Hanspeter Thür, eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter im Tagesgespräch mit Susanne Brunner, Schweizer Radio DRS
ev. In einem wegweisenden Urteil hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht am 30. März 2011 die Klage des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, Hanspeter Thür, die er gegen den Dienst Street View des US Unternehmens Google Inc. führte, in allen wesentlichen Punkten gutgeheissen. Der seit 2009 aufgeschaltete Dienst Street View verletzt die Privatsphäre der Menschen und verstösst damit auch gegen schweizerisches Recht. Google muss, so das Urteil, «darum besorgt sein, sämtliche Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor die Bilder im Internet veröffentlicht werden.» Werden Betroffene in sensibler Umgebung, und dazu gehört auch der öffentliche Raum, gezeigt – dazu gehören etwa Spitäler, Gefängnisse, Frauenhäuser etc. – muss Google «nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Person, etc.» so verwischen, dass die abgebildeten Personen nicht mehr erkennbar sind. Auch Privatbereiche, die dem Blick von Passanten üblicherweise verschlossen bleiben, dürfen nicht gezeigt werden. Die im Rahmen von Street View erfolgte Datenbearbeitung «verstösst gegen die Bearbeitungsgrundsätze des DSG [Datenschutzgesetzes] und lässt sich nicht durch überwiegende private oder öffentliche Interessen rechtfertigen.»
Es gehört zu den Grundsätzen einer freien, demokratischen Gesellschaft, dass der Mensch – im Sinne des informellen Selbstbestimmungsrechtes – grundsätzlich selber darüber bestimmen kann, welche Informationen über die eigene Person wann, wo und wem bekannt gegeben werden.
Es ist ein Urteil, das jeder nur begrüssen kann, da es die Rechte der Person – und damit auch die Menschenrechte – wieder stärkt. Es lässt die Persönlichkeit nicht einfach durch Geld- und machtpolitische Gross-Strukturen überwalzen und auflösen.
Susanne Brunner, Radio DRS: Hanspeter Thür, Sie haben gegen einen Weltkonzern mit etwa 25 000 Mitarbeitern geklagt, und Sie haben gewonnen – was ist das für ein Gefühl?
Hanspeter Thür: Ja – eine grosse Erleichterung zunächst einmal. Diese Geschichte stellte eine sehr grosse intellektuelle Herausforderung dar, brauchte aber auch gute Nerven.
Gute Nerven, warum?
Sie sagten ja selbst, es ist ein Weltkonzern. Das spürt man schon, dass man es mit einem Weltkonzern zu tun hat und nicht einfach mit Herrn Meier im Clinch ist, sondern dass da ein bisschen etwas dahinter ist.
Wie spürt man das?
Sie können sich vorstellen, dass die mediale Kampagne, die ganze Macht der PR, die diese Firma zur Verfügung hat, auch ausgespielt wird. So gesehen war auch der Druck der Öffentlichkeit durchaus da. Man hat die verschiedenen Seiten, die schon angesprochen worden sind: Die einen finden das gut, die anderen finden das nicht gut. Also auch da entstand ein gewisser Druck. Ich war überzeugt, dass wir da dem Gericht eine Grundsatzfrage unterbreiten, die es verdient, dass sie geklärt wird. Es geht um grundlegende Persönlichkeitsrechte. Und im Internet-Zeitalter ist es erst recht nötig, dass diese Leitplanken neu angeschaut und neu definiert werden.
