Schon wieder rückt die Demokratische Republik Kongo in die Schlagzeilen. Der amtierende Präsident Joseph Kabila hat die von der Verfassung des Landes vorgeschriebenen Neuwahlen auf unbestimmte Zeit verschoben. Mit dem Hinweis aus der Regierungszentrale in Kinshasa, zuerst müssten verlässliche Wahlregister her, ist zwar ein Hauptpunkt der demokratischen Strukturschwäche benannt, an denen Länder wie der Kongo leiden. Mit diesem taktischen Konnex sind aber demokratische Wahlen im Kongo auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Wo sollen verlässliche Wahlregister herkommen, in einem Riesenland, wo mit ein paar Dollar ein Registereintrag und ein entsprechender Pass «generiert» werden können, wenn es sein muss auch in massenhafter Ausfertigung, wie dies Beobachter schon bei den vergangenen Wahlen im Kongo bemängelten. «Le mal congolais» bleibt also nach dem Willen seiner Nomenklatura und ihrer Drahtzieher bestehen, mit allem Leid, das er für die Bevölkerung mit sich bringt, vor allem in den Ostprovinzen. Diese leidet seit mehr als 20 Jahren unter einem Dauerkrieg. Einer von den vielen und ein höchst grausamer dazu, für den viele nur ein Achselzucken übrig haben. Der kongolesiche Dauerkrieg, der insbesondere den Osten heimsucht, hat seit 1996 Millionen Menschenleben gekostet, davon mehrheitlich Zivilisten. In den betroffenen Gebieten, vor allem im Nord- und Südkivu, ist inzwischen jedes geordnete Leben dahin. Und die Dauerguerilla dauert an, Jahr für Jahr. Die Zivilbevölkerung ist (seit 20 Jahren!) nach wie vor dem jeder Beschreibung spottenden Treiben kriegerischer Horden unter wechselnden Namen ausgeliefert, während die Uno, die eigentlich für die Sicherheit der Zivilbevölkerung und die Einhaltung des Friedensvertrags von Sun City (von 2003!) sorgen müsste, aktiv wegsieht. Ein hartes Schicksal für die betroffene Bevölkerung, nach mehr als dreissig Jahren finsterster Diktatur Mobutus. Die beiden ersten Beiträge in dieser Zeitung zur jüngeren Geschichte des Kongos1 haben sich unter dem Titel «Kongo – Kleptokratie ohne Ende?» mit dem dramatischen Geschehen seit der kongolesischen Unabhängigkeitsfeier vom 30. Juni 1960, ihrer Vor- und Nachgeschichte und der Basis für die Diktatur Mobutu Sese Sekos auseinandergesetzt. Der dritte Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, warum auch der Post-Mobutu-Kongo nicht zur Ruhe kommt. Dabei wird deutlich, dass die Rohstoff-Begehrlichkeit nicht das einzige Übel ist, an dem das geplagte Land heute immer noch leidet. Die kongolesische Tragödie muss in weiteren Zusammenhängen gesehen werden, auch in geostrategischen.
