Warum der Krieg in der Ukraine wohl andauern wird

von Guy Mettan, freier Journalist*

Nachdem es in einem kriegstreiberischen Europa für Aufruhr gesorgt und im Rest der Welt Hoffnung geweckt hatte, ist das Friedensangebot von Donald Trump an Russland ins Stocken geraten. Der Grund dafür ist einfach: Zu viele Akteure, angefangen bei den Ukrainern, den Europäern und den amerikanischen Kriegstreibern, haben ein Interesse daran, dass der Krieg weitergeht. Selbst wenn es zu einer Einigung zwischen Trump und Putin und einem vorübergehenden Waffenstillstand käme, würden die Feindseligkeiten nicht wirklich beendet. Zumindest nicht vorerst.

Die nüchterne und unvoreingenommene Betrachtung der aktuellen militärischen, politischen und diplomatischen Realitäten lässt in der Tat wenig Raum für Optimismus.

Ukrainische Kriegsprofiteure
wollen keinen Frieden

Auf ukrainischer Seite ist der Wille zum Frieden gleich Null. Nur die kleinen Leute und die zwangsrekrutierten Soldaten wünschen sich ein Ende des Krieges. Aber ihre Meinung ist nicht gefragt. Die Befürworter des Dialogs und eines ausgehandelten Friedens wurden mit Verboten belegt oder inhaftiert. Die Selenski nahestehenden nationalistischen Kreise und die Grossbourgeoisie, die in unseren Städten Porsche Cayenne und Tesla fahren, haben kein Interesse daran. Sie leben seit drei Jahren von den Geldern des Westens, der unermüdlich militärische Ausrüstung liefert, Truppen ausbildet, ihre Angriffe koordiniert (siehe die jüngsten Enthüllungen der «New York Times»), Fundraising-Reisen ins Ausland finanziert und mit Milliardenbeträgen die schwierigen Monatsenden bezahlt.
    Es gibt also keinen Grund, diesen kontinuierlichen Strom der Gunst zu unterbrechen. Dies um so mehr, als man, sollte unerwartet Frieden eintreten, Wahlen organisieren müsste – mit dem Risiko, sie zu verlieren. Seit das Regime in Kiew im April 2022 beschlossen hat, die Verhandlungen mit Russland abzuwürgen, und solange die russischen Fortschritte vor Ort und der Druck von Donald Trump zugunsten echter Verhandlungen eingedämmt werden können, hat Kiew keinen objektiven Grund, Frieden zu wollen. Vor Ort ist zu beobachten, dass die Ukraine alles getan hat, um die erzielten mageren Vereinbarungen zu sabotieren, indem sie weiterhin russische Energieziele bombardiert.

Auch europäische Machteliten
leben von Kriegstreiberei

Auf europäischer Seite herrscht ebenfalls Kriegsstimmung. Alle regierenden politischen Parteien wetteifern um Kriegstreiberei, wobei die militaristischsten im Norden und Osten – Skandinavien, Dänemark, die baltischen Staaten und Polen – und die gemässigteren im Zentrum und Süden zu finden sind, mit Ausnahme Grossbritanniens im Westen des Kontinents, das von einem militaristischen Fieber befallen ist. Nur Ungarn und die Slowakei bilden eine Ausnahme. Aber sie haben kaum Gewicht. Was die Völker betrifft, so haben sie nicht mehr zu sagen als in der Ukraine, wo die Parteien, die dem Krieg ablehnend gegenüberstehen, in die Opposition verbannt werden oder aufgefordert werden, ihre Meinung zu ändern, wenn sie an die Macht kommen. Siehe Österreich, Holland oder Italien.
    Die Meinungsverschiedenheiten in bezug auf den Krieg sind daher kosmetischer Natur – mehr oder weniger Sanktionen, mehr oder weniger Waffenlieferungen, mehr oder weniger bedingungslos gespendete Milliarden. Aber sie betreffen nicht den Kern. Und sie werden um so marginaler bleiben, als die europäischen Führer den Krieg brauchen, um an der Macht zu bleiben: Der Konflikt – und die Wutausbrüche von Donald Trump – haben die Karrieren von Macron, Merz, Starmer, von der Leyen, Mette Frederiksen und Donald Tusk ins Rollen gebracht oder wiederbelebt. Sie brauchen den grossen bösen Russen und seit zwei Monaten den grossen bösen Trump zu sehr, um ihre wackelige Macht zu festigen und ihre Unbeliebtheit und ihre innenpolitischen Schwierigkeiten vergessen zu machen.

Die irreale Welt europäischer Machthaber

Die europäische Führungsschicht lebt zudem in völliger Irrealität. Einerseits ist sie beleidigt, von den Verhandlungen ausgeschlossen worden zu sein, andererseits weigert sie sich, mit Putin zu sprechen. Wo ist die Logik? Sie weigert sich auch, die strittigen Probleme des Konflikts zu sehen, die Sicherheitsbedenken, die die Russen dazu veranlasst haben, ihren Verteidigungskrieg gegen das Vordringen der Nato und die Nuklearisierung der Ukraine auszulösen. Und sie lebt weiterhin in der Illusion, dass die «sehr mutigen und heldenhaften» Ukrainer den russischen Bären vernichtend schlagen können. Solange sie nicht einsieht, dass die Sicherheit Europas nicht auf Kosten der Sicherheit Russlands gewährleistet werden kann und dass Europa durch eine verheerende Niederlage der Ukraine mehr zu verlieren hat als durch einen mutmasslichen Sieg Russlands, ist kein Weg zum Frieden möglich.

Verhandlungen – auf welcher Grundlage?

