von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
zf. Vor wenigen Wochen ist ein neues Buch des deutschen Staatsrechtslehrers Karl Albrecht Schachtschneider erschienen. Das Buch trägt den Titel «Die Souveränität Deutschlands. Souverän ist, wer frei ist». Auf rund 350 Seiten klärt das Buch rechtshistorisch und rechtssystematisch grundlegende Begriffe im Umfeld des Souveränitätsbegriffes. Es stellt dabei insbesondere die politische Freiheit als mit der Herrschaft von Menschen über Menschen unvereinbar dar. Das Buch geht der Frage nach, welche verschiedenen Souveränitätslehren im Laufe der Jahrhunderte formuliert und auch praktisch umgesetzt wurden und wie mit der europäischen Aufklärung die Idee der Volkssouveränität ihren Siegeszug antrat. Aus der historischen Betrachtung heraus wird ein freiheitlicher Souveränitätsbegriff entwickelt, um davon ausgehend der Frage nachzugehen, wie souverän Deutschland ist. Die letzten 150 Seiten des Buches weisen dezidiert nach, warum die Europäische Union, deren Währungsunion und insbesondere der ESM souveränitätswidrig sind und damit ein Angriff auf die Würde des Menschen, auf die politische Freiheit, auf die «Menschheit des Menschen».
Das Buch von Professor Schachtschneider geht unmittelbar vor allem auf Deutschland ein, ist in seinen grundlegenden Ausführungen aber für jedes Land von grosser Bedeutung. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages drucken wir im folgenden das Vorwort und die Einleitung des Buches ab.
Souveränität ist in aller Munde. Die Verteidigung der Souveränität der Nationalstaaten gegen die postnationale Weltherrschaft ist der heutige Beruf derer, die die Freiheit der Bürger als Menschen nicht aufgeben wollen. Souveränität ist Freiheit. Sie kann nur in Rechtsstaaten, Demokratien und Sozialstaaten, in Republiken also, Wirklichkeit finden.
Die Souveränität der europäischen Völker wird durch die europäische und die globale Integration abzuschaffen versucht. Für das Bundesverfassungsgericht ist die Souveränität Deutschlands die Grenze der Integration. Es sieht allerdings diesen Souveränitätsvorbehalt vom Grundgesetz weit zurückgenommen. Der republikanische Souveränitätsbegriff ist nicht geklärt und nicht einmal hinreichend erörtert. Es ist eine Grundlegung freiheitlicher Souveränität zu leisten.
Die deutsche Staatsrechtslehre hat die Revolution von 1918 nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Sie konzipiert Souveränität nach wie vor als Herrschaft des Staates, den sie aber von der Gesellschaft trennt. Sie behandelt die Bürger als Untertanen der Obrigkeit mit schmalen Freiheitsrechten.
Volkssouveränität beschränkt sie meist auf den pouvoir constituant. Souverän aber ist, wer frei ist, also der Bürger. Er gestaltet sein Leben und seinen Staat mit allen anderen Bürgern und ist darin Politiker. Souverän ist die Bürgerschaft, nicht etwa deren Vertreter in den Organen des Staates. Souveränität als Freiheit kann den Bürgern um ihrer Würde willen nicht genommen werden. Sie kann auch nicht auf die Europäische Union übertragen werden. Sie hat Grenzen im Innern und nach aussen. Sie kann verletzt werden und wird verletzt, zutiefst von der Europäischen Union in deren gegenwärtigen Form, zumal durch die Währungs- und Wirtschaftsunion. Wer den Deutschen die Souveränität nehmen will, muss ein neues Volk und einen neuen Staat schaffen, das Unionsvolk und den Unionsstaat. Das geht nicht gegen den Willen aller Völker der Union, auch nicht gegen den Willen der Deutschen. Den aber fürchtet die politische Klasse und entleert darum die Souveränität schleichend. Dem müssen die Bürger um ihrer Würde und Freiheit willen Widerstand entgegensetzen.
Alle meine europapolitischen Verfassungsprozesse haben versucht, die Freiheit und das Recht der Deutschen zu verteidigen, deren Souveränität, mit mässigem, aber auch nicht ohne Erfolg. Dieses Buch unterbreitet eine freiheitliche, demokratische und rechtstaatliche, eine bürgerliche Lehre der Souveränität, die zur Lehre von der Republik gehört. Es handelt auch von den Verletzungen der Souveränität Deutschlands.