Der zweite Teil von Mobutus langjähriger Alleinherrschaft über das riesige Land Kongo-Zaïre (1964–1997) stand ganz im Zeichen des Verfalls. Zwar hielt der Westen unter Führung der USA und seiner Geheimdienste an seiner traditionellen Kongo-Politik fest, die im stramm antikommunistischen Mobutu im Zentrum Afrikas einen immer noch verlässlichen strategischen Partner sah, der ihm zudem die begehrten Rohstoffe Kupfer, Kobalt, Uran und Koltan zu Dumping-Konditionen garantierte. Solange die «Feinde» des Westens, damals in erster Linie der kommunistische Ostblock, auch die Feinde Mobutus waren, war die Welt für die westlichen Grossmächte in Ordnung. Dafür nahm man in Kauf, dass der «Grosse Steuermann», Mobutu Sese Seko, die Menschenrechte mit Füssen trat und selbst die Ressourcen seiner Bevölkerung plünderte. Unter Duldung des Westens wanderte ein Grossteil der Einnahmen aus den Kupfer- und Diamanten-Minen Katangas in die Tasche des Diktators, dessen Privateigentum auf Grund dieser Fischzüge auf 8 Milliarden Dollar geschätzt wurde (Strizek 2003, S. 110). In diesem Raum bedrohten damals offen marxistische Regime oder solche, in denen sich selbst so nennende «Befreiungsbewegungen» aktiv waren (Tansania, Simbabwe, Mosambik, Angola), die geostrategischen Bollwerke des Westens in Afrika. Der Westen war auf die Erhaltung von Aufmarsch- und Unterstützungsgebieten für die prowestlichen militärischen Gegner dieser Regime oder militärisch operierenden Gruppierungen angewiesen, dies vor allem in Angola und im Südsudan. Der diskrete und willige Kongo hatte das unter Mobutu immer garantiert. Der strategische Stützpunkt Kongo im Herzen des südlichen Afrikas wurde noch wichtiger, als die Bush-Administration den Sudan (neben dem Irak) zum neuen «Sitz des Bösen» erklärte – und damit den arabisch-militanten Fundamentalismus zum neuen Hauptfeind Amerikas2. Es ist bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst während langer Jahre nicht nur schillernde Figuren wie Jonas Savimbi (Angola) oder John Garang (Südsudan) militärisch unterstützt hatte. Als Museveni in den späten achtziger Jahren in Uganda den langjährigen Kampf gegen den gegenüber dem Ostblock offenen Obote gewann (1986), wurde er zum «Musterknaben» des Westens. Mit dessen Unterstützung kopierte der dem Westen genehme «Repräsentant des neuen Afrikas» Altmeister Mobutu in zweierlei Hinsicht: durch ein striktes Einparteiensystem und durch die Ausrichtung der Beziehungen des Landes ganz auf den Westen und dessen Interessen. Wie schon bei Mobutu drückte dieser auch gegenüber Musevenis Einpartei-Herrschaft beide Augen zu. Zu wichtig war ihm, bei dem sich abzeichnenden Machtvakuum im grossen Nachbarland Kongo mit Musevenis Uganda wieder einen soliden Fuss im zentralen Afrika zu haben. Als drei Jahre später mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks auch auf dem afrikanischen Kontinent die Karten neu gemischt wurden, war für die westlichen Mächte und die verbliebene «einzige Weltmacht» (Brezinski) eine Machtlücke im geostrategisch so wichtigen Raum im Hinterland des Grossen Horns von Afrika erst recht nicht denkbar.3
Die bis zum Zweiten Weltkrieg vorherrschende Welt- und Kolonialmacht England hatte vor allem in Ostafrika Fuss gefasst und dort starke Brückenpfeiler gebildet. Sie waren nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch bedeutend. Mit der Kontrolle des Suez-Kanals, des Roten Meers und des Grossen Horns von Afrika (Golf von Aden!) sind geostrategisch wichtige Ziele genannt, die auch die neuen Herren der Welt, die «Erben» des englischen Imperiums, interessieren mussten. Es liegt, belegt durch umfassende historische Darstellungen, auf der Hand, dass es schon lange die Politik des Vereinigten Königreichs war, über Ägypten, Dschibuti, Somaliland, Kenia, das ehemalige Rhodesien, Sansibar und insbesondere Südafrika einen Gürtel von Stützpunkten zu schaffen, von dem aus