«Die EU hat sich eindeutig zum Lakaien der USA degradieren lassen»

«Die EU hat sich eindeutig zum Lakaien der USA degradieren lassen»

«Die Schweiz muss, als neutrales Land, ihre guten Dienste anbieten und eine echte Vermittlerrolle spielen»

Interview mit dem Nationalrat und Walliser Staatsrat Oskar Freysinger (SVP)

Zeit-Fragen: Warum haben Sie die «Petition für eine neutrale Schweiz» lanciert, was wollen Sie damit erreichen?

Oskar Freysinger: Ich möchte die Aufmerksamkeit der Schweizer Bevölkerung auf den Umstand lenken, dass unsere Regierung dabei ist, unsere Verfassung und die Neutralität des Landes mit Füssen zu treten.

Warum soll sich die Schweiz nicht den Sanktionen der EU gegen Russland anschliessen?

Weil sie in diesem Fall als dem Nato-Lager zugehörig betrachtet würde. Die Schweiz muss, als neutrales Land, unbedingt davon absehen, diesem oder jenem Lager den Schwarzen Peter zuzuspielen, wenn sie ihre guten Dienste anbieten und eine echte Vermittlerrolle spielen will, was ihr traditionsgemäss viel Ansehen eingebracht hat. Im internationalen Umfeld gibt es überdies kaum Schwarzweissschemata. Es gibt keine klare Einteilung in Gute und Böse, und die von den Kontrahenten vorgebrachten Argumente, welche die Gegenseite verteufeln oder für Verbrechen verantwortlich machen, sind meist lügnerisch und schwer nachweisbar. Im Grunde geht es um geopolitische Interessen, um Machtpolitik, um Geld und Einflusssphären. Haifische bleiben Haifische, auch wenn man sie farbig anmalt.

Wie beurteilen Sie die Rolle der EU in diesem Konflikt?

Die EU hat sich eindeutig zum Lakaien der USA degradieren lassen. Zudem ist ihre Posi­tion zögerlich, widersprüchlich und fluktuierend. So lässt sich auf dem internationalen Parkett kaum etwas bewirken.
Am letzten Donnerstag hat der Bundesrat indirekt die Sanktionen mitgetragen, indem er sogenannte Umgehungsgeschäfte über die Schweiz verhindern will. Was sagen Sie zu diesem Vorgang?
Das ist wieder so eine scheinheilige Übung, eine Art Konsens, der kaum einer ist. Ich schäme mich für eine Regierung, die den Präsidenten der Duma ausgerechnet im Rahmen von Festlichkeiten auslädt, die 200 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen den zwei Ländern begehen sollten. Lächerlicher geht es nicht mehr.
Schlimm ist auch, dass sich Ueli Maurer dem Druck von Burkhalter gebeugt hat und die russische Flugzeugstaffel ausgeladen hat, die demnächst in der Schweiz an einem Flugmeeting teilnehmen sollte. Zur gleichen Zeit spricht Bundesrat Schneider-Ammann von einer Reise nach Russland, um über wirtschaftliche Verträge zu verhandeln. Wie soll das gehen: Zuerst ohrfeigt man einen vielversprechenden Wirtschaftspartner und dann erwartet man von ihm Goodwill bei Verhandlungen? Ein solches Verhalten ist nicht nur feige und unterwürfig, sondern vor allem dumm.

Welche Interessen verfolgen die USA mit ihrer Einmischung in die Ukraine?

Da geht es, wie gesagt, um reine Macht­politik: um Erdöl und Einflusssphären. Ich möchte sehen, wie die USA reagieren würden, wenn Russland in Mexiko einen Putsch anzetteln würde, der eine USA-feindliche Regierung an die Macht brächte. Denken wir nur zurück an die Kuba-Krise der 60er Jahre, und wir haben einen Vorgeschmack davon. Hinzu kommt, dass die USA sich dafür rächen, dass Russland Baschar al-Assad in Syrien nicht hat fallenlassen, weil Putin aus der Erfahrung in Libyen gelernt hat.

Was für Möglichkeiten hat Russland, auf die seit 1991 von der Nato betriebene Expan­sionspolitik zu reagieren? Vor allem kann man davon ausgehen, dass die Ukraine nicht der letzte Versuch sein wird, Russland zu schwächen.

Dieser Prozess wird noch andauern und könnte sehr wohl in einen Krieg ausarten. Russland hat wohl nur die Wahl zwischen totaler Unterwerfung unter die amerikanischen Machtansprüche oder Krieg. Verhandlungen brächten (wie im Falle Serbiens in Rambouillet im Umfeld der Balkan-Krise in den neunziger Jahren) lediglich eine Verzögerung des Unausweichlichen.
Das Inakzeptable für die Amerikaner ist, dass Putin eine eigene, den amerikanischen Interessen zuwiderlaufende Agenda hat und dass er, ob man es will oder nicht, gewisse Werte verteidigt, die in der modernen westlichen Gesellschaft als reaktionär betrachtet werden. Putin ist ein Machtpolitiker und kann brutal zuschlagen, das steht ausser Zweifel. Aber angesichts dessen, was sich die Amerikaner seit Jahrzehnten weltweit an dubiosen Einmischungen, Manipulationen und rücksichtslosen Kriegshandlungen leisten, macht er einen eher harmlosen Eindruck. Man nehme nur die Isis-Truppen des «Kalifats» zum Beispiel, die von den USA, Israel und den Saudis hoch gezüchtet wurden und nun von ihren Schöpfern zerschlagen werden müssen. «Die Geister, die ich rief, die werd ich nun nicht los», hiess es doch schon bei Goethe so schön.

Welche Haltung müssten die europäischen Staaten in diesem Konflikt einnehmen?

Sie sollten sich in Erinnerung rufen, dass das alte Schema, das besagt, dass der Feind im Osten ist und der Freund im Westen, tiefe Sprünge erlitten hat. Falls die EU überhaupt einen Sinn machen will, sollte sie eine eigenständige und einheitliche Position einnehmen. Aber davon sind wir weit entfernt. Zu gross ist die Abhängigkeit gewisser Länder und Politiker im EU-Raum von den USA.

Wie sollte sich die Schweiz in Zukunft verhalten?

Neutral. Sie soll sich nicht als moralische Instanz aufspielen, wo überhaupt keine Moral im Spiel ist. Darüber hinaus sollte sie mit allen Ländern der Erde enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen pflegen und im Konfliktfall ihre guten Dienste als Vermittlerin anbieten.
Die Fliege, die sich beim Kampf zwischen zwei Bären auf die Nase des einen Bären gesetzt hat, riskiert, als erste platt gedrückt zu werden. Vielleicht sogar von jenem Bären, auf dessen Nase sie sich gesetzt hat.

Herr Nationalrat Freysinger, vielen Dank für das Gespräch.    •
(Interview Thomas Kaiser)

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