von Martin Spiewak
zf. Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie. Noch nie von ihm gehört? Das wird sich ändern.
Ein neuer Name geht um in der Pädagogik. Man liest ihn in Aufsätzen und hört ihn in Vorträgen. Einige der wichtigsten deutschen Schulforscher kommen ohne ihn nicht mehr aus. Und schon bald, das sei prophezeit, werden es alle sein. Vom «Hattie-Faktor» und vom «Hattie-Ranking» ist die Rede. Und man fragt: «Was steht bei Hattie dazu?» Da bei uns in der Schweiz manche Pädagogischen Hochschulen und manche Schulpflegen tun, als ob sie noch nichts gehört hätten davon, dass in Deutschland und Österreich der ganze Reform-Unsinn wieder «abgeräumt» werden muss, bringen wir nachstehend einige Anregungen dazu, die nicht übergangen werden können. Wer sich bei uns im Reformeifer heiss gelaufen hat, tut gut daran, von seinen Touren herunterzukommen, die OECD-Hörigkeit aufzugeben und zu überlegen, wie er rechtzeitig auf den Boden der Realität zurückkehrt. Die Zeit der «globalen Flausen» läuft ab.
John Hattie – Neuseeländer, Bildungsforscher, Professor an der University of Melbourne – hat 2008 ein Buch herausgebracht, das die pädagogische Welt seitdem elektrisiert. «Visible Learning» (sinngemäss übersetzt: Sichtbare Lernprozesse) heisst der Titel des Werkes. Es hat den Anspruch, die wichtigste Frage der Bildungsforschung umfassend zu beantworten: Was ist guter Unterricht?
Das klingt anmassend, ja wahnsinnig, und ein bisschen ist es das auch. Denn John Hattie tat, was vor ihm noch niemand versucht hatte: sämtliche englischsprachigen Studien weltweit zum Lernerfolg zu sichten, zu gewichten und zu einer grossen Synthese der empirischen Unterrichtsforschung zusammenzuführen. Mehr als 800 Meta-Analysen wertete er dafür aus, also jene Art von Untersuchungen, die verschiedene Studien zu einem Thema zusammenfassen, sei es zu Hausaufgaben oder Förderunterricht, zum Vokabellernen, zur Elternarbeit oder zum Sitzenbleiben.
Aus diesen Meta-Analysen erstellte er mit dem Handwerkzeug des Statistikers eine Mega-Analyse, in die mehr als 50 000 Einzeluntersuchungen mit 250 Millionen beteiligten Schülern eingeflossen sind. Für die verschiedenen Unterrichtsmethoden und Lernbedingungen errechnete Hattie dann einen Erfolgsfaktor, Effektstärke genannt. Anderthalb Jahrzehnte benötigte der Forscher für seine Fleissarbeit. Am Ende erstellte Hattie eine Art Bestenliste der wirkungsvollsten pädagogischen Programme.
«Visible Learning» – die weltweit grösste Datenbasis zur Unterrichtsforschung – machte Hattie innerhalb kurzer Zeit zu einer internationalen Grösse. Die Bildungsbeilage der englischen «Times» nennt ihn den «wohl einflussreichsten Bildungswissenschaftler der Welt». Andere stellen sein Buch mit den grossen internationalen Vergleichsuntersuchungen wie Pisa auf eine Stufe. Und selbst kritische Artikel tragen Überschriften wie: «Hat John Hattie tatsächlich den Heiligen Gral der Schulforschung gefunden?»
Dabei begründet nicht allein die megalomanische Dimension seines Projektes Hatties Ruf oder die Kälte seines wissenschaftlichen Blicks («Meinungen gibt es genug; was zählt, ist messbare Evidenz»). Die grösste Sprengkraft liegt in seinen Erkenntnissen. Denn diese stehen geradezu quer zur bildungspolitischen Debatte in vielen Ländern. «Wir diskutieren leidenschaftlich über die äusseren Strukturen von Schule und Unterricht», kritisiert Hattie. «Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.»