sich das ganze östliche Afrika bis hinunter zum Kap kontrollieren liesse. Angesichts der neuen weltpolitischen Gegebenheiten, in denen die «einzige Weltmacht» den arabischen Fundamentalismus als einen seiner Hauptgegner bezeichnet und gegen ein aus dem Kalten Krieg zeitweise geschwächt hervorgegangenes Russland eine zunehmend aggressive Politik betreibt, ist mehr Präsenz und Kontrolle im Osten des Riesenkontinents Afrika lebenswichtig. Dazu kommen Sonderinteressen. Im Falle des Kongos sind das besonders seine begehrten Ressourcen an seltenen und für die neue Technologie lebenswichtigen Rohstoffen. Solange die Belgier im Kongo das Sagen hatten, waren entsprechende Lieferungen und Schürfrechte unproblematisch. Mobutu hatte gut verstanden, dass sein politisches Überleben davon abhing, dass er diesen Deal weiter garantierte. Das Uran, mit dem die Amerikaner ihre Prototyp-Atombomben entwickelt und über Hiroshima und Nagasaki dann auch gezündet hatten, stammte aus dem Kongo. Zu den heute begehrten Rohstoffen aus dem Kongo gehört neben den edlen und seltenen Metallen und Mineralien auch das höchst begehrte Koltan. Dessen Vorkommen ist weltweit auf wenige Fundorte begrenzt. Neuere Kommunikationstechnologien in Anwendung bei ferngesteuerten Raketen und Drohnen, aber auch die Produktion von Handys kommen nicht ohne Koltan aus. Im Ostkongo ist es gehäuft vorhanden und wird dort auch eifrig abgebaut. In den allermeisten Fällen unter kriminellen Bedingungen – eine der wesentlichen Erklärungen dafür, warum dort seit zwanzig Jahren, allen Friedensverträgen und Uno-Missionen zum Trotz, permanent Krieg herrscht. Er deckt mit seinen Wirren und gesetzlosen Räumen das mafiöse Treiben im Ostkongo, das sich dort seit zwanzig Jahren fest etabliert hat, unter der Ägide Ugandas und Ruandas und im Wissen des Westens, der Uno4, der EU und aller ihrer Geheimdienste: in stillschweigender Komplizenschaft.
Solche Gegebenheiten und geostrategische Neuausrichtungen veränderten die Ausgangslage für den Westen in Afrika in vielerlei Hinsicht. Ein grosser Konkurrent, der jahrelang die jungen afrikanischen Staaten mit den Mitteln sogenannter Befreiungsbewegungen in seine Arme zu treiben versuchte, der sowjetisch dominierte Ostblock, war als strategisches Machtzentrum verschwunden. Das galt auch für die klassische und zunehmend sich defensiv verhaltende ehemalige Kolonialmacht Frankreich mit ihren bis vor kurzem starken Verbindungen zu Nord-, West- und Zentralafrika, auch zum Kongo. Es eröffnete sich für Amerika die Chance, aus seiner Randstellung in Afrika herauszukommen und strategisch dort weiterzumachen, wo England aus weltpolitischen Gegebenheiten heraus aufhören musste: Die ostafrikanische Wirtschafts- und Militärachse wieder auf- beziehungsweise auszubauen, die nun neu unter amerikanischer Vorherrschaft stehen würde. Sie reicht auf den Strategiekarten der Grossmachtvisionäre von Kairo bis ans Kap. Amerikanische Militärs und Geheimdienststrategen in und um die amerikanische Kommandozentrale «Africom» (mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland!) haben für den mittleren Teil dieses Vorhabens inzwischen auch schon einen Namen: Es ist das Projekt GHAI: «Greater Horn of Africa Initiative». «Greater», weil es nicht nur die unmittelbar das afrikanische Horn umfassenden Staaten und Regionen unter amerikanischen Einfluss bringen will, sondern auch die dahinterliegenden Räume, einschliesslich Kenias und des Ostkongos. In diesem geostrategisch bedeutsamen langfristigen Plan haben die Strategien gegen die von Amerika so titulierten «Schurkenstaaten» so gut ihren Platz wie die bedingungslose Unterstützung Israels und seiner Aussenpolitik mit ihren internationalen Ausstrahlungen, auch die Wahl, langjährige dienstbare, aber auch unberechenbare Bündnispartner fallenzulassen beziehungsweise auszuwechseln, wie Saddam Hussein, Mohamar Gaddhafi oder eben Mobutu.
