Die Zentralbanken haben die Konjunkturpolitik übernommen

Die Zentralbanken haben die Konjunkturpolitik übernommen

von Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.

Der Paukenschlag des EZB-Beschlusses, mit mehr als 1 Billion Euro die Geldmärkte zu fluten, «um Deflation zu verhindern und die Euro-Konjunktur zu beleben», zeigt einen tiefgreifenden Umbruch in der
Verteilung der wirtschaftspolitischen Aufgaben zwischen Regierungen und Zentralbanken.
Nach dem Bundesbankgesetz ist die Zentralbank zwar «zur Unterstützung der Regierung in der Wirtschaftspolitik» aufgerufen, aber die Bank ist theoretisch völlig unabhängig, nur der Geldwertstabilität verpflichtet, könnte also aus diesen Gründen auch Massnahmen ergreifen, welche der herrschenden Regierungspolitik nicht gefallen oder sogar zuwiderlaufen. Die Unabhängigkeit der Geldsouveränität galt bei der Gründung der Bundesbank als ein zentrales Anliegen – gleichsam als vierte neutrale Gewalt im Staate. Sie sollte verhindern, dass wie zur Zeit von Hjalmar Schacht die Zentralbank als Hilfsorgan der Regierung missbraucht würde, und sollte den Bürgern durch Geldwertstabilität das Vertrauen in ihre Währung, in ihre Ersparnisse und ihre Altersversorgung sichern.
Diese Konzentration auf die Sicherung des Geldwertes und die gleichzeitige Unabhängigkeit der Bundesbank war im Konzert der übrigen Zentralbanken einmalig – aus den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit geboren.
Bei der FED (Federal Reserve Bank) war dies anders. Sie war insofern von der Regierung unabhängig, weil sie privaten Banken gehört, die auch den jeweiligen Zentralbankchef vorschlagen, der dann vom US-Präsidenten berufen werden muss. Die Interessenlage der FED ist also grundsätzlich nicht die Währungsstabilität, sondern es geht um die Interessen ihrer Eigentümer. Das hat sich zum Beispiel 2008 gezeigt, als die FED reihenweise verzockte Banken und Versicherungen der USA retten musste, also der Geldhahn geöffnet wurde, um die Schulden der Banken zu neutralisieren.
Zugleich aber gilt die FED auch immer als Spitze der von der Finanzindustrie gelenkten US-Geldpolitik. Seit der Dollar zu mehr als 70 % Weltreservewährung geworden ist und der Staat seit Nixon die Goldbindung und die Staatshaftung für die Währung aufgehoben hat (1971), wurde die Dollar-Menge hemmungslos vermehrt, um Kredite und damit Schuldherrschaft über 200 Länder der Erde zu gewinnen – also das Dollar-Imperium zu schaffen, welches auch die meisten Satellitenwährungen, zum Beispiel den Euro, steuert.
Die Bundesbank in ihrer Konzentration auf Währungsstabilität passte nicht in dieses System und war vor allem in Europa auch Störer, weil die anderen Euro-Länder nicht an der Stabilitätskette ihrer Zentralbanken hingen, sondern umgekehrt in der Lage waren, ihre Schuldenwünsche den Zentralbanken aufzudrücken. So wurde die Deutsche Mark zum Stabilitätsanker Europas, während an ihr die Entwertungen der übrigen, durch nationale Verschuldung mehr entwerteten Währungen wie zum Beispiel Italienische Lira, Französische Francs oder Spanische Peseta erkennbar waren. Mit anderen Worten: An der D-Mark werteten die anderen europäischen Währungen ab, was das internationale Kapital aus den Weichwährungen in die harte D-Mark trieb, die D-Mark zu Lasten des Dollars immer stärker zur Weltreservewährung machte und die übrigen europäischen Währungen als zweitrangige Weichwährungen offenbarte.
Kein Wunder, dass nicht nur die USA, sondern auch alle europäischen Länder
die Dominanz der Bundesbank brechen wollten und das Euro-Projekt mit der EZB vor allem der Neutralisierung der Bundesbank diente.
Theoretisch hat die EZB auch der Stabilität des Geldwertes zu dienen, praktisch aber wurde sie immer stärker auf die politischen Wünsche der Euro-Mitglieder-Mehrheiten umgepolt, insbesondere aber seit der Besetzung mit dem ehemaligen Goldman-Sachs-Angestellten Draghi auch den Wünschen der US-Hochfinanz und der FED unterworfen. Das zeigte sich bereits 2008, als die EZB wie die FED für die verzockten europäischen Banken Rettungsschirme finanzieren musste, weil der deutsche Vertreter im EZB-Rat mit nur einer unter 27 Stimmen nicht mehr Gewicht als Malta hatte, also die Wünsche der überschuldeten Banken und Südländer nach Schuldenhilfe nicht bremsen konnte. So wurden – leider mit Zustimmung auch Deutschlands – erst die uneinbringbaren Schulden der verzockten Banken und Südländer auf die Rettungsschirme – praktisch also auf die Steuerbürger Europas – übertragen und gleichzeitig den überschuldeten Banken und Ländern aus den Rettungsschirmen und aus dem Target-Kreditvolumen weitere Verschuldung ermöglicht.
Bei der ersten Krise hatte Griechenland 180 Milliarden Schulden, von denen 100 Milliarden erlassen wurden. Durch die Rettungsschirme bekam Griechenland aber für Reformversprechen ohne entsprechende Leistungen weitere 240 Milliarden Euro Kredite, so dass es nun mit 320 Milliarden Euro verschuldet ist, die Griechenland nie mehr abzahlen und für die es nicht einmal mehr normale Zinsen zahlen könnte.
Obwohl eigentlich nach dem EZB-Gesetz eine Staatsfinanzierung ausgeschlossen und im Vertag zu Lissabon auch eine Haftung der gesunden für die überschuldeten Euro-Länder ausgeschlossen war, hat die EZB beide Hürden mit der Zustimmung aller Euro-Regierungen übersprungen und ist, weil die meisten Euro-Länder aus politischen Gründen nicht sparen können oder wollen, mit der jetzt im Januar 2015 verkündeten Geldflutung zur offenen Staatsfinanzierung übergegangen. Dabei werden den Banken Ramschpapiere von Zockergeschäften und Anleihen von überschuldeten Staaten, denen niemand mehr Kredit gibt, abgekauft, wird also die weitere Verschuldung vor allem überschuldeter Staaten weiter finanziert.
Das Argument der EZB, man müsse die Deflation verhindern, ist nur Vorwand und theoretisch falsch:

  • Nur bei Leitwährungen wie dem Dollar kann Geldmengenvermehrung Auslandsgeld ins Land ziehen und Deflation verhindern. Der Euro ist aber keine Leitwährung.
  • Wie die Beispiele Japan und die südamerikanischen Staaten zeigen, bedingen zusätzliche Geldspritzen keine Sanierung der Wirtschaftsstruktur, sondern verhindern diese geradezu, weil sie die Politik ermuntern, statt mit politisch schwierigen Reformen mit leichter Weiterverschuldung weiterzumachen.
  • Weitere Geldspritzen sind wie weitere Drogenspritzen, die eine Suchtkrankheit nicht heilen, sondern nur verlängern und vergrössern. Ebenso ist es mit der Geldflutung.
  • Die Beispiele Griechenland und Frankreich zeigen, dass die Nationalstaaten mit steigenden Krediten nicht gesunden, sondern in eine Überschuldung geraten, die nicht mehr durch Anpassungen, sondern nur durch Währungsreform zu korrigieren sind.
  • Weil aber die EZB und – über die Rettungsschirme – auch die gesunden Euro-Länder für die Schulden der Insolvenzkandidaten Gesamthaftung übernommen haben (Deutschland 1/3), ist die kommende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzstaaten wegen des Gesamt-Euro nicht nur deren Problem, sondern unser aller Problem, haben wir also durch die Gesamthaftung die «Lust am gemeinsamen Untergang» betrieben.

Wie im Privatleben sind geringe Schulden das Problem des Schuldners, ist aber Überschuldung vor allem das Problem des Gläubigers, und der Schuldner kann dann mit Insolvenzdrohung seine Gläubiger erpressen. Dies macht jetzt Griechenland vor:

  • Von den 320 Milliarden Euro Schulden sind 240 Milliarden Euro in den Rettungsschirmen, der Rest bei der EZB. Würde Griechenland Staatsbankrott erklären, würde zum Beispiel die Rettungsschirmhaftung Deutschlands entgegen der Versicherung von Schäuble («Bürgschaft ist keine Zahlung!») zur Zahlungspflicht von etwa 80 Milliarden Euro, also zu neuen deutschen Schulden. Und die EZB hätte ihr Eigenkapital verloren und müsste von den Trägerländern frisches Geld abfordern (von Deutschland noch einmal etwa 100 Milliarden Euro). Deutschland könnte diese unsinnigerweise übernommene Verpflichtung zwar noch schultern, die meisten europäischen Länder aber nicht mehr. Also kommt ein Zahlungserlass für Griechenland nicht in Frage, man wird sich helfen, indem man die 320 Milliarden Euro Schulden auf 100 Jahre – das heisst ewig – verlängert, um sie nicht ausbuchen zu müssen.
  • Das hilft aber Griechenland und Frankreich noch nicht weiter. Sie brauchen frisches Geld, also muss die EZB ihnen zusätzliche Staatsanleihen abkaufen und damit die Euro-Geldmenge weiter fluten (weitere Drogenspritzen).
  • Die EZB hat damit die Verantwortung für die Konjunktur in Europa übernommen und gleichzeitig die Schuldenretter-Regierungen von harten Finanzkorrekturen in ihren Ländern vorübergehend befreit. Beides ist sowohl gegen alle bestehenden Verträge und Satzungen als auch gegen jegliche ökonomische Vernunft und gegen alle wirtschaftstheoretischen Erkenntnisse.