Also Sie haben auch gemerkt, Hanspeter Thür, dass Google als amerikanischer Konzern auch klageerprobt ist? Das sagen ja viele, die schon mit amerikanischen Firmen zu tun hatten, ich nenne auch politische Dinge, Holocaustgelder vielleicht …
Ja natürlich. Man spürte natürlich auch, dass Google diese Auseinandersetzung da in der Schweiz durchaus auch als Pilotprojekt betrachtet. Insofern hat sich alles auf dieses [unser] Land zugespitzt. Wobei ich sagen muss: Google hat auch in anderen Ländern mit anderen Verfahren grosse Probleme. Die Federal Trade Commission, das ist die Aufsichtsbehörde in Amerika, hat kürzlich eine klare Datenschutzverletzung von Google gerügt und hat sie jetzt sogar verpflichtet, sich während 20 Jahren jedes Jahr durch eine unabhängige Instanz auf Datenschutzkonformität untersuchen zu lassen. Das zeigt doch schon, dass da ein Geschäftsmodell zur Diskussion steht, das vom Prinzip her alle Möglichkeiten versucht auszuloten und durchaus auch an die Grenzen geht – und möglicherweise gelegentlich auch über die Grenzen der Legalität hinausgeht.
Das Urteil wurde gestern nachmittag, gestern abend bekannt. Was bekamen Sie für Reaktionen?
Sehr viele positive. Aber natürlich auch negative. Das ist klar, damit haben wir gerechnet, man kann es nicht allen recht machen. Ich glaube, meine Aufgabe ist die, diese verfassungsmässigen Rechte – den Schutz der Privatsphäre, was ein hohes Gut ist in einem liberalen Staat – auch zu schützen, und vor allem diejenigen Leute zu schützen, die diesen Schutz in Anspruch nehmen und auch geschützt werden wollen. Für die anderen, denen das egal ist, ist das nicht nötig, das ist klar.
Und das sind diejenigen, die negativ reagiert haben, die fanden, Sie übertreiben da ein bisschen … und Sie Prinzipienreiter nannten usw.
Natürlich. Ja, genau.
Kamen Reaktionen aus dem Ausland? Ich weiss, dass dieser Prozess von anderen Datenschützern in anderen Ländern sehr stark beobachtet wurde.
Wir hatten schon verschiedene Reaktionen, aus Frankreich, Deutschland. Gestern und heute finden in Brüssel Sitzungen von Datenschutzverantwortlichen statt, das wird sicher zu reden geben.
Sie haben geklagt, weil «Google Street View», dieses Programm von Google, unter anderem, Personen gefilmt, bzw. fotographiert hat, als sie [die Mitarbeiter von Google] durch die Strassen gefahren sind, um die Strassenzüge aufzunehmen. Da sah man auch Gesichter, und die hat man ins Internet gestellt. Und man sah gut erkennbar Autonummern, das ist das andere. Ist es nach diesem Urteil – es kann ja noch weitergezogen werden, aber nehmen wir an, es sei jetzt definitiv oder wird vom Bundesgericht bestätigt –, ist es sicher, dass Google jetzt mein Bild, zum Beispiel, falls ich auf einer Aufnahme von Google sein sollte, verwischt oder unkenntlich macht?
Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wenn Google dagegen nicht opponiert, dann ist das klar. Das ist dann eine richterliche Anordnung, die befolgt werden muss. Würde Google das nicht machen, wäre das eine Verletzung dieses Urteils, und das würde sicher Konsequenzen nach sich ziehen.
Also das heisst, ich könnte klagen, wenn das nachher nicht so wäre. Oder könnte ich Sie anrufen, oder müsste ich mich eher ans Gericht wenden?
Nein, natürlich, wenn Google sagt, sie halten sich nicht daran, dann gibt es verschiedene prozessuale Möglichkeiten, bis hin zu Bussen, die ausgesprochen werden können, wenn man eine richterliche Anordnung nicht einhält.
Das Recht auf das eigene Bild, das ist das, was das Bundesverwaltungsgericht bestätigt hat. Was heisst das jetzt konkret?
Ich stelle es in diesem Kontext etwas vereinfacht wie folgt dar: Mit diesem Urteil kann jeder, der seine Haustüre und seine Wohnung hinter sich lässt und auf die Strasse geht, damit rechnen, dass er nicht ohne seine Einwilligung einfach abfotografiert, gefilmt und aufs Netz geschaltet wird.