Vor diesem Hintergrund müssen wir auf die letzten Jahre von Mobutus Alleinherrschaft zurückblicken. Sie fallen zusammen mit der eben skizzierten «neuen» Afrika-Strategie. Mobutu war in den letzten Jahren seines Regimes persönlich geschwächt. Er überblickte nicht mehr, was sich in seinem Lande wirklich abspielte, insbesondere die zunehmende wirtschaftliche Verwahrlosung und Verelendung ganzer Landstriche als Folge der von ihm und seinen Getreuen betriebenen und vorgelebten Korruption. Daran änderten auch zaghafte und bald wieder abgeblasene Versuche des Diktators nichts, sein Regime durch vordergründige sogenannte «Demokratisierungsmassnahmen» für die Weltbank und ihre Kapitalflüsse akzeptabler zu machen.
Ein ab 1990 unernsthaft betriebener sogenannter «Nationaler Dialog» («consultations populaires») brachte trotz der sorgfältigen Regie der Regierung schwerwiegende Missstände zu Tage. Eine zweimal einberufene und dann wieder abgesagte «Souveräne Nationale Konferenz» (1991–1992) führte zu keinen entscheidenden Reformschritten. Zudem machte dem alternden Diktator sein gesundheitlicher Zustand zu schaffen. Seit Jahren hatte er die Regierungsgeschäfte mehr und mehr seiner Kamarilla überlassen und sich auf seinen Privatsitz in seinem Heimatdorf Gbadolite zurückgezogen. Inzwischen laborierte ein zahnloses sogenanntes Übergangsparlament mit vom Diktator handverlesenen Abgeordneten an einer neuen Verfassung. Dessen Kompetenzen waren so fragwürdig wie seine Zusammensetzung.
In diesem von Mobutu unehrlich geführten «Dialog», der angeblich zu einer Öffnung führen sollte, war etwas unabweisbar: der wachsende Druck von unten, von der Bevölkerung selbst, der vom ersten Murren in ein unüberhörbares Grollen übergegangen war. Am Stärkerwerden eines erneuerten kongolesischen nationalen und demokratischen Selbstbewusstseins hatten auch die christlichen Kirchen ihren Anteil. Sie hatten schon lange ein offenes Ohr für die Anliegen der Bevölkerung und ihre Forderung nach menschenwürdigen Zuständen und echter Demokratisierung und unterstützten diese in mutigem Eintreten für die Würde aller Kongolesen.5
Alle diese Faktoren bewirkten, dass sich die westlichen Geheimdienste, insbesondere diejenigen des atlantischen Bündnisses, in den neunziger Jahren darüber einig waren: Mobutu ist nicht mehr tragbar! Die Frage war nur, auf welchen neuen «Partner» die neue Afrika-Politik des Westens setzen sollte.
Alle Welt staunte, als sie vor nunmehr genau 20 Jahren, im Spätherbst 1996, plötzlich erfuhr, im Osten des Kongos habe sich eine militärische Allianz von «Rebellen» gegen Mobutu gebildet, welche entschlossen sei, den Diktator mit militärischen Mitteln zur Abdankung zu zwingen. Nur schon geographisch schien das Vorhaben vermessen, ganz abgesehen von seiner militärischen Kühnheit. Noch mehr staunten die Beobachter, als sie erfuhren, dass sich hinter dem wohlklingenden, aber vorher nie gehörten Namen AFDL (Alliance des Forces Démocratiques pour la Libération du Congo) eine gut ausgebildete, modern bewaffnete und offensichtlich kampferprobte Armee verbarg, die in einem Blitzkrieg von Sieg zu Sieg eilte und innert kürzester Zeit die grossen Städte des Westens und im Juli 1997 auch die Hauptstadt Kinshasa in ihre Gewalt brachte, praktisch kampflos. Und am meisten staunte sie über ihren Oberbefehlshaber, von dem auch Afrika-Kenner kaum je den Namen gehört hatten: ein gewisser Laurent Désiré Kabila. Der franko-kamerunische Journalist Charles Onana hat die Hintergründe dieses Geschehens in verschiedenen, mit grosser Akribie recherchierten Büchern aufgedeckt. Dabei stützte er sich auf Berichte von Augenzeugen, Menschenrechtsgruppierungen und mehrfach vorliegende Hinweise auf schwerwiegende Kriegsverbrechen, die in den beiden jüngsten Kongo-Kriegen (1996/97 und 1998–2003) von Truppen der AFDL und dem hinter ihr stehenden FPR (Front Patriotique Rwandais) begangen wurden. Er hatte auch Zugang zu den amerikanischen Archiven, auch solchen der Geheimdienste. Die hier und im Schlussteil