waren trotz des medienkonformen «Hallelujas» berechtigterweise skeptisch. Inzwischen hat die illegale Besatzungsmacht des Ostkongo, die Söldnerarmee M23, ihre Delegierten von den sogenannten Friedensgesprächen in Doha abgezogen – wie erwartet. Vorläufig bleibt alles beim alten. Was aber weitergeht, ist das permanente Martyrium der ostkongolesischen Zivilbevölkerung unter den grausamen Realitäten der Besatzung durch die M23-Guerilla. Ein aktueller Untersuchungsbericht der Uno über die Lage der Menschen und des Menschrechts in den vom M23 besetzten Zonen bestätigt die schlimmsten Befürchtungen.
Der kanadische Politologe Patrick Mbeko (mit kongolesischer Abstammung), Autor von zwei bestens dokumentierten Analysen1 über die wahren Hintergründe des Krieges im Ostkongo, sagte schon bei Trumps Ankündigung seines neuen «amerikanischen Friedens» («Frieden und Prosperität für alle!»): «Nein, das ist kein Friedensvertrag. Er geht nicht von der Tatsache aus, dass es Ruanda ist, das den Ostkongo angegriffen hat und weiter angreift, sondern vom dreist behaupteten Gegenteil.»2 Was wir vor uns haben, sagt Mbeko, «ist kein Friedensvertrag, sondern ein Kapitulationsvertrag des Kongo. Gewinner ist Ruanda, dessen Interessen vollauf befriedigt werden, Verlierer ist die Demokratische Republik Kongo, welche nichts in der Hand hat, Ruandas ausgefeilter Kriegslist zu entgegnen».
Ruanda leugnet weiter hartnäckig jeden Bezug zu seiner heimlichen Ersatz-Armee im Ostkongo. So kontert Kagamé, gespielt dummdreist, auf die Frage eines westlichen Journalisten, ob Ruanda die M23-Interventionsarmee militärisch ausrüste und unterstütze, er wisse es nicht.3 Seit Beginn dieses neuen dreissigjährigen Krieges verbreitet er die in unseren Medien (inklusive Wikipedia) millionenfach kolportierte Lüge, bei der M23 handle es sich, wie bei den an die hundert anderen inoffiziellen Kombattantenformationen, die sich um die ertragreichen Minen balgen, um innerkongolesische Rebellen-Gruppen. Dabei ist die M23 heute im Urteil aller, die sich nicht blind einer offiziellen Doktrin verschrieben haben, die schlagkräftige inoffizielle Armee Ruandas auf kongolesischem Territorium – in Mbekos Worten der verlängerte militärische Arm Ruandas, welchem die innerlich geschwächte kongolesische Armee (FARDC – Forces armées de la République Démocratique du Congo) seit Jahren keinen wirksamen Widerstand entgegensetzen kann. Nun ist Goma also zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre von einem Angst und Terror verbreitenden Mob in Uniform besetzt. Er drangsaliert die Bevölkerung nicht nur in Goma, die er mit Folter, Mord, Massenverhaftungen und Kinderraub eisern in Schach hält.
Aktueller Lagebericht des Uno-Hochkommissariats
für Menschenrechte
bestätigt systematische Greueltaten
Dass sich nichts zugunsten der gemarterten Zivilbevölkerung getan hat, bestätigt der aktuelle Uno-Bericht über die Lage der Menschenrechte im Ostkongo.4 Im Gegenteil, die Besatzer führen ihr Terrorregime in dem von der M23 widerrechtlich besetzten Teil des Ostkongo gezielt, systematisch und unter Verletzung sämtlicher Satzungen des internationalen Rechts weiter. Gestützt auf die alarmierenden Berichte ihrer Vertrauensleute, hat die Generalversammlung des Uno-Menschenrechtsrats im Mai dieses Jahres den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, mit der Mandatierung einer Faktenfindungskommission (FFK) zur humanitären Situation im Ostkongo betraut. Die zu diesem Zweck hochkarätig besetzte Kommission hat vor Ort durch intensive Zeugenbefragung einen Bericht verfasst, den Volker Türk, der selbst vor Ort war, Anfang September der Vollversammlung des Menschenrechtsrates präsentiert hat. Im folgenden seien Hauptpunkte seiner Ausführungen entsprechend der Uno-Pressemitteilung zitiert (Hervorhebungen pk).