So hat die finanzielle Ausstattung einer Schule nur wenig Einfluss auf den Wissensgewinn ihrer Schüler. Ähnlich verhält es sich mit der Reduzierung der Klassengrösse, der Lieblingslösung der Lehrerschaft für Probleme jeder Art. Kleine Klassen kosten zwar viel Geld, bleiben in puncto Lernerfolg aber weitgehend ertraglos. Auf Hatties Ranking landet die Klassengrösse auf Platz 106. Weltweit wird zudem die Konkurrenz zwischen staatlichen und privaten Schulen beschworen. In den Lernfortschritten der Schüler unterscheiden sich die Schulformen jedoch nur minimal.
Ohnehin hält Hattie das Gerede über vorbildliche Schulen für «nahezu irrelevant». Alle seine Daten belegen, so der Schulforscher, dass sich die grössten Unterschiede im Lernzuwachs nicht zwischen Schulen zeigen, sondern zwischen einzelnen Klassen, und das bedeutet: zwischen einzelnen Lehrern. Das ist Hatties zentrale Botschaft, die er aus dem Datengebirge zutage gefördert hat: Was Schüler lernen, bestimmt der einzelne Pädagoge. Alle anderen Einflussfaktoren – die materiellen Rahmenbedingungen, die Schulform oder spezielle Lehrmethoden – sind dagegen zweitrangig.
Auf den guten Lehrer kommt es also an. Das klingt banal, meint man. Das weiss doch jeder, heisst es. Doch warum glaubt die Politik noch immer, Lernergebnisse mit Strukturreformen verbessern zu können? Wieso blüht gerade in der deutschen Schuldebatte ein Methodenglauben? Und wie kommt es, dass ausgerechnet Pädagogen ihre Bedeutung kleinreden? Im vergangenen Jahr fragte das Allensbach-Institut Lehrer nach ihrer Bedeutung. 48 Prozent meinten, sie hätten wenig oder gar keinen Einfluss auf ihre Schüler, ganz im Gegensatz zu den Medien etwa. Nur ganze 8 Prozent schrieben sich eine «sehr grosse» Bedeutung zu.
Hatties Forschungsergebnisse dementieren solche Einflusslosigkeit. Gleichzeitig widerspricht er allen Ansinnen, den Lehrer im Unterricht zu marginalisieren. Für Hattie darf ein Lehrer kein blosser Lernbegleiter sein, kein Architekt von Lernumgebungen («faciliator»). Will er etwas erreichen, muss ein Lehrer sich vielmehr als Regisseur verstehen, als «activator», der seine Klasse im Griff und jeden einzelnen stets im Blick hat.
Für reformpädagogisch Bewegte sind diese Aussagen schwer verdaulich. Dass Schüler ihre «Lernprozesse am besten selbst gestalten», wie etwa die jüngst gegründete Initiative «Schule im Aufbruch» propagiert, dürfte Hattie für abwegig halten. Andere Lieblingskonzepte der Neudenker von Schule fallen bei ihm ebenso durch. Das gilt besonders für den «offenen Unterricht» oder die «jahrgangsübergreifenden Klassen». Für beide hat Hattie so gut wie keine empirischen Belege dafür gefunden, dass sie das Lernen verbessern.
Auch dass die Individualisierung des Unterrichts per se eine hohe Lernwirksamkeit besitzt, kann man nach Hatties Befunden nicht sagen. «Angesichts der grossen Hoffnungen, die man mit der sogenannten individuellen Förderung verbindet, sollte man noch einmal überlegen, was man mit dem Schlagwort meint», warnt Eckhard Klieme. Der Frankfurter Schulforscher hat Hatties Grossprojekt als einer der ersten in Deutschland rezipiert. Für ihn unterstreichen die Forschungsergebnisse des Neuseeländers vor allem die Bedeutung der Struktur für jeden guten Unterricht.