Das heisst also, die Privatsphäre hört nicht einfach bei meiner Wohnungstüre auf.
Das ist der entscheidende Punkt, den das Gericht festgestellt hat: Man hat, auch wenn man einkauft, wenn man flaniert, wenn man irgendwo in einem Café sitzt, x-was macht, ein Anrecht, privat zu sein. Es gibt Bereiche, wo das dann weniger möglich ist, aber im Grundsatz hat das Bundesverwaltungsgericht ganz klar gesagt, dass auch im öffentlichen Raum ein Schutz der Privatsphäre nötig und rechtens ist.
Nun hat man ja heute den Eindruck, überall wo ich hingehe, lande ich irgendwo auf einer Aufnahme, seien das Überwachungskameras oder – Sie haben Cafés angesprochen – ich denke an Skigebiete, da sitzen die Leute auf einer Sonnenterrasse, da steht eine Live-Webcam, da könnte ich zum Beispiel schauen, ob da einer der Arbeitnehmer am Sünnele ist statt … Das gibt es ja heute fast überall. Wieso gerade Google? Das ist im Grunde heute ja überall.
Ja gut, aber auch da ist es ganz klar: Wenn jemand solche Webcams einrichtet und Leute filmt und fotografiert, haben wir auch verschiedentlich eingegriffen. Das ist nicht zulässig. Wenn man eine solche Webcam zur Kontrolle eines Eingangs macht, dann ist es etwas anderes, dann hat man ein klares Ziel, aber wenn man einfach so unspezifisch einen Raum beobachtet, wozu man eigentlich keine Berechtigung hat, dann ist das nicht rechtmässig. Und das gleiche gilt natürlich auch für Google, wenn sie durch die Strassen fahren und Leute aufnehmen, die sich irgendwo bewegen, ohne dass diese aber ihre Zustimmung für die Aufnahmen gegeben haben.
Und an einem Fussballmatch? Da wird ja das Publikum auch gefilmt, da sieht man ja da Gesichter konstant. Da nimmt man das in Kauf?
Das ist ein gutes Beispiel. Jeder, der an einen Fussballmatch geht, weiss, dass dieser Fussballmatch übertragen wird, da ist also die Frage der Einwilligung einmal klar. Handkehrum muss man sich auch bei einem Fussballmatch nicht alles gefallen lassen. Es geht ja nicht ums Zeigen der Zuschauer im Detail, sondern es geht ums Zeigen des Fussballmatches. Wenn nun eine Kamera systematisch irgendwelche Leute ins Visier nehmen und herauspflücken würde, Leute mit einer besonderen Gesichtsfarbe zum Beispiel oder mit einer besonderen Haarfarbe, dann wäre das auch für eine TV-Kamera nicht zulässig.
Das heisst also, wenn es auf längere Dauer gezeigt würde. Manchmal picken sie ja Fans heraus, die besonders bunt gekleidet oder geschminkt sind oder die Farben der Mannschaft ins Gesicht gemalt haben ...
Ja, da muss sich der Redaktor, der das Bild freigibt, die Frage stellen, ob ein überwiegendes Interesse besteht an der Veröffentlichung dieses Bildes. Und wenn er diese Frage beantworten kann … Aber er trägt dann auch die Verantwortung. Eventuell macht er eine Fehleinschätzung, dann müsste er unter Umständen mit einer Klage rechnen. Aber das Beispiel von Google zeigt eben gerade, dass dadurch, dass eben eine maschinelle Bearbeitung des Bildmaterials erfolgt, diese Auswertung, diese Überprüfung, diese Güterabwägung zwischen privatem und öffentlichem Interesse gar nicht stattfinden kann.
Ein paar Meter von hier ist der Bundesplatz. Wenn ich darüberspaziere oder den Springbrunnen zuschaue, dann darf mich da auch eine Zeitung nicht abfotografieren?
