Die Konterrevolution im Nahen Osten

Die Konterrevolution im Nahen Osten

von Thierry Meyssan

Ein saudischer Clan – die Sudairi – steht im Zentrum der konterrevolutionären Welle im Nahen Osten, welche die Vereinigten Staaten und Israel lanciert haben. In einem umfassenden Überblick, der in Folgen in einer führenden russischen Tageszeitung erschienen ist, zeichnet Thierry Meyssan aus Damaskus ein allgemeines Bild der Widersprüche, welche die Region in Unruhe versetzten.

Innerhalb von Monaten sind in der arabischen Welt drei Regierungen gefallen: In Libanon hat das Parlament die Regierung von Saad Hariri gestürzt, während die Volksbewegungen in Tunesien Zine el-Abbidnie Ben Ali vertrieben und dann Hosni Mubarak in Ägypten festgenommen haben.
Mit diesen Regimeänderungen gingen Demonstrationen gegen die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten und des Zionismus einher. Politisch profitierten sie von der Achse des Widerstandes, die auf der staatlichen Ebene durch Iran und Syrien, auf der nicht staatlichen Ebene durch die Hizbollah und die Hamas repräsentiert werden.
Um die Konterrevolution in dieser Region zu führen, haben Washington und Tel-Aviv ihre beste Unterstützung angerufen: den Clan der Sudairi, der wie niemand anderer den Despotismus im Dienst des Imperialismus verkörpert.

Die Sudairi

Vielleicht haben Sie noch nie von ihnen gehört, dennoch stellen die Sudairi seit mehreren Jahrzehnten die reichste politische Organisation der Welt dar.
Die Sudairi sind jene 7 der 53 Söhne von König Ibn Saud, dem Gründer Saudi-Arabiens, die von Prinzessin Sudairi geboren wurden. Ihr Anführer war König Fahd, der von 1982 bis 2005 herrschte. Seit seinem Tod sind es nur noch 6. Der älteste, Prinz Sultan, seit 1985 Verteidigungsminister, ist 85 Jahre alt. Der jüngste, Prinz Ahmed, stellvertretender Innenminister seit 1975, ist 71jährig. Seit den 60er Jahren ist es ihr Clan, der die prowestlichen Marionettenregimes im «Greater Middle East» organisiert, strukturiert und finanziert.
An dieser Stelle ist ein Rückblick unerläss­lich.
Saudi-Arabien als juristische Person wurde während des Ersten Weltkrieges von den Briten geschaffen, um das Osmanische Reich zu schwächen. Obwohl Lawrence von Arabien das Konzept der «Arabischen Nation» erfunden hatte, gelang es ihm nie, aus diesem neuen Land eine Nation, geschweige denn einen Staat zu machen. Es war und ist noch immer Privateigentum der Familie Al-Saud. Wie die britische Untersuchung des Al-Yamameh-Skandals gezeigt hat, existieren auch im 21. Jahrhundert noch keine Bankkonten und kein Budget des Königreichs; es sind die Konten der königlichen Familie, aus denen die Verwaltungskosten des Königreichs gedeckt werden, das ihr Privatbesitz bleibt.
Als Grossbritannien am Ende des Zweiten Weltkrieges die Mittel für seinen Imperialismus ausgingen, kam das Territorium unter US-Oberhoheit. Präsident Frank­lin D. Roosevelt schloss ein Abkommen mit König Ibn Saud: Die Familie der Saud garantierte die Öl-Versorgung der Vereinigten Staaten, die im Gegenzug die für den Machterhalt des Hauses Saud notwendige Militärhilfe garantierten. Diese Allianz ist bekannt unter dem Namen «Vereinbarung von Quincy», weil sie an Bord eines Schiffes mit diesem Namen ausgehandelt wurde. Es ist eine Vereinbarung, kein Vertrag, da sie nicht zwei Staaten bindet, sondern einen Staat und eine Familie.
Da der Gründungskönig, Ibn Saud, 32 Ehefrauen und 53 Söhne hatte, dauerte es nicht lange, bis ernste Rivalitäten unter potentiellen Nachfolgern auftraten. So beschloss man, dass die Krone nicht vom Vater auf den Sohn, sondern von Halbbruder zu Halbbruder übertragen wurde.
Fünf Söhne von Ibn Saud sind bereits auf den Thron gestiegen. Der heutige König, der 87jährige Abdullah I., ist ein eher aufgeschlossener Mann, wenn auch ohne Kontakt zur heutigen Realität. Da er sich bewusst ist, dass das gegenwärtige dynastische System seinem Ruin entgegengeht, möchte er die Nachfolgeregelungen reformieren. Der Souverän würde dann durch den Rat des Königreiches ernannt – das heisst durch Vertreter aus verschiedenen Zweigen der Königsfamilie – und könnte aus einer jüngeren Generation kommen.
Diese weise Idee passt den Sudairi nicht. Angesichts verschiedener Verzichtserklärungen auf den Thron aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Genusssucht gehören die drei nächsten Thronbewerber tatsächlich ihrem Clan an: der bereits erwähnte Verteidigungsminister Prinz Sultan, 85 Jahre alt; Prinz Nayef, Innenminister, 78 Jahre alt, und Prinz Salman, Gouverneur von Riad, 75 Jahre alt. Sollte sie angewendet werden, wäre die neue Regelung zum Nachteil der Dynastie.
Man kann nachvollziehen, dass die Sudairi, die sich nie viel aus ihrem Halbbruder, König Abdullah, gemacht haben, ihn nunmehr hassen. Man versteht auch, dass sie beschlossen haben, all ihre Kräfte in den gegenwärtigen Kampf zu werfen.

