von Thomas Kaiser
Wie weiter nach der Gripen-Abstimmung? Diese Frage müssen sich alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land stellen, auch diejenigen, die trotz allen Widersprüchen an den ewigen Frieden in Europa glauben, die Schweiz eingebettet in einem Europa von Freunden sehen und daher der Meinung sind, man könne getrost auf eine einsatzfähige Luftwaffe verzichten.
Dass der Frieden etwas ständig Anzustrebendes ist, bleibt unbestritten. Spätestens nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs hat der Krieg seine Aura von Ruhm und Ehre, dem süssen Tod für das Vaterland, edlem Mannestum und Kameradschaft, und wie die beschönigenden Begriffe für das fürchterliche Gemetzel und elende Sterben auf dem Schlachtfeld und jenseits davon alle heissen, verloren. Seit dieser Zeit haben sich Generationen ernsthaft darüber den Kopf zerbrochen, wie der Frieden gesichert werden kann. Internationale Organisationen wie der Völkerbund und die Uno waren von dem Gedanken geleitet, Konflikte am Verhandlungstisch zu lösen und den Krieg aus den Köpfen der Menschen zu verbannen – leider mit mehr oder weniger grossem Erfolg. Allgemeine Abrüstungsverhandlungen, wie sie auf der Ebene der Uno jährlich stattfinden, zeugen vom Willen der Völker, den Frieden zu erreichen und ohne Krieg zusammenzuleben. Doch wie das hohe Gut des Friedens erhalten und gesichert werden kann, darüber gehen bis heute die Meinungen sehr weit auseinander.
Die Grossmächte, im besonderen die USA, sehen die Sicherung des Friedens in der Dominanz des Stärkeren über den Schwächeren. Wer sich nicht unterordnen oder anpassen will, bekommt unter Umständen die eiserne Faust zu spüren. Viele Beispiele der jüngsten Vergangenheit legen trauriges Zeugnis darüber ab. Die von der Uno geforderte Gleichwertigkeit im Umgang der Staaten untereinander rückt dabei in weite Ferne. Jedoch wenn es nicht gelingt, Konflikte friedlich zu lösen, ist das jedesmal ein Rückschlag in den grundlegenden Bemühungen um den Erhalt des Friedens.
Was der Schweiz seit mehr als 150 Jahren gelungen ist, sich jeglicher kriegerischen Auseinandersetzung auch unter grössten Entbehrungen fernzuhalten, könnte und müsste Massstab auch für andere Länder sein. Sind die Eidgenossen von Natur aus ein friedliebendes Volk im Gegensatz zu den anderen, und deshalb ist das der Schweiz bis heute gelungen? Nein, sagt der Historiker. Gute Kämpfer sind die Eidgenossen gewesen und haben so manche Schlacht für sich entschieden: wie zum Beispiel die Schlacht bei Morgarten 1315 gegen die Habsburger, die Schlacht bei Grandson 1476 gegen die Burgunder oder die Schlacht bei Schwaderloh 1499 während des Schwabenkriegs. Auch haben Schweizer Söldner im Dienste fremder Mächte Furcht und Schrecken verbreitet. Trotz aller militärischer Erfolge und auch Niederlagen müssen wir bei unseren Schweizer Vorfahren bewundernd anerkennen, und darin unterscheiden sie sich von den übrigen kriegführenden Mächten der damaligen Zeit: Sie haben aus den Kriegen und dem daraus resultierenden menschlichen Elend die richtigen Schlüsse gezogen. Seit der völkerrechtlichen Anerkennung ihrer Neutralität im Jahre 1815 hat die Schweiz sich an keinem Krieg mehr ausserhalb des Landes beteiligt. Selbst militärische Übergriffe von aussen konnten so bis heute verhindert werden.
Was hat den Frieden der Schweiz gesichert? War es die Annahme, dass schon ein grösserer Nachbarstaat zu Hilfe eile, wenn die Schweiz attackiert werde? War es das Bekenntnis zum Frieden, das andere Länder davon überzeugte, die Schweiz zu verschonen und Gnade walten zu lassen? Wer Realist ist, weiss, dass diese Haltung keinen anderen Staat beindruckt und beide Überlegungen ohne Bezug zur Wirklichkeit sind. Was der Schweiz im Konzert der Völker Respekt eingetragen hat, war ihre Wehrhaftigkeit und ihre konsequente Neutralitäts- und damit Friedenspolitik. Nichts anderes hat der Schweiz die Achtung vor den übrigen Nationen eingebracht. Wenn wir das Land als neutral, souverän und unabhängig erhalten wollen, dann müssen wir wehrhaft bleiben, alles andere wäre Phantasterei. Im Land selbst brauchen wir den Schulterschluss von links bis rechts, die klare Haltung, dass es niemals eine Anlehnung an das Nato-Kriegsbündnis geben kann, so wie es Nationalrat Jakob Büchler ganz klar formuliert, sondern nur den eigenständigen und souveränen Weg der Selbstverteidigung. Alles andere ist unseres Staates unwürdig.
Dass der Ständerat vorletzte Woche 771 Millionen für die Anschaffung von neuem Ausrüstungsmaterial gesprochen hat, zeigt, dass man sich dieser Verantwortung sehr wohl bewusst ist, die unsere Armee gegenüber dem Land und seinen Bürgern hat.
Moderne Kriege werden nicht mehr allein auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern treffen in einem besonderen Masse die Zivilbevölkerung, die marodierenden Soldaten schutzlos ausgeliefert ist. Im Irak-Krieg 2003, der bis heute blutige Aktualität besitzt, sind mehr als 90% der Opfer Zivilisten. Das sind die Realitäten, und wer vor diesen aus welchen Gründen auch immer die Augen verschliesst, wird sich für sein (Nicht-)Tun verantworten müssen. •
Neutralität: Eine Abschaffung der Schweizer Neutralität ist ausgeschlossen. Das Neutralitätsprinzip und die Funktionen der Neutralität werden von der Bevölkerung in diesem Jahr signifikant stärker unterstützt. Ferner werden kritische Einstellungen gegenüber der Neutralität sowie Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Durchsetzungsfähigkeit der bewaffneten Neutralität aktuell von der Schweizer Bevölkerung markant seltener geteilt als 2013.
Notwendigkeit der Armee: Die Schweizer Bevölkerung ist in diesem Jahr der Armee gegenüber deutlich positiver eingestellt als 2013. Die Notwendigkeit der Schweizer Armee erfährt über den Jahresverlauf einen markanten Anstieg, ebenso ist die Ansicht, dass das Militär eine zentrale Institution sei, im langjährigen Vergleich weitverbreitet.
Milizarmee und Wehrpflicht: Die Milizarmee wird aktuell in der Bevölkerung mehrheitlich einer Berufsarmee vorgezogen, und die Abschaffung der Wehrpflicht wird nach wie vor nur von einer Minderheit gefordert.
Quelle: Sicherheit 2014
Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend
Hrsg.: Tibor Szvircsev Tresch und Andreas Wenger, Center for Security Studies,
ETH Zürich und Militärakademie an der ETH Zürich, 2014
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