Langfristig, innerhalb der nächsten zehn Jahre, wird Frankreich zum Problemfall einer verkleinerten Euro-Zone werden. Die französische Wirtschaft wächst kaum noch, die Neuverschuldung liegt um das Dreifache über dem Maastrichter Grenzwert, die Leistungsbilanz steckt tief im Minus. Auch Frankreich hat begonnen, von der Substanz zu leben. Das Land musste sich 2010 netto 74 Milliarden aus dem Ausland borgen. In den vier Jahren unter Sarkozy wuchsen die Staatsschulden um 430 Milliarden. Aus einer Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) in Freiburg geht hervor, dass die Griechen seit zehn Jahren mehr konsumieren, als sie selbst im Inland erwirtschaften, die Portugiesen seit acht Jahren, die Italiener seit drei Jahren – und die Franzosen seit 2010.
Auch im wohlverstandenen französischen Interesse war es kurzsichtig, den Euro als Preis für die Wiedervereinigung zu erpressen und dann auch noch die Aufnahme der schwachen Mittelmeerländer in die Währungsunion durchzusetzen, um die Bundesbank im EZB-Rat majorisieren zu können. Hinzu kommt, dass Frankreich als zweitgrösster Anteilseigner der EZB und damit als zweiter Zahlmeister nach Deutschland für die Rettungspakete mithaftet und im Ernstfall noch weniger als Deutschland in der Lage wäre, seine Kreditgarantien zu honorieren. In Paris hält sich die Lust, für andere zu zahlen, in engen Grenzen. In Frankreich fehlt aber auch eine industrielle Basis wie in Deutschland. In Paris geht man offenbar davon aus, dass sich die Kapitalmärkte bluffen lassen und an die Euro-Rettung glauben. Dass der französische Steuerzahler am Ende wirklich zur Kasse gebeten werden könnte, liegt ausserhalb des französischen Kalküls.
Erfreulich sind solche Perspektiven nicht, weil die Partnerschaft mit Frankreich zu Recht einen hohen Stellenwert für die deutsche Aussenpolitik besitzt. Um so wichtiger wäre es, gemeinsam mit Paris einen Plan B auszuarbeiten, um einem unkontrollierten Zusammenbruch der Euro-Zone zuvorzukommen. Im Laufe der Finanzgeschichte sind immer wieder Regierungen und Banken in Konkurs gegangen und wurden Währungen durch neue ersetzt – ohne Selbstverantwortung keine Freiheit.
Wie jede ungedeckte, auf Kredit basierende Währung lebt der Euro vom Vertrauen der Marktteilnehmer. Dieses lässt sich nicht verordnen, es kann über Nacht wegbrechen. Ein Ausscheiden Griechenlands schon im Mai 2010 hätte den Euro nicht geschwächt, sondern gestärkt. Die gemeinsame Währung ist kein Selbstzweck. Sie muss mehr Vorteile als Nachteile bieten. Der Euro ist mit der EU ebensowenig identisch wie diese mit Europa. Zu behaupten, dass Europa scheitern werde, wenn der Euro scheitert, ist fahrlässig, unverantwortlich und objektiv falsch. •
Quelle: G&M Gold & Money Intelligence, herausgegeben von Bruno Bandulet, Nummer 362, 1.8.2011
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