Deutschland sei «seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen», bekundete Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen, vor den versammelten Bankern des Europäischen Bankenkongresses am 18. November 2011. Das war geradezu eine Verbeugung des Staates vor dem neuen Souverän des entgrenzten Kapitalismus. Es schien, als wolle er damit rechtfertigen, dass die Deutschen die weitere Einschränkung der Souveränität Deutschlands durch eine europäische Fiskalunion, die er in 24 Monaten meinte errichten zu können, hinnehmen müssen. In «Europa» sei die Souveränität ohnehin «längst ad absurdum» geführt. Die Souveränität Deutschlands ist ein zentrales Problem der Integration Deutschlands in die Europäische Union, aber nach wie vor eine Streitfrage über die Stellung Deutschlands in der Staatenwelt.
Wladimir Putin schrieb demgegenüber am 27. Februar 2012, kurz vor seiner erneuten Wahl zum Präsidenten Russlands, in der russischen Tageszeitung «Moskovskie Novosti» zum Thema «Russland und die Welt im Wandel»: «Die zahlreichen bewaffneten Konflikte, die in jüngster Zeit ausgebrochen sind und die durch humanitäre Ziele gerechtfertigt werden, verletzen das seit Jahrhunderten heilige Prinzip der staatlichen Souveränität. In den internationalen Beziehungen entsteht ein neues Vakuum – ein moralisch-rechtliches. Man sagt oft, die Menschenrechte hätten Vorrang gegenüber der staatlichen Souveränität. Das stimmt zweifelsohne – jegliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen von internationalen Gerichten geahndet werden. Wenn aber unter solchen Vorwänden die staatliche Souveränität einfach verletzt wird, wenn die Menschenrechte von äusseren Kräften selektiv beschützt werden, wenn bei der ‹Verteidigung der Menschenrechte› die Rechte von vielen anderen Menschen verletzt werden, darunter das allerwichtigste und heilige Recht auf Leben, dann handelt es sich nicht um eine edle Sache, sondern um ganz einfache Demagogie.»1 Der russische Jurist versteht von der Souveränität augenscheinlich mehr als der deutsche.
Der immer schon ebenso folgenreiche wie streitige Souveränitätsbegriff war seit Jahrhunderten mehr ein verfassungspolitischer Kampfbegriff als ein subsumtionsfähiger Verfassungsbegriff, stets mit den politischen Verhältnissen im Wandel, mal die höchste Gewalt, besser Gewaltbefugnis, des Fürsten gewissermassen als Vertreter Gottes auf Erden oder auch als Repräsentant des Volkes (Fürstensouveränität), mal die des Volkes selbst (Volkssouveränität), meist beschränkt durch das Naturrecht, Völkerrecht, Verfassungsrecht oder auch durch Verträge, oft aber auch gänzlich unbeschränkt.
Eine umfassende und hilfreiche Darstellung der Geschichte des Souveränitätsbegriffs und damit auch der Geschichte der Souveränität selbst haben Hans Boldt, Werner Conze, Görg Haverkate, Diethelm Klippel und Reinhart Kosseleck in Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Band 6, Geschichtliche Grundbegriffe, St-Vert, 1990, Stichwort «Staat und Souveränität», S. 1–154, vorgelegt (im folgenden Geschichtliche Grundbegriffe). Grundlagen hat Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, Band l. Die Grundlagen, 1970, gelegt, der noch einmal die Geschichte des Begriffs in Souveränität. Entstehung und Entwicklung des Begriffs in Frankreich und Deutschland vom 13. Jahrhundert bis 1806, 1986, bearbeitet hat.
Der Begriff der Souveränität hat demgemäss eine wechselreiche Geschichte. Seine Materie ist jeweils an die Machtlage, aber auch an die Rechtslage gebunden und mit diesen im Umbruch. Die Rechtslehren selbst sind weitgehend den Lebens- und den Machtverhältnissen verpflichtet. Die Paradigmen- Wechsel der Lebenswelt, ausgelöst durch Religionen, Philosophien, Techniken, Wissenschaften, Politiken, Umstürze oder Revolutionen, haben Auswirkungen auch und gerade auf den Begriff der Souveränität. Aber das Recht der Menschheit des Menschen, das Recht, das mit dem Menschen, jedem Menschen, geboren ist, die Freiheit und die mit der Freiheit untrennbar verbundenen Menschenrechte, steht über den Gegebenheiten, über der Lage. So wenig es die Wirklichkeit bestimmt, so sehr soll das Recht, diese Idee der Menschheit des Menschen, das Handeln der Menschen, deren Wirklichkeit, leiten. Es ist die ewige Aufgabe der Rechtslehre, dem Menschen zu dienen. Meist aber dient sie der Macht, an der allzu viele Rechtslehrer gern teilhaben.