Die Rückkehr von «Bandar Bush»

Ende der siebziger Jahre wurde der Sudairi-Clan von Prinz Fahd angeführt. Er erkannte die seltenen Qualitäten eines Kindes seines Bruders Sultan: Prinz Bandar. Er sandte ihn nach Washington, um Rüstungsverträge auszuhandeln, und schätzte die Art, wie er die Einwilligung von Präsident Carter erwarb.
Als Fahd 1982 den Thron bestieg, machte er Prinz Bandar zu seinem Vertrauten. Er wurde zum Militärattaché ernannt, dann zum Botschafter in Washington, ein Posten, den er während der ganzen Herrschaft beibehielt – bis zu seiner knallharten Entlassung durch König Abdullah im Jahre 2005.
Sohn von Prinz Sultan und einer libyschen Sklavin, ist Prinz Bandar, eine brillante wie skrupellose Persönlichkeit, der es verstanden hat, sich trotz des Makels seiner mütterlichen Herkunft in der Königsfamilie zu behaupten. Er ist heute der aktive Arm des gerontokratischen Sudairi-Clans.
Während seines langen Aufenthaltes in Washington hat sich Prinz Bandar freundschaftlich mit der Familie Bush verbunden, vor allem mit George H. Bush, mit dem er unzertrennlich war. Letzterer stellte ihn gern als den Sohn dar, den er gerne gehabt hätte, und zwar in einem Ausmass, dass man ihm in der Hauptstadt den Spitznamen «Mr. Bandar Bush» gab. Was George H. Bush – ehemaliger Direkter der CIA, dann Präsident der Vereinigten Staaten – an ihm besonders schätzte, war seine Vorliebe für Geheimaktionen.
«Mr. Bandar Bush» integrierte sich in die High-Society der Vereinigten Staaten. Er ist sowohl Kurator auf Lebenszeit (Lifetime Trustee) des Aspen Institute als auch Mitglied von Bohemian Grove. Die britische Öffentlichkeit entdeckte seine Existenz anlässlich des Al-Yamamah-Skandals: Das grösste Rüstungsabkommen ist zugleich die wichtigste Korruptionsaffaire. Während zwanzig Jahren (1985–2006) hat British Aerospace, [1999] auf BAE Systems umbenannt, für 80 Milliarden Dollar Rüstungsgüter an Saudi-Arabien verkauft und liess dabei einen Teil dieses Geldsegens ganz diskret auf die Bankkonten saudischer und möglicherweise auch britischer Politiker zurückfliessen, zwei Milliarden davon gingen allein an Prinz Bandar.
Das, weil Seine Hoheit eine Menge Ausgaben hat. Prinz Bandar hat viele arabische Kämpfer, die während des kalten Krieges von den saudischen Geheimdiensten ausgehoben wurden, um die Rote Armee in Afghanistan zu bekämpfen, auf Ersuchen der CIA und des MI6 auf sein Konto übernommen. Natürlich war die in diesem Milieu bekannteste Figur niemand anderer als der antikommunistische Milliardär, der zum Guru der Dschihadisten wurde: Usama bin Ladin.
Es ist unmöglich, genau zu sagen, über wie viele Männer Prinz Bandar verfügt. Im Laufe der Zeit konnte man seine Beteiligung an verschiedenen Konflikten und terroristischen Akten in der ganzen muslimischen Welt beobachten – von Marokko nach Xinjiang in China. Exemplarisch erinnere man sich an die kleine Armee, die er unter dem Namen Fatah al-Islam in einem palästinensischen Lager Nahr el Bared in Libanon eingeschleust hatte. Die Mission dieser Kämpfer war, die palästinensischen Flüchtlinge, mehrheitlich Sunniten, dazu aufzuwiegeln, ein unabhängiges Emirat auszurufen und die schiitische Hizbollah zu bekämpfen. Die Affäre wandte sich zum Schlechten, als die Gehälter der Söldner nicht rechtzeitig bezahlt wurden. Schliesslich verschanzten sich die Leute von Prinz Bandar 2007 im Lager, 30 000 Palästinenser waren gezwungen zu fliehen, während die libanesische Armee einen zweimonatigen Kampf führte, um die Kontrolle über das Lager zurückzugewinnen. Diese Operation kostete 50 Söldnern, 32 palästinensischen Zivilisten und 68 libanesischen Soldaten das Leben.
Anfang 2010 zettelte Bandar einen Coup an, um König Abdullah zu stürzen und seinen Vater, Sultan, auf den Thron zu heben. Das Komplott wurde entdeckt, Bandar fiel in Ungnade – allerdings ohne seine offiziellen Titel zu verlieren. Ende 2010 aber verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs, die Zahl der chirurgischen Eingriffe vervielfachte sich, und die Sudairi gewannen wieder die Oberhand und setzten  mit Unterstützung der Regierung Obama seine Rückkehr durch.
Nach einem Besuch des Königs, der in Washington hospitalisiert war, und dem etwas vorschnellen Schluss, dass dieser im Sterben liege, schloss sich der libanesische Premierminister Saad Hariri der Seite der Sudairi an. Saad Hariri ist ein in Riad geborener Saudi, der aber doppelte Staatsangehörigkeit besitzt. Er erbte sein Vermögen von seinem Vater, der alles Saud verdankte. Er ist daher dem König verpflichtet und auf dessen dringendes Verlangen Premierminister geworden, während sich das US-Aussenministerium fragte, ob er fähig sei für diese Position.
Während der Zeit, in der er König Abdullah gehorchte, begann sich Saad Hariri mit Präsident Bashar al-Assad zu versöhnen. Er zog die Anschuldigungen, die er diesem gegenüber bezüglich der Ermordung seines Vaters, Rafik Hariri, geäussert hatte, zurück und bedauerte, dazu manipuliert worden zu sein, um künstlich Spannungen zwischen Libanon und Syrien zu schaffen. Mit seiner Unterstützung der Sudairi hat Saad eine politische Kehrtwendung gemacht. Von einem Tag auf den anderen sagte er sich von der ­Appeasement-Politik König Abdullahs gegenüber Syrien und der Hizbollah los und setzte eine Offensive gegen das Regime von Bashar al-Assad, für die Entwaffnung der ­Hizbollah und für einen Kompromiss mit ­Israel in Gang.
König Abdullah jedoch erwachte aus seinem semikomatösen Zustand und verlangte ohne langes Zögern Rechenschaft. Nach Entzug seiner unentbehrlichen Unterstützung wurden Saad Hariri und seine Regierung durch das libanesische Parlament zugunsten eines andern, weniger abenteuerlichen Milliardärs und Doppelbürgers, Najib Mikati, gestürzt. Als Strafe leitete König Abdullah eine Steueruntersuchung gegen die wichtigste saudische Gesellschaft der Hariri ein und liess mehrere seiner Mitarbeiter wegen Betruges verhaften.