Das beginnt mit einer stringenten Klassenführung («classroom management»). Ein guter Lehrer darf keine Zeit mit unwichtigen Dingen verschwenden, und er muss rasch erkennen, wann er auf eine Störung mit Strenge und wann mit Humor reagiert. Noch höher auf der Hattie-Skala rangiert die «teacher clarity», dass Schüler also verstehen, was der Lehrer von ihnen will. Beide Erfolgsbedingungen für einen gelungenen Unterricht werden stark unterschätzt. In der Pädagogenausbildung spielen sie kaum eine Rolle. Dabei gehen im Leben eines Schülers Wochen an Lernzeit allein damit verloren, dass Lehrer umständlich Arbeitsblätter verteilen. Ganze Stunden erweisen sich als wirkungslos, weil der Lehrer zu Beginn nicht klarmacht, worauf es in den nächsten 45 Minuten ankommt.
Strukturiert und disziplinbewusst, fachbezogen und stets im Mittelpunkt des Geschehens: Den Lehrertyp kenn ich, wird mancher in Deutschland sagen, den findet man doch bei uns in jedem Gymnasium! Doch so sehr Hattie den «Lerncoach» ablehnt, der ab und an vom Rand des Unterrichtsgeschehens eine Bemerkung macht, so wenig taugen seine Forschungen, um den traditionellen Studienrat zu rehabilitieren, der seinen Schülern die Früchte eines umfassenden Fachwissens mittels Vorträgen kredenzt.
Zwar steuert ein guter Lehrer laut Hattie den Unterricht von der ersten bis zur letzten Minute. Er nimmt hierbei jedoch – das ist das Besondere – immer die Perspektive seiner Schüler ein. «Ein guter Lehrer sieht den eigenen Unterricht mit den Augen seiner Schüler», sagt Hattie. Wie das genau funktioniert, erklärt der neuseeländische Bildungsforscher in seinem zweiten Buch, das 2011 erschienen ist. In «Visible Learning for Teachers» skizziert John Hattie eine Pädagogik der permanenten Selbstreflexion.
Das beginnt mit der Haltung. Viel zu viele Lehrer, kritisiert Hattie, erklärten die fehlenden Lernfortschritte mit den Schwächen ihrer Schüler: dem Mangel an Fleiss, der falschen Eignung oder der fehlenden Unterstützung des Elternhauses. Statt dessen müsse der Lehrer sich fragen, was er falsch macht, wenn seine Klasse beim Lernen nicht vorankommt.
Die Empirie gibt Hattie anscheinend recht. Bis zu einer Klassenstufe kann sich der Lernfortschritt von Schülern unterscheiden, je nachdem welchen Lehrer sie haben. Besonders augenfällig machte diese Qualitätsdifferenz vor einigen Jahren ein Experiment in Schweden. Hier übernahmen ausgewählte Lehrer die Klasse einer Brennpunktschule, deren Schüler sich weitgehend aufgegeben hatten. Nach einem Jahr hatten sie die Stimmung gedreht und den Lernrückstand beträchtlich verkleinert.
Auch Hatties Ideallehrer ist so ein Superheld, jedoch einer, der systematisch seine Selbstzweifel pflegt. Er fragt nicht nur regelmässig den Lernstand jedes einzelnen Schülers ab, mit kleinen Tests, die oft nur zwei, drei Minuten dauern müssen. Gleichzeitig lässt er die Schüler auch systematisch über seinen Unterricht urteilen. Solche Schülerstatements – «Ich bin die ganze Stunde bei der Sache geblieben», «Mir war klar, was ich in dieser Stunde lernen sollte» – lassen sich per Ankreuztests bereits in der Grundschule einholen. Für Deutschland hat sie die Forschungsgruppe um Andreas Helmke entwickelt. «Mit den richtigen Werkzeugen urteilen Schüler meist fair und überraschend präzise über Unterricht», sagt der Schulforscher von der Universität Koblenz-Landau. Auch können Schüler gut ermessen, was sie selbst können. Kein anderes Instrument kann in Hatties Ranking eine grössere Effektstärke aufweisen als die systematische Selbsteinschätzung von Schülern.