Dem Uno-Bericht zufolge eroberte die bewaffnete Gruppe M23 «mit Ausbildung, Material, Geheimdienstinformationen und operativer Unterstützung der ruandischen Streitkräfte» grosse Städte in Nord- und Süd-Kivu. Die Gruppe führte eine Kampagne der Einschüchterung und «gewaltsamen Unterdrückung durch, die sich aus standrechtlichen Hinrichtungen, Folter, Inhaftierungen, Verschwindenlassen und Zwangsrekrutierung zusammensetzte». Ziel war jeder, «der als Gegner der M23 wahrgenommen, als Bedrohung ihrer Ordnungs- und Sicherheitsvorstellungen angesehen oder als geeignet erachtet wurde, für die Bewegung zu kämpfen oder ihr zu dienen».
M23-Mitglieder übten dabei systematisch und weit verbreitet sexuelle Gewalt aus, hauptsächlich in Form von Gruppenvergewaltigungen und anderer Formen sexueller Gewalt, einschliesslich sexueller Sklaverei.
«Vergewaltigungen wiederholten sich über längere Zeiträume, oft in Verbindung mit zusätzlichen Akten physischer und psychischer Folter und anderen Misshandlungen, mit der offensichtlichen Absicht, die Opfer zu erniedrigen, zu bestrafen und ihre Würde zu brechen», heisst es in dem Bericht. Hunderte Kinder wurden von der M23 festgenommen und junge Männer zwangsrekrutiert. Der Bericht zeigt die enormen Folgen des Konflikts für Kinder aller Altersgruppen auf. Er identifizierte tägliche Verstösse im gesamten von der M23 kontrollierten Gebiet. Diese folgten «erkennbaren, wiederkehrenden Mustern, die auf ein hohes Mass an Organisation, Planung und Ressourcenmobilisierung hindeuten».
Insbesondere betont der Bericht, dass Ruanda für Verstösse verantwortlich ist, die direkt von seinen Streitkräften auf dem Gebiet der Demokratischen Republik Kongo begangen wurden, und stellt fest, dass der Faktenfindungskommission «glaubwürdige Anschuldigungen bezüglich der verdeckten Präsenz von RDF-Personal [Angehörigen der ruandischen regulären Armee, pk] innerhalb der M23» vorliegen.
Demgegenüber beharrt die Hauptinspirationsquelle dieser Art Krieg, der autokratische Machthaber Ruandas, darauf, Ruanda habe damit gar nichts zu tun. In seiner Optik handelt es sich bei der M23 um eine innerkongolesische Angelegenheit, eine der vielen «Rebellengruppen», die alle in ihrer poetischen Namengebung die Demokratie beschwören und in Wirklichkeit die Zivilbevölkerung terrorisieren. Es ist für alle ernsthaften Beobachter greifbar, dass sich in den vergangenen 30 Jahren hier ein organisierter Entvölkerungs-Feldzug abspielt, bei dem es wie in Gaza letztlich um ganz anderes geht als um Demokratie und den Kampf gegen Terror – nämlich um strategischen Machtgewinn und um lockende Geldquellen in Form von seltenen Rohstoffen. Dafür muss die Zivilbevölkerung leiden – wie lange noch? •
1 Mbeko, Patrick. Rwanda – malheur aux vaincus, 1994–2024. 30 ans de crimes, de manipulations et d'injustice (Ruanda – Wehe den Besiegten, 1994–2024. 30 Jahre Verbrechen, Manipulationen und Ungerechtigkeit). Editions Duboiris, Paris 2024; Mbeko, Patrick. Stratégie du chaos et du mensonge. Poker menteur en Afrique des Grands Lacs (Strategie des Chaos und der Lüge. Der getrickste Poker im Afrika der Grossen Seen). Editions de l'Erablière Québec 2014. Beide Titel bisher nur auf Französisch.
2 Patrick Mbeko: «DRC-Rwanda: un accord de paix ou une illusion?», in: www.alohanews vom 6.7.2025
3 vgl. Kennes, Erik; Wilen, Nina. «Kongos Schwäche – Ruandas Stärke», in: woz, Beilage Le Monde diplomatique vom13.3.2025
4 DRC: UN report raises spectre of war crimes and crimes against humanity in North and South Kivu (Uno-Bericht bestätigt, dass das Gespenst von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Nord- und Süd-Kivu weiter wütet); Pressemitteilung des Hochkommissariats der Uno für Menschenrechte vom 5.9.2025
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