Auch eine Zeitung darf Sie dort nicht fotografieren – einfach herausgepickt, ohne Zusammenhang. Wenn hingegen ein Bundesrat oder ein Politiker auf dem Bundesplatz ein Interview gibt, dort eine Filmkamera aufgestellt ist und jemand zufällig hinter dieser interviewten Person vorbeigeht, muss man a) annehmen, dass diese Person die Kamera sieht und sich anders bewegen könnte, wenn sie nicht aufgenommen werden will. Andererseits kann man b) auch sagen: Es ist völlig unbedeutend, was hinten auf dieser Aufnahme ist, im Fokus steht die Person im Vordergrund. Wenn jetzt diese Person hingegen gerade stolpert, sich plötzlich in einer peinlichen Pose befindet, dann muss auch in diesem Fall der Journalist klar sagen: Dieses Bild kann ich nicht übermitteln, wenn die Person erkennbar ist.
Google ist das eine, Medien sind das andere, Fussball-Matches usw. Jetzt gibt es ja noch andere Internetforen, soziale Plattformen, wie zum Beispiel «Facebook». Ich tausche mich aus mit Freunden oder mit Leuten, die ich als Freunde bezeichne, es sind vielleicht auch nicht alles Leute, die ich kenne. Und ich lade dort andere Fotos drauf, von meiner Grossmutter, von anderen Freunden, dann dürfte ich das eigentlich auch nicht, ohne dass ich sie frage.
Ja, ganz klar. Da haben Sie völlig recht.
Aber das wird massenweise gemacht.
Das ist ein grosses Problem. Da stellt sich die Frage, wer die Verantwortung trägt. Es sind Nutzer, die diese Bilder aufschalten. Wir haben auf unserer Homepage ganz klar die Information, dass man für die Bilder, die man im Facebook, im eigenen Account öffentlich macht, die Zustimmung der Personen bekommen muss, die auf den Bildern sind. Das ist eine ganz klare Regelung. Natürlich: Wo kein Kläger, da ist auch kein Gericht. Aber wenn sich jemand nach einem Firmenfest beispielsweise ungerechtfertigt plötzlich auf Facebook sieht und nie die Einwilligung dazu gegeben hat, könnte er gegen den Vorgang klagen. Es stellt sich in diesem Fall sogar auch die Frage: Welche Verantwortung trägt Facebook selber, wenn sie solche Möglichkeiten anbieten? Aber das ist ein heikles Thema, das noch weitere Überprüfungen, weitere Denkarbeit abfordert.
Das ist aber etwas, was Sie als Datenschützer beschäftigt?
Natürlich, denn es gibt immer wieder Leute, die darauf hinweisen, dass Bilder ohne Einwilligung der Person, die darauf abgebildet ist, aufs Netz kommen. Das ist ein grosses Ärgernis. Man muss sich auch vor Augen halten, dass zunehmend Gesichtserkennungssoftware zur Verfügung steht. Die ist heute technisch schon sehr ausgereift. Das bedeutet, so eine Software kann aus einer grossen Menge von Bildern diejenigen Bilder herauszupfen, die gleich sind, sie kann diese einer Person zuordnen, sie identifizieren. Das heisst also: Wenn diese Software sich im grossen Stil auch auf dem Markt durchsetzt, wird auf dem Internet jedes Bild irgendwann einer Person zugeordnet werden können.
Da sind wir wieder bei Google. Google ist ja daran, eine Handy-Software zu entwickeln, mit der ich ein Bild von jemandem machen kann, das suchen kann, so dass dann auf meinem Handy auftaucht, wer das ist. Wenn ich also – jetzt im besten Fall – mich in jemanden verliebe auf der Strasse, wissen möchte, wer das ist, dann könnte ich das so machen?