Die Legionen der Sudairi

Die Sudairi haben beschlossen, die Konterrevolution in alle Richtungen in Gang zu setzen.
Ägypten, wo sie einerseits Mubarak und andererseits die Muslimbruderschaft finanzierten, haben sie nunmehr eine Allianz zwischen der Bruderschaft und den pro USA orientierten Offizieren aufgezwungen.
Zusammen hat diese neue Koalition die Macht unter sich aufgeteilt und dabei die Führer der Revolution des Tahrir-Platzes ausgeschlossen. Sie hat die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung verweigert und sich mit marginalen Ergänzungen der Verfassung begnügt.
Als erstes haben sie den Islam zur Staatsreligion erklärt – auf Kosten der koptisch-christlichen Minderheit (etwa 10%), die von Hosni Mubarak unterdrückt worden war und sich massenhaft gegen ihn mobilisierte. Darüber hinaus hat Dr. Mahmoud Izat, die Nummer zwei der Bruderschaft, zur raschen Einführung der Scharia und der Wiederherstellung islamistischer Bestrafung aufgerufen.
Dem jungen Waël Ghoneim, der beim Sturz des ägyptischen Tyrannen eine Hauptrolle spielte, verbot man das Podium seit den Manifestationen des Sieges am 18. Februar, zu denen sich nahezu 2 Millionen Menschen versammelten. Im Gegensatz dazu konnte sich der Starprediger der Bruderschaft, Youssef al-Qardawi, nach 30 Jahren Exil in Katar, ausführlich zu Wort melden. Er, dem Gamal Abdel Nasser die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte, spielte sich als Inkarnation der neuen Ära auf: jener der Scharia und der friedlichen Koexistenz mit dem zionistischen Regime von Tel Aviv.
Der Träger des Friedensnobelpreises, Mohammed el-Baradei – den die Muslimbruderschaft während der Revolution zum Sprecher gewählt hatte, um sich ein liberaleres Image zu geben –, wurde anlässlich des Verfassungsreferendums von derselben Bruderschaft körperlich angegriffen und aus der ­politischen Szene weggedrängt.
Dass sie in aller Form in die politische Szene einzieht, hat die Muslimbruderschaft mit der Gründung einer neuen politischen Partei, Freiheit und Gerechtigkeit, angekündigt – unterstützt vom National Endowment for Democracy (NED) und dem Vorbild der türkischen AKP nachgebildet. (Die gleiche Strategie haben sie in Tunesien mit der Renaissance-Partei gewählt.)
In diesem Zusammenhang wurden gewalttätige Angriffe auf religiöse Minderheiten verübt. So wurden zwei koptische Kirchen niedergebrannt. Weit davon entfernt, die Aggressoren zu bestrafen, hat der Premierminister ihnen ein Pfand gegeben: Er hat den gerade von ihm ernannten Gouverneur der Provinz Qenna, den geachteten General Imad Mikahel, seiner Ämter enthoben …, weil dieser nicht sunnitischer Muslim, sondern koptischer Christ ist.
In Libyen haben die Sudairi bewaffnete Kämpfer in die Region Cyrenaika verlegt, noch bevor das französisch-britische Signal zum Aufstand gegen die Macht von Tripolis erfolgte. Sie waren es, welche die Waffen und die rot-schwarz-grünen Fahnen mit Stern und Mondsichel, verteilten – Symbole der Senoussi-Monarchie, der historischen Beschützerin der Muslimbruderschaft.
Ihr Ziel ist, dem Störenfried Gaddafi ein Ende zu setzen und Prinz Mohammed wieder auf den Thron dessen, was einst das Vereinigte Königreich Libyen war, zu setzen.
Es war der Golf-Kooperationsrat, der als erstes eine bewaffnete Intervention gegen die Regierung in Tripolis forderte. Und innerhalb des Rates ist es die saudische Delegation, welche die diplomatischen Manöver so gesteuert hat, dass die arabische Liga den Angriff durch die westlichen Armeen gutgeheissen hat.
Oberst Gaddafi seinerseits hat in mehreren Reden versichert, es habe keine Revolution in Cyrenaika gegeben, sein Land müsse aber einer Destabilisierungsoperation von ­al‑Kaida die Stirn bieten; Äusserungen, die zu Unrecht belächelt wurden und vom Kommandanten des US-Africom, General Carter F. Ham, persönlich bestätigt wurden: Man erinnert sich an das Unbehagen des Kommandanten der ersten US-Militäroperation, [General Carter F. Ham], bevor diese von der Nato übernommen wurde. Er wunderte sich darüber, dass er sich bei der Wahl seiner Ziele auf Spione am Boden abstützen sollte, die dafür bekannt waren, die Streitkräfte der Alliierten in Afghanistan bekämpft zu haben: im Klartext auf die Männer bin Ladins.
Was Bahrein betrifft, so präsentiert es sich seit 1971 als unabhängiges Königreich. In Wirklichkeit handelt es sich immer noch um ein von den Briten regiertes Territorium. Während ihrer Herrschaft haben sie Prinz Khalifa als Premierminister auserwählt und haben ihn während 40 Jahren ohne Unterbruch auf diesem Posten gehalten – auch nach der Fiktion der Unabhängigkeit bis heute. Eine Kontinuität, die bei den Sudairis kein Missfallen erregt.
König Hamad hat den Vereinigten Staaten eine wichtige Konzession erteilt; sie haben im Hafen von Juffair das Marinehauptquartier des Central Command und der V. Flotte  installiert. Unter diesen Umständen wäre die Forderung des Volkes nach konstitutioneller Monarchie gleichbedeutend mit dem Erlangen echter Unabhängigkeit, dem Ende der britischen Herrschaft und dem Abzug der US-Truppen. Eine solche Entwicklung würde mit Sicherheit auf Saudi-Arabien übergreifen und die Fundamente des Systems bedrohen.
Die Sudairi haben den König von Bahrein überzeugt, alle Hoffnungen der Bevölkerung blutig niederzuschlagen.
Am 13. März kam US-Verteidigungsminister Robert Gates in Manama, der Hauptstadt von Bahrein, an, um die Koordination der Operationen einzuleiten, die am Tag zuvor mit dem Einmarsch saudischer Spezialtruppen unter dem Kommando von Prinz Nayef, bekannt als «Nayefs Adler», ihren Anfang genommen hatten. In wenigen Tagen waren alle Symbole des Protestes zerstört, auch das öffentliche Denkmal, das einst auf dem Platz der Perle errichtet wurde. Hunderte von Menschen sind tot oder wurden als vermisst gemeldet. Die Folter – die seit einem Jahrzehnt nahezu aufgegeben worden war – wurde erneut allgemein angewendet. Die Ärzte und Krankenpfleger, die verletzte Manifestanten pflegten, wurden in ihren Spitälern festgenommen, in Isolationshaft genommen und vor Militärtribunale gestellt.
Das Wichtigste an dieser schrecklichen Repression ist allerdings der Wille, einen klassischen Klassenkampf – bei dem sich eine ganze Bevölkerung gegen eine privilegierte Klasse zur Wehr setzt, die sich einem ausländischen Imperialismus verkauft hat, – in eine religiöse Auseinandersetzung zu transformieren. Da die Mehrheit der Bahrainer Schiiten sind, während die herrschende Familie sunnitisch ist, ist es das Schiitentum – Träger des revolutionären Ideals von Ruhollah Khomeini –, das ins Visier genommen wurde. In einem Monat haben «Nayefs Adler» 25 schiitische Moscheen dem Erdboden gleichgemacht und 253 weitere beschädigt.
21 der wichtigsten Anführer des politischen Protestes werden demnächst durch ein Ausnahmegericht abgeurteilt werden. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen. Mehr noch als auf die Schiiten geht die Monarchie auf Ibrahim Chérif los, den Präsidenten der Waed Partei (links-laizistisch), dem sie vorwirft, das konfessionelle Spiel nicht mitzuspielen, da er Sunnit ist.
Da sie Iran nicht destabilisieren können, haben die Sudairi ihre Attacken auf Syrien konzentriert.