Hattie predigt eine Kultur des «Feedbacks», kein Begriff fällt häufiger in seinem Buch. Von Lob dagegen spricht er wenig, von Strafe überhaupt nicht. Laut Hattie sollen Rückmeldungen an Schüler stets neutral erfolgen, bezogen allein auf den Unterrichtsgegenstand. Falsche Antworten der Schüler sind in diesem Konzept geradezu willkommen. Hattie versteht Fehler als die eigentlichen Treiber allen Lernens («the essence of learning»).
Das gilt ebenso für den Lehrer selbst. Zwar kann man auch in Hatties neuem Buch nachschlagen, welche Unterrichtsverfahren sich nach seiner Mega-Analyse als besonders wirksam erwiesen haben. Darunter etwa die «direkte Instruktion«, also der häufig als Lehrermonolog missverstandene Frontalunterricht. Jeder Methodenstreit ist dem Neuseeländer jedoch zuwider. Ein guter Lehrer verfügt für ihn über ein breites Repertoire von Unterrichtsstilen, die er je nach Klasse ausprobiert, «evidenzbasiert» prüft und – wenn nötig – auch wieder verwirft. «There are no magic bullets», sagt Hattie, es gibt keine pädagogischen Patentrezepte.
Für nicht verhandelbar hält der Neuseeländer hingegen die emotionale Seite des Lernens. Ohne Respekt und Wertschätzung, Fürsorge und Vertrauen könne Unterricht nicht gelingen, schreibt er und belegt das mit eindrucksvollen Zahlen. Selbst die altmodische «Liebe zum Fach» lebt bei ihm wieder auf. «Wer Hattie gelesen hat, wird nie wieder vor einer Kuschelpädagogik warnen», sagt Ulrich Steffens vom Hessischen Institut für Qualitätsentwicklung leicht spöttisch, der Hatties Kernbotschaften in einigen Fachartikeln prägnant auf Deutsch zusammengefasst hat.
In der hiesigen Schuldebatte sind Hatties Lektionen für alle Beteiligten eine Provokation – und eine Bestätigung zugleich. So sollte es in einer Schule zuallererst um Leistung gehen, Noten dagegen sind Hattie egal; Frontalunterricht funktioniert, sagt er, aber nur wenn die Lehrkraft wenig redet; Lehrer haben einen überragenden Einfluss, den sie jedoch lediglich dann geltend machen können, wenn sie in jedem Augenblick an ihre Schüler denken. Reformpädagogen dürften sich darüber ärgern, dass der offene Unterricht meist unwirksam ist, Traditionalisten, dass dasselbe fürs Sitzenbleiben gilt. Und beiden Fraktionen wird kaum gefallen, dass kleine Klassen zum Lernerfolg so gut wie nichts beitragen.
Das dürfte sparbewusste Politiker erfreuen. Wenn sie Hattie jedoch genau lesen, muss ihnen anders werden. Denn der Forscher erklärt ihr Handeln für weitgehend wirkungslos. Von aussen nämlich, das legt die von ihm angeführte Empirie nahe, lassen sich bessere Lernergebnisse nicht organisieren; ganz sicher nicht in ein oder zwei Legislaturperioden. Solange Bildungspolitik nur die Oberfläche von Schule erreicht, nicht aber die Tiefenstruktur verändert – also den konkreten Unterricht –, geht sie ins Leere.
Der Umstand, dass 30 Jahre Schulreform in Deutschland an vielen Klassenzimmern spurlos vorbeigegangen sind, scheint dafür der beste Beleg. Genau hinschauen sollten auch die Lehrerverbände. Gute Pädagogen sind wichtig. Das haben sie schon immer gesagt. Die logische Schlussfolgerung haben sie uns allerdings immer verschwiegen: dass es auch schlechte Vertreter ihres Metiers gibt. Die man mit allen Mitteln dazu bringen sollte, besser zu werden – oder ihren Job zu wechseln. Die bewusste Ignoranz, Qualitätsunterschiede zwischen Lehrern anzuerkennen, nennt Hattie eine «Verschwörung des Schweigens».