Souveränität erfasst begrifflich wie kein anderer Begriff die Verfassungslage menschlicher Gemeinwesen. So haben der Theismus des Christentums und die Jahrhunderte währende gelebte Religiosität mit der geistlichen und weltlichen Macht der Kirche eine andere Souveränitätslehre hervorgebracht als der Atheismus oder auch Deismus der Aufklärung, der die Lebenswelt mehr oder weniger laizistisch gestaltet hat.
Zu einem Leitbegriff der Politik und damit der Staatslehre ist der Begriff der Souveränität mit der Entwicklung des Modernen Staates geworden, der durch die Territorialität des politischen Systems im Gegensatz zur Personalität der politischen Verhältnisse gekennzeichnet ist. Demgemäss entwickelt sich die moderne Souveränitätslehre vornehmlich in Frankreich, dem ersten eigentlichen, durch die Territorialherrschaft geprägten Staat nach dem mittelalterlichen Reich der personalen Lehnsherrschaft. Die Befriedung des konfessionellen Bürgerkriegs fordert einen starken Mann, den souveränen Fürsten, den Princeps, Principe oder Prince, der über Recht und Unrecht entscheidet und das Recht, das er setzt, durchzusetzen vermag. Die technischen Voraussetzungen territorialer Herrschaft genügen für eine solche Souveränität.
Der einflussreichste Lehrer dieser von dem mörderischen Bürgerkrieg zwischen den Katholiken und den Protestanten in Frankreich bewegten Befriedungslehre ist Jean Bodin mit seinem Werk Les six livres de la république, 1576. Seine Lehre bleibt, obwohl sie gegen den politischen Einfluss der Stände, zumal der Kirche, gerichtet ist, religiös gebunden. Grenze der Souveränität als der suprema potestas des Fürsten ist das Naturrecht, das göttliche Recht, und damit auch alle Verträge. Der Fürst muss diese Grenze achten, um nicht der Strafe Gottes anheimzufallen. Kein Mensch kann ihn zwingen. Gewaltenteilung ist der Souveränität zuwider.
Mit der Entwicklung der Territorialstaaten auch in Deutschland nach dem Dreissigjährigen Krieg setzt sich die Bodinsche Souveränitätslehre auch in Deutschland und schliesslich in ganz Europa durch. Es entsteht der monarchische Absolutismus. 75 Jahre nach Bodin schreibt 1651 Thomas Hobbes seinen Leviathan, wiederum als Antwort auf die Schrecken des Bürgerkrieges in England zwischen Karl I. und dem Parlament und Oliver Cromwell. Sein Werk stützt den Absolutismus vertragsdogmatisch und rechtfertigt vielen bis heute die Herrschaftlichkeit des Staates. Schon Niccolo Machiavelli, selbst Republikaner, hatte die mit allen Mitteln behauptete Staatsräson in den Stadtstaaten Italiens mit seinem Il Principe, 1513, posthum veröffentlicht 1532, als Notwendigkeit befriedender Herrschaft gerechtfertigt. Der Machiavellismus prägt noch heute die Methoden vieler Politiker.
Das Renascimento, die Renaissance, die Wiedergeburt der Antike und damit der griechischen Aufklärung, geht über in die religionskritische Aufklärung der Neuzeit. Diese lehrt die Freiheit des Menschen und verändert die politische Welt. Die Herrschaft kann nicht mehr auf den Willen Gottes gestellt werden, der Monarch ist nicht mehr der Vertreter Gottes auf Erden, schon bei Hobbes nicht mehr, dessen Leviathan Vertreter des Volkes ist. Mehr und mehr wird das Gemeinwesen freiheitlich als Republik konzipiert.
Die grossen Lehrer der Freiheit sind Jean-Jacques Rousseau mit seinem Contract Social, 1762, und Immanuel Kant mit der Kritik der reinen Vernunft, 1781/87, der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/86, der Kritik der praktischen Vernunft, 1788, der Metaphysik der Sitten, 1797/98, dem Zum ewigen Frieden, 1795/96, aber auch den weiteren Kritiken. Doch auch John Locke, The Second Treatise of Government, Über die Regierung, 1690, und Charles Montesquieu, De l’esprit des lois, Vom Geist der Gesetze, 1748, haben wesentlich zur durch Freiheit geprägten Republiklehre beigetragen.