Die Destabilisierung Syriens

Anfang Februar, als das Land noch keine Kundgebung erlebt hatte, wurde auf Facebook eine Seite mit dem Titel «The Syrian Revolution 2011» kreiert. Sie rief für Freitag, den 4. Februar, zu einem «Tag des Zorns» auf; der Aufruf wurde von Al-Jazira übertragen, stiess aber auf keinerlei Echo, nirgendwo. Der katarische Kanal bedauerte das Ausbleiben einer Reaktion und brandmarkte Syrien als «Königreich des Schweigens» [sic!].
Die Namensgebung «The Syrian Revolution 2011» gibt Fragen auf: Abgefasst auf englisch, trägt der Name die Merkmale eines Werbeslogans. Aber welcher echte Revolutionär dächte daran, falls er sein Ideal 2011 nicht umsetzen könnte, nach Hause zu gehen, um sich schlafen zu legen?
Noch merkwürdiger: Am Tage ihrer Neuschöpfung registrierte diese Seite auf Facebook mehr als 80 000 Freunde. Eine solche Begeisterung innerhalb weniger Stunden, gefolgt von gar nichts, lässt an eine Manipulation denken, die mit Computer-Software zur [automatischen] Erzeugung von Benutzerkonten realisiert wurde. Dies um so mehr, als die Syrer das Internet mässig nutzen und erst seit dem 1. Januar Zugang zu ADSL [flächendeckenden Internetzugang] haben.
Die Unruhen begannen einen Monat später in Deraa, einem ländlichen Städtchen an der jordanischen Grenze und wenige Kilometer von Israel entfernt. Unbekannte haben Halbwüchsige dafür bezahlt, dass sie regierungsfeindliche Graffiti auf die Mauern der Stadt sprayten. Die Polizei hat die Gymnasiasten festgenommen und sie zum grossen Missfallen ihrer Familien wie Kriminelle behandelt. Die lokale Oberschicht, die anbot, die Streitsache zu regeln, wurden vom Gouverneur als unehrenhaft abgewiesen. Die jungen Leute wurden verdroschen. Die wütenden Familien haben die Polizeistation angegriffen, um sie zu befreien. Die Polizei reagierte mit noch grösserer Brutalität und tötete Protestierende.
Präsident Bashar al-Assad hat dann eingegriffen, um die Polizisten und den Gouverneur zu bestrafen – letzterer ist niemand anderer als einer seiner Cousins, den er auf den Posten nach Deraa berufen hat, weitab von der Hauptstadt, um ihn zu vergessen. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, um das polizeiliche Fehlverhalten völlig aufzuklären. Die für die Gewalttaten verantwortlichen Beamten wurden angeklagt und unter Kaution gestellt. Minister haben sich auf den Weg gemacht, um den Familien der Opfer die Entschuldigungen und das Beileid der Regierung zu überbringen; Entschuldigungen und Beileidsbezeugungen, die öffentlich akzeptiert worden sind.
Alles hätte zur Normalität zurückkehren sollen. Plötzlich haben vermummte Scharfschützen, die auf Dächern postiert waren, gleichzeitig in die Menge und auf die Polizisten geschossen und die Stadt ins Chaos gestürzt.
Die Verwirrung nutzend, begaben sich bewaffnete Individuen nach ausserhalb der Stadt, um ein staatliches Gebäude anzugreifen, in dem die Geheimdienste untergebracht sind, welche mit der Beobachtung des von ­Israel besetzten syrischen Territoriums auf dem Golan beauftragt sind. Die Sicherheitsdienste haben das Feuer eröffnet, um das Gebäude und seine Archive zu verteidigen. Es gab Tote auf beiden Seiten.
Diese Art der Konfrontation wiederholte sich. Angesichts der Angreifer, welche die Stadt umzingelten, haben die führenden Schichten den Schutz der Armee verlangt. 3000 Mann sowie Panzer wurden zum Schutz der Einwohner aufgeboten. Schliesslich wurden die in die syrische Armee eingeschleusten Kämpfer in einer Schlacht gestellt – in einer Art Neuauflage der Belagerung von Nahr el-Bared durch die libanesische Armee. Nur dass diesmal die internationale Presse die Fakten entstellt und die syrische Armee bezichtigt, die Bevölkerung von Deraa anzugreifen.
Währenddessen sind Zusammenstösse in Lattaquié ausgebrochen. Dieser Hafen wird seit langem von Mafiaorganisationen beherrscht, die auf Schmuggel auf dem Seeweg spezialisiert sind. Diese Individuen haben Waffen und Geld libanesischer Herkunft erhalten. Sie haben das Stadtzentrum mutwillig verwüstet. Die Polizei hat interveniert. Auf Order des Präsidenten waren die Ordnungskräfte nur mit Schlagstöcken bewaffnet. Darauf haben die Gangster Kriegswaffen hervorgeholt und Dutzende von unbewaffneten Polizisten getötet.
Das gleiche Szenario wiederholte sich im Nachbarort Banias, einer weniger bedeutenden Stadt, aber von um so grösserer strategischer Bedeutung, da sich dort die wichtigste Ölraffinerie des Landes befindet. Diesmal machten die Ordnungskräfte von ihren Waffen Gebrauch, und die Auseinandersetzung wurde zur offenen Feldschlacht.
Schliesslich haben Individuen in Homs, einer wichtigen Stadt im Zentrum des Landes, an einem Gebet in einer fundamentalistischen Moschee teilgenommen und die Gläubigen zur Protestkundgebung aufgerufen «gegen das Regime, das unsere Brüder von Lattaquié tötet».
