Waffenschmuggel nach Syrien unter den Augen der Deutschen

Waffenschmuggel nach Syrien unter den Augen der Deutschen

Waffenlieferungen an die Rebellen haben seit dem Waffenstillstand im April Rekordhöhe erreicht
Waffen aus einem Depot, das Katar bei Benghasi eingerichtet hat
Deutsche werden ihrem Kontrollauftrag bei Tripoli nicht gerecht

Ein beträchtlicher Teil des Waffenschmuggels an die Aufständischen in Syrien vollzieht sich unter den Augen der deutschen Marine. Dies geht aus einer Vielzahl aktueller Berichte hervor. Demnach werden syrische Rebellenmilizen in grossem Massstab auf dem Seewege mit Kriegsmaterial versorgt; Haupt­umschlagplatz ist die libanesische Hafenstadt Tripoli. Schiffe der deutschen Marine kontrollieren die libanesischen Küstengewässer im Rahmen der Vereinten Nationen (Unifil) – offiziell mit dem Ziel, Waffenschmuggel zu unterbinden. Die Einheiten, denen am 18.6.12 der Berliner Verteidigungsminister einen Besuch abstattete, errichten zudem in Tripoli, einem Drehkreuz auch für salafistische Kämpfer vom Hindukusch, eine Radaranlage zur Küstenkontrolle. Laut renommierten Journalisten haben die Waffenlieferungen an die Rebellen seit dem Waffenstillstand im April Rekordhöhe erreicht. Mit den Waffen kontrollieren die aufständischen Milizen mittlerweile ein umfassendes Gebiet in Syrien, das sie als Rückzugsort nutzen und in dem sie einen «Parallelstaat» unterhalten. Grosse Teile der innersyrischen Opposition lehnen die militärischen Operationen der oft islamistisch ­orientierten Aufständischen ab, da sie die Eskalation konfessioneller Gewalt fürchten. Das Massaker von Hula bekräftigt ihre Sorge.

Einsatzziel: Aufklärung und Kontrolle

Der Berliner Verteidigungsminister hat am 18.6.12 den deutschen Marinetruppen, die im Rahmen der United Nations Interim Force in Libanon (Unifil) vor der libanesischen Küste operieren, einen Besuch abgestattet. Derzeit sind dort zwei Schnellboote und ein Versorgungsschiff der Bundeswehr mit insgesamt 230 Soldaten im Einsatz. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Ausbildung und der Ausstattung der libanesischen Marine die Unterbindung von Waffenschmuggel. Ausdrücklich heisst es beim Bundesverteidigungsministerium, die deutschen Soldaten sorgten für «Aufklärung und Kontrolle der Seewege sowie die Umleitung von Schiffen im Verdachtsfall». Zusätzlich sind deutsche Militärs laut Auskunft der Bundesregierung gegenwärtig mit dem Aufbau der achten von neun geplanten Küstenradarstationen beschäftigt; sie befindet sich in Tripoli. Am 6. Juni hat die Bundesregierung beschlossen, das Mandat für die deutschen Unifil-Einheiten um ein Jahr zu verlängern; unmittelbar danach hat Aussenminister Guido Westerwelle die Kriegsschiffe besucht. In den nächsten Tagen soll nun der Deutsche Bundestag der Mandatsverlängerung in aller Form zustimmen. Ob das Flottendienstboot der Bundesmarine, ein Spionageschiff, das Ende 2011 in nationalem Auftrag vor der Küste Syriens kreuzte, dort noch im Einsatz ist, ist unbekannt. Es war während des Libyen-Krieges in geheimer Mission im Mittelmeer unterwegs.

Hauptumschlagplatz

Das Seegebiet, in dem die Bundesmarine zur Schmuggelverhinderung operiert und über das daher in Berlin exquisite Kenntnisse vorliegen müssen, gilt als eine der wichtigsten Nachschubrouten der bewaffneten syrischen Rebellen. Der Hafen von Tripoli, heisst es, sei der «Hauptumschlagsplatz» für Waffen, die zu einem erheblichen Teil von Saudi-Arabien, Katar und möglicherweise noch anderen arabischen Golf-Diktaturen bezahlt würden. Die Rüstungsgüter gelangten – «zumeist in Containern versteckt» – in den dortigen Hafen, wo sie umgeladen und über Land nach Syrien verbracht würden. Die nächstgelegene syrische Grossstadt ist Homs, eines der ersten Zentren bewaffneter Kämpfe. Ursprünglich sei dies «der wichtigste Weg des Waffenschmuggels» gewesen, wird berichtet; erst in jüngster Zeit habe «ein Korridor aus der türkischen Provinz Hatay nach Idlib» im Norden Syriens grössere Bedeutung erlangt. Laut Militärfachleuten sind beispielsweise Waffen aus einem Depot, das Katar bei der ostlibyschen Stadt Benghasi eingerichtet hat, via Tripoli nach Syrien transportiert worden. Im vorwiegend von Sunniten bewohnten Tripoli, in dem syrische Oppositionelle sehr stark präsent sind und aktive politische Strukturen unterhalten, sammeln sich ausserdem mehrere hundert militante Salafisten, viele davon aus Afghanistan, Pakistan und dem Irak, um über die nahe Grenze nach Syrien einzusickern. Das Geschehen erinnert an die einstige Rolle der pakistanischen Grenzstadt Peshawar: Diese wurde in den 1980er Jahren ebenfalls von militanten Islamisten als Rückzugsort genutzt, um sich nach Überfällen in Afghanistan dem Zugriff der dortigen Streitkräfte zu entziehen.

