Wenn man verstehen will, was in der Welt passiert, ist es sinnlos, den Experten zuzuhören, die sich auf unseren Radio- und Fernsehsendern die Klinke in die Hand geben. Sie leben in einer Parallelwelt, die nichts mehr mit den derzeitigen internationalen Realitäten zu tun hat. Selbst die amerikanischen Kommentatoren sind manchmal überfordert. Es ist besser, von Zeit zu Zeit einigen der besten Analysten Asiens zu folgen, wie Shashi Taroor und M.K. Bhadrakumar in Indien, Zhang Weiwei in China oder Kishore Mabubhani in Singapur. In einem kürzlich erschienenen Podcast zeigt sich dieser fassungslos angesichts der «geopolitischen Inkompetenz der europäischen Staats- und Regierungschefs». Genauso wenig schont er die blinde Arroganz der intellektuellen Eliten der USA.
Die diplomatische Offensive, welche die Trump-Administration seit Anfang der Woche führt, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, gibt ihm völlig Recht. Die Europäer und Briten – besessen von der Kriegstreiberei des Quintetts von der Leyen-Baerbock-Kallas-Rutte-Starmer und in Bann gezogen von den Klageliedern des charmanten Komikers aus Kiew –, haben nichts kommen sehen. Sie haben Trump nicht vorausgesehen, sie haben die Tornados nicht vorausgesehen, die er mit seinen Eroberungsdrohungen und seinen Zollkriegen entfesseln würde. Auch nicht vorausgesehen haben sie den Frieden oder zumindest das Schweigen der Waffen, das er nach Palästina und in die Ukraine zu bringen hofft.
Dabei war all das seit Monaten angekündigt.
Das Ergebnis: Das anderthalbstündige Gespräch zwischen Trump und Putin am Mittwoch [12. Februar, vgl. «US-Präsident Trump hat mit Russlands Präsident Putin telefoniert»] hat sie aus dem Konzept gebracht. Sie standen konsterniert aussen vor, sie, die alles auf die «diplomatische Isolation» und den «wirtschaftlichen Zusammenbruch» Russlands gesetzt hatten. Selbst die Medien blieben stumm, die am nächsten Tag das Ereignis kaum erwähnten oder es gar völlig ignorierten.
Dabei handelt es sich hier um einen wichtigen Wendepunkt nach drei Jahren Krieg. So wurden nicht weniger als vier der höchsten Koryphäen der Trump-Administration nach dem Präsidenten selbst, nämlich Vizepräsident J. D.Vance, Pentagon-Chef Peter Hegseth, Aussenminister Marco Rubio und der Gesandte Steven Witkoff nach Europa entsandt, um die Botschaft zu überbringen, dass die USA diesen Krieg nicht mehr wollen und direkte Verhandlungen mit Moskau aufnehmen würden, ohne die Europäer um ihre Meinung zu bitten. Man kann erahnen, dass die Stimmung auf der Sicherheitskonferenz in München eher angespannt sein dürfte.
Die Ironie der Sache ist, dass sich Trump in dieser Angelegenheit als der beste Verteidiger der langfristigen europäischen Interessen erweist. Er ist nicht nur bereit, auf die wirtschaftlichen Vorteile zu verzichten, die der Krieg in der Ukraine den Vereinigten Staaten gebracht hat, sondern er hilft auch den wankenden Volkswirtschaften Europas, sich wieder zu erholen, nachdem dieses alle Energie- und Handelsverbindungen zu seinem engen Nachbarn Russland abgebrochen hatte; im Austausch für 500 Milliarden Investitionen in der Ukraine verlangt er deren Lieferung von Seltenen Erden und zwingt die Europäer, für ihre eigene Verteidigung selbst zu sorgen und ihre geopolitische Rolle wieder zu übernehmen. Letztendlich wird ihm ganz Europa, einschliesslich der Ukraine, dafür dankbar sein müssen.
Der ehemalige Berater von Selenski, Oleksyi Arestovitch, hat sich nicht geirrt, als er kürzlich in seinem Blog gestand, dass die Ukraine alles falsch gemacht habe, indem sie sich seit 1991 auf einen nationalistischen russophoben Wahn und ab 2014 in einen von vorneherein verlorenen Konflikt mit Russland eingelassen habe.
Für die Asiaten, die Europa aus der Ferne betrachten und den Vereinigten Staaten aus der Nähe folgen, ist diese inkohärente Haltung, diese krasse Ignoranz der europäischen Eliten gegenüber den physischen, wirtschaftlichen, geographischen und politischen Realitäten ihres eigenen Kontinents geradezu verblüffend.
Warum ignorieren die Europäer, dass sie dazu verdammt sind, für alle Ewigkeit an der Seite ihres grossen russischen Nachbarn zu leben, und dass eine intelligente Zusammenarbeit mit ihm dem Krieg vorzuziehen ist? Warum ignorieren sie nach Jahrhunderten gemeinsamer Nachbarschaft, dass Russland, das seit tausend Jahren ständig von ihnen überfallen wird, vor allem um seine Sicherheit besorgt ist und diese Sorge über alle anderen stellt? Warum ignorieren sie die Auswirkungen der Beleidigungen, mit denen sie den russischen Staatschef unablässig überziehen, den sie aller Fehler und Schandtaten bezichtigen? Warum wollen sie nicht sehen, dass die Vereinigten Staaten, die sich wegen ihres relativen Niedergangs Sorgen machen, heute versuchen, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren, in der Hoffnung, den Platz zurückzuerobern, den sie in den letzten Jahrzehnten eingenommen haben? Warum praktizieren die Europäer, die auf einem genauso vielfältigen, vielschichtigen, komplizierten und manchmal gegensätzlichen Kontinent wie Südostasien leben, nicht das fernöstliche Prinzip der Weisheit, das darin besteht, mit seinen Feinden und Rivalen zu sprechen, was immer auch geschehen möge und unabhängig davon, wie sehr man sie verabscheut, wohl wissend, dass man sowieso mit ihnen leben muss?
Das sind die Fragen, die unsere asiatischen Freunde an Europa stellen. Sie entbehren nicht des gesunden Menschenverstandes … •
(Übersetzung Zeit-Fragen)
* Guy Mettan ist Journalist und Abgeordneter im Grossen Rat des Kantons Genf, den er 2010 präsidierte. Er arbeitete für das «Journal de Genève», Le Temps stratégique, Bilan, «Le Nouveau Quotidien» und später als Direktor und Chefredaktor der «Tribune de Genève». 1996 gründete er den Swiss Presseclub, dessen Präsident und späterer Direktor er von 1998 bis 2019 war.
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