Sie haben die Software angesprochen, die ich erwähnt habe. Google sagt natürlich – denn das ist ein etwas heikler Punkt –, «wir machen sie aber nicht scharf für eine Personenidentifikation». Das kann aber jemand anders. Technisch ist das möglich. Wenn es Google nicht macht, macht’s jemand anderes. Und deshalb sind wir auch so pickelhart in der Forderung, dass Bilder, die aufs Internet kommen, ohne die Einwilligung der betroffenen Person nicht dort landen dürfen.
Wir haben jetzt fast eine Viertelstunde über mögliche Fälle gesprochen – unsere Bilder sind an so vielen Orten – sind unsere Bilder. Es gibt so viele Anwendungsmöglichkeiten. Muss man nicht auch einfach sagen, dass man das in der heutigen Zeit halt ein Stück weit schlucken oder akzeptieren muss, dass das so ist?
Das ist dann eine Frage des Gesetzgebers, ob er die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern will und sagt: Ja gut, technisch läuft das halt jetzt in diese Richtung, wir akzeptieren das. Ich bin als Datenschutzbeauftragter verpflichtet, die Durchsetzung jetzt bestehender Gesetze zu verlangen. So gesehen ist es nicht meine Aufgabe, allenfalls gesetzliche Rahmenbedingungen aufzuweichen. Im Gegenteil würde ich dann meine Aufgabe nicht richtig wahrnehmen.
Das heisst, um jetzt auf die Klage gegen «Google Street View» zurückkommen, es waren nicht in erster Linie nur Klagen von Leuten, die bei Ihnen eingingen, sondern auch eine eigene Motivation, weil Sie das auch als Ihre Aufgabe auffassen?
Nein. In diesem konkreten Fall hatten wir sehr viele Beschwerden, sehr viele Klagen. Deshalb wurden wir auch aktiv. Auf Vorrat machen wir nichts, wir haben genug zu tun. Die Motivation besteht natürlich auch. In dem Sinn bin ich als liberaler Geist natürlich überzeugt, dass der Schutz der Privatsphäre, der in der Verfassung verankert ist, ein wichtiges Grundrecht des Menschen ist, das auch für die Entwicklung einer menschlichen Gesellschaft sehr zentral ist. Aber gleichzeitig ist das ein gesetzlich gegebener Auftrag, den ich übernommen habe. Insofern geht es nicht in erster Linie darum, dass ich meiner Motivation nachlebe, sondern dass ich den Auftrag, den mir das Gesetz gibt, auch respektiere.
Spielt Ihre eigene Motivation in dem Ganzen eine Rolle? Ich meine, Sie sind einmal fichiert worden, kennen Sie das?
Ich glaube nicht, dass das eine Motivation ist. Die Motivation ist diese Aufgabe, die Pflicht, die ich durch dieses Amt habe, korrekt zu erfüllen. Grundsätzlich fühle ich mich sehr wohl in dieser Aufgabe und mache sie auch mit einer grossen Begeisterung und Überzeugung.
Es gab Kritik an diesem Urteil. Es gab Kritik, dass Sie so aktiv geworden sind. Es hiess, das sei eine Hetzkampagne gegen den amerikanischen Konzern, Prinzipienreiterei, heute sei das doch ganz anders, das sei ein veraltetes Bild von Datenschutz. Ich möchte aber etwas herauspicken. Es gibt Leute, junge Leute, die offenbar nicht verstehen, die dieses Konzept von Datenschutz gar nicht haben. In «20 Minuten-Online» gab es einen Leserbrief: «Ich verstehe es nicht.» Und da schreibt einer: «Kann mir jemand erklären, was es hier zu schützen gibt? Ich meine, ich verstehe, um was es geht, aber es kommt mir so vor, wie wenn man mir das Sehen verbieten will … Nein, der Vergleich hinkt nicht. Ich sitze im Tram und fahre durch Zürich, ich sitze erhöht, wie die Street-View-Kamera. Ich sehe Leute auf der Strasse aus Häusern kommen, Autos, Vorgärten und, und, und – und alles unzensiert. Was sehe ich auf ‹Street-View› anderes? Nichts! Was also will Thür schützen?» Bekamen Sie solche Reaktionen?