Die Frage stellt sich jetzt nur, wie lange die EZB die durch Geldflutung notwendigen Sanierungskorrekturen der überschuldeten Länder noch aufschieben kann:

  • Wie bei jeder Wechselreiterei und wie bei jeder Drogensucht geht auch der Missbrauch der Geldspritze der EZB nur solange gut, wie vor allem die soliden Haftungs- und Zahlerländer noch mitmachen. Verhindert etwa das Bundesverfassungsgericht die weitere Haftungsübernahme der Bundesrepublik für die Schuldenorgien Europas, kann auch die EZB nicht mehr fluten, ist die Orgie vorbei. Gleiches gilt, wenn sich die Bevölkerung in den soliden Ländern mehrheitlich gegen die Haftungswelle für die Schuldnerstaaten ausspricht.
  • Bisher haben FED und EZB künstlich durch die Geldflutung auch den Zins gen Null gedrückt, praktisch also das Zinsregulativ der Finanzmärkte ausgeschaltet. Dies wird nicht mehr lange gelingen, weil die steigenden Zinsen in den Entwicklungsländern das internationale Kapital zunehmend dorthin ziehen und damit einen ebenfalls ansteigenden Zinssatz in den USA und Europa erzwingen. Mit nur 2 % höheren Zinsen werden aber wiederum immer mehr überschuldete Länder – auch die USA – illiquide, also zahlungsunfähig.
  • Sparer und Alterssicherungsvorsorger sind zunehmend nicht mehr bereit, sich um ihre Sparzinsen enteignen zu lassen. Damit trocknen Kapitalsammelstellen aus, was ebenfalls zu höheren Zinsen führen muss.
  • Geldschwemme und Nullzinsen haben aber bereits zu Blasenbildungen (Aktienbörsen, Immobilienmarkt, private Märkte) geführt. Platzt eine dieser Blasen wie zum Beispiel die Immobilienblase in den USA oder Spanien, so kommt es wieder zu Korrekturkrisen und vielleicht zum Crash.
  • Ohne Strukturreformen kann Geldflutung eine Konjunktur nicht langfristig tragen, wie die USA zeigen, wo drei Dollar zusätzlicher Geldmenge nur zu einem Dollar Wirtschaftswachstum geführt haben.

Die Geldflutung der EZB ist also

  • untauglich, weil sie keine langfristige Erholung der Schuldnerstaaten und des Währungssystems bringt,
  • widersinnig, weil sie die Fehlentwicklungen der Finanz- und Realwirtschaft steigert, statt sie zu beenden,
  • politisch kontraproduktiv, weil den Regierungen der Druck zu Strukturreformen genommen und ihnen statt dessen weiter die Möglichkeit zur weiteren Finanzierung unproduktiver Korruptions- und Sozialversprechen gegeben wird.

Ein Drogensüchtiger muss zugrunde gehen und wird nicht geheilt werden, wenn ihm kein Entzug der Drogen zugemutet wird. Ebenso sind eine solide Währung, ein gesundes Finanzsystem, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und ein solides Wirtschaftswachstum nicht ohne Entzug von Geldflutung, Nullzinsen und Haftungsübernahme der soliden für die unsoliden Länder möglich.
Die EZB hat sich unter politischem Druck zugunsten unbewiesener Konjunkturimpulse für die Aufgabe der Stabilität des Euro entschieden. Da die Schuldenmacherstaaten im EZB-Direktorium die Mehrheit haben, müssen schliesslich die Marktkräfte (zum Beispiel Zinssteigerung, Blasenexplosion oder andere) die Geldflut beenden und eine Währungsreform erzwingen.
Genau das hat aber schon der frühere FED-Chef Greenspan angekündigt, der aus dem Zusammenbruch von Dollar und Euro die neue Welteinheitswährung «Euro-Dollar» mit der neuen Finanzzentrale BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Genf) angekündigt hat. Dazu hat die US-Hochfinanz die Anteile der BIZ rechtzeitig aufgekauft, um auch das nächste Weltwährungssystem wie unser altes privat regieren und wieder zur Selbstbereicherung missbrauchen zu können.1
Wie können wir uns gegen diese Entwicklung privat schützen?

  1. Wer weiss, dass die Zinsen wieder steigen werden, muss sich jetzt entschulden oder zumindest so umschulden, dass er keine Anschlussfinanzierung mehr braucht.
  2. Keine Anlage in Geldwerten mehr (keine Fonds, keine Aktien, keine Lebensversicherungen, keine Barbeträge …)
  3. Flucht in die Sachwerte, solange sie noch preiswert sind, zum Beispiel wo noch keine Immobilienblase herrscht, Edelmetalle, vorgezogene Käufe langfristiger Gebrauchsgüter.
  4. Umsteuern der Alterssicherung auf Sachrenditen wie zum Beispiel Mieten, Pachten, Unternehmensbeteiligungserträge.    •

1     ausführlicher dazu: Hamer, E.: «Der Welt-Geldbetrug», 4. Aufl. 2012 und ders. «Was tun, wenn der Crash kommt?», 1. Aufl. 2001, 10. Aufl. 2008

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