Schliesslich hat Russland die von der Trump-Administration ausgestreckte Hand sofort ergriffen, die erste ihrer Art seit fünfzehn Jahren der kontinuierlichen Verschlechterung der amerikanisch-russischen Beziehungen. Aber Russland bleibt sehr bedacht, weil es jegliches Vertrauen in das westliche Wort verloren hat. Das Versprechen, die Nato 1991 nicht nach Osten auszudehnen, wurde gebrochen. Die meisten von den USA unterzeichneten strategischen Sicherheitsabkommen wurden einseitig von der amerikanischen Seite gekündigt: der ABM-Vertrag ab 2002, der Open-Skies-Vertrag, der INF-Vertrag im Jahr 2018. Der Bruch des letzteren ebnete direkt den Weg für eine nukleare Aufrüstung der Ukraine. Daraufhin setzte Russland das letzte geltende strategische Abkommen, New START, aus, das ohnehin im nächsten Jahr ausläuft.
    Ebenso wurden die Minsker Abkommen – obwohl 2015 von der Uno bestätigt – weder von der Ukraine noch von Frankreich und Deutschland, die sie garantierten, umgesetzt. Sie wurden sogar dazu benutzt, der Ukraine die Wiederbewaffnung zu ermöglichen, wie François Hollande und Angela Merkel selbst zugaben. Auch die Art und Weise, wie die USA das JCPOA-Abkommen über das iranische Atomprogramm nach seiner mühsamen Unterzeichnung im Jahr 2015 gekündigt haben, schafft kein Vertrauen. Wie soll man unter diesen Umständen an die westliche Redlichkeit glauben? Ist der von Trump gewünschte und als Voraussetzung für Friedensverhandlungen geforderte allgemeine Waffenstillstand nicht nur ein weiteres Manöver, um Russland hereinzulegen und es den Nato-Armeen zu ermöglichen, sich zu erholen, bevor sie wieder in die Offensive gehen?
    Aus russischer Sicht sind die Versprechen des Westens also nichts wert. Deshalb fordert Putin, dass er vor einem Engagement zunächst konkrete Taten und Zeichen des guten Willens sehen möchte. Und dass zuerst verhandelt werden muss, um den allgemeinen Rahmen für einen umfassenden Frieden festzulegen, bevor es zu einem allgemeinen Waffenstillstand vor Ort kommt. Putin weiss sehr wohl, dass Russland, wenn es zu einem vorübergehenden Waffenstillstand kommt und die geplanten Verhandlungen scheitern (was mit Sicherheit passieren wird, da die Ukraine unter den gegebenen Umständen keine Kompromisse eingehen will), für alle Übel verantwortlich gemacht und von den Nationen geächtet würde, wenn die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden (und zwar auch dann, wenn diese Wiederaufnahme von den Ukrainern ausgeht).
    Schliesslich ist auch die Tatsache, dass die russischen Armeen langsam, aber sicher vorrücken, für die Russen kein Grund, zu verhandeln, auch wenn dies nicht das entscheidende Element ist.
    Die Vereinigten Staaten sind ebenfalls gespalten. Während Donald Trump und J.D. Vance sich für eine Verhandlungslösung aussprechen, gilt dies nicht für viele Republikaner: Aussenminister Marco Rubio, Sicherheitsberater Michael Waltz und Senator Lindsey Graham sind bekennende Russophobe, die sich auf die Demokraten stützen können. Donald Trump ist ausserdem ein Mann, der es eilig hat. Doch innerhalb der Fristen, die er sich unklugerweise gesetzt hat, wird er die erhofften Ergebnisse nicht erzielen. Es zeigt sich, dass sich selbst eine vorübergehende Waffenruhe bei den Bombardierungen gegen Energieziele und eine begrenzte Einigung über die Schiffahrt im Schwarzen Meer in der Praxis als sehr schwierig umzusetzen erwiesen haben.

Was wollen wir?

Von daher sind ein Wiederaufflammen des Krieges, eine Unterstützung der Ukraine und Wirtschaftssanktionen, um Russland unter Druck zu setzen, durchaus nicht auszuschliessen. Zweite Hypothese: Die USA führen weiterhin bilaterale Gespräche und erzielen eine auf Russland beschränkte Einigung, nach der sie die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland wieder aufnehmen, während sie die Ukraine mit Hilfe der Europäer den Krieg fortsetzen lassen. In beiden Fällen geht der Krieg weiter.
    Fazit: Da die Russen nicht nachgeben, weil es sich um eine existentielle Bedrohung für sie handelt, und die ukrainische und europäische Führung vom Krieg abhängig sind, um an der Macht zu bleiben, genau wie Netanjahu mit seinem Krieg in Palästina, wird die Entwicklung der Situation vor Ort entscheidend sein.
    Im Klartext: Der Krieg wird über den Frieden entscheiden. Wenn die Ukrainer gezwungen sind aufzugeben, werden ihre Unterstützer endlich gezwungen sein, die Realität zu akzeptieren und die Kämpfe zu den Bedingungen Russlands zu beenden. Wenn es ihnen im Gegenteil gelingen sollte, Widerstand zu leisten, zum Beispiel durch die Entsendung europäischer Truppen vor Ort, würde Russland seine taktischen Atomraketen einsetzen. In beiden Fällen wird Europa verlieren.
    Es liegt an Ihnen, die Option zu wählen, die Ihnen am wenigsten schlimm erscheint.

(Übersetzung Zeit-Fragen)



*Guy Mettan ist Journalist und Abgeordneter im Grossen Rat des Kantons Genf, den er 2010 präsi- dierte. Er arbeitete für das «Journal de Genève», Le Temps stratégique, Bilan, «Le Nouveau Quotidien» und später als Direktor und Chefredaktor der «Tribune de Genève». 1996 gründete er den Geneva Press Club, dessen Präsident und späterer Direktor er von 1998 bis 2019 war.

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