Ja, das ist jetzt sehr extrem. Es wird ja nicht das Sehen verboten, sondern die Aufnahme dessen, was man gesehen hat, wird geregelt und auch nicht verboten. Es werden gewisse Rahmenbedingungen formuliert, die sagen, das Bild einer Person, das ohne deren Einwilligung aufgenommen wurde, darf ohne besondere Begründung, ohne besondere Rechtfertigung nicht einfach verbreitet werden. Das ist unsere Rechtslage. Wenn der junge Mensch dies nicht einsieht, dann muss dies vielleicht einfach schulisch noch nachgebessert werden.
Eine Aufklärungskampagne also – zum Beispiel, der Datenschützer kommt in die Schule.
Das tun wir auch, und ich finde es auch sehr wichtig, dass man dort ansetzt. Wir haben auch eine Kampagne entworfen, bei der wir auf Persönlichkeitsanliegen sensibilisieren. Wir sind der Meinung, dass dies vor allem auch für die sehr jungen Menschen, die jetzt mit dieser Technik aufwachsen, die schnell eine Information brauchen, wichtig ist. Da sind natürlich alle gefordert: die Schulen, die Eltern, aber auch der Einzelne. Es muss sich sonst natürlich später keiner beklagen, wenn er seine Bilder von einem ungünstigen Ereignis im Internet wiederfindet. Wenn er uns dann anruft: «Ja, darf der Arbeitgeber ins Internet gehen und solche Bilder betrachten?», dann muss ich einfach schmunzeln und sagen: Entschuldigung, jetzt hat er aber wenigstens einmal einen ersten Gedankenschritt gemacht, eine erste Erkenntnis gewonnen.
Aber dies braucht es manchmal auch, denn es ist vielleicht auch generationenabhängig, wie man Datenschutz oder Persönlichkeitsschutz sieht.
Ja natürlich.
Der Kampf gegen Google ist seit 2009 im Gange, und Sie haben ein kleines Büro. War dieses Büro nun total absorbiert davon, nahm es Zeit weg von anderem?
Ja, es war natürlich schon so. Letztes Jahr hat uns das Verfahren ziemlich in Anspruch genommen, und parallel verschiedene solcher Verfahren zu führen, wäre völlig undenkbar. Wir haben auch noch andere Aufgaben, die sehr umfangreich sind, im Bereich der Gesundheit, Arbeit, Überwachungskameras. Es gibt auch das Problem der ganzen technologischen Entwicklung, die immer wieder neue Fragen schafft. Wir müssen am Ball bleiben.
Können Sie alles bewältigen? Durch Einstellen von Computerspezialisten zum Beispiel?
Ja, das tun wir auch. Wir müssen einfach auch Prioritäten setzen. Und die Prioritäten, die wir in diesem Fall gesetzt haben, waren klar. Wir haben erkannt, dass es bei dieser Frage um die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage geht. Wir sind sehr erfreut, dass das Bundesverwaltungsgericht diesen Überlegungen folgte.
Sind die Datenschutzprobleme heutzutage vor allem im Internet, oder gibt es Orte, bei denen man vielleicht gar nicht so sehr daran denkt – vor lauter Internet und grossem Echo auf solche Google-Klagen?
Im Internet ist es sicher zugespitzt, weil alles sehr schnell geht, die Weitergabe von Informationen, von Bildern weltweit geht da sehr schnell. Das Problem, das sich hier stellt, sind natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen von nationalen Gesetzen. Internationale Konzerne bringen natürlich auch gezielt die Differenzen unter den verschiedenen Gesetzen ins Spiel. Da ist ein grosser Koordinationsbedarf, Informationsbedarf gegeben. Letztlich braucht es auch auf internationaler Ebene Absprachen, was den Umgang mit dem Internet, was den Schutz der Privatsphäre im Internet betrifft. Da braucht es kohärente, gleichlautende Bestimmungen. Ansonsten haben wir die Situation, dass das eine Land gegen das andere ausgespielt wird.