Nachdem Napoleon «liberté, égalité, fraternité» – also Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – in einen neuen Cäsarismus verwandelt und Europa unterworfen hatte, bestanden die Freiheitsidee und das Nationalprinzip in den Befreiungskriegen ihre grosse Bewährungsprobe. Aber die Restauration Metternichs und die Romantik drängten die politische Freiheit und mit ihr die Volkssouveränität wirksam zurück. Die zarte Revolution in Deutschland 1848 ist gescheitert.
Der Philosoph des restaurativen Konstitutionalismus wird Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Seine Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, kurz: Rechtsphilosophie, 1821, lehrt ein geschichtsmetaphysisches Staatsdogma, das den Staat als Wirklichkeit der Vernunft und der Sittlichkeit begreift und von der Gesellschaft als dem System der Bedürfnisse trennt. Der Staat ist nach innen und aussen selbstgewisse und selbstbestimmte Herrschaft. Sein Wille ist nicht nur vernünftig, Ausdruck des Weltgeistes, sondern auch Recht. Politische Freiheit der Bürger im kantischen Sinne ironisiert Hegel wegen der «Seichtigkeit der Gedanken». Die äussere Souveränität stellt Hegel über das Recht. Über Recht und Unrecht entscheidet der Sieg. Hegel hat der aufklärerischen Freiheitslehre in Deutschland die Wirkung genommen, bis heute, und den Machtstaat ins Recht gesetzt. Das hatte verheerende Folgen, aber Hegel war der bestimmende Philosoph Deutschlands des 19. und noch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Verfassungstexte Deutschlands, schon die Weimarer Reichsverfassung und erst recht das Grundgesetz, aber sind kantianisch. Hegel hat viele Schüler, nach wie vor.
Der auffälligste ist Carl Schmitt, dessen Souveränitätslehre nicht nur existenzialistisch, sondern herrschaftlich und diktatorisch ist. Seine wichtigste Schrift zur Souveränität ist ausser der Verfassungslehre, 1927, und der Diktatur, 1923/1927, die Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, 1922. Der erste Satz dieser Schrift wird viel zitiert: «Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.» Diese Position ist fern des Rechts. Die Freiheit lehnt Schmitt als politisches Formprinzip ab. Carl Schmitt findet noch heute in Deutschland und in der Welt viel Gefolgschaft. Zentrale Begriffe übernimmt die herrschende Staatsrechtslehre noch immer von Schmitt, zumal den herrschaftlichen Begriff der Repräsentation.
Hans Kelsen wendet sich auf der Grundlage seiner weltfremden Reinen Rechtslehre vor allem in Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts. Beitrag zur reinen Rechtslehre, 1920, 2. Aufl. 1928, gegen die Souveränität. Auch Hermann Heller hat sich intensiv mit der Souveränität auseinandergesetzt, nämlich in Die Souveränität, 1927, und zuvor schon in Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke in Deutschland, 1921. Seine Souveränitätslehre löst sich trotz harscher Kritik nicht von Hegel und bleibt eine Herrschaftslehre.
Unter dem Grundgesetz ist keine bemerkenswerte Souveränitätsdogmatik entwickelt worden. Die verschiedenen Schriften sind meist von einem wenig bewussten Hegelianismus bestimmt, jedenfalls durchgehend herrschaftsorientiert. Martin Kriele akzeptiert in seiner Einführung in die Staatslehre. Die geschichtlichen Legitimationsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates, 1975/2003, nur die Souveränität des Volkes als pouvoir constituant, weist aber im Verfassungsstaat des pouvoir constitué eine Souveränität zurück, weil er Souveränität nur als Herrschaftsbefugnis ohne Gewaltenteilung erfasst. Eine freiheitliche Souveränitätslehre, die Anschluss an Rousseau und Kant sucht, ist bisher nicht entworfen worden. Eine solche hat auch Werner Mäder in Kritik der Verfassung Deutschlands. Hegels Vermächtnis 1901 und 2001, 2002, und Vom Wesen der Souveränität. Ein deutsches und ein europäisches Problem, 2007, nicht versucht, der in berechtigter Sorge die Souveränität Deutschlands vornehmlich an den Souveränitätsbegriffen Bodins, Hobbes’, Hegels, Hellers und Schmitts misst und die europäische Integration richtiger als Souveränitätsverlust kritisiert.