Als Reaktion auf die Unruhen ist die syrische Bevölkerung in Massen auf die Strasse gegangen, um ihre Unterstützung für die Republik zu bekräftigen. Gigantische Demonstrationen, wie sie das Land noch nie in seiner Geschichte erlebt hatte, haben in Damaskus, in Alep und sogar in Lattaquié jedesmal Hunderttausende von Menschen zusammengeführt unter dem Ruf «Gott, Syrien, Bashar!».
Während die Zusammenstösse in den betroffenen Orten härter wurden, schafften es die Ordnungskräfte, den Kämpfern Einhalt zu gebieten. Ihren am Fernsehen übertragenen Bekenntnissen zufolge wurden sie von dem libanesischen Parlamentsmitglied und Hariri‑Anhänger Jamal Jarrah rekrutiert, bewaffnet und bezahlt, was dieser dementiert.
Jamal Jarrah ist ein Freund von Prinz Bandar. Sein Name wurde auch in der Affäre von Fatah al-Islam in Nahr el-Bared genannt. Er ist der Cousin von Ziad Jarrah, einem Dschihadisten, der vom FBI für die Entführung der Maschine des Fluges UA93 verantwortlich gemacht wird, die am 11. September 2001 in Pennsylvania zerschellt war. Er ist ausserdem der Cousin der Gebrüder Ali und Youssouf Jarrah, die 2008 von der libanesischen Armee wegen Spionage zugunsten Israels verhaftet wurden.
Jamal Jarrah soll auch Geheimmitglied der Muslimbruderschaft sein, was er ebenfalls dementiert. 1982 versuchte die Bruderschaft, die Macht in Syrien zu übernehmen. Sie erlitten eine Niederlage und wurden damals Opfer einer entsetzlichen Massenrepression. Man glaubte, diese schmerzlichen Erinnerungen seien seit der von Bashar el-Assad proklamierten Amnestie vergessen. Dem ist nicht so, dieser Arm der Bruderschaft wird seither von den Sudairi finanziert, die sie einstmals exkommunziert hatten. Die Rolle der Bruderschaft bei den Zusammenstössen von Banias wird heute von allen anerkannt.
Jamal Jarrah soll auch militante Libanesen des Hisb ut-Tahrir benützt haben, eine islamistische Organisation mit Sitz in London, die vor allem in Zentralasien aktiv ist. Der Hizb ut‑Tahrir, der sich als gewaltlos deklariert, wird beschuldigt, zahlreiche Attentate im Fergana-Tal organisiert zu haben. Besonders um sie zu bekämpfen, hat China seine Annäherung an Russland im Rahmen des Schanghai-Kooperationsrates in die Wege geleitet. Trotz mehrerer Debatten im Unterhaus wurden die Londoner Verantwortlichen der Gruppe nie behelligt und besetzen alle hohe Kaderpositionen in anglo-amerikanischen multinationalen Konzernen.
Der Hizub ut-Tahrir hat letztes Jahr eine Sektion in Libanon eröffnet. Bei dieser Gelegenheit hat er einen Kongress organisiert, zu dem er ausländische Persönlichkeiten, darunter auch einen russischen Intellektuellen von internationalem Ruf, eingeladen hat. Im Laufe der Debatten haben die Organisatoren zur Errichtung eines islamischen Staates aufgerufen, wobei sie klarstellten, dass für sie die Schiiten und die libanesischen Drusen – und sogar gewisse Sunniten – keine echten Muslime seien und wie die Christen vertrieben werden müssten. Bestürzt ob solcher Äusserungen, beeilte sich der eingeladene Russe, Fernsehinterviews zu geben, um sich von diesen Fanatikern zu distanzieren.
Die syrischen Sicherheitskräfte schienen zunächst von den Ereignissen überwältigt. Ausgebildet in Russland, machten die höheren Offiziere von der Gewalt Gebrauch, ohne sich allzu viele Gedanken über die Wirkung auf die Bevölkerung zu machen. Die Situation kehrte sich allerdings schrittweise um. Präsident Bashar übernahm wieder die Kontrolle. Er änderte die Regierung. Er hat den Ausnahmezustand aufgehoben und das Gericht für Staatssicherheit aufgelöst. Er hat Tausenden von Kurden die syrische Staatsbürgerschaft gewährt, die ihnen historisch seit einer umstrittenen Volkszählung entzogen worden war. Ausserdem hat er verschiedene weitere Massnahmen getroffen wie die Abschaffung von Bussen bei Verzug der Zahlung an öffentliche Unternehmen (Elektrizität usw.). Damit hat er die grundsätzlichen Forderungen der Bevölkerung erfüllt und die Opposition beruhigt. Anlässlich des «Tages des Trotzes» am Freitag, 6. Mai, hat die Zahl der Manifestanten im Land keine 50 000 Personen erreicht, dies bei einer Bevölkerung von 22 Millionen Einwohnern.
Insbesondere der neue Innenminister, ­Mohammad al-Sha’ar, hat jedermann, der sich in die Unruhen hat hineinziehen lassen, dazu aufgerufen, sich freiwillig bei der Polizei zu melden und als Gegenleistung für Informationen von der vollständigen Amnestie zu profitieren. Mehr als 1100 Personen haben geantwortet. In ein paar Tagen sind die hauptsächlichen Verbindungen zerschlagen und zahlreiche Waffenverstecke konfisziert. Nach fünf Wochen der Gewalt kehrt in fast allen aufgerührten Städten langsam wieder Ruhe ein.
Unter den identifizierten und festgenommenen Anführern seien mehrere israelische oder libanesische Offiziere gewesen, und einer sei ein Saad Hariri nahestehender libanesischer Politiker gewesen. Dieser Destabilisierungsversuch wird also eine Fortsetzung haben.