Parallelstaat

Dass vom Westen protegierte Milizionäre sich trotz bestehenden Waffenembargos mit Kriegsgerät eindecken können, ist nicht neu: Dies geschah etwa in den jugoslawischen Zerfallskriegen, zuletzt im Libyen-Krieg. Dabei berichten Beobachter, dass die Aufrüstung der syrischen Aufständischen sich dramatisch beschleunigt. Diese hätten «die kurze Waffenruhe» ab dem 12. April nutzen können, «um sich neu zu organisieren und mit Waffen zu versorgen». Mittlerweile verfügten sie über Mörser, Sturm- und Maschinengewehre sowie Panzerabwehrraketen; seit Ende Mai seien damit mindestens zwei Dutzend syrische Panzer zerstört, seit Beginn des «Waffenstillstands» im April mehr als 1000 syrische Soldaten getötet worden. Die Milizionäre operierten inzwischen auch innerhalb Syriens «aus einem vergleichsweise sicheren Rückzugsgebiet heraus», berichtet der Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», einer der renommiertesten Kenner der Region. Sie kontrollierten ein Gebiet «mit den Eckpunkten Idlib und Dschisr al Schughur im Norden sowie Salhab und Hama im Süden». Dort hätten sie mittlerweile «einen Parallelstaat eingerichtet, in dem sie Recht sprechen, Waffen verteilen und auch produzieren sowie ihre Operationen vorbereiten. Langsam weiten sie ihr Herrschaftsgebiet aus.»

Opposition gegen Gewalt

In der syrischen Opposition ist dies alles höchst umstritten. Ursache ist die extrem sensible religiöse Situation in dem Land, dessen zahlreiche Glaubensminoritäten mehr als ein Viertel der Bevölkerung umfassen. Die Konfessionalisierung der Gewalt, vor der Experten schon im Frühjahr 2011 warnten, ist inzwischen eingetreten; religiös motivierte Morde sind an der Tagesordnung. Man dürfe deshalb durch Religion inspirierten Kämpfern oder gar salafistischen Milizionären keinerlei Unterstützung gewähren, verlangt etwa das «National Coordination Committee for Democratic Change», ein in Damaskus angesiedelter Zusammenschluss von Oppositionsgruppen, der den bewaffneten Kampf gegen das Regime wegen der mit ihm verbundenen Gefahren strikt ablehnt – ganz wie auch jegliche westliche Intervention. Die Lage im Irak und in Libyen könne als warnendes Exempel dienen, heisst es. Das vor Ort tätige «National Coordination Committee» beklagt, dass der Westen vor allem den im Exil ansässigen und in Syrien kaum verankerten «Syrian National Council» als Partner nutzt, um für sein Vorhaben, das Assad-Regime mit Gewalt zu stürzen, syrische Verbündete zu sammeln. Anders als im «National Coordination Committee» besitzen islamistische Organisationen im «Syrian National Council» erheblichen Einfluss, insbesondere die ins Exil getriebene Muslimbruderschaft.

Medienmacht

Welche Dimension die religiös motivierte Gewalt bei den vom Westen unterstützten Milizionären bereits annimmt, zeigt das Massaker von Hula. Wie Berichte eines der renommiertesten deutschen Korrespondenten in der arabischen Welt zeigen, wurde es mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht von regierungsnahen Banden («Shabiha»), sondern von sunnitischen Aufständischen begangen. Dabei wurden gezielt Familien aus religiösen Minderheiten mit ihren Kindern ermordet (german-foreign-­policy.com berichtete). Selbst das saudische Regime fürchtet jetzt, in Syrien Krieg führende saudische Salafisten könnten dereinst heimkehren und sich gegen die Dynastie der Al Saud wenden – weil sie ihnen als kompromisslerisch gilt. Eine Fatwa aus Riad vom 7. Juni untersagt deshalb nun, den «Dschihad in Syrien» zu führen. Einheimische Milizionäre sowie in Syrien kämpfende Salafisten aus anderen Ländern werden aber weiter von Saudi-Arabien und weiteren Golf-Diktaturen unterstützt – mit Waffenlieferungen und der Medienmacht von al-Jazira. Der Sender aus Katar hat der syrischen Opposition seit Beginn der Proteste unter die Arme gegriffen. Welcher Techniken er sich dabei bedient, das beschrieb unlängst eine Nonne aus der Ortschaft Qara südlich von Homs, die Augenzeugin von Greueltaten wurde. Sie beobachtete, wie Milizionäre «erst einen Händler, der sein Geschäft zu schliessen sich geweigert hatte, durch eine Autobombe töteten und dann vor einer Kamera von al-Jazira sagten, das Regime habe die Tat begangen». Als sich Aussenminister Westerwelle kürzlich in Katar aufhielt, stattete er al-Jazira einen persönlichen Besuch ab und gab dem Sender ein exklusives Interview.    •

Quelle: <link http: www.german-foreign-policy.com>www.german-foreign-policy.com vom 19.6.2012

«FAZ»: CIA koordiniert Waffenlieferungen an syrische Rebellen

zf. Am 22. Juni berichtete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung», dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA den Fluss von Waffen an die syrischen Rebellen überwacht und zu koordinieren versucht. Die Zeitung schreibt: «Wie amerikanische Medien unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter in Washington und in arabischen Staaten berichten, ist eine kleine Gruppe von CIA-Agenten im Süden der Türkei im Einsatz, um mit den Diensten verbündeter Staaten zu entscheiden, welche Widerstandsgruppe welche Waffen erhält. Die Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen umfassen Maschinengewehre, Munition, schultergestützte Raketen sowie Panzerabwehrwaffen. Die Waffen werden von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar bezahlt und zum grossen Teil über die Landesgrenze von der Türkei aus nach Syrien geschmuggelt.» Die CIA-Mitarbeiter seien nach übereinstimmenden Berichten der «New York Times» und des «Wall Street Journals» seit einigen Wochen in der Südtürkei im Einsatz.

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