folgenden Ausführungen zu den Hintergründen der beiden Kriege und der andauernden Krisensituation im Ostkongo folgen insbesondere seinem Buch «Ces Tueurs Tutsi», das 2009 im französischen Verlag Editions Duboiris auf Französisch erschienen ist. Onanas Ausführungen werden durch inzwischen in grosser Zahl vorliegende Arbeiten, Berichte, Dokumente und Publikationen von Historikern und Politikwissenschaftern, unter anderem auch den Arbeiten des exilkongolesischen Historikers Stanislas Bucyalimwe Mararo, bestätigt. Sie alle unterliegen dem gleichen Schicksal, wie der Beitrag von Stanislas Bucyalimwe an den diesjährigen Septembergesprächen von «Mut zur Ethik» einmal mehr betonte: Es ist der von den neuen Machthabern in Kigali über die traurige Wahrheit im Ostkongo verhängte Schleier, eine Art hartnäckige Omertà, die mindestens so effizient ist wie die «klassische» der italienischen Mafia. Sie wird nicht nur von den westlichen Regierungen peinlichst beachtet, sondern vor allem auch von den meinungsmachenden Medien. Über alles Mögliche wissen westliche Medienkonsumenten «Bescheid», nur über eines nicht: was sich unter dem bei uns geläufigen Titel «kongolesischer Befreiungskrieg» im östlichen Teil des Kongos nach der Rückeroberung der Macht durch die ruandischen Tutsis 1994 unter dem jetzigen Präsidenten Paul Kagamé wirklich abgespielt hat. Es sprengt auch jede Vorstellung.
Onanas Untersuchungen bringen Licht in die oben gestellten Fragen. Sie zeigen zweifelsfrei auf: Die Ereignisse im Ostkongo, das dort schwärende langjährige Flüchtlingsproblem und seine «Lösung» bei gleichzeitiger Besetzung weiter Teile des Ostkongos durch Truppen, die hauptsächlich unter der Regie der ruandischen Tutsi-Extremisten im Gefolge von Paul Kagamé standen, und die illegale Plünderung seiner Rohstoffe durch Ruanda, mit allen unerträglichen Folgen für die dortige Zivilbevölkerung, waren nicht einfach das Resultat der Schwäche Mobutus. Es waren Ereignisse, die in einem weltpolitischen Zusammenhang stehen. Sie wurden von langer Hand vorbereitet und hatten eine Schlagkraft, über die nur Grossmächte verfügen. Heute weiss man auch, welche Grossmacht hauptsächlich die beiden jüngsten Kriege im Kongo (1996/97 und 1998–2003) steuerte und den Kongo, der ein Koloss auf tönernden Füssen geworden war, der Willkür der heute unbestritten in Kigali wieder regierenden Tutsi-Extremisten auslieferte. Die Wahl, bei Mobutus Entmachtung auf die militärische Karte zu setzten, ging von den USA aus. Ebenso der Entscheid, den so genannten «Rebellionskrieg» der AFDL gegen Mobutu nicht von Uganda, sondern von Ruanda aus und unter der militärischen und logistischen Führung der in langen Jahren kampferprobten Tutsi-Extremisten vom FPR (Front Patriotique Rwandais) ausführen zu lassen. Dass die Wahl des neuen Aushängeschilds dann ausgerechnet auf Laurent Désiré Kabila fiel, ist eine Geschichte für sich. Sie und die sich bis zum heutigen Tag auswirkenden katastrophalen Folgen für den Ostkongo werden im Schlussteil dieser Artikelserie aufgegriffen. Die dort geschilderten Vorkommnisse und Zeugnisse zeigen, dass diese Wahl mindestens so fragwürdig war und in ihren Auswirkungen für die kongolesische Bevölkerung noch inakzeptabler als seinerzeit diejenige, den Kongo dem damals noch jungen und wenig bekannten Obersten Mobutu auszuliefern. •
1 Zeit-Fragen Nr. 32/33 vom 22.12.2015 und Nr. 6 vom 15.3.2016
2 vgl. dazu Strizek, 2003, S. 115–126
3 vgl. dazu auch die im Annex angegebenen Publikationen von Stanislas Bucyalimwe Mararo
4 Zur Plünderung der ostafrikanischen Minen, insbesondere der Koltan-Minen, sind inzwischen mehrere umfassende Uno-Berichte vorhanden, welche das illegale Treiben unter militärischer Schirmherrschaft von Ruanda und in seinem Dienst stehende Guerilla-Armeen (unter wechselnden Fantasienamen wie CNDP oder M23) und deren Protektionisten und Profiteure klar beim Namen nennen, unter anderen derjenige des Uno-Spezialrapporteurs Roberto Garreton. Sie haben bisher wenig Wirkung gezeigt.