Ein offenes Komplott

Was ursprünglich ein Komplott zum Sturz des syrischen Regimes war, ist zu einer öffentlichen Erpressung durch Destabilisierung geworden. Als sie feststellten, dass die Revolte nicht in Gang kommt, haben die anti­syrischen arabischen Tageszeitungen die laufenden Verhandlungen schamlos wiedergegeben. Sie berichteten über Besuche von Unterhändlern, die nach Damaskus gekommen waren, um die Forderungen der Sudairi zu präsentieren. Glaubt man diesen Zeitungen, wird die Gewalt nicht aufhören, bevor sich Bashar al-Assad zwei Befehlen fügt:
•    mit Iran brechen und
•    die Unterstützung des Widerstandes in Palästina, in Libanon und im Irak einstellen.

Die internationale Propaganda

Die Sudairi wünschen eine westliche Militär­intervention, um den syrischen Widerstand zu beenden – in der gleichen Art, wie sich die Aggression gegen Libyen abspielt. Dazu haben sie Propagandaspezialisten mobilisiert.
Zur allgemeinen Überraschung hat der Satellitenfernsehkanal Al-Jazira seine redaktionelle Linie brutal geändert. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass dieser Sender durch den Willen der Brüder David und Jean Frydman geschaffen wurde, französischen Milliardären, die Berater von Ytzakh Rabin und Ehud Barak waren. Sie wollten ein Medium schaffen, das eine Debatte zwischen ­Israeli und Arabern erlaubt, obwohl eine solche Debatte in jedem der betroffenen Länder gesetzlich verboten war.
Um den Kanal aufzubauen, ersuchten sie den Emir von Katar anfänglich, die Rolle des Deckmantels zu spielen. Das Redaktionsteam ist unter der arabischen Abteilung der BBC rekrutiert worden, so dass die Mehrheit der Journalisten von Anbeginn führende britische MI6-Agenten waren.
Der Emir übernahm allerdings die politische Kontrolle des Kanals, der zum agierenden Zweig seiner Monarchie wurde. Während Jahren hat Al-Jazira tatsächlich eine beruhigende Rolle gespielt, indem er den Dialog und die Verständigung in der Region förderte.
Al-Jazira, dessen Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten ausserordentlich war, hat seine redaktionelle Linie mit der libyschen Angelegenheit abrupt geändert, um zum Sprachrohr der Sudairi zu werden. Dieser Gesinnungswandel ist eine Erklärung wert. Die Offensive gegen Libyen ist ursprünglich ein französisch-britischer Plan, konzipiert im November 2010, das heisst lange vor dem «arabischen Frühling», an dem die Vereinigten Staaten beteiligt waren. Paris und London beabsichtigen, einige Punkte mit Tripolis zu regeln und ihre kolonialen Interessen zu verteidigen. Tatsächlich hatte die NOC, die nationale libysche Ölgesellschaft, in den Jahren 2005–2006 drei internationale Ausschreibungen für die Erforschung und Ausbeutung seiner Reserven – den bedeutendsten Afrikas – durchgeführt. Oberst Gaddafi hatte seine Spielregeln durchgesetzt. Die westlichen Gesellschaften hatten verschiedene Abkommen geschlossen, sicher profitabel, aber in ihren Augen viel zuwenig. Es handelte sich um die unvorteilhaftesten Verträge mit multinationalen Unternehmen weltweit. Dazu kamen verschiedene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Annullierung lukrativer Verträge für Ausrüstung und Waffen.
Seit den ersten Tagen des angeblichen Aufstandes von Benghasi haben Paris und London einen nationalen Übergangsrat eingesetzt, den Frankreich offiziell als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannte. Dieser Rat hat eine neue Ölgesellschaft begründet, die LOC, die von der internationalen Gemeinschaft am Gipfel von London als rechtmässige Ausbeuter der Kohlenwasserstoffe des Landes anerkannt wurde. Anläss­lich dieses Überfalls wurde beschlossen, die Vermarktung des von LOC gestohlenen Öls solle Katar [sic!] tätigen und die Kontaktgruppe der alliierten Staaten werde sich künftig in Doha treffen.