Das Bundesverfassungsgericht nutzt den Souveränitätsbegriff an sich richtig und materialisiert ihn durch gewisse Souveränitätsvorbehalte, hat aber keinen Versuch gemacht, den Begriff zu definieren. Die gegenwärtige Debatte leidet überhaupt daran, dass nicht hinreichend definiert wird, was unter Souveränität zu verstehen ist. Souveränität ist ein Wort der Polemik geworden. Aber es ist ein Begriff des Rechts, sowohl des Völkerrechts als auch des Staatsrechts, dessen Definition folgenreich ist. Recht kann nur als Wirklichkeit der Freiheit verstanden werden. Demgemäss ist die Souveränität eine Kategorie der Freiheit, und zwar der Freiheit der Menschen und Bürger, nämlich die Freiheit des Volkes als Bürgerschaft. Das ist darzulegen, bevor die Grenzen und Verletzungen der inneren und äusseren Souveränität und die besonderen Aspekte der Souveränität Deutschlands erörtert werden.
Die angesprochenen Souveränitätslehren habe ich näher in der Schrift Freiheitliche Souveränität dargelegt und insbesondere die Herrschaftslehren Bodins, Hobbes’, Hegels, Hellers und Schmitts, aber auch Krieles kritisiert. Ich stütze mich auf Rousseau und Kant. Ich verweise auf diese Ausführungen, kann aber dem Leser einige Sätze zu diesen Souveränitätslehren wegen ihrer Wirkungen bis in unsere Zeit nicht ersparen. In dieser Schrift geht es darum, die Souveränität Deutschlands, deren Grenzen und Verletzungen darzulegen, zumal die durch die Integration in die Europäische Union. Dafür muss freilich die freiheitliche Souveränitätslehre, die Souveränität der Bürger, als Grundlage unterbreitet werden. Souveränität ist auch in der und für die Republik, der Staatsform der allgemeinen Freiheit, ein zentraler Begriff des Staatsrechts und des Völkerrechts. Wesentliche Unterscheidungen der Souveränitätslehre müssen jedoch zur Sprache gebracht werden, nämlich die zwischen Souveränität als Herrschaft und als Freiheit und die zwischen Souveränität als Macht und als Recht, aber auch zwischen einer Volkssouveränität, in der Volk als von den Bürgern unterschiedene politische Einheit verstanden wird, und Bürgersouveränität. In der vom Verlag Duncker & Humblot, Berlin, veröffentlichten Schrift zur Freiheitlichen Souveränität sind auch die Kapitel, die um der Sache willen in beiden Schriften erörtert werden müssen, durch Zitate auch aus den fremdsprachigen Originalschriften und mannigfache, vielfach auch kritische, Belege verstärkt, die manchen Leser, der sich in die Souveränitätslehre vertiefen will, interessieren könnten, aber für den in dieser Schrift unterbreiteten Gedankengang nicht unbedingt erforderlich sind. Materialfülle dient der wissenschaftlichen Unangreifbarkeit, kann aber auch den Lesefluss erschweren.
Um Missverständnissen meiner Begriffe, die alle je nach dem politischen und rechtlichen System, in dem sie gebraucht werden, unterschiedlichen Begriffsgehalt haben und wegen ihres politischen Gewichts vielfach interessiert ideologisiert werden, vorzubeugen, stelle ich die wichtigsten vor, bevor ich meine Souveränitätslehre entwickle, auf deren Grundlage ich die Grenzen der inneren und äusseren Souveränität und die Verletzungen der Souveränität erörtere. Diese meine Begriffe genügen im übrigen dem Grundgesetz, das als das Verfassungsgesetz der Deutschen der genannten Verfassung der Menschheit des Menschen genügt und seinen Verfassungskern der politischen Disposition entzieht. •