5 Die Haltung der katholischen Kirche, die sich schon lange und immer eindringlicher für die Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde im Kongo eingesetzt hatte, wird zum Beispiel in einem Memorandum der kongolesischen Bischöfe deutlich. In diesem Hirtenbrief, veröffentlich zur Zeit der «Öffnung», setzen sich die kongolesischen Bischöfe pointiert für ein Mehrparteiensystem ein, gegen die Unterstützung der Diktatur durch die nationale und internationale Hochfinanz sowie die Aufgabe des systemeigenen «Nepotismus», der das Land in eine tiefe Krise geführt habe (Mémorandum des évêques zaïrois au chef de l’Etat, zit. in: Malu-Malu, Jean-Jacques Arthur. Le Congo Kinshasa, Paris 2002, éd. Karthala, S. 190f.).
Quellen:
Bucyalimwe Mararo, Stanislas. «Le Nord-Kivu au coeur de la crise congolaise.» In: Reyntjens, Filip et Marysse, Stefaan (éd.). L’Afrique des Grands Lacs. Annuaire 2000–2001, Paris (L’Harmattan) 2001,
p. 153–185
Ders. «L’Est de la République Démocratique du Congo. Dix Ans de Transitions conflictuelles (1996–2006), ib., Annuaire 2005/2006, p. 261–285
Malu-Malu, Jean-Jacques Arthur. Le Congo Kinshasa. Paris 2002, éd. Karthala
Onana, Charles. Ces tueurs Tutsi. Au coeur de la tragédie congolaise, Paris (éditions Duboiris) 2009, ISBN 978-2-916872-08-7
Strizek, Helmut. Kongo/Zaïre-Ruanda-Burundi – Stabilität durch erneute Militärherrschaft? Studie zur «neuen Ordnung» in Zentralafrika. München/Köln/London (Weltforum Verlag) 1998; ISBN 3-8039-0479-X
pk. Der Begriff bezeichnet eine politische Herrschaftsform, die davon lebt, die eigene Bevölkerung systematisch zu berauben. Mobutus mehr als 30jährige Diktatur ist ein Musterbeispiel dieser Form von Diktatur. Die Bodenschätze des Landes wurden zu günstigen Konditionen ausgebeutet und den westlichen Abnehmern zu privilegierten Konditionen überlassen. Das aus den Schürfrechten regelmässig zufliessende Geld wurde auf die privaten (ausländischen) Konten der Familie des Diktators und seiner ihm Ergebenen geleitet und dadurch seinem natürlichen Fluss entzogen. Es fehlte mithin bei Investitionen im Gesamtinteresse des Staates und wurde denen, die es unter untolerierbaren Bedingungen generierten, systematisch und in mehrfacher Hinsicht entzogen. Ein Blick auf den aktuellen Kongo zeigt, dass sich daran nichts Wesentliches geändert hat, im Gegenteil.
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