Sofort legte der religiöse Ratgeber des katarischen Fernsehsenders, Youssef al-Qardawi, los und rief jeden Tag zum Sturz von Bashar al-Assad auf. Scheich al-Qardawi ist sowohl Präsident der Internationalen Union der islamischen Religionsgelehrten als auch des Europäischen Rates für Fatwa und islamische Studien. Er ist Ratgeber der Muslimbruderschaft und predigt einen originellen Islam – eine Mischung aus «Demokratie des Marktes» à la USA und saudischem Obskurantismus: Er lässt das Prinzip gewählter Führungskräfte zu, vorausgesetzt, sie engagieren sich dafür, die Scharia in ihrer borniertesten Form zur Anwendung zu bringen.
Youssef al-Qardawi hat sich der saudische Kleriker Saleh al-Luhaidan angeschlossen, der dazu aufrief, «einen Drittel der Syrer zu töten, auf dass die andern zwei Drittel leben» [sic!]. Einen Drittel der Syrer töten? Das bedeutet, die Christen, die Juden, die Schiiten, die Alawiten und die Drusen umzubringen. Damit zwei Drittel leben? Das heisst, um einen sunnitischen Staat zu etablieren, bevor dieser seine eigene Gemeinschaft läutert.
Bis heute scheint nur der palästinensische Zweig der Muslimbruderschaft, die Hamas, unempfänglich für die verführerische Macht der Petrodollars der Sudairi. Ihr Chef, Khaled Meshaal, hat ohne einen Augenblick zu zögern bekräftigt, dass er im Exil in Damaskus bleibe und Präsident al-Assad unterstütze. Mit Hilfe des letzteren hat er versucht, imperialistischen und zionistischen Plänen zuvorzukommen, indem er mit der Fatah von Mahmoud Abbas ein Abkommen verhandelte.
Seit März haben sich Al-Jazira, der arabische Sender der BBC und der arabische Sender von France24 zu massiven Propagandaorganen gemausert. Mittels falscher Zeugenaussagen und manipulierter Bilder erzählen sie fabrizierte Ereignisse, um der ­syrischen Republik das Stereotyp des tunesischen Regimes von Ben Ali aufzudrücken.
Sie versuchen glauben zu machen, dass die syrische Armee eine Macht der Repression sei, vergleichbar der tunesischen ­Polizei, und dass sie nicht zögere, auf friedliche Bürger zu schiessen, die für ihre Freiheit kämpfen. Diese Medien haben sogar den Tod eines jungen Soldaten gemeldet, der sich geweigert habe, auf seine Mitbürger zu schiessen und durch seine Vorgesetzten zu Tode gefoltert worden sei. In Wirklichkeit ist die syrische Armee eine Armee von Wehrpflichtigen, und der junge Soldat, dessen Personendaten veröffentlicht worden waren, war auf Urlaub. In einem Gespräch am syrischen Fernsehen bestätigte er seinen Willen, das Land gegen ausländische Söldner zu verteidigen.
Ausserdem haben die Satellitenkanäle versucht, mehrere syrische Persönlichkeiten als Profiteure im Stile der eingeheirateten Verwandten von Ben Ali darzustellen. Sie haben ihre Kritik auf Rami Makhlouf, den reichsten Mann des Landes, konzentriert, der ein Cousin von Präsident al-Assad ist. Sie haben behauptet, er habe nach tunesischem Vorbild von allen ausländischen Unternehmen, die sich im Land niederlassen wollten, Anteile verlangt. Das ist absolut unbegründet und im syrischen Kontext unvorstellbar. In Wirklichkeit hat Rami Makhlouf das Vertrauen von Präsident al-Assad genossen, da er die Konzession für Mobiltelephone erhalten hat. Und wie alle andern in der Welt, die solche Konzessionen bekommen haben, ist er Milliardär geworden. Die wirkliche Frage, die sich stellt, ist, ob er aus der Situation Profit gezogen hat, indem er sich auf Kosten der Konsumenten bereichert oder nicht. Die Antwort ist: nein. Syratel bietet die billigsten Mobiltelefontarife der Welt!
Wie dem auch sei, die Lügenmedaille geht an Al-Jazira. Der katarische Sender ging so weit, Bilder einer Demonstration von 40 000 Moskauern zu zeigen, die das Ende der russischen Unterstützung für Syrien forderten. Tatsächlich handelte es sich dabei um Bilder, die anlässlich der jährlichen 1.-Mai-Kundgebung gedreht worden waren, in die der Sender Schauspieler eingeschleust hatte, um gefälschte Passantenbefragungen zu produzieren.