Noch hat der Streit um John Hatties Werk Deutschland nicht erreicht. Das wird sich ändern. Demnächst erscheint «Visible Learning» auf Deutsch, in einer Übersetzung des Oldenburger Schulforschers Klaus Zierer. Dabei lassen sich die Befunde des Neuseeländers nicht eins zu eins auf die deutsche Schulwirklichkeit übertragen. Die von ihm aggregierten Meta-Analysen stammen aus der englischsprachigen Forschung, die wiederum die angelsächsischen Bildungssysteme zum Gegenstand hat. Wenn Hattie Schulferien als «lernschädlich» klassifiziert, bezieht er sich auf die mehrmonatigen Ferienzeiten in den USA oder Australien. Hierzulande dürfte der Effekt weit niedriger sein.
Klaus Zierer warnt denn auch vor einem «Fast-Food-Hattie». Man dürfe sich nicht allein auf den numerischen Wirkungsfaktor verlassen, sondern sollte sich jeden von Hattie geprüften Einflussfaktor aufs Lernen genau anschauen. Hausaufgaben etwa bringen in der Grundschule wenig, in höheren Klassen dagegen fördern sie den Lernerfolg durchaus. In Hatties Ranking liegt die durchschnittliche Effektstärke für «homework» irgendwo in der Mitte.
Auch der offene Unterricht kann durchaus ertragreich sein – wenn die Schüler dem eigenständigen Lernen gewachsen sind und die Lehrer es gründlich vorbereiten und über seinen Verlauf penibel wachen. Dass beides jedoch anscheinend selten zutrifft, darauf verweisen Hatties Forschungsergebnisse. Und selbstverständlich verfolgt die Schule noch andere Ziele, als die Schüler zu intellektuellen Höchstleistungen zu bringen. Kreativität oder Demokratiefähigkeit, der Sinn für Ästhetik und fürs Soziale tauchen in Hatties Listen als Lernziele nicht auf. Ihn interessieren «achievements», messbare kognitive Fachleistungen. Sie aber sind nun einmal das Kerngeschäft von Schule.
Hatties Befunde können die schulpolitische Debatte in Deutschland verändern. «Niemand, der über Schule redet, darf sie ignorieren», sagt Andreas Helmke. Wir müssen nicht «unser Bildungssystem grundlegend umdenken», wie es die Initiative «Schule im Aufbruch» fordert. Systemfragen sollte man nach Hattie am besten gar nicht mehr stellen. Der Neuseeländer rückt den Lehrer wieder dorthin, wo sein Platz sein sollte: ins Zentrum allen Redens über Schule. Er ist der Hauptverantwortliche dafür, was Schüler lernen. Er entscheidet darüber, ob Schule besser wird. «Die Schulen sollen endlich einmal in Ruhe arbeiten», lautet eine nach Jahren hektischer Schulreformen populäre Forderung. Sie richtet sich an unsere Bildungspolitiker. Für unsere Lehrer gilt sie jedoch genauso. •
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Quelle: Die Zeit vom 3.1.2013
Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie hat in einer Studie mit mehr als 800 Meta-Analysen, die wiederum 50 000 Einzelstudien zusammenfassen, untersucht, was guten Unterricht ausmacht. Insgesamt waren an den Untersuchungen 250 Millionen Schüler beteiligt. Sein Buch «Visible Learning» (2008) liefert die umfangreichste Darstellung der weltweiten Unterrichtsforschung. Hattie verbreitert seine Datenbasis ständig mit neuen Erhebungen. Anbei einige der insgesamt 136 Einflussgrössen, die Hattie in seinem Buch bewertet. Sie geben einen Hinweis darauf, welche Faktoren für sich genommen das Lernen hemmen und welche sie fördern.
