UN-Experten fordern die Staaten auf, gegen die Untätigkeit hinsichtlich der rechtswidrigen Besetzung durch Israel vorzugehen

Medienmitteilung des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte

Genf (19. September 2025) – Am Jahrestag der Verabschiedung der Resolution der Generalversammlung1 im Anschluss an das Urteil des Internationalen Gerichtshofs zu Palästina forderten UN-Experten* die Mitgliedsstaaten auf, ihren Verpflichtungen nach internationalem Recht nachzukommen, konkrete Massnahmen zu ergreifen, um Israels Angriffe auf die Palästinenser zu stoppen und seine rechtswidrige Besatzung zu beenden. Sie gaben folgende gemeinsame Erklärung ab:
  «Wir sind entsetzt darüber, dass trotz der überwältigenden Unterstützung der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die auf dem Gutachten2 des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2024 basiert, in dem die fortgesetzte Präsenz Israels in den besetzten Gebieten für rechtswidrig erklärt und bekräftigt wurde, dass alle Staaten verpflichtet sind, die jahrzehntelange Besatzung nicht anzuerkennen, zu unterstützen oder zu begünstigen, die Lage heute weiterhin apokalyptisch ist und das palästinensische Volk einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt ist.
  Die Resolution legte klare Verantwortlichkeiten für Drittstaaten und internationale Organisationen, einschliesslich des UN-Systems, in bezug auf die rechtswidrige Besetzung durch Israel fest. Sie forderte Israel auf, sich an das Völkerrecht zu halten, indem es seine Streitkräfte zurückzieht, alle neuen Siedlungsaktivitäten einstellt, Siedler aus den besetzten Gebieten evakuiert, Teile der innerhalb des Westjordanlands und Ostjerusalems errichteten Trennmauer abbaut und die Ausbeutung der palästinensischen natürlichen Ressourcen beendet. Die Resolution stellte klar, dass jeder Staat, der die Besatzung und die damit verbundenen Verstösse weiterhin unterstützt, begünstigt oder anderweitig dazu beiträgt, Gefahr läuft, gegen das Völkerrecht zu verstossen und sich internationaler Verbrechen mitschuldig zu machen.
  Der erste Jahrestag der Resolution fällt in eine äusserst düstere Zeit. Siebenhundert Tage militärischer Angriffe auf den Gaza-Streifen und das übrige Besetzte Palästinensische Gebiet haben mindestens 230 000 Palästinenser getötet und verletzt. 2,1 Millionen Zivilisten in dem belagerten Gebiet hungern buchstäblich. Der gesamte Gaza-Streifen wurde in Schutt und Asche gelegt, und die gesamte Bevölkerung wurde gewaltsam vertrieben, oft sogar mehrfach. Das Versäumnis der meisten Mitgliedsstaaten, entschlossen zu handeln, offenbart die tiefe Erosion des multilateralen Systems, das zu einem Kollateralschaden des Völkermords im Gaza-Streifen geworden ist.
  In den letzten Monaten ist der kollektive und weitreichende Charakter des sich vollziehenden Völkermords unbestreitbar geworden – gekennzeichnet durch Massenmorde, unaussprechliches Leid und grossflächige Zerstörung. Die Gewalt beschränkt sich nicht mehr auf den Gaza-Streifen, sondern greift auf das Westjordanland über, wo die gewaltsame Massenvertreibung und brutale Angriffe durch bewaffnete Siedler nicht als Handlungen einiger weniger skrupelloser Beamter abgetan werden können, sondern von allen Ebenen des Staates unterstützt und begünstigt werden. Alle Zweige des israelischen Staates – Exekutive, Parlament und Gerichte – haben es versäumt, diesen Machtmissbrauch einzudämmen oder zu beheben. Statt dessen haben sie die Katastrophe fortgesetzt und vorangetrieben, die – wie jeder Völkermord zuvor – auf der systematischen Entmenschlichung eines ganzen Volkes beruht.
  Die Zeit, diesen Völkermord zu stoppen, ist längst vorbei. Wir sind bestürzt darüber, dass die Mitgliedsstaaten ihre Verpflichtung, einen Völkermord zu verhindern, nicht ernst genommen haben. Die anhaltende Straflosigkeit Israels und das Versäumnis, die monströsen Verbrechen gegen die Palästinenser zu stoppen, haben den Weg für weitere Aggressionen Israels gegen andere Länder in der Region geebnet. Es hätte gestoppt werden müssen, bevor Rafah überfallen wurde, bevor Israel mehrere Länder im Nahen Osten und in Nordafrika angegriffen hat.
  Die unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu den Besetzten Palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ostjerusalem, und Israel kam in einem diese Woche veröffentlichten Bericht3 zu dem Schluss, dass Israel einen Völkermord an den Palästinensern im Gaza-Streifen begangen hat.
  Doch statt zu handeln, sieht sich eine Welt, die sich nun der Schrecken des Völkermords und der Ungerechtigkeit der Besatzung und Apartheid voll bewusst ist, mit Schweigen oder schlimmer noch mit Rechtfertigungen einer kleinen, aber mächtigen Gruppe von Staaten konfrontiert, die Israels Angriff auf Gaza, auf das Völkerrecht, auf das multilaterale System und auf die Menschheit selbst weiterhin ermöglichen.
  In diesem herzzerreissenden Moment erinnern wir die internationale Gemeinschaft an die Empfehlungen4, die wir in einer Erklärung vom 18. September 2024 betont haben, und verweisen auf das Positionspapier5 der Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu den Besetzten Palästinensischen Gebieten, einschliesslich Ostjerusalem und Israel.
  Um dem Gutachten nachzukommen, bekräftigte der Internationale Gerichtshof die Notwendigkeit, die Beziehungen zur unrechtmässigen Besatzung abzubrechen. Das bedeutet, dass Sanktionen unvermeidlich sind, auch gegen Israel, gegen Einzelpersonen und gegen Unternehmen, die mit einem Völkermordregime Geschäfte machen:

  • Israel muss aus den Vereinten Nationen ausgeschlossen werden
  • Die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen müssen abgebrochen werden, unter anderem durch die Unterbindung von Handels- oder Investitionsbeziehungen und kulturellen Verbindungen mit israelischen Akteuren, die die Besatzung fördern oder davon profitieren.
  • Staaten dürfen keine Änderungen des Status der Besetzten Palästinensischen Gebiete anerkennen und müssen bereits erfolgte Anerkennungen rückgängig machen;
  • gegen Israel muss ein vollständiges Waffenembargo verhängt werden, wodurch alle Waffenabkommen, Importe, Exporte und Transfers, einschliesslich Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die gegen die unter Besetzung stehende palästinensische Bevölkerung eingesetzt werden könnten, eingestellt werden, entsprechend der Mahnung, die allen Staaten in Nicaragua gegen Deutschland erteilt wurde; und
  • die Staaten müssen alle Bürger und Besucher in ihrem Hoheitsgebiet, die im oder für das israelische Militär dienen oder gedient haben und zum Besatzungs-, Apartheid- und Völkermordregime beigetragen haben, einschliesslich durch den Kauf von Immobilien in den besetzten Gebieten, daran hindern dies zu tun, und sie strafrechtlich verfolgen.

Je länger Staaten diese Beziehungen aufrechterhalten, desto mehr festigen sie die Normalisierung und legitimieren die Illegalität – und fördern gleichzeitig die Straflosigkeit und machen sich selbst zu Komplizen internationaler Verbrechen.

* Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin zur Lage der Menschenrechte in den seit 1967 Besetzten Palästinensischen Gebieten; George Katrougalos, Unabhängiger Experte für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung; Balakrishnan Rajagopal, Sonderberichterstatter für das Recht auf angemessenen Wohnraum; Michael Fakhri, Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung; Alexandra Xanthaki, Sonderberichterstatterin im Bereich der kulturellen Rechte; Tomoya Obokata, Sonderberichterstatter für zeitgenössische Formen der Sklaverei, einschliesslich ihrer Ursachen und Folgen; Morris Tidball-Binz, Sonderberichterstatter für aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen; Olivier De Schutter, Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte; Nicolas Levrat, Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen; Astrid Puentes Riaño, Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt; Paula Gaviria Betancur, Sonderberichterstatterin für die Menschenrechte von Binnenvertriebenen; Pedro Arrojo Agudo, Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trink-wasser und Sanitärversorgung; Tlaleng Mofokeng, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht jedes Menschen auf das erreichbare Höchstmass an körperlicher und geistiger Gesundheit; Surya Deva, Sonderberichterstatter für das Recht auf Entwicklung; Gina Romero, Sonderberichterstatterin für das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit; Pichamon Yeophantong (Vorsitzende), Damilola Olawuyi (stellvertretende Vorsitzende), Fernanda Hopenhaym, Lyra Jakulevičienė und Robert McCorquodale, Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte; Claudia Flores (stellvertretende Vorsitzende), Dorothy Estrada Tanck, Ivana Krstić und Haina Lu, Arbeitsgruppe zu Diskriminierung von Frauen und Mädchen; Jovana Jezdimirovic Ranito (Vorsitzende und Berichterstatterin), Ravindran Daniel, Michelle Small, Joana de Deus Pereira, Andrés Macías Tolosa, Arbeitsgruppe zum Einsatz von Söldnern; Bina D'Costa (Vorsitzende), Barbara G. Reynolds, Isabelle Mamadou, Expertengruppe für Menschen afrikanischer Herkunft; Elizabeth Salmón, Sonderberichterstatterin zur Lage der Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea; Farida Shaheed, Sonderberichterstatterin für das Recht auf Bildung; Elisa Morgera, Sonderberichterstatterin für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte im Zusammenhang mit dem Klimawandel; Heba Hagrass, Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen; Carlos Duarte (Vorsitzender), Arbeitsgruppe für die Rechte von Bauern und anderen in ländlichen Gebieten tätigen Personen; Reem Alsalem, Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, ihre Ursachen und Folgen



1 https://docs.un.org/en/A/RES/ES-10/24
2 https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-adv-01-00-en.pdf
3 www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sessions-regular/session60/advance-version/a-hrc-60-crp-3.pdf
4 https://www.ohchr.org/en/statements-and-speeches/2024/09/un-experts-warn-international-order-knifes-edge-urge-states-comply
5 www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/coiopt/2024-10-18-COI-position-paper_co-israel.pdf

Quelle: https://www.ohchr.org/en/statements/2025/09/one-year-after-icj-ruling-un-experts-urge-states-confront-inaction-over-israels vom 19.9.2025

(Übersetzung Zeit-Fragen)

Unsere Website verwendet Cookies, damit wir die Page fortlaufend verbessern und Ihnen ein optimiertes Besucher-Erlebnis ermöglichen können. Wenn Sie auf dieser Webseite weiterlesen, erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.
Weitere Informationen zu Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
 

Wenn Sie das Setzen von Cookies z.B. durch Google Analytics unterbinden möchten, können Sie dies mithilfe dieses Browser Add-Ons einrichten.

OK