1 Dokumentation in deutscher Übersetzung, Zeit-Fragen, Nr. 13 vom 26. März 2012, S. 9 ff.
Auszug aus Karl Albrecht Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands. Souverän ist, wer frei ist. Kopp Verlag. 2012, ISBN 978-3-86445-043-3, S. 9–16
vom 26. Oktober 2012 zum Austritt der immerwährend neutralen Republik Österreich aus der Europäischen Union mit allen ihren Folgeverträgen
1. Wir, österreichische Frauen und Männer aus allen Bundesländern unserer Republik, haben uns in Wien, in der Bundeshauptstadt unserer Republik, friedlich versammelt, um an unserem Nationalfeiertag die wortgetreue Umsetzung des Nationalfeiertagsgesetzes1 einzufordern. Wir sind hier wegen der Tatsache, «dass Österreich am 26. Oktober 1955 mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs2 seinen Willen erklärt hat, für alle Zukunft und unter allen Umständen seine Unabhängigkeit zu wahren und sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen, und in eben demselben Bundesverfassungsgesetz seine immerwährende Neutralität festgelegt hat» und dass Österreich damit seinen Willen bekundet hat, «als dauernd neutraler Staat einen wertvollen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten zu können». Wir sind uns bewusst, dass diese von uns stets nach Schweizer Muster aufgefasste immerwährende Neutralität3 es war, die uns mit dem Wiener Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 den Abzug der alliierten Sieger- und Besatzungsmächte des Zweiten Weltkrieges und ihrer militärischen Streitkräfte aus unserem Land beschert hat – und damit die volle Freiheit innerhalb der Völkerrechtsfamilie.
57 Jahre danach muss diese inzwischen an die EU verlorengegangene Freiheit voll wiederhergestellt werden!
2. Wir fordern heute von den obersten Staatsorganen unserer Republik, dem Bundespräsidenten und den Mitgliedern des National- und Bundesrates die sofortige Einleitung des Austritts aus der «Europäischen Union» mit allen ihren Folgeverträgen zur Wiedererlangung der Selbstbestimmung des österreichischen Volkes im Sinne je des Art. 1 Abs. 1 der beiden UN-Weltmenschenrechtspakte vom 16. Dezember 1966.4 Demnach haben alle Völker das Recht auf Selbstbestimmung, und sie können kraft dieses Rechtes frei über ihren politischen Status und in Freiheit über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung entscheiden.
Artikel 1 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes lautet: «Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.» Was ist aber denn für uns Österreicher volksabstimmungslos aus der EU geworden, seit ein Teil der österreichischen Menschen in der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994 ihr erst- und letztmalig das Vertrauen schenken durfte? Anderswo: in Frankreich (am 29. Mai 2005), in den Niederlanden (am 1. Juni 2005) scheiterte die EU-«Verfassung für Europa», in Irland (am 12. Juni 2008) zunächst seiner Neutralität wegen der Lissaboner Ersatz-Verfassungsvertrag – kraft Spruch dieser Völker. Währenddessen liessen in Österreich unsere Staatsfunktionäre die EU ihren Weg ungehindert fortsetzen – bis zu einer «Schuldenunion» und einem ESM, die die Lebensverhältnisse vieler künftiger Generationen europäischer Menschen schwerstens belasten. Ja, unsere Staatsfunktionäre förderten die EU auf diesem Weg auch noch.5 Offen durfte sogar nicht nur ein Spitzenfunktionär der EU von einer umfassenden «Europäischen Fiskalunion» sprechen, also nicht nur mehr von einem «Europäischem Bundesstaat», sondern von einem die Staatlichkeiten der europäischen Völker überhaupt verschlingenden Kollektiv.
3. Wir glauben, dass damit der Krug voll ist und wir als Bürger eines immerwährend neutralen Staates den vielen Schickalsgenossenschaften in anderen europäischen Staaten das hiermit gesetzte Zeichen unserer Solidarität schuldig sind.
Wir Österreicher werden auch ausserhalb der EU Europäer sein und bleiben – in friedvoller Solidarität mit allen Menschen auf der Erde!
Für die vielen Teilnehmer an der gesamtösterreichischen Demonstration:
Rechtsanwältin Dr. Eva Maria Barki, Wien
Mag. Klaus Faissner, Wien
Justizminister a.D., Univ. Prof. Dr.
Hans Richard Klecatsky, Innsbruck
Univ. Prof. Dr. Karl Socher, Innsbruck
1 Präambel zum Bundesgesetz vom 28. Juni 1967. BGBl Nr. 63
2 BGBl. Nr. 211/1955
3 Moskauer Memorandum vom 15. April 1955
4 BGBl. Nr. 1978/590, 591
5 Jedenfalls offen durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl I 2008/2 bis zu den «Rettungsschirmen» und dem «ESM».
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