Wenn das Urteil bleibt, muss Google die Gesichter unkenntlich machen, die Autonummern ebenso. Dies kostet Google etwas. Es ist zwar ein 10 Milliarden-(Gewinn)Konzern pro Jahr, aber es kostet Google etwas. Was denken Sie, zieht der Konzern das Urteil weiter an das Bundesgericht?
Ich bin die falsche Adresse, um diese Frage zu beantworten. Wenn ich mir jetzt das Urteil vergegenwärtige, diese beinahe 60 Seiten – ausserordentlich sorgfältig begründet, Schritt für Schritt –, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass eine nächste Instanz gross anders urteilen wird.
Sie schauen dem gelassen entgegen.
So ist es.
Hanspeter Thür, herzlichen Dank für das Gespräch.•
Quelle: Das Tagesgespräch. Schweizer Radio DRS I, vom 5.4.2011
• «1984» versprach uns eine Welt, in der der grosse Bruder alles sieht, hört und kontrolliert. Alles, was Sie je darüber gehört haben, ist matschiger Schnee von vorgestern. Wenn nur ein geringer Teil dessen eingeführt wird, was das Pentagon – und damit die amerikanische Regierung – plant, wird uns folgende bittere Erkenntnisse bringen: «Der Krieg gegen den Terror» wird zur Rechtfertigung einer wahrhaft Orwellschen Version der Gedankenkontrolle herangezogen, die viel schlimmer ist als eine normale Zensur …
• Zur Strategie, die das Pentagon selbst als «Full Spectrum Dominance» bezeichnet, gehören nun auch Pläne, die Internet-Kommunikation zu kontrollieren. Der Plan ist Teil der sogenannten «Information Operations». Wenn es gelingt, die Pläne in die Tat umzusetzen, würde das Leben auf dieser Erde mit einem Schlag viel stärker und umfassender kontrolliert. Ungeheuerlich die Pläne, die das National Security Archive der George Washington University ausgegraben hat. Das Dokument namens «Information Operations Roadmap» ist, und da sind sich alle Fachleute einig, «aus Versehen» mitgerutscht in einem Stapel Dokumente, die gemäss dem «Freedom of Information Act» jedem US-Bürger zugängig sein sollten. Beamte des Pentagon haben den Plan bereits schon 2003 zurzeit des Irak-Kriegs verfasst. Der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat das Papier unterschrieben …
• Das Pentagon-Dokument beschreibt ein besorgniserregendes Spektrum militärischer Aktivitäten, das von den Streitkräften kontrolliert werden soll: Die Kontrolle fängt an bei den Offizieren für Öffentlichkeitsarbeit, die Journalisten informieren, geht über die psychologischen Eingreifgruppen, die ersuchen, das Denken und die Überzeugungen eines Feindes zu manipulieren. Und dann weiter bis hin zu den Spezialisten für Angriffe auf Computernetzwerke, die versuchen, die Netzwerke des Feindes lahmzulegen. Alle diese Aktivitäten gehören zu den sogenannten Informations-Operationen. Der alarmierendste Aspekt dieses Fahrplans ist, dass zugegeben wird, dass Informationen, die als Teil der militärischen psychologischen Operationen – oder «Psyops» in der Pentagon-Terminologie – herausgegeben werden, auf den Computern oder Fernsehbildschirmen der ganz normalen Amerikaner landen. Im Pentagon-Dokument heisst es wörtlich: «Informationen, die für ein ausländisches Publikum vorgesehen sind, einschliesslich aus den Bereichen öffentliche Diplomatie und Psyops, werden zunehmend von unseren inländischen Zuschauern und Lesern konsumiert. Psyops-Botschaften werden oft von den Medien für ein viel breiteres Publikum verbreitet, die amerikanische Öffentlichkeit eingeschlossen» …
