Es ist unglaublich: Da hat der Bundesrat doch tatsächlich einen eingefleischten Nato-Fanatiker als Botschafter zur Nato in Brüssel geschickt. «Die Schweiz ist nicht Mitglied der Nato. Was tun Sie dort überhaupt?» fragt der Interviewer in der «Neuen Zürcher Zeitung». Eine berechtigte Frage. Botschafter Jacques Pitteloud sagt ganz unverblümt, was er dort tut: «Meine Aufgabe ist es, dem Bundesrat zu berichten, wie die Nato die Weltlage einschätzt, in welche Richtung sie sich entwickelt, was sie von der Schweiz erwartet und was mögliche sinnvolle Kooperationen wären.»1
Müssen wir den Bundesrat daran erinnern, was die wesentliche Aufgabe eines Schweizer Botschafters ist? Er hat den neutralen Schweizer Standpunkt zu erklären und sich selbst daran zu halten. Jacques Pitteloud dagegen agiert offen für die Einbindung der Schweiz in die Nato: «Wir sollten mehr mit der Nato üben» – «Interoperabilität ist das Gebot der Stunde». Die bekannte Phrase, die er anhängt, «politisch» sei ein Nato-Beitritt «undenkbar», heisst im Klartext: Pitteloud und seine Gesinnungsgenossen sähen unser Land noch so gern in der Nato, aber sie befürchten, dass das Volk Nein stimmen würde.
Massive Verunglimpfung der Neutralitätsinitiative
Ein absoluter Skandal ist Pittelouds Eingreifen in ein laufendes Abstimmungsverfahren, indem er die Neutralitätsinitiative und deren Unterstützer diffamiert. Sie seien «Neutralitätsabsolutisten, die nur für sich schauen wollen, ohne Kooperation und Solidarität, egal was in der Welt passiert».
Das pure Gegenteil ist richtig: Die Initiative will eben gerade, dass die Schweiz ihre Solidarität mit den durch Kriege und Konflikte bedrängten Völkern lebt. Aber nicht, indem sie sich immer enger an ein Militärbündnis anhängt, sondern indem sie sich wieder in den Dienst des Friedens stellt und eine Neutralitätspolitik betreibt, die diesen Namen verdient. In diesem Sinne heisst es in Absatz 4 der Neutralitätsinitiative: «Die Schweiz nutzt ihre immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung.»
Vom Bundesrat fordern wir Bürger ein, dass er Botschafter einsetzt, die sich unserem Land und seinem Staatsverständnis verbunden fühlen und dazu beitragen, die stark beschädigte Glaubwürdigkeit der Schweizer Neutralität in der Welt wiederherzustellen. •
1 Tribelhorn, Marc und Fumagalli, Antonio. «‹Wenn uns ein Aggressor testet, sind wir leider verloren›, sagt der schillerndste Diplomat der Schweiz». In: Neue Zürcher Zeitung vom 28.3.2025
mw. Es ist mehr als «gschämig», dass ein ausländischer Diplomat uns erklären muss, warum die Schweizer Neutralität für unser Land und für die Welt unverzichtbar ist. Edward McMullen war von 2017–2021 Botschafter der Vereinigten Staaten in der Schweiz und ist weiterhin in Kontakt mit Präsident Donald Trump. Er will die Schweiz in Washington auch unterstützen in der Auseinandersetzung um die hohen Zölle, die Trump für Importe von Schweizer Waren angekündigt hat.
In einem Interview in der Weltwoche weist der ehemalige US-Botschafter darauf hin, dass zum Beispiel der Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran 2019 «ohne die neutrale Schutzmacht Schweiz nicht möglich gewesen wäre.» (Die Schweiz vertritt als Schutzmacht die Interessen der USA im Iran seit 1980.)
Edward McMullen würdigt die besondere Ausgestaltung der Schweizer Neutralität auf eindrückliche Weise: «Die Schweiz spielt eine einzigartige Rolle in der Welt – was für einen Kleinstaat entscheidend ist. Die Neutralität verleiht der Schweiz Einzigartigkeit, sie hebt sie vom Rest der Welt ab, auch von den wenigen Ländern, die heute neutral sind. Das ist keine Schwäche, sondern eine enorme Stärke in den Augen derjenigen, die Aussenpolitik betreiben.» McMullen beklagt, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgegeben hat, indem sie unter dem Druck der Biden-Regierung die Sanktionen gegen Russland übernahm. Er meint, die Schweiz wäre der ideale Ort für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gewesen. «Aber indem sie sich einmischt und, offen gesagt, die Neutralität unterwandert, wird die Schweiz zu einem weiteren Land unter vielen anderen und ist kein Partner mehr für einen solchen (Friedens-)Gipfel.»
Seine Hoffnung setzt Botschafter McMullen wie viele von uns Schweizern auf den Willen der Bevölkerung, die immerwährende bewaffnete Neutralität der Schweiz zu bewahren: Er verweist auf die Umfragen, die zeigen, «dass die meisten Schweizer neutral bleiben und ihre Neutralität bewahren wollen. […] Der Kampf ist keineswegs verloren, solange die Mehrheit in der Schweiz den Wert der Neutralität verstehen und bewahren will.»
Quelle: Biner, David und Gehriger, Urs. «Trump kennt die Schweiz».
Weltwoche Nr. 14 vom 2.4.2025
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