Verhandlungen ohne Einmischung ausländischer Mächte

Verhandlungen ohne Einmischung ausländischer Mächte

Syrien

Stellungnahme von Prof. Hans Köchler, Präsident der International Progress Organization

«Ohne Einmischung von aussen: Das bedeutet, dass ausländische Kämpfer und Söldner, einschliesslich der Mitarbeiter westlicher Geheimdienste, das Land verlassen müssen.»

Was könnte man angesichts der verheerenden Ergebnisse der westlichen Politik gegenüber Libyen vorschlagen, um dieselben Fehler wie im Fall Syriens und Irans zu vermeiden?

Hans Köchler: Die militärische Intervention der Nato in Libyen hat nicht nur zu einem verheerenden «Regime Change» geführt, sondern zu einer politischen Zerstückelung des Landes und zu einer Situation der Anarchie. Es hat die politische Lage in der Grossregion Nord-Afrika und im Nahen Osten tiefgreifend destabilisiert – mit Auswirkungen bis nach Syrien, wo libysche Waffen in den Händen von Aufständischen aufgetaucht sind. Die westlichen Länder haben nicht nach Treu und Glauben gehandelt und haben die Resolution 1973 (2011) des Sicherheitsrates für ihre eigenen strategischen Interessen ausgenutzt. Die Annahme der Libyen-Resolution, angeblich von vornehmen humanitären Zielen motiviert, war möglich auf Grund der Enthaltung zweier ständiger Mitglieder, nämlich Chinas und Russlands. Es ist grundlegend, dass die westlichen Mächte im Sicherheitsrat – die Vereinigten Staaten, Frankreich und das Vereinigte Königreich – vom Rat nicht erneut einen Blankocheck erhalten, der ihnen erlauben würde, mit dem angeblichen Segen der internationalen Gemeinschaft in Syrien oder gegen Iran mit einer bewaffneten Intervention vorzugehen.
Das Hauptelement einer Lösung im syrischen Konflikt werden Verhandlungen zwischen den betroffenen syrischen Parteien ohne Einmischung von aussen sein müssen. Das bedeutet, dass ausländische Kämpfer und Söldner, einschliesslich der Mitarbeiter westlicher Geheimdienste, das Land verlassen müssen. Nachbarländer wie die Türkei dürfen ihr Staatsgebiet nicht für die Infiltration ausländischer Kämpfer nach Syrien oder für logistische Zwecke der Aufständischen zur Verfügung stellen. Solche Unterstützung stellt einen eklatanten Verstoss gegen das Völkerrecht dar, und insbesondere von Artikel 2 der Uno-Charta. Der neue Gesandte der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, sollte die volle Unterstützung aller Mitgliedstaaten für seine Vermittlungsbemühungen auf der Grundlage des von seinem Vorgänger Kofi Annan aufgestellten Plans erhalten. Anders als die Initiativen der «Freunde der syrischen Opposition» könnten die wichtigsten Länder der Region des Nahen Ostens gemeinsam eine sinnvolle Rolle als Vermittler von Verhandlungen spielen. Der Vorschlag des ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi für die Bildung einer «Kontaktgruppe», die aus Ägypten, Iran, Saudi-Arabien und der Türkei besteht, sollte gebührend berücksichtigt werden. (Iran darf aus einer solchen regionalen Initiative nicht ausgeschlossen werden.) Was unbedingt vermieden werden muss, ist das Parteiergreifen zugunsten einer bestimmten Partei oder Gruppe in Syrien. In einer Situation eines innerstaatlichen Konfliktes wird parteiisches Handeln durch ausländische Mächte eine friedliche und dauerhafte Lösung praktisch unmöglich machen. Gegenwärtig können die beiden bestehenden regionalen Organisationen – die Arabische Liga und der Islamische Kooperationsrat – keine konstruktive Rolle spielen, weil beide die Mitgliedschaft Syriens suspendiert haben und daher in dem Konflikt Partei ergriffen haben. Eine bilaterale «Arbeitsgruppe» wie jene zwischen den Vereinigten Staaten und einem regionalen Staat (nämlich der Türkei) wird für eine friedliche Beilegung ebenfalls kontraproduktiv sein, da diese Vereinbarung die gesamte Region der geopolitischen Agenda einer entfernten Supermacht aussetzt und riskiert, den laufenden (regionalen) Stellvertreterkrieg zu «globalisieren» – mit gefährlichen Konsequenzen für alle Beteiligten (einschliesslich der Türkei).

Wenn man über die zivilisatorische Dimension des Syrien-Konfliktes spricht: Was sind Ihre allfälligen Überlegungen zur Zukunft der muslimisch-westlichen Beziehungen?

Auf Grund der kulturellen und religiösen Vielfalt von Syrien hat der interne Konflikt im Land Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der muslimischen und der westlichen Welt im allgemeinen. Sollte religiöser Fanatismus überhand nehmen und die staatlichen Strukturen Syriens zusammenbrechen, könnte die Situation der Christen – die seit den Tagen von Jesus in dem Land gelebt haben – unhaltbar werden – mit Folgewirkungen im gesamten Nahen Osten und in ­Europa. Gleichzeitig werden die Beziehungen der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften in der gesamten muslimischen Welt davon ernsthaft betroffen sein. Diejenigen Staaten, die sich selbst zu «Freunden» der «Allianz der Zivilisationen» der Vereinten Nationen erklärt haben, wie Saudi-Arabien und die Türkei, dürfen sich nicht weiter an der bewaffneten Einmischung in den innerstaatlichen Konflikt in Syrien beteiligen. Ihr Vorgehen hat nicht nur die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen hinsichtlich eines interzivilisatorischen und interkulturellen Dialogs untergraben, sie riskieren heute, die Region in einen langen konfessionellen Krieg mit unbeabsichtigten Konsequenzen für die intervenierenden Staaten und unvorhersehbaren Folgen für die ganze Welt zu führen.    •

Wien, 23. August 2012

Quelle: Veröffentlicht vom World Public Forum am 24. August 2012 auf <link http: www.wpfdc.org>www.wpfdc.org
(Übersetzung Zeit-Fragen)

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