Reorganisation der Netzwerke von Prinz Bandar und der Administration Obama

Das konterrevolutionäre System der Sudairi stösst auf eine Schwierigkeit: Bis heute kämpfen die Söldner von Prinz Bandar unter der Flagge von Usama bin Ladin, ob das in Afghanistan, in Bosnien, in Tschetschenien oder anderswo ist. Zu Beginn als Antikommunist betrachtet, war bin Ladin allmählich zum Antiwestler geworden. Seine Weltanschauung war gekennzeichnet durch die Ideologie des Zusammenpralls der Zivilisationen, formuliert durch Bernard Lewis und verbreitet durch seinen Schüler Samuel Huntington. Sie erlebte ihre ruhmreiche Ära mit den Attentaten des 11. September und dem Krieg gegen den Terrorismus: Die Männer von Bandar zettelten überall Unruhen an, wo die Vereinigten Staaten intervenieren wollten.
In der aktuellen Situation ist es notwendig, das Bild der Dschihadisten zu ändern. Von heute an werden sie eingeladen, an der Seite der Nato zu kämpfen, wie sie einst an der Seite der CIA in Afghanistan gegen die Rote Armee gekämpft hatten. Deshalb ist es angemessen, auf den prowestlichen Diskurs von damals zurückzukommen und eine andere Grundlage dafür zu finden als den ­Antikommunismus. Dies wird die ideologische Arbeit von Scheich Youssef al-Qardawi sein.
Um diesen Schritt zurück zu erleichtern, hat Washington den offiziellen Tod von Usama bin Ladin verkündet. Nachdem diese Leitfigur verschwunden ist, können die Söldner von Prinz Bandar unter einer neuen Flagge mobilisiert werden.
Diese Neuverteilung der Rollen wird von einem Sesselrücken in Washington begleitet.
General David Petraeus, der als Kommandant des CentCom (Central Command) mit den Leuten Bandars im Nahen Osten verhandeln musste, wird Direktor des CIA. Wir müssen uns also auf einen beschleunigten Rückzug der Nato-Truppen aus Afghanistan gefasst machen und auf ein zunehmendes Engagement der Bandar-Söldner in geheimen Operationen der CIA.
Léon Panetta, der scheidende CIA-Chef, wird Verteidigungsminister. Gemäss interner Absprache der herrschenden Klasse in den Vereinigten Staaten soll dieser Posten für ein Mitglied der Kommission Baker-Hamilton reserviert sein. Nun ist der Demokrat Panetta – wie der Republikaner Gates – ein Mitglied dieser Kommission. Im Falle neuer Kriege müsste er die Aufgebote für Bodentruppen limitieren, ausser für Spezialtruppen.
In Riad und in Washington wird schon der Totenschein des arabischen Frühlings bereitgelegt. Die Sudairi können über den Nahen Osten das sagen, was «der Leopard» [im Roman «Il Gattopardo» von Giuseppe ­Tomasi di Lampedusa] über Italien sagte: «Alles muss geändert werden, damit nichts sich ändert und wir weiterhin die Herren bleiben.»    •

Quelle: <link http: www.voltairenet.org>www.voltairenet.org vom 11.5.2011
(Übersetzung Zeit-Fragen)

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