Was schadet
Was schadet
• Sitzenbleiben
• übermässiges Fernsehen
• lange Sommerferien
Was nicht schadet, aber auch nicht hilft
• offener Unterricht
• jahrgangsübergreifender Unterricht
• Web-basiertes Lehren und Lernen
Was nur wenig hilft
• geringe Klassengrösse
• finanzielle Ausstattung
• entdeckendes Lernen
• Hausaufgaben
Was hilft
Was mehr hilft
• regelmässige Leistungsüberprüfungen
• vorschulische Fördermassnahmen
• lehrergeleiteter Unterricht
• Zusatzangebote für starke Schüler
Was richtig hilft
• Lehrerfeedback
• problemlösender Unterricht
• fachspezifische Lehrerfortbildung
• Programme zur Leseförderung
• vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler
«Der Sozialcharakter, der den Banken not tut, ist nicht der Finanzheroe, der sich durch Rücksichtslosigkeit, Egoismus und Draufgängertum auszeichnet; erst recht nicht der Wiedergänger des Barockmenschen, der sich jede Tat und jede Geste vergolden lässt. Der Sozialcharakter der Zukunft wird vielmehr von Frauen und Männern repräsentiert, die in einem empathischen Sinne Personen sind, ausgestattet mit der Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen, das eigene Tun und Meinen zu reflektieren, Selbstkorrekturen zuzulassen, Fremdes zu akzeptieren, Frauen und Männer, für die das altmodische Gemeinwohl kein Fremdwort ist. Die Charakterfrage ist eine Sache von Bildung, einer Bildung, die gegen Irrealitäten immunisiert, die ein Mehr schafft an Erfahrungsbindung, Klugheit, Mass und Empathie.»
Christian Olearius, Bernd Thiemann: «Bankenkrise. Siechtum mit System» in: «Frankfurter Allgemeine Zeitung» vom 8.12.2012
Die im Juni 2010 gegründete Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V. (GBW) dient der Auseinandersetzung mit den Grundzügen, Voraussetzungen und Folgen der gegenwärtigen umfassenden Bildungsreform von Schule und Hochschulen. Sie will Beiträge leisten zur öffentlichen Debatte über das Ziel, die Inhalte und Methoden dieser Reform.
Zur letzten Jahrestagung der GBW ist Ende Januar 2013 der Tagungsband «Irrwege der Unterrichtsreform» in der Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik (Heft 3/2012) erschienen. Der Band greift Fehlentwicklungen in ganz Europa auf und macht auch mögliche Auswege zum Thema.
Zwei aktuelle Beiträge aus den Reihen der GBW befassen sich mit der Frage nach den ideologischen Hintergründen und Durchsetzungsstrategien der heutigen Schul- und Hochschul«reformer». Der erste Beitrag, ein Festvortrag von Professor Jochen Krautz bei der Vertreterversammlung des Philologenverbandes Niedersachsen im Jahr 2012, trägt den Titel «Ökonomismus in der Bildung: Menschenbilder, Reformstrategien, Akteure» und ist in der Zeitschrift des Philologenverbandes Niedersachsen, Gymnasium in Niedersachsen 1/2013 (<link http: www.phvn.de images krautz.pdf>www.phvn.de/images/krautz.pdf) erschienen. Der zweite Beitrag, ebenfalls von Jochen Krautz, trägt den Titel «Bildungsreform und Propaganda. Strategien der Durchsetzung eines ökonomistischen Menschenbildes in Bildung und Bildungswesen», ist ebenfalls in der Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik (Heft 3/2012) erschienen und im Internet unter <link http: bildung-wissen.eu wp-content uploads gymnasium-in-nds-1-2013.pdf external-link-new-window external link in new>bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2013/01/Gymnasium-in-NDS-1-2013.pdf zu finden.
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