• Drei Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 schloss das Pentagon laut vorliegenden Dokumenten mit der Rendon Group (das sind die grössten «Medienspezialisten» in Washington) einen umfangreichen Vertrag. Gleichzeitig schuf Rumsfelds Pentagon eine Geheimorganisation (!) namens «Office of Strategie Influence» (OSI). Zu den Aufgaben dieses OSI gehört es, verdeckte Desinformations-und Täuschungskampagnen durchzuführen sowie falsche Meldungen in den Nachrichtensendungen unterzubringen und ihren Ursprung zu verschleiern. Die «Atomaufrüstung» von Saddam Hussein ist ein solches «Meisterwerk». Sie erwies sich als Lug und Trug. Der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney erklärte dazu treuherzig: «… es ist vom militärischen Standpunkt aus manchmal nützlich, sich im Blick auf zukünftige Pläne an Täuschungsmanövern zu beteiligen» …
• In dem Dokument des Pentagon wird weiter festgehalten: «Die Vereinigten Staaten sollen danach streben, in der Lage zu sein, die maximale Kontrolle über das gesamte elektromagnetische Spektrum auszuüben.» Weiter sollten die US-Streitkräfte «das volle Spektrum der entstehenden weltweiten Kommunikationssysteme, Sensoren und Waffensysteme, die vom elektromagnetischen Spektrum abhängen, störend lahmlegen» können. In Nicht-Pentagon-Sprache übersetzt heisst dies: Das US-Militär ist ausdrücklich berechtigt, die Fähigkeit zu entwickeln, jedes Telefon, jeden vernetzten Computer, jedes Radarsystem auf der ganzen Welt (!) auszuschalten. Die Tatsache, dass der «Information Operations Roadmap-Plan» vom Verteidigungsminister explizit unterstützt wird, legt die Vermutung nahe, dass diese Pläne beim Pentagon in der Tat sehr ernstgenommen werden. George Orwells Roman «1984» kann mit dem, was da in Washington ausgeheckt und geplant ist, nicht (mehr) mithalten …
• Doch es kommt noch schlimmer: Die amerikanische Enthüllungs-Website «prisonplanet.com» deckt ein hochgeheimes Regierungsprogramm auf. Teams, bestehend aus Kirchenführern(!), werden von Bundesagenten dafür trainiert(!), «Widerspruch in der Bevölkerung zu unterdrücken» und die Leute dazu zu bewegen, der Regierung bei einer Ausrufung des Kriegsrechts zu gehorchen. Dies dient der Vorbereitung für die Ausrufung des Kriegsrechts, der Beschlagnahmung von Waffen und anderer Besitztümer, inklusive Gold, der Durchführung von massenhaften Zwangsimpfprogrammen und Zwangsdeportationen ...
• Der erste Auftrag für die Pastoren war, ihren Gemeinden «Römer 13» aus der Bibel zu predigen. Es ist die häufig aus dem Kontext gerissene Bibelstelle, die die Zustimmung von Christen sichern soll, um ihnen «Gehorsam gegenüber der Regierung» während Zeiten des Kriegsrechts einzubleuen. «Römer 13» war schon die Lieblingsstelle von Adolf Hitler und seinen Schergen gewesen. Den Predigern wurde erklärt, dass die Durchsetzung von Quarantänen, des Kriegsrechts und von Deportationen(!) ein Problem für die Bundesbehörden und die örtliche Polizei auf Grund der «Cowboy-Mentalität» von einigen Bürgern darstelle. Es wurde betont, dass die Pfarrer rechtzeitig beginnen sollen, Gehorsam gegenüber den Staatsorganen zu predigen, und dass dies «zum Besten der Gemeinde» sei …
Quelle: Vertraulicher Schweizer Brief Nr. 1282